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OGH vom 05.09.2001, 9ObA199/01g

OGH vom 05.09.2001, 9ObA199/01g

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer und Dr. Spenling sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Peter Scheuch und Dr. Anton Wladar als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Michael D*****, Arbeiter, *****, vertreten durch Dr. Georg Grießer und andere, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei F*****GmbH, ***** vertreten durch Schönherr, Barfuss, Torggler & Partner, Rechtsanwälte in Wien, wegen Kündigungsanfechtung (Streitwert S 500.000), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 7 Ra 51/01y-23, womit über Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom , GZ 26 Cga 117/99m-19, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 24.139,80 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 4.023,30 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger begehrt, die am zum ausgesprochene Kündigung für rechtsunwirksam zu erklären. Im Rahmen einer Änderungskündigung sei ihm der Fortbestand seines Arbeitsverhältnisses zu einem gegen seinen bisherigen Verdienst von S

26.500 brutto unzumutbaren geringeren Entgelt von S 12.000 brutto angeboten worden, der er nicht zugestimmt habe. Die Kündigung sei sozialwidrig. Der Arbeitsplatz des Klägers sei mit wesentlich billigeren Leiharbeitskräften besetzt worden.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Zur Sanierung des Unternehmens, das 1998 einen Verlust von S 15 Mio erwirtschaftet habe, sei als Sanierungsmaßnahme die Senkung der Personalkosten auf Löhne und Gehälter die nicht mehr als 20 vH über den kollektivvertraglichen Mindestentgelten für Handelsarbeiter bzw Handelsangestellte liegen, unvermeidbar gewesen. Der Kläger sei stark überzahlt gewesen und habe dieses betriebsnotwendige geringere Lohnanbot abgelehnt.

Feststeht:

Der Kläger ist 1965 geboren und mit als Expeditarbeiter bei der Beklagten eingetreten. Er hatte im März 1999 einen Bruttomonatsbezug von S 27.776,78; im Schnitt ca S 26.500 brutto monatlich. Der Bilanzverlust der Beklagten betrug 1996 mehr als S 19 Mio und erhöhte sich 1997 auf S 25 Mio. Der Wirtschaftstreuhänder sowie eine A***** GmbH rieten der Beklagten die Personalaufwendungen zu reduzieren, da nach dem Kollektivvertrag für Handelsarbeiter eine Überentlohnung zwischen 45 bis 120 vH gegeben sei. Bei Lohnzahlungen von 20 vH über dem Kollektivvertrag-Mindestlohn könnte sich eine Kostenentlastung im Geschäftsjahr von S 6,9 Mio ergeben; bei Reduktion der Angestelltengehälter von 20 vH über dem Kollektivvertrag-Mindestlohn eine solche von S 1,7 Mio jährlich. Bei Einsatz von Fremdpersonal bei einer Stundenleistung von S 120 könnten S 16,1 Mio eingespart werden. Dies würde nicht nur eine Verlustminderung, sondern auch einen Ertrag herbeiführen.

