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OGH vom 24.06.2016, 9ObA40/16x

OGH vom 24.06.2016, 9ObA40/16x

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Dehn und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Hargassner sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Christoph Kainz und Dr. Gerda Höhrhan Weigungi als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Mag. A***** S*****, vertreten durch Dr. Walter Silbermayr, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Ö*****, vertreten durch Kunz Schima Wallentin Rechtsanwälte OG in Wien, wegen Feststellung des aufrechten Dienstverhältnisses (Streitwert: 37.000 EUR), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 10 Ra 85/15s 47, mit dem der Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichts Wien vom , GZ 7 Cga 86/15i 40, Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das Berufungsurteil wird dahin abgeändert, dass das Ersturteil wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 2.726,53 EUR (darin 454,42 EUR USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens sowie die mit 4.923,60 EUR (darin 366,60 EUR USt und 2.724 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Beklagte ist ein Fonds mit eigener Rechtspersönlichkeit, dessen Zweck die Förderung der Integration von Flüchtlingen ist. Die Verwaltung des Fonds obliegt dem Kuratorium. Dieses besteht aus zwei Vertretern des Bundesministeriums für Inneres (BMI), je einem Vertreter anderer Bundesministerien und je einem Vertreter des UNHCR und des Bundeskanzleramts. Der Vorsitzende des Kuratoriums und dessen Stellvertreter werden vom Bundesminister für Inneres bestellt und abberufen.

Das BMI bediente sich des Beklagten zur Durchführung der seit der Asylgesetz-Novelle 2003 vorgeschriebenen Rechtsberatung im Asylverfahren (Zulassungsverfahren).

Der Kläger war von bis als Rechtsberater im Asylverfahren beim Beklagten beschäftigt. Grundlage dieser Tätigkeit waren zum einen mit dem BMI abgeschlossene Bestellungsverträge, zum anderen mit dem Beklagten abgeschlossene „freie Dienstverträge“. Der Kläger hatte befristete Verträge mit dem BMI bzw dem Beklagten von bis , bis und von bis .

Nach dem zuletzt für die Zeit von bis abgeschlossenen Bestellungsvertrag ist der Beklagte berechtigt, den Vertrag mit sofortiger Wirkung zu kündigen, wenn der Kläger wiederholt und beharrlich Verletzungen seiner Beratungs- und Anwesenheitspflicht begeht. Festgehalten wird, dass die näheren Regelungen, insbesondere betreffend die Honoraransprüche, in einem freien Dienstvertrag mit dem Beklagten getroffen werden.

Unter Bezugnahme auf diesen Bestellungsvertrag schlossen die Streitteile ebenfalls für die Zeit von bis einen als „ Freier Dienstvertrag “ bezeichneten Vertrag über die Tätigkeit des Klägers als Rechtsberater gemäß den §§ 64 und 65 AsylG 2005 idgF ab. Wesentliche Vertragsbestimmungen lauten wie folgt:

„ 3. Unabhängigkeit und Weisungsfreiheit

Der Auftragnehmer ist in der Ausübung seiner Aufgaben als Rechtsberater sowohl dem Auftraggeber als auch dem BM.I gegenüber weisungsfrei und unabhängig.

4. Leistungsbeschreibung

4.1. Ort der Leistungserbringung

Die Tätigkeit des Auftragnehmers ist in der Erstaufnahmestelle Ost, in Hafträumlichkeiten oder an einer Außenstelle des Bundesasylamts auszuüben.

4.2. Aufgaben des Auftragnehmers

Aufgabe des Auftragnehmers ist die Ausübung der Rechtsberatertätigkeit gemäß den einschlägigen Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 idgF.

Im Zuge dieser Rechtsberatertätigkeit sind insbesondere folgende Aufgaben wahrzunehmen:

- vorbringensbezogene objektive Darlegung der Asyl- und Fremdenrechtslage;

- Wahrung der rechtlichen Interessen des Asylwerbers durch Anwesenheit in der zweiten Einvernahme;

- Unterstützung des Asylwerbers im Rahmen des Parteiengehörs;

- Information über den weiteren Verfahrensverlauf nach der zweiten Einvernahme;

- Wahrnehmung der Funktion des Zustellbevollmächtigten;

- Wahrnehmung der Funktion des gesetzlichen Vertreters gemäß § 16 Abs 3 bis 5 AsylG 2005 bei unbegleiteten minderjährigen Asylwerbern;

- Unterzeichnung allfälliger Rechtsmittel von unbegleiteten minderjährigen Asylwerbern.

Der Auftragnehmer hat die Beratungstätigkeit objektiv und nach bestem Wissen durchzuführen und an der Führung des Verfahrens so mitzuwirken, dass es zu keiner unnötigen Verzögerung kommt. Der Auftragnehmer hat sich während der Vertragslaufzeit jeglichen Verhaltens zu enthalten, das geeignet ist

1. die gewissenhafte Wahrnehmung seiner Aufgaben hintanzuhalten;

2. den Eindruck einer seinen Aufgaben widersprechenden Wahrnehmung seiner Pflichten zu erwecken oder

3. die Amtsverschwiegenheit zu gefährden.

