OGH vom 14.03.2014, 13Os105/13k
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Gansterer als Schriftführerin in der Finanzstrafsache gegen Georg P***** und eine Angeklagte wegen Finanzvergehen der gewerbsmäßigen Abgabenhinterziehung nach §§ 33 Abs 1, 38 Abs 1 lit a FinStrG (idF vor BGBl I 2010/104) und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Georg P***** und Ursula P***** gegen das Urteil des Landesgerichts Ried im Innkreis als Schöffengericht vom , GZ 10 Hv 80/12t 28, sowie die Beschwerde des Erstgenannten gegen den zugleich gefassten Beschluss auf Erteilung einer Weisung nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.
Aus ihrem Anlass werden das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in den Schuldsprüchen 2 und 5, demgemäß auch in den Strafaussprüchen, sowie der Georg P***** betreffende Beschluss auf Erteilung einer Weisung aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Ried im Innkreis verwiesen.
Mit ihren Berufungen werden die Angeklagten, Georg P***** auch mit seiner Beschwerde, auf diese Entscheidung verwiesen.
Den Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurden Georg P***** und Ursula P***** trotz fehlender Differenzierung des Schuldspruchs (§ 260 Abs 1 Z 2 StPO) nach bezughabenden Taten (im Referat nach § 260 Abs 1 Z 1 StPO) anhand der Entscheidungsgründe unmissverständlich erkennbar (vgl zu Klarstellungen durch den Obersten Gerichtshof Ratz , WK-StPO § 281 Rz 622 ff) jeweils mehrerer Finanzvergehen der gewerbsmäßigen Abgabenhinterziehung nach (ersichtlich idF vor BGBl I 2010/104) §§ 33 Abs 1, 38 Abs 1 lit a FinStrG (1, 3 und 4), nach §§ 33 Abs 2 lit a, 38 Abs 1 lit a FinStrG (2) und nach §§ 33 Abs 2 lit b, 38 Abs 1 lit a FinStrG (5) schuldig erkannt.
Danach haben sie soweit im Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerden und aus deren Anlass relevant im Zuständigkeitsbereich des Finanzamts Braunau Ried Schärding im bewussten und gewollten Zusammenwirken (§ 11 erster Fall FinStrG) als für die abgabenrechtlichen Belange verantwortlicher handelsrechtlicher Geschäftsführer (Georg P*****) oder Angestellte (Ursula P*****) der T***** GmbH vorsätzlich und gewerbsmäßig unter Verletzung nachstehender abgabenrechtlicher Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflichten Verkürzungen folgender Abgaben um insgesamt 137.320,76 Euro bewirkt und (zu den Punkten 2 und 5) dies nicht nur für möglich, sondern für gewiss gehalten, nämlich
…
(2) Umsatzsteuer um insgesamt 3.766,67 Euro unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von § 21 UStG entsprechenden Voranmeldungen „für 2 bis 12/2009“;
…
(4) von 2004 bis 2007 und 2009 Kapitalertragsteuer um insgesamt 83.835,54 Euro unter Verletzung der Verpflichtung deren Abfuhr und Anmeldung „als Folge von verdeckten Gewinnausschüttungen“;
(5) 2007 und 2008 Lohnsteuer und Dienstgeberbeiträge zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen um insgesamt 9.990,71 Euro unter Verletzung der Verpflichtung zur Führung von § 76 EStG entsprechenden Lohnkonten durch Nichtversteuerung von Überstunden.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen aus den Gründen der Z 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO ergriffenen, gemeinsam ausgeführten Nichtigkeitsbeschwerden der beiden Angeklagten richten sich ausschließlich gegen den Schuldspruch 4. Sie sind nicht berechtigt.
Die auf eine im Wortlaut wiedergegebene Begründungspassage (US 24) bezogene Kritik (Z 5 vierter Fall) sagt nicht deutlich und bestimmt, welche Feststellung entscheidender Tatsachen von diesem Mangel betroffen sein soll. Diese Passage bezieht sich nämlich auf Feststellungen zur subjektiven Tatseite zu den Schuldsprüchen 1, 2 und 4 sowie zur Gewerbsmäßigkeit, sodass die Zielrichtung des Einwands unklar bleibt. Im Übrigen begegnet es unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit keinen Bedenken, dass das Erstgericht die Feststellungen zur subjektiven Tatseite von den Beschwerdeführern übergangen (RIS Justiz RS0119370) aus dem (hier von Bedeutung zum Schuldspruch 4) detailreich dargestellten (US 8 bis 10 iVm US 12 ff und 20 bis 23) objektiven Tatgeschehen ableitet (US 24; RIS Justiz RS0098671).
Mit dem Vorbringen, die Feststellung, es habe betreffend den Negativsaldo auf dem Verrechnungskonto der Beschwerdeführer bei der T***** GmbH (im Zeitraum 2005 bis 2007) „keine Rückzahlungsvereinbarung“ und „auch keine Verzinsung“ gegeben (US 9), könne der Aussage der Ursula P***** „nicht entnommen werden“, wird Aktenwidrigkeit (Z 5 fünfter Fall) nicht dargetan (RIS Justiz RS0099431). Erheblich unrichtige Wiedergabe der auf US 21 (großteils) zusammenfassend referierten Passagen aus ihrer Verantwortung (ON 24 S 35 f) wird nämlich nicht behauptet, ebenso wenig übrigens Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) im Zusammenhang mit von der Mängelrüge ins Treffen geführten (anderen) Teilen dieser Depositionen (vgl im Übrigen deren Erörterung auf US 21 f).