Der Geschäftsführer der Beklagten stellte in der Folge Überlegungen an, die Löhne zu reduzieren und versuchte die Arbeiter im Betrieb der Beklagten zur Zustimmung zu einer Änderungskündigung zu bewegen. Dem Betriebsratsvorsitzenden wurde diese Maßnahme angekündigt. Der Kläger erhielt im Februar 1999 ein Änderungskündigungsangebot. Der Grundlohn sollte 20 vH über dem Kollektivvertrag der Handelsarbeiter liegen, wozu Zuschläge für Nacht-, Sonntags- und Feiertagsarbeiten kämen. Der Kläger stimmte der Änderungskündigung nicht zu und wurde am zum gekündigt. Nicht bei allen ausgeschiedenen Mitarbeitern, darunter dem Kläger, wurden deren Tätigkeiten von Leiharbeitern übernommen. Die anspruchsvolleren Tätigkeiten, wie sie der Kläger geleistet hatte, wurden von Stammarbeitern der Beklagten durchgeführt, die im Lohnniveau niedriger als der Kläger waren. An die Stelle der billigeren Stammarbeiter sind Leiharbeiter gerückt. Es wurden auch die Schichten geändert, sodass nicht gesagt werden kann, dass der Arbeitsplatz des Klägers von einem Leiharbeiter ausgefüllt wurde. Wegen Beschäftigung illegaler Arbeiter kam es in der Folge nach einer am durchgeführten Razzia zu einer Strafanzeige des Arbeitsinspektorats für Bauarbeiten. Dem Geschäftsführer wurde vorgeworfen, dass er 11 Ausländer ohne Beschäftigungsbewilligung beschäftigt habe. Der Geschäftsführer hatte sich zur Kündigung der "teuren Arbeitnehmer" entschlossen, um mit den anderen Stammarbeitern und Leiharbeitern den Betrieb fortzuführen. Aus den Ausführungen des Berufungsgerichtes ergibt sich ferner, dass die beklagte Partei offensichtlich nicht allen Arbeitnehmern mit einem dem Kläger vergleichbaren Lohnniveau gegenüber eine Änderungskündigung ausgesprochen hat.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Die Kündigung habe zu einer massiven Beeinträchtigung der Interessen des Klägers geführt. Er habe nur wenig Chancen, in seinem ursprünglich erlernten Beruf als Elektroinstallateur Fuß zu fassen und könne erst nach einem Zeitraum von ca sechs Monaten nach der Kündigung einen Arbeitsplatz mit einem Bruttogehalt von S 17.000 bis S 19.000 erhalten. Eine ca 30 %ige Einkommenskürzung müsste vom Kläger in Kauf genommen werden. Eine Langzeitarbeitslosigkeit hingegen liege nicht vor. Es liege jedoch Betriebsbedingtheit der Kündigung vor, weil zur Sanierung des Unternehmens die Kündigung der teuren Arbeitnehmer erforderlich gewesen sei. Bei Gegenüberstellung der Interessen des Klägers und der beklagten Partei sei die Interessenabwägung zugunsten der beklagten Partei vorzunehmen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers Folge und erkannte im Sinne des Klagebegehrens.

Das Berufungsgericht bejahte die schon vom Erstgericht angenommene wesentliche Interessen- beeinträchtigung des Klägers, weil die Annahme des Angebotes des Arbeitgebers zur Änderung der Arbeits- und Entgeltbedingungen bei einer Einkommenseinbuße von bis zu maximal 40 vH jedenfalls unzumutbar gewesen sei. Bei Prüfung der Relation sei vom bisherigen Einkommen auszugehen. Die beklagte Partei sei jedoch ihrer sozialen Gestaltungspflicht nicht nachgekommen, weil der Arbeitsplatz des Klägers nicht weggefallen sei, sondern infolge einer Umschichtung die Arbeit des Klägers durch Stammarbeiter der Beklagten mit einem niedrigeren Lohnniveau verrichtet werde und anstelle der billigeren Stammarbeiter Leiharbeiter nachgerückt seien. Die Beschäftigung von Leiharbeitskräften komme dem Einstellen von Arbeitskräften gleich. Es ergebe sich überdies, dass die Beklagte die Änderungskündigung offensichtlich nicht allen Arbeitnehmern mit einem dem Kläger vergleichbaren Lohnniveau gegenüber ausgesprochen habe. Sie habe nicht ins Treffen geführt, dass der Ersatz der beschäftigten Arbeitskräfte durch Leiharbeitnehmer eine notwendige Rationalisierungsmaßnahme gewesen sei. Die Beklagte habe den Verdacht der Beschäftigung unzulässiger Arbeitskräfte nicht von der Hand weisen können und habe mit der von ihr gewählten Vorgangsweise ihrer sozialen Gestaltungspflicht nicht entsprochen. Die Kündigungsanfechtung sei daher berechtigt.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der beklagten Partei wegen Aktenwidrigkeit und unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache mit dem Antrag, in Abänderung des berufungsgerichtlichen Urteiles das Klagebegehren abzuweisen; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die klagende Partei stellte den Antrag, der Revision keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Der Revisionsgrund der Aktenwidrigkeit liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

Die Rechtsrüge ist nicht begründet.