4.3. Anwesenheitspflicht

(1) Der Auftragnehmer hat gemäß § 65 Abs 4 AsylG durch regelmäßige Anwesenheiten darauf hinzuwirken, dass es zu keiner unnötigen Verzögerung der Verfahren kommt und der Gesamtablauf des Zulassungsverfahrens aufgrund von wiederholten, langen Abwesenheiten nicht behindert wird.

(2) Eine durchgehende, den Zeitraum von fünf Wochen übersteigende Nichtausübung der Rechtsberatertätigkeit, ist dem [Beklagten] unabhängig vom Grund der Abwesenheit zu melden.

(3) Bei festgestellter, unbegründeter Nichtausübung der Beratertätigkeit von mehr als fünf Wochen wird nach Ablauf einer Frist von 15 Tagen zur Möglichkeit der Abgabe einer begründeten Stellungnahme davon ausgegangen, dass der Auftragnehmer seine Tätigkeit eingestellt hat.

4.4. Einteilung

(1) Die allgemeinen Beratungsleistungen des Auftragnehmers erfolgen auf Basis von monatlichen Einsatzplänen, die vom Steuerungsbüro der Erstaufnahmestelle im Einvernehmen mit dem Auftragnehmer erstellt werden. Der zeitliche Rahmen, in dem die Beratungsleistungen erbracht werden können, beträgt Montag bis Freitag (werktags) von 7 Uhr 30 bis 18 Uhr.

Bei der Erstellung der Einsatzpläne wird auf die vom Auftragnehmer dem Steuerungsbüro der Erstaufnahmestelle bis zum 20. des Vormonats bekannt gegebenen Wünsche, insbesondere etwaige Verhinderungen, Rücksicht genommen. Berücksichtigt werden können in der Regel nur in Halbtagen, Tagen oder Wochen angegebene Verhinderungen. Sonstige individuelle Abweichungen können nur berücksichtigt werden, wenn sie mit dem Dienstbetrieb der Erstaufnahmestelle vereinbar sind. Bei der Einsatzplanung wird weiters auf eine gleichmäßige Heranziehung der bestellten Rechtsberater geachtet.

(2) Zusätzlich zu den im Einsatzplan für das jeweilige Monat festgelegten Zeiten können zur Abdeckung des schwankenden Bedarfs zwischen dem Steuerungsbüro der Erstaufnahmestelle und dem Auftragnehmer weitere Beratungsleistungen einvernehmlich vereinbart werden.

5. Vertretung

Sofern dem Auftragnehmer die Leistungserbringung zu einem im Einsatzplan vorgesehenen Zeitpunkt nicht möglich ist, steht es dem Auftragnehmer frei, sich durch eine(n) andere(n) vom BM.I bestellte(n) Rechtsberater(in) vertreten zu lassen.

6. Entgelt

(1) Für die gesamte aufgrund dieses Vertrages dem Auftragnehmer entstehende Arbeit und Mühe, einschließlich der hierbei anfallenden Kosten erhält der Auftragnehmer von € 25,72 brutto pro Arbeitsstunde und € 6,43 brutto für jede vollendete viertel Stunde, jeweils einschließlich einer allfälligen, auf den Honorarnoten gesondert auszuweisenden und an das Finanzamt abzuführenden Umsatzsteuer, das gemäß den Gehaltsabschlüssen des öffentlichen Dienstes für die Folgejahre angepasst wird.

(2) ...

(3) ...

(4) Im Falle der Erkrankung hat der Auftragnehmer für den Zeitraum der Erkrankung, maximal für 10 Arbeitstage pro Jahr, gegen Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung Anspruch auf Entgelt im Ausmaß der wöchentlichen Durchschnittsdienstzeit der letzten 6 Monate.

(5) Der Auftragnehmer wird vom Auftraggeber bei der zuständigen Gebietskrankenkasse zur Sozialversicherung angemeldet. Von dem in Absatz 1 genannten Honorar werden vom Auftraggeber die Dienstnehmerbeiträge zur Sozialversicherung in Abzug gebracht.

(6) Für die Versteuerung der Honorare hat der Auftragnehmer Sorge zu tragen.

7. Abrechnung

Der Auftragnehmer hat monatlich jeweils bis zum 5. eines Folgemonats dem Leiter der jeweiligen Erstaufnahmestelle eine Honorarnote über die im Vormonat geleisteten Arbeitsstunden vorzulegen. Das BM.I stellt dem Auftragnehmer eine standardisierte Musterhonorarnote zur Verfügung, die nach den im Punkt 6 genannten verrechenbaren Leistungen gegliedert ist.

Die Honorarnoten werden nach Prüfung und Bestätigung der sachlichen und rechnerischen Richtigkeit durch das Steuerungsbüro der Erstaufnahmestelle an den Auftraggeber zur Überweisung der Honorarbeträge weitergeleitet. Die Auszahlung des Entgelts wird vom Auftraggeber innerhalb von zwei Wochen nach Vorlage der geprüften Honorarnoten veranlasst.

8. ...

9. ...

10. Kündigungsbestimmungen

(1) Der Auftragnehmer ist berechtigt, den gegenständlichen Vertrag jeweils zum Monatsende unter Einhaltung einer zweimonatigen Kündigungsfrist ohne Angaben von Gründen zu kündigen. Mit der Kündigung dieses Vertrages erlischt auch der mit dem BM.I abgeschlossene Bestellungsvertrag.

