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OGH vom 25.07.2017, 9ObA42/17t

OGH vom 25.07.2017, 9ObA42/17t

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Hon.Prof. Dr. Dehn, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Hargassner sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Klaus Oblasser und ADir. Gabriele Svirak in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei E***** M*****, vertreten durch Klein, Wuntschek Partner, Rechtsanwälte GmbH in Graz, gegen die beklagte Partei Land Steiermark, *****, vertreten durch Mag. Bernd Wurnig, Rechtsanwalt in Graz, wegen 4.899,54 EUR brutto sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 7 Ra 62/16s14, mit dem der Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom , GZ 9 Cga 103/15v10, Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision der klagenden Partei wird Folge gegeben.

Das Urteil des Berufungsgerichts wird dahin abgeändert, dass das Ersturteil wiederhergestellt wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 1.182,91 EUR (darin 681 EUR Barauslagen, 83,65 EUR USt) bestimmten Kosten der Revision zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der ***** 1976 geborene Kläger wurde mit Dienstvertrag vom von der Stmk Krankenanstaltengesellschaft mbH (KAGES) als Vertretung für die Dauer des Mutterschafts- und Karenzurlaubes einer Mitarbeiterin beginnend mit in der Dienststelle Landespflegeheim ***** als Küchenhelfer vollzeitbeschäftigt. Als Vorrückungsstichtag und Urlaubsstichtag wurde der festgehalten.

Am wurde vereinbart, dass der Kläger ab in derselben Dienststelle in der Abteilung für Technischen Dienst als Ersatz für einen intern versetzten Mitarbeiter als angelernter Arbeiter in der Hauswirtschaft (Reparaturarbeiten, Wäschetransport, Winterdienst uÄ) weiterverwendet werden sollte. Die Befristung wurde auf abgeändert.

Der Kläger leistete in der Zeit vom bis den Grundwehrdienst. Bereits bei Erhalt des Einberufungsbefehls hatte er über Nachfrage seiner Chefin erklärt, nach Absolvierung des Präsenzdienstes wieder im Landespflegeheim arbeiten zu wollen.

Nach Absolvierung des Präsenzdienstes begann der Kläger am wieder im Landespflegeheim im Hauswirtschaftsdienst zu arbeiten. Im Dienstvertrag vom wurde eine Befristung von sechs Monaten sowie ein Probemonat vorgesehen, dies mit der Maßgabe, dass das Dienstverhältnis auf unbestimmte Zeit abgeschlossen gelte, wenn innerhalb der sechs Monate keine Verständigung über die Nichtverlängerung erfolge. Eine solche Verständigung erfolgte nicht. Der Kläger verrichtete im Rahmen dieses Dienstverhältnisses im Wesentlichen dieselben Tätigkeiten wie vor Absolvierung des Präsenzdienstes und war nach kurzer Zeit mit den in seiner Abwesenheit eingeführten geringfügigen Veränderungen im Betrieb vertraut. Das Dienstverhältnis zur KAGES wurde mit aufgelöst. Mit Wirkung zum nahm der Kläger ein Dienstverhältnis zum beklagten Land Steiermark auf, in dessen Rahmen er im selben Landespflegeheim als angelernter Arbeiter beschäftigt war. Dazu wurde dem Kläger mit Schreiben vom (Beil ./C) von der KAGES mitgeteilt:

... Über Ihren Antrag wird das Dienstverhältnis zur Stmk. Krankenanstaltengesellschaft m.b.H wegen der Annahme eines Dienstvertrages zum Land Steiermark mit dem aufgelöst. Ein Anspruch auf Abfertigung ist zum Zeitpunkt des Vertragswechsels nicht gegeben. Wir weisen jedoch darauf hin, dass die bei der Stmk. Krankenanstaltengesellschaft m.b.H. zurückgelegte Dienstzeit für spätere Abfertigungsansprüche zur Gänze berücksichtigt wird. Gleichzeitig übermitteln wir Ihnen in der Anlage den neuen Dienstvertrag sowie das Vordienstzeiten-ermittlungsblatt. …

Das Dienstverhältnis wurde am wegen Einstellung des Pflegebetriebs einvernehmlich aufgelöst. Klagsgegenständlich ist die Höhe der Abfertigungsansprüche des Klägers nach § 298 Abs 10 des Gesetzes über das Dienst- und Besoldungsrecht der Bediensteten des Landes Steiermark (Stmk L-DBR).