Die Revisionswerberin wendet sich nicht gegen die Annahme der wesentlichen Interessenbeeinträchtigung des Klägers, sodass hiezu nichts weiter auszuführen ist.

Die betriebswirtschaftliche Notwendigkeit von Rationalisierungsmaßnahmen ist grundsätzlich nicht vom Gericht zu prüfen. Insoweit besteht unternehmerische Entscheidungsfreiheit bei gegebener Dringlichkeit der betrieblichen Erfordernisse (SZ 70/112; 8 ObA 96/97v; 8 ObA 80/99v). Die festgestellte Unternehmenssituation mit einem Bilanzverlust von mehr als S 19 Mio 1996 und S 25 Mio 1997 im Zusammenhang mit dem vom Wirtschaftstreuhänder und der A***** GmbH empfohlenen Maßnahmen wie, die überkollektivvertraglichen Personalaufwendungen zu reduzieren, machte den Entschluss der beklagten Partei zur Änderungskündigung und zur Kostenreduzierung durch Einschränkung besonders hoher Gehälter plausibel (DRdA 1988/10 [Floretta]; SZ 70/112). Dass als Alternative der Einsatz von Leiharbeitskräften in Frage kam, hat die Beklagte vorgebracht. Wird berücksichtigt, dass nach der vorgenommenen Prognose bei der Reduktion der Löhne und Gehälter sich Kostenentlastungen von S 6,9 bzw S 1,7 Mio ergeben, dann müsste die Maßnahme zu einer Verbesserung der Marktposition der Beklagten führen und es läge eine betriebswirtschaftlich sinnvolle Rationalisierungsmaßnahme vor (Karl, Anfechtung einer Änderungskündigung wegen Sozialwidrigkeit DRdA 2000, 363 f).

Die wirtschaftliche Bedingtheit der Kündigung ist vom Arbeitgeber jedoch in rational nachvollziehbarer Weise darzutun (DRdA 1989/24; Arb 10.874; 9 ObA 310/93). Eine Kündigung ist nur dann betriebsbedingt, wenn sie eine normale und für jedermann nachvollziehbare betriebswirtschaftliche Konsequenz einer unternehmerischen Disposition ist, wobei die Kündigung, nicht jedoch die sie auslösende Unternehmerdisposition der Rechtfertigung bedarf. Der Arbeitgeber muss sich daher gefallen lassen, dass das Gericht überprüft, ob die Kündigung tatsächlich zur Kostensenkung führt. Ist dies nicht der Fall, ist sie ein zur Zweckerzielung ungeeignetes Mittel und sachlich unbegründet (Tomandl, Die sozialwidrige Kündigung 69 f). Die Notwendigkeit der Kostenreduktion durch Lohn- und Gehaltsreduktion und ob die vom Arbeitgeber gewünschte und vom Arbeitnehmer verhinderte Veränderung des Vertragsinhaltes keinen ausreichenden Grund darstellt, das Arbeitsverhältnis dieses Arbeitnehmers zu beenden, ob gerade durch die Kündigung dieses Arbeitnehmers die erwünschte Auswirkung auf die Wirtschaftslage des Unternehmens erzielt wird (Strasser, Problematik der sogenannten Änderungskündigung DRdA 1988, 1 ff) ist daher im Rahmen des Vorbringens des Arbeitgebers und der Feststellungen zu prüfen.