(2) Der Arbeitgeber ist berechtigt, den gegenständlichen Vertrag jeweils zum Monatsende unter Einhaltung einer zweimonatigen Kündigungsfrist ohne Angaben von Gründen zu kündigen.

(3) Der Auftraggeber ist berechtigt, den gegenständlichen Vertrag mit sofortiger Wirkung zu kündigen, wenn der Bestellungsvertrag vom BM.I aufgrund von wiederholten und beharrlichen Verletzungen der Beratungs- und Anwesenheitspflichten durch den Auftragnehmer gemäß § 65 Abs 3 AsylG 2005 idgF gekündigt wird.

11. ... “

Der Kläger übte seine Tätigkeit als Rechtsberater hauptsächlich in der Erstaufnahmestelle Ost in T*****, einem Standort des beim BMI eingerichteten Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (kurz: Bundesasylamt), fallweise aber auch am ***** und im Polizeianhaltezentrum ***** aus.

In der Erstaufnahmestelle Ost stellte das Bundesasylamt den Rechtsberatern Räumlichkeiten und zum Teil auch Büroarbeitsmittel zur Verfügung. Die Ausstattung der Arbeitsplätze war allerdings sehr beschränkt und veraltet. Teilweise verwendeten die Rechtsberater daher eigene Arbeitsmittel, insbesondere den eigenen Laptop.

Die Dienstvertragsparteien vereinbarten keine fixe Wochenarbeitszeit. In den Bewerbungsinformationen des BMI war von einer „regelmäßigen wöchentlichen Höchststundenzahl“ im Ausmaß von 20 bis 40 Stunden die Rede. Im Einstellungsgespräch gab der Kläger an, 40 Stunden pro Woche arbeiten zu wollen. Dazu wurde dem Kläger erklärt, dass das Ausmaß der von ihm beabsichtigten Arbeitsstunden nicht in den Vertrag Eingang finden, sondern lediglich als Planungsgrundlage dienen können, weil sich die zu leistenden Arbeitsstunden nach dem Arbeitsanfall richten würden. Um den Bedarf an Rechtsberatern einschätzen zu können, war es für die Beklagte aber interessant, für wie viele Arbeitsstunden der einzelne Rechtsberater grundsätzlich zur Verfügung stand.

Die Leitung der Erstaufnahmestelle Ost gab zunächst bekannt, wie viele Rechtsberater an bestimmten Tagen zur Verfügung stehen sollten. Der Kläger konnte, wie auch jeder andere Rechtsberater, durch Eintrag in einen Dienstplan zunächst selbst entscheiden, ob und an welchen Tagen er im kommenden Monat arbeiten wollte. Dieser Dienstplan wurde dem Steuerungsbüro der Erstaufnahmestelle Ost übermittelt, das die konkrete Arbeitseinteilung der Rechtsberater, Referenten und Dolmetscher in einem Wochenplan vornahm. Dabei wurde bis Mitte 2011 vom zuständigen Leiter des Steuerungsbüros darauf geachtet, die Kontinuität der Beratung durch weitere Zuteilung des einmal eingeschrittenen Rechtsberaters in erster Linie bei unbegleiteten minderjährigen Asylwerbern sicherzustellen und die vorhandene Arbeit auf alle Rechtsberater gleichmäßig und den jeweiligen von den Rechtsberatern bekannt gegebenen Arbeitskontingenten entsprechend zu verteilen. Waren zusätzliche Rechtsberater erforderlich, fragte das Steuerungsbüro bei den noch nicht eingeteilten Rechtsberatern nach. Die Rechtsberater hatten keine Pflicht, zusätzliche Dienste zu übernehmen. Es kam einmal vor, dass die Leitung der Erstaufnahmestelle Ost die Rechtsberater schriftlich aufforderte, ihren Arbeitseinsatz zu erhöhen, weil vorübergehend ein verstärkter Bedarf an Rechtsberatungen bestand. Der ab Mitte 2011 zuständige Leiter des Steuerungsbüros berücksichtigte die von den Rechtsberatern bekannt gegebenen Kontingentwünsche nicht.

Die Arbeitszeiten der Rechtsberater waren üblicherweise von Montag bis Freitag, 8:00 Uhr bis 15:30 Uhr. Dauerten Einvernahmen länger, mussten die Rechtsberater auch darüber hinaus anwesend sein. Das Abfassen von Berufungen außerhalb der Arbeitszeiten und außerhalb des Dienstplans wurde nicht honoriert. Für Tätigkeiten außerhalb der Arbeitszeit musste vorab eine Genehmigung für Überstunden eingeholt werden. Diese Überstunden mussten zeitnah wieder abgebaut werden.

Beabsichtigte ein Rechtsberater, auf Urlaub zu gehen, trug er sich nicht in den Dienstplan ein. Der Abschluss einer Urlaubsvereinbarung war nicht erforderlich. Ein geplanter Urlaub musste aber dem Steuerungsbüro rechtzeitig gemeldet werden, damit längere Abwesenheiten bei der Zuteilung der Rechtsberater berücksichtigt werden konnten. Der einmal für einen konkreten Asylwerber eingeschrittene Rechtsberater sollte nämlich bis zum Ende der Rechtsberatung derselbe bleiben bzw musste es hinsichtlich unbegleiteter Minderjähriger sogar sein. Die Urlaube waren stets unbezahlt. Dem Kläger war es auch ohne disziplinäre Konsequenzen möglich, die Rechtsberatertätigkeit für einen längeren Zeitraum einzustellen.