Der von der Rechtsrüge (Z 9 lit a) mit Blick auf eine Urteilspassage (US 11) vermisste Sachverhaltsbezug der Feststellungen zur subjektiven Tatseite wird von den Beschwerdeführern übergangen (RIS Justiz RS0099810) insbesondere durch den Verweis (US 24) auf die in objektiver Hinsicht detailliert dargestellten abgabenrechtlichen Verfehlungen hergestellt. Substanzloser Gebrauch der veba legalia (vgl RIS Justiz RS0098936) liegt somit nicht vor.
Weshalb die (gegenüber dem Abgabenverfahrensrecht unterschiedlichen) „Beweismaß- und Beweislastvorschriften des Strafrechts“ Einfluss auf die Kriterien der (steuerrechtlichen) Beurteilung der auf einem Verrechnungskonto verbuchten Forderungen der T***** GmbH gegenüber den Beschwerdeführern (als Gesellschaftern) haben soll, erklärt die weitere Rechtsrüge nicht. Die unter Bezugnahme auf eine oberstgerichtliche Entscheidung (13 Os 125/11y) und mit dem Hinweis auf die Bilanzierung als verdeckte Gewinnausschüttung qualifizierter Forderungen der Gesellschaft aufgestellte Behauptung, diese Vermögensvorteile seien spätestens bis zum Bilanzstichtag zurückgefordert worden, ignoriert die gegenteiligen Urteilskonstatierungen. Weder bestanden diesen zufolge hinsichtlich all dieser Forderungen bis zum Bilanzstichtag Rückzahlungsvereinbarungen noch wurden die Forderungen seitens der Gesellschaft (sonst) tatsächlich betrieben (US 9 f). Welche Bedeutung von den Beschwerdeführern für Verbindlichkeiten der Gesellschaft übernommenen Bürgschaften, die in keinem erkennbaren inneren Zusammenhang zu den hier inkriminierten Vermögensvorteilen stehen, zukommen soll (vgl erneut 13 Os 25/11y), legt das weitere Beschwerdevorbringen nicht dar.
Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).
Aus ihrem Anlass überzeugte sich der Oberste Gerichtshof allerdings, dass dem angefochtenen Urteil mehrfach nicht geltend gemachte Nichtigkeit (Z 9 lit a) zum Nachteil der Angeklagten anhaftet, die von Amts wegen wahrzunehmen war (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO):
1. Das Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 2 lit a FinStrG (vgl Schuldspruch 2) wird durch dort pönalisiertes Verhalten (Zuwiderhandeln gegen die Pflicht zur Abgabe von Umsatzsteuervoranmeldungen und zur fristgerechten Entrichtung der entsprechenden Umsatzsteuervorauszahlungen) in Bezug auf Voranmeldungszeiträume begangen, sodass sachverhaltsmäßig hinsichtlich eines jeden solchen Zeitraums eine selbständige Tat im materiellen Sinn (§ 21 Abs 1 FinStrG) vorliegt. Durch das pauschale Nennen eines Gesamt-Hinterziehungsbetrags für die Voranmeldungszeiträume Februar bis Dezember 2009 werden die einzelnen Taten nicht hinreichend konkretisiert (RIS Justiz RS0118311; jüngst 13 Os 15/13z). Dass es in einem dieser Zeiträume allenfalls zu keiner Umsatzsteuerverkürzung gekommen ist (in welchem Fall diesbezüglich ein Freispruch zu fällen wäre), ist auf Basis der getroffenen Feststellungen nicht auszuschließen.
2. Zum Schuldspruch 5 (der Verkürzung von Lohnsteuer und Dienstgeberbeiträgen zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen) enthält das Urteil ebenfalls keine konkrete Zuordnung von Verkürzungsbeträgen zu einzelnen Entrichtungszeiträumen (RIS Justiz RS0124712). Zudem stellt das Tatbild (neben der Verletzung der Verpflichtung zur Führung von § 76 EStG entsprechenden Lohnkonten) auf die Nichtabfuhr der (selbst zu berechnenden und einzubehaltenden) Lohnsteuer und Dienstgeberbeiträge zum jeweiligen Stichtag gemäß § 79 Abs 1 EStG und § 43 Abs 1 FLAG dem 15. Tag nach Ablauf des Kalendermonats, in dem der Lohn ausbezahlt wurde ab (13 Os 42/12v). Dass die Beschwerdeführer wie festgestellt (vgl US 11) (an die Arbeitnehmer der T***** GmbH ausbezahlte) Überstunden „verschwiegen“ haben, reicht demnach zur Erfüllung des Tatbestands nicht aus.
Die Aufhebung der von diesen Rechtsfehlern (mangels Feststellungen) betroffenen Schuldsprüche 2 und 5 bei der nichtöffentlichen Beratung (§ 285e StPO) war daher unumgänglich.
Zufolge Wegfalls dieser Schuldsprüche konnten die Aussprüche über die Strafe ebenso wenig Bestand haben wie der Georg P***** betreffende Beschluss auf Erteilung einer Weisung gemäß § 26 Abs 2 FinStrG (13 Os 70/12m; 13 Os 9/12s; Reger/Nordmeyer/Hacker/ Kuroki , FinStrG 4 § 26 Rz 5).
Mit ihren Berufungen waren die Angeklagten, Georg P***** auch mit seiner Beschwerde (§ 498 Abs 3 dritter und vierter Satz StPO), auf diese Entscheidung zu verweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO; sie bezieht sich nicht auf das amtswegige Vorgehen ( Lendl , WK-StPO § 390a Rz 12).
European Case Law Identifier
ECLI:AT:OGH0002:2014:0130OS00105.13K.0314.000