Der Kläger brachte vor, er sei vom bis durchgehend bei der KAGES bzw bei der Beklagten beschäftigt gewesen. Durch die zweimalige Befristung des Dienstvertrags sei ein unzulässiger Kettendienstvertrag entstanden, sodass das Dienstverhältnis bei Antritt des Präsenzdienstes durch den Kläger bereits ein unbefristetes gewesen sei. Ihm stehe gemäß § 298 Abs 10 Stmk L-DBR aufgrund der ununterbrochenen Dienstzeit von mehr als 20 Jahren eine Abfertigung in der Höhe von neun Monatsbezügen zu, wovon noch drei Monatsbezüge (Klagsbetrag) aushafteten. Die Übernahme der Vordienstzeiten sei von der Beklagten selbst im Schreiben vom ausdrücklich bestätigt worden.

Die Beklagte bestritt und brachte im Wesentlichen vor, das Dienstverhältnis zur KAGES habe nicht durchgehend bestanden, zumal der (zweite) Dienstvertrag, der am durch Zeitablauf geendet habe, faktisch bereits durch die Aufnahme des Präsenzdienstes durch den Kläger mit geendet habe. Das für die Abfertigung maßgebliche durchgehende Dienstverhältnis zur KAGES sei erst am durch den Dienstvertrag vom begründet worden.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Nach § 298 Abs 14 Stmk L-DBR seien Dienstzeiten in Dienstverhältnissen zu einer inländischen Gebietskörperschaft der Dauer des Dienstverhältnisses nach § 298 Abs 10 Stmk L-DBR hinzuzurechnen. Die KAGES sei zwar nicht als Gebietskörperschaft anzusehen, jedoch sei eine Anrechnung in analoger Anwendung dieser Bestimmung möglich. Das Dienstverhältnis des Klägers sei nämlich ohne Änderung der Tätigkeit und des Arbeitsplatzes auf das beklagte Land übergegangen. Ein neuer Dienstvertrag sei zwar ausgestellt worden, in diesem sei aber die Anrechnung von Vordienstzeiten durchgeführt worden. Das Dienstverhältnis sei sodann nur wegen des Präsenzdienstes unterbrochen worden. Es sei die ständige Judikatur zu „Kettendienstverträgen“ heranzuziehen, die eine mehrmalige Befristung nur in Ausnahmefällen zulasse und ansonsten von durchgehenden Arbeitsverhältnissen ausgehe.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten Folge und änderte das angefochtene Urteil im klagsabweisenden Sinn ab. Die einmalige Verlängerung des befristeten Dienstverhältnisses sei sachlich gerechtfertigt, weil der Kläger in unterschiedlichen Tätigkeitsbereichen eingesetzt gewesen sei und die Verlängerung seiner Erprobung gedient habe. Das Dienstverhältnis habe infolge der rechtmäßigen Befristung daher am geendet. Aus der zu § 23 AngG ergangenen Rechtsprechung ergebe sich, dass der hier zwischen den Arbeitsverhältnissen liegende zeitliche Abstand von über vier Monaten ( bis ) zu lang und daher zusammenrechnungsschädlich sei, sodass die Arbeitsverhältnisse nicht als ununterbrochen zu qualifizieren seien. Auch auf das Schreiben der KAGES vom könne ein höherer Abfertigungsanspruch nicht gestützt werden. Die ordentliche Revision sei zulässig, weil zur Frage, ob privatrechtliche Gesellschaften, deren Gesellschafter überwiegend oder – wie hier – ausschließlich Gebietskörperschaften seien, im Sinne der Zusammenrechnungsbestimmung des § 298 Abs 14 Stmk L-DBR den dort angeführten Gebietskörperschaften gleichzuhalten seien, keine höchstgerichtliche Rechtsprechung vorliege.

In seiner dagegen gerichteten ordentlichen Revision beantragt der Kläger die Abänderung des Berufungsurteils im Sinn einer Klagsstattgabe; in eventu wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Rechtliche Beurteilung

Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen, in eventu, ihr keine Folge zu geben.

Die Revision ist zulässig und berechtigt.