Die Rechtsberater mussten ihre Dienstleistung im Rahmen der ihnen im Wochenplan zugewiesenen Einvernahmen erbringen. Ein selbständiges Tauschen von Diensten zwischen den Rechtsberatern war zwar möglich, aber nicht erwünscht, weil dadurch die Einteilung, bei der etwa auf das Geschlecht oder die Volkszugehörigkeit des Asylwerbers Rücksicht genommen wurde, umgestoßen worden wäre. War ein Rechtsberater wegen Krankheit oder aus sonstigen Gründen verhindert, musste er dies im Steuerungsbüro melden und sollte selbständig für Ersatz aus dem Kreis der Rechtsberater der Erstaufnahmestelle Ost sorgen. Dabei sollte er sich zunächst um Vertretung durch einen Rechtsberater bemühen, der am betreffenden Tag diensteingeteilt war. Es kam allerdings gleich oft vor, dass sich das Steuerungsbüro selbst um eine Vertretung kümmerte. Sowohl Vertretungen im Verhinderungsfall als auch Diensttausche unter den Rechtsberatern kamen immer wieder vor. Die Rechtsberater stellten sich auch gegenseitig Vollmachten aus, um eine Vertretung zu gewährleisten. Als ultima ratio mussten die Einvernahmen abberaumt und die Termine neu eingeteilt werden. Dies hatte für den verhinderten Rechtsberater keinerlei Konsequenzen. Der Kläger machte von der Möglichkeit, sich nach Vorliegen des Wochenplans von seinen Kollegen vertreten zu lassen, keinen Gebrauch.

Im Krankheitsfall musste der Kläger nur dann eine Krankenstandsbestätigung im Steuerungsbüro abgeben, wenn er die vertraglich vereinbarte Entgeltfortzahlung beanspruchte.

Die Rechtsberater trugen sich bei Arbeitsantritt und -ende in eine im Steuerungsbüro aufliegende Anwesenheitsliste ein. Anhand dieser wurden die von den Rechtsberatern ausgestellten Honorarnoten kontrolliert. Trug sich ein Rechtsberater nicht in die Anwesenheitsliste ein, hätten ihm keine disziplinären Konsequenzen gedroht. Da dann allerdings seine Honoraransprüche nicht nachvollziehbar gewesen wären, nahm jeder Rechtsberater die Eintragung im eigenen Interesse vor.

Die Rechtsberater mussten ein Tätigkeitsprotokoll bezüglich der Dauer der Einvernahmen und der Rechtsberatungen, sowie ihrer sonstigen Tätigkeiten, wie Internetrecherchen und das Verfassen von Rechtsmitteln erstellen, und der Leitung der Erstaufnahmestelle Ost übermitteln.

Es gab keine Verhaltens- oder Kleidungsvorschriften für die Rechtsberater. Auch inhaltliche Weisungen erteilte ihnen der Beklagte nicht.

Der Beklagte entlohnte den Kläger nach dessen Anwesenheitsstunden. Das tatsächliche Ausmaß der vom Kläger verrichteten Arbeitsleistung schwankte erheblich und infolgedessen auch sein Honorar. Letzteres betrug im Zeitraum Jänner 2008 bis Jänner 2012 zwischen 270,10 EUR im Juni 2011 und 6.273 EUR im März 2010. Im Monatsdurchschnitt verzeichnete der Kläger ein Honorar von 4.383,86 EUR im Jahr 2008, 4.182,46 EUR im Jahr 2009, 5.161,70 EUR im Jahr 2010 und 3953,62 EUR im Jahr 2011.

Im Jahr 2011 wurde der Bereich Rechtsberatung im Asylverfahren in Folge der Änderung des Asylgesetzes durch das BMI an den Verein M***** und die aus V***** und D***** bestehende ARGE R***** neu vergeben. Der Beklagte gab den Aufgabenbereich der Asylberatung zur Gänze ab. Aufgrund der Strukturänderung kündigte der Beklagte sämtliche bei ihm tätigen Rechtsberater zum , weil er wegen des Wegfalls der Rechtsberatung keinen Bedarf mehr an Juristen hatte.

Mit Schreiben vom kündigte der Beklagte somit auch das Dienstverhältnis des Klägers zum auf. Da hinsichtlich der rechtlichen Qualifikation des Dienstverhältnisses und der allfälligen Arbeitgeberstellung des BMI Unsicherheit bestand, sprachen zunächst das BMI mit Schreiben vom Jänner 2012 die Kündigung des Klägers zum und schließlich der Beklagte und das BMI gemeinsam vorsichtshalber nochmals mit Schreiben vom März 2012 die Kündigung des Klägers zum aus. Als Kündigungsgrund wurde eine Struktur- und Organisationsänderung in Folge der durch die Novellierung des Asylgesetzes bedingten Änderung der Organisation der Rechtsberatung angegeben.