Gerade bei Sanierungsmaßnahmen muss dies zur Prüfung führen, ob die Kündigung Auswirkungen auf die Wirtschaftslage des Unternehmens hat. Dies bedeutet aber, weil der Verzicht des einzelnen Arbeitnehmers regelmäßig keine oder so gut wie keine Auswirkungen auf die erforderliche Senkung des Lohn- und Gehaltsaufwandes zu einer sinnvollen Sanierung des Gesamtunternehmens haben wird (Strasser aaO), dass, wie es auch dem Zweck der Maßnahme zu entnehmen ist, die Kündigung bzw Änderungskündigung aller überentlohnter Arbeitnehmer erforderlich gewesen wäre, weil sich erst dann die Kostensenkung auf das gesamte Ergebnis auswirken kann. Dies hat aber wieder nichts mit einem nur über Einwendung des Arbeitnehmers zu berücksichtigenden Sozialvergleich zu tun (9 ObA 310/93), weil es nicht um die Kündigung eines anderen Arbeitnehmers geht, sondern darum, ob die Sanierungsmaßnahme als solche durch die Kündigung verwirklicht werden konnte.

Hiezu hat die beklagte Partei vorgebracht, dass die Überzahlungen typisch für die Mitarbeiter des Expedits waren und die Beklagte zur Senkung der Lohnkosten "ihrer" Expeditarbeiter zur Änderungskündigung geschritten sei (AS 27, 29). Sie hat über Einwand des Klägers, dass nicht bei allen Arbeitnehmern eine Gehaltsänderung versucht wurde, dargelegt, dass dieser Frage und ob namentlich bestimmte Arbeitnehmer nach wie vor mit dem überhöhten Entgelt beschäftigt seien (AS 199, 205 f), keine Relevanz bei Beurteilung der konkreten Kündigung des Klägers zukomme. Die Feststellung, dass die beklagte Partei offensichtlich nicht allen Arbeitnehmern gegenüber mit einem dem Kläger vergleichbaren Lohnniveau eine Änderungskündigung ausgesprochen hat (AS 239), lässt sie insofern unbestritten, als sie nur ausführt (AS 251), dass in diesem Zusammenhang kein "Gruppenvergleich" stattzufinden habe und die soziale Gestaltungspflicht anhand des konkreten Falles zu prüfen sei. Der Arbeitgeber könne entscheiden, welche Gehälter er kürzt.

Im Gegensatz zur Meinung der Revisionswerberin kann die Art der Maßnahme zur Kostensenkung dem Arbeitgeber zwar nicht vorgeschrieben werden und unterliegt seiner Entscheidungsfreiheit; wählt er aber eine bestimmte Maßnahme, muss geprüft werden, ob die konkrete Kündigung zur Verwirklichung der Maßnahme und des beabsichtigten Erfolgs geeignet ist. Zur Verwirklichung bedurfte es nach den Feststellungen aber der Senkung "der" (und somit aller) Überentlohnungen. Beachtet der Arbeitgeber dies nicht, so ist dies bei Prüfung der Betriebsbedingtheit zu berücksichtigen (DRdA 1988/10 [Floretta]).

Da nach den Ausführungen des Berufungsgerichtes nicht allen Arbeitnehmern gegenüber der Weg der Änderungskündigung und damit der Lohn- und Gehaltsreduktion beschritten wurde, hat der Arbeitgeber, weil die allein gegenüber dem Kläger oder einigen Arbeitnehmern ergriffene Maßnahme nicht dem Sanierungsplan entsprach, seiner Verpflichtung zur Darlegung und zum Beweis der wirtschaftlichen Betriebsbedingtheit der Kündigung in rational nachvollziehbarer Weise nicht entsprochen.

Ob der Arbeitsplatz des Klägers in der Folge nach dem maßgeblichen Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses (RIS-Justiz RS0051772) mit billigeren Arbeitnehmern besetzt wurde oder die Aufnahme billigerer Leiharbeiter eine notwendige Rationalisierungsmaßnahme war oder "unzulässige" illegale Arbeitskräfte beschäftigt wurden, ist nicht mehr von Belang, sodass auf die diesbezüglichen Ausführungen des Berufungsgerichtes wie auch der Revision nicht mehr eingegangen werden muss.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.