1. Zwischen den Streitteilen ist unstrittig, dass der Kläger gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Abfertigung (alt) hat, deren Höhe nach § 298 Abs 10 Stmk L-DBR zu berechnen ist. Diese beträgt nach einer Dauer des Dienstverhältnisses von 15 Jahren das Sechsfache, nach 20 Jahren das Neunfache des letzten Monatsentgelts. Strittig ist lediglich, ob beim Kläger eine anrechenbare 20-jährige Dienstzeit vorliegt. Dabei stellt auch die Beklagte nicht in Frage, dass dem Kläger die bei der KAGES verbrachten Zeiten anzurechnen sind, soweit sie nach dem liegen.

2. Anlässlich des Wechsels des Dienstverhältnisses des Klägers von der KAGES zur Beklagten () wurde dem Kläger mitgeteilt, dass er keinen Anspruch auf Abfertigung habe, die bei der KAGES zurückgelegte Dienstzeit für spätere Abfertigungsansprüche aber „zur Gänze“ berücksichtigt wird. Dass sich die Beklagte dieses Schreiben (Beil ./C) zurechnen lassen muss, kann schon deshalb nicht fraglich sein, weil sowohl dieses Schreiben als auch der Dienstvertrag mit der Beklagten (Beil ./B) von der KAGES (letzterer „Für das Land Steiermark der für Personalangelegenheiten zuständige Vorstand der Stmk Krankenanstaltengesellschaft mbH“) ausgestellt wurden. Damit ist zu prüfen, wie die Zusage über die Anrechnung der bei der KAGES verbrachten Vordienstzeiten aus der Sicht eines redlichen Erklärungsempfängers zu verstehen ist (§§ 914, 915 ABGB).

3. Der Hinweis im Schreiben, dass zum Zeitpunkt des Vertragswechsels kein Anspruch auf Abfertigung gegeben ist, kann zunächst nur dahin verstanden werden, dass dem Kläger nach der Rechtsansicht der Beklagten zum keine Abfertigung zustand, nicht aber dahin, dass sie ihm damit die Anrechnung von Vordienstzeiten versagen wollte. Dagegen spricht schon ihre im Folgesatz ausgedrückte Bereitschaft, dem Kläger „die bei der KAGES zurückgelegte Dienstzeit für spätere Abfertigungsansprüche zur Gänze“ anzurechnen. Diese Bereitschaft wurde auch nicht auf erst ab verbrachte Dienstzeiten bei der KAGES beschränkt.

4. Die Beklagte meint, die Beschränkung ergebe sich daraus, dass sich das Schreiben Beil ./C nur auf das zum aufgelöste Dienstverhältnis bezogen habe. Damit ist für sie aber im Hinblick auf die Rechtsprechung zu Kettenarbeitsverträgen nichts gewonnen:

Kettenarbeitsverträge sind nur dann rechtmäßig, wenn die Aneinanderreihung einzelner auf bestimmte Zeit abgeschlossener Arbeitsverträge im Einzelfall durch besondere soziale oder wirtschaftliche Gründe gerechtfertigt ist (

RIS-Justiz RS0028327; s auch RS0021824; Reissner in ZellKomm2 Rz 27 zu § 19 AngG mwN). Der Umstand, dass zwischen zwei befristeten Arbeitsverträgen ein zeitlicher Abstand liegt, schließt die Beurteilung der aneinandergereihten Verträge als einheitliches Arbeitsverhältnis nicht aus, wenn sich der Sache nach der zweite Vertrag (oder die folgenden Verträge) als Fortsetzung des (der) vorangegangen erweisen (

RIS-Justiz RS0028327 [T8]). Mangels sachlichen Grundes für die Befristung ist von einem unbefristeten Arbeitsverhältnis auszugehen (

RIS-Justiz RS0028327 [T11]). Die erste Befristung eines Arbeitsverhältnisses ist grundsätzlich zulässig. Aber bereits die erste Verlängerung auf bestimmte Zeit ist darauf zu prüfen, ob damit nicht zum Nachteil des Arbeitnehmers die Bestimmungen des Kündigungsschutzes oder (auch) die gesetzlichen Vorschriften über Kündigungsfristen und Kündigungstermine umgangen werden (RIS-Justiz RS0105948).