Der Kläger begehrt mit der vorliegenden Klage die Feststellung des aufrechten Dienstverhältnisses zwischen den Streitteilen über den hinaus, in eventu die Unwirksamerklärung der vom Beklagten mit Schreiben vom ausgesprochenen Kündigung. Zusammengefasst brachte er vor, dass er aufgrund wirtschaftlicher und persönlicher Abhängigkeit bei der Leistungserbringung in einem echten Dienstverhältnis zum Beklagten gestanden sei. Die Kündigung sei aus mehreren Gründen nichtig: Das Vorverfahren nach dem ArbVG sei nicht eingehalten worden. Sollte ihn der Beklagte als Überlasser im Sinn des AÜG an das BMI zur dauernden Dienstleistung zugewiesen haben, dann sei der Auftragsentfall kein Grund zur Auflösung des Dienstverhältnisses. Sollte die Kündigung des Dienstverhältnisses deshalb erfolgt sein, weil das BMI den Auftrag der Flüchtlingsbetreuung an zwei andere Vereine vergeben habe, dann liege ein Teilbetriebsübergang nach dem AVRAG vor. Eine aus Anlass eines Betriebsübergangs erfolgte Kündigung sei aber unwirksam. Der Beklagte habe das gemäß § 45a AMFG erforderliche Frühwarnsystem nicht eingehalten. Da die Mindestvertragsdauer eines Rechtsberatungsverhältnisses nach § 65 AsylG 2005 fünf Jahre betragen habe, sei die Vereinbarung einer vorherigen Kündigungsmöglichkeit ebenso rechtsunwirksam, wie die Kündigung selbst. In der Kündigung vom sei entgegen den Vorschriften des hier anwendbaren Vertragsbedienstetengesetzes 1948 (VBG) kein Kündigungsgrund angegeben worden. Das Kündigungsschreiben von März 2012 stamme nicht vom Beklagten. Der darin genannte Kündigungsgrund liege nicht vor. Zudem habe es der Beklagte unterlassen, ihm einen freien oder frei werdenden Arbeitsplatz anzubieten. In eventu werde die Kündigung wegen Sozialwidrigkeit und wegen Vorliegen eines unzulässigen Motivs angefochten.

Der Beklagte bestritt, beantragte Klageabweisung und wendete zusammengefasst ein, dass der Kläger im Rahmen eines freien Dienstverhältnisses und nicht in persönlicher Abhängigkeit für ihn tätig geworden sei. Die vom Kläger als Anspruchsgrundlage herangezogenen Bestimmungen des AMFG, AÜG, VBG und ArbVG kämen daher gar nicht zur Anwendung. Der Beklagte habe den freien Dienstvertrag entsprechend der rechtswirksam vereinbarten Kündigungsklausel frist- und termingerecht gekündigt. Läge ein echtes Arbeitsverhältnis vor, so wäre dieses infolge Betriebsübergangs auf die ARGE R***** und den Verein M***** übergegangen. Dann wäre der Beklagte aber nicht passiv klagslegitimiert. Das VBG sei wegen Fehlens der Voraussetzung des § 1 Abs 2 VBG keinesfalls anwendbar. Jedenfalls habe die Eventualkündigung vom März 2012 zum den kündigungsrechtlichen Vorgaben des VBG entsprochen. Die Kündigung sei wegen der erfolgten Struktur- bzw Bedarfskündigung nach § 32 Abs 4 VBG berechtigt ausgesprochen worden. Der Arbeitsplatz des Klägers sei weggefallen; ein anderer Arbeitsplatz sei für den Kläger nicht zur Verfügung gestanden. Käme das VBG zur Anwendung, läge aufgrund der mehrfachen Aneinanderreihung befristeter Dienstverhältnisse jedenfalls ein unbefristetes und damit kündbares Dienstverhältnis vor.

Das Erstgericht wies sowohl das Haupt- als auch das Eventualbegehren des Klägers ab. Da in einer Gesamtbetrachtung die Merkmale der persönlichen Abhängigkeit ihrem Gewicht und ihrer Bedeutung nach überwiegen, sei das vorliegende Vertragsverhältnis als echter Arbeitsvertrag zu qualifizieren. Im Mittelpunkt dieser Beurteilung stehe, dass der Kläger, sobald er an einem bestimmten Tag um 8:00 Uhr den Dienst aufgenommen habe, in die betriebliche Ordnung des Beklagten hinsichtlich Arbeitszeit und Arbeitsort eingeordnet gewesen sei. Im Wochenplan hätten die Referenten die nicht zur Disposition stehenden Zeiten der Einvernahmen zugewiesen bekommen. Der Kläger habe demnach keine Möglichkeit gehabt, den Ablauf der Arbeit selbst zu regeln. Ein freies Dienstverhältnis sei aber nur dort möglich, wo es der faktische Arbeitsablauf gestatte, den Dienstnehmer nicht in den Betrieb zu integrieren und seine Dispositionsmöglichkeit weitgehend auszuschalten. Das echte Arbeitsverhältnis der Streitteile unterliege somit dem VBG und dem AVRAG. Da die Kriterien für einen Betriebsübergang nach § 3 Abs 1 AVRAG erfüllt seien, sei die Klage mangels passiver Klagslegitimation der Beklagten abzuweisen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers Folge und dem Hauptbegehren statt. Es teilte zwar die rechtliche Beurteilung des Erstgerichts über die Qualifikation des vorliegenden Vertragsverhältnisses als echter Arbeitsvertrag und die Anwendung des VBG, verneinte aber die Anwendbarkeit des AVRAG auf das dem VBG unterliegende Arbeitsverhältnis (§ 1 Abs 2 Z 4 AVRAG) und damit das Vorliegen eines Betriebsübergangs. Auf eine unmittelbare Anwendung der Betriebsübergangsrichtlinie RL 2001/23/EG habe sich der Beklagte ausdrücklich nicht berufen. Die erste Kündigung sei unwirksam, weil das Kündigungsschreiben entgegen § 32 Abs 1 VBG keine Angabe von Gründen enthalte und auch die Anzeigepflicht des § 45a AMFG verletzt worden sei. Die zweite Kündigung sei unwirksam, weil der Kläger mit einer zeitlich begrenzten Funktion betraut gewesen sei (§ 32 Abs 5 VBG). Die ordentliche Revision ließ das Berufungsgericht zu, weil die Rechtsfragen zur Anwendbarkeit des VBG auf Dienstverhältnisse des Beklagten vor der Dienstrechts Novelle 2005 sowie zur Kündigung des Dienstverhältnisses eines Rechtsberaters im Asylverfahren in ihrer Bedeutung über den Einzelfall hinausgingen.

In seiner dagegen gerichteten Revision beantragt der Beklagte die Abänderung des Berufungsurteils im Sinne einer Klagsabweisung.

Der Kläger beantragt in seiner Revisionsbeantwortung , die Revision des Beklagten zurückzuweisen, hilfsweise ihr keine Folge zu geben. In eventu möge das Berufungsurteil dahin abgeändert werden, dass dem Eventualbegehren stattgegeben, hilfsweise das Verfahren zur weiteren Beweisaufnahme an das Erstgericht zurückverwiesen werde.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Beklagten ist zulässig und berechtigt, weil das Berufungsgericht die Frage, ob das hier vorliegende Vertragsverhältnis als echtes oder freies Dienstverhältnis zu beurteilen ist, unrichtig beurteilt hat.

1. Da die rechtlichen Grundlagen der Tätigkeit eines Rechtsberaters im Asylverfahren für die Beurteilung der Qualifikation des zwischen den Streitteilen vereinbarten Vertragsverhältnisses eine wichtige Rolle spielen, werden diese – vom Berufungsgericht bereits herausgearbeiteten – Regelungen hier nochmals kurz dargestellt:

1.1. Durch die AsylG-Novelle 2003 (BGBl I 2003/101) wurde der inhaltlichen Prüfung des Asylantrags (Asylverfahren) ein in den eigens dafür eingerichteten Erstaufnahmestellen des Bundesasylamts zu führendes sogenanntes Zulassungsverfahren vorgelagert und das Institut des Rechtsberaters im Zulassungsverfahren geschaffen.

§ 39a AsylG (Rechtsberatung in der Erstaufnahmestelle) lautete auszugsweise:

„ (1) Im Zulassungsverfahren sind dem Asylwerber in der Erstaufnahmestelle rechtskundige Personen mit Spezialwissen im Bereich Asyl- und Fremdenwesen (Rechtsberater) zur Seite zu stellen. Der Rechtsberater ist unabhängig und hat seine Aufgaben weisungsfrei wahrzunehmen; er ist in Wahrnehmung seiner Aufgaben zur Amtsverschwiegenheit verpflichtet.

(2) ...Der Rechtsberater ist verpflichtet, an allen weiteren Einvernahmen im Zulassungsverfahren teilzunehmen.

(3) Bei unbegleiteten minderjährigen Asylwerbern hat der Rechtsberater als gesetzlicher Vertreter im Zulassungsverfahren sowohl bei der Ersteinvernahme als auch bei jeder weiteren Einvernahme in der Erstaufnahmestelle teilzunehmen. “

§ 39b AsylG (Anforderungsprofil für Rechtsberater) lautete auszugsweise:

„ (1) Rechtsberater haben entweder den Abschluss eines rechtswissenschaftlichen Studiums oder einer gleichwertigen rechtlichen Ausbildung nachzuweisen, es sei denn, diese Personen sind oder waren seit mindestens fünf Jahren in einer kirchlichen oder privaten Organisation hauptamtlich und durchgehend rechtsberatend im Asylwesen tätig.

(2) Die Auswahl und Bestellung der Rechtsberater obliegt dem Bundesminister für Inneres. …

(3) Die Dauer des Rechtsberatungsverhältnisses richtet sich nach dem mit dem Bundesminister für Inneres abzuschließenden Vertrag; die Mindestvertragsdauer beträgt fünf Jahre. Begeht der Rechtsberater wiederholt und beharrlich Verletzungen seiner Beratungs- und Anwesenheitspflicht, kann der Vertrag mit sofortiger Wirkung gekündigt werden.

(4) Die Kosten für die Rechtsberatung trägt der Bund. “

1.2. Mit dem Fremdenrechtspaket 2005 (BGBl I 2005/100) trat mit das AsylG 2005 in Kraft. Die Rechtsberatung im Zulassungsverfahren wurde in § 64 und das Anforderungsprofil für die Rechtsberater in § 65 geregelt. Neu wurde in § 65 Abs 3 zweiter Satz AsylG 2005 geregelt, dass eine Wiederbestellung kein unbefristetes Vertragsverhältnis begründet. Nach § 65 Abs 5 AsylG 2005 hat sich ein Rechtsberater während der Dauer seines Vertragsverhältnisses jeglichen Verhaltens zu enthalten, das geeignet ist, 1. die gewissenhafte Wahrnehmung seiner Aufgaben hintanzuhalten, 2. den Eindruck einer seinen Aufgaben widersprechenden Wahrnehmung seiner Pflichten zu erwecken oder 3. die Amtsverschwiegenheit zu gefährden.