5. Als Rechtfertigungsgründe kommen etwa die im Mutterschutzrecht ausdrücklich aufgezählten Tatbestände (einerseits soziale Gründe, andererseits gewisse betriebswirtschaftliche Gründe) in Betracht (Reissner aaO Rz 29 zu § 19 AngG mwN; s auch RIS-Justiz RS0028327 [T9] zu Zirkusunternehmen, [T10] zu Theaterunternehmen). Nach § 10a MSchG sind befristete Dienstverhältnisse dann sachlich gerechtfertigt, wenn die Befristung im Interesse der Dienstnehmerin liegt, oder wenn das Dienstverhältnis für die Dauer der Vertretung an der Arbeitsleitung verhinderter Dienstnehmer, zu Ausbildungszwecken, für die Zeit der Saison oder zur Erprobung abgeschlossen wurde, wenn aufgrund der in der vorgesehenen Verwendung erforderlichen Qualifikation eine längere Erprobung als die gesetzliche oder kollektivvertragliche Probezeit notwendig ist. Der Abschluss eines befristeten Arbeitsverhältnisses zur Erprobung ist nach der Rechtsprechung dann sachlich gerechtfertigt, wenn die Zeit der Erprobung in einem ausgewogenen Verhältnis zur Ausbildung und der angestrebten Verwendung steht. Je höher die Qualifikation ist, desto länger wird ein solches befristetes Arbeitsverhältnis vereinbart werden können, um noch ein sachlich gerechtfertigtes zu sein (RIS-Justiz RS0113735).

6. Der vorliegende Sachverhalt enthält keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine sachliche Rechtfertigung der zweiten Befristung des Dienstverhältnisses: Die Befristung des ersten Dienstverhältnisses war in der Karenzvertretung einer Mitarbeiterin begründet. Die Verlängerung des Dienstverhältnisses, dh die zweite Befristung bis , erfolgte anlässlich der internen Versetzung eines anderen Mitarbeiters, dessen Stelle der Kläger übernehmen sollte. Dass er diesen nur vorübergehend vertreten sollte, wurde weder behauptet noch festgestellt. Zur Rechtfertigung der zweiten Befristung verwies das Berufungsgericht auf die Notwendigkeit der Erprobung des Klägers. Zwar wurde der Kläger ab als angelernter Arbeiter in der Hauswirtschaft (Reparaturarbeiten, Wäschetransport, Winterdienst uÄ) weiterverwendet. Bedenkt man aber, dass er davor die Tätigkeit eines Küchenhelfers (ungelernter Arbeiter) ausgeübt hatte, die Dienststelle dieselbe blieb und die Qualifikation der Tätigkeit jedenfalls keine längere Probezeit als den vereinbarten Probemonat erforderlich erscheinen lässt, so ist kein ausreichender Grund dafür ersichtlich, warum der Kläger über zehn Monate (neuerlich) erprobt werden sollte und das Dienstverhältnis entsprechend befristet wurde. Mangels sachlicher Rechtfertigung war die zweite Befristung daher unzulässig. Es lag somit ein unbefristetes Dienstverhältnis vor, das auch von der Einberufung zum Präsenzdienst unberührt blieb (§ 4 APSG). Umso weniger sind Gründe für die dritte (zunächst sechsmonatige) Befristung des Dienstverhältnisses ab ersichtlich. Der Kläger befand sich danach im Zeitpunkt des Vertragswechsels in einem seit durchgehend aufrechten Dienstverhältnis. Daraus ergibt sich, dass der Abfertigungsanspruch des Klägers, dem nach dem Schreiben Beil ./C die bei der KAGES zurückgelegte Dienstzeit zur Gänze zugrunde zu legen ist, auf Basis einer über 20-jährigen Dienstzeit zu berechnen ist.

7. Auf die Frage, ob sich der Kläger für seinen Anspruch auch auf eine analoge Anwendung des § 298 Abs 14 Stmk L-DBR berufen könnte, kommt es danach nicht an.

8. Da sich die Revision des Klägers als berechtigt erweist, ist ihr Folge zu geben und das Ersturteil wiederherzustellen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2017:009OBA00042.17T.0725.000
Schlagworte:
1 Generalabonnement,11 Arbeitsrechtssachen

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