1.3. Mit dem Fremdenrechtsänderungs-gesetz 2011 – FrÄG 2011 (BGBl I 2011/38) wurde das AsylG 2005 geändert. Die „Rechtsberatung im Zulassungsverfahren vor dem Bundesasylamt“ in § 64, die „Beratende Unterstützung im zugelassenen Verfahren vor dem Bundesasylamt“ in § 65, die „Rechtsberatung vor dem Asylgerichtshof“ in § 66 und das „Anforderungsprofil für Rechtsberater und für juristische Personen“ in § 66a AsylG 2005 wurden neu geregelt. Nach § 64 Abs 1 AsylG 2005 idF BGBl I 2011/38 ist im Zulassungsverfahren einem Asylbewerber kostenlos ein Rechtsberater amtswegig zur Seite zu stellen. § 64 Abs 4 AsylG 2005 idF BGBl I 2011/38 bestimmt, dass das Bundesasylamt für jede Erstaufnahmestelle die Zuständigkeit der Rechtsberater je nach Einbringung des Antrags festlegt. Die Übertragung der Aufgaben an einen anderen Rechtsberater kann im Einzelfall und nur mit Zustimmung dieses Beraters erfolgen. Nach § 64 Abs 5 AsylG 2005 idF BGBl I 2011/38 verordnet der Bundesminister für Inneres die Höhe der Entschädigung der Rechtsberater für den Zeit- und Arbeitsaufwand. Die Auswahl der Rechtsberater gemäß § 64 und § 65 AsylG 2005 obliegt dem Bundesminister für Inneres, die Auswahl der Rechtsberater gemäß § 66 AsylG 2005 dem Bundeskanzler (§ 66a Abs 4 AsylG 2005 idF BGBl I 2011/38). Dass eine Wiederbestellung als Rechtsberater kein unbefristetes Vertragsverhältnis begründet und der Vertrag mit sofortiger Wirkung gekündigt werden kann, wenn ein Rechtsberater wiederholt und beharrlich seine Pflichten verletzt, ist nunmehr in § 66a Abs 5 AsylG 2005 idF BGBl I 2011/38 geregelt. Neu war noch, dass der Bundesminister für Inneres auch juristische Personen mit der Besorgung der Rechtsberatung gemäß § 64 AsylG 2005 und der beratenden Unterstützung gemäß § 65 AsylG 2005 betrauen konnte, der Bundeskanzler auch juristische Personen mit der Besorgung der Rechtsberatung gemäß § 66 AsylG 2005 (§ 66a Abs 6 AsylG 2005 idF BGBl I 2011/38).

1.4. Mit dem Fremdenbehördenneu-strukturierungsgesetz - FNG (BGBl I 2012/87) wurde das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl eingerichtet (BFA Einrichtungsgesetz – BFA G) und ein BFA Verfahrensgesetz (BFA VG) erlassen. Inhaltsgleich wurden mit Wirkung ab die Bestimmungen des § 64 AsylG 2005 (Rechtsberatung im Zulassungsverfahren vor dem Bundesasylamt) in § 49 BFA VG, des § 65 AsylG 2005 (Beratende Unterstützung im zugelassenen Verfahren vor dem Bundesasylamt) in § 50 BFA VG und des § 66a AsylG 2005 (Anforderungsprofil für Rechtsberater und für juristische Personen) in § 48 BFA VG übernommen.

1.5. Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, die Vorgangsweise des BMI, mit dem jeweiligen Rechtsberater einen Bestellungsvertrag abzuschließen und die näheren dienstvertraglichen Bestimmungen in einem eigenen „freien Dienstvertrag“ zu regeln, habe diesen gesetzlichen Regelungen entsprochen, ist nicht zu beanstanden und wird im Revisionsverfahren auch von keiner der Parteien bestritten. Ein näheres Eingehen auf diese Frage ist daher nicht notwendig.

2.1. Der echte Arbeitsvertrag unterscheidet sich nach herrschender Lehre und Rechtsprechung vom freien Dienstvertrag durch die persönliche Abhängigkeit des Arbeitnehmers vom Arbeitgeber, dh die Unterworfenheit des Arbeitnehmers unter die funktionelle Autorität des Arbeitgebers (RIS Justiz RS0021518; RS0021332; RS0021306; RS0021284; Spenling in KBB 4 § 1151 Rz 6 mwH; Krejci in Rummel , ABGB³ § 1151 Rz 36 ff). Die Rechtsprechung hat in diesem Zusammenhang verschiedene Bestimmungsmerkmale der persönlichen Abhängigkeit erarbeitet, die aber nicht alle gemeinsam vorliegen müssen und in unterschiedlich starker Ausprägung bestehen können. Entscheidend ist, ob bei einer Gesamtbetrachtung nach der Methodik des beweglichen Systems die Merkmale der persönlichen Abhängigkeit ihrem Gewicht und ihrer Bedeutung nach überwiegen (RIS-Justiz RS0021284 [T11, T 20]; RS0021306 [T10]). Die für das Vorliegen einer persönlichen Abhängigkeit sprechenden Merkmale sind vor allem die Weisungsgebundenheit des zur Arbeitsleistung Verpflichteten, insbesondere hinsichtlich Arbeitszeit, Arbeitsort und arbeitsbezogenem Verhalten, die persönliche Arbeitspflicht des Arbeitnehmers, die Fremdbestimmtheit der Arbeit, deren wirtschaftlicher Erfolg dem Arbeitgeber zukommt, die funktionelle Einbindung der Dienstleistung in ein betriebliches Weisungsgefüge, einschließlich der Kontrollunterworfenheit und die Beistellung des Arbeitsgeräts durch den Dienstgeber. Davon unterscheidet sich der freie Dienstvertrag besonders durch die Möglichkeit, den Ablauf der Arbeit selbst zu gestalten, also ohne Bindung an bestimmte Arbeitszeiten und jene Weisungen, die für den echten Arbeitsvertrag prägend sind, und die selbst gewählte Gestaltung jederzeit wieder zu ändern (RIS Justiz RS0021518; RS0021743; Rebhahn in ZellKomm 2 § 1151 ABGB Rz 128 und in Kletečka/Schauer , ABGB-ON 1.02 § 1151 ABGB Rz 98; Pfeil in Schwimann/Kodek 4 § 1151 ABGB Rz 30; Schrammel in Fenyves/Kerschner/Vonkilch , Klang ³ § 1151 ABGB Rz 61; Krejci in Rummel , ABGB³ § 1151 Rz 83).

2.2. Ein wesentlicher Aspekt, der im vorliegenden Fall gegen die Annahme eines echten Arbeitsvertrags und für den freien Dienstvertrag spricht, ist das dem Kläger vertraglich eingeräumte und auch tatsächlich so gehandhabte (vgl RIS Justiz RS0111914 [T4]) Recht, sich vorab frei und ohne jegliche Abstimmung mit dem Beklagten entscheiden zu können, ob und gegebenenfalls in welchem Stundenausmaß sowie an welchen Arbeitstagen er eine Tätigkeit als Rechtsberater für den Beklagten erbringen wollte. Ein echter Arbeitnehmer hingegen, der seine Arbeitsleistung in persönlicher Abhängigkeit erbringt, hat zwar unter Umständen – wie die Revisionsbeantwortung insofern richtig aufzeigt – auch die Möglichkeit der freien Arbeitszeiteinteilung; er kann sich aber nicht aussuchen, ob und in welchem Ausmaß er überhaupt im Folgemonat arbeiten möchte. Der vorliegende schriftliche Dienstvertrag (Punkt 4.3. Abs 2 und 3) hält zwar in diesem Zusammenhang fest, dass eine durchgehende, den Zeitraum von fünf Wochen übersteigende Nichtausübung der Rechtsberatertätigkeit dem Beklagten unabhängig vom Grund der Abwesenheit zu melden ist und bei festgestellter, unbegründeter Nichtausübung der Beratertätigkeit von mehr als fünf Wochen der Beklagte nach Ablauf einer Frist von 15 Tagen zur Möglichkeit der Abgabe einer begründeten Stellungnahme davon ausgeht, dass der Kläger seine Tätigkeit eingestellt hat. Doch konnte der Kläger nach den weiteren für den Obersten Gerichtshof bindenden Feststellungen seine Rechtsberatertätigkeit auch für einen längeren Zeitraum ohne disziplinäre Konsequenzen einstellen.

Der Kläger musste mit dem Beklagten im Fall des Urlaubs auch keine Urlaubsvereinbarung abschließen und diesem den (stets unbezahlten) Urlaub auch nicht bekannt geben. Die Pflicht des Klägers, dem Steuerungsbüro der Erstaufnahmestelle Ost einen Urlaub zu melden, hatte lediglich organisatorische Gründe, um die kontinuierliche Rechtsberatung, insbesondere hinsichtlich unbegleiteter Minderjähriger, auch für den Fall der Abwesenheit sicher zu stellen. Das Vertragsverhältnis der Parteien war daher nicht davon gekennzeichnet, dass der Beklagte faktisch über die Arbeitskraft des Klägers wie bei einem echten Arbeitsvertrag verfügen konnte (vgl Rebhahn in ZellKomm 2 § 1151 ABGB Rz 87 mwN). Dass die Parteien bei Abschluss des auch als „Freier Dienstvertrag“ bezeichneten Vertragsverhältnisses – auch wenn es für die Qualifikation als freier oder echter Dienstvertrag nicht auf die Bezeichnung durch die Parteien ankommt (RIS-Justiz RS0111914) – beabsichtigten, dieses so unabhängig und frei wie nur möglich zu gestalten (vgl RIS Justiz RS0021518 [T3]), zeigt andererseits auch der fehlende (Rechts )Anspruch des Klägers, Dienstleistungen gegen Entgelt in einem bestimmten Ausmaß für die Beklagte zu erbringen. Der Kläger konnte insofern zwar seine jeweiligen Arbeitswünsche dem Steuerungsbüro im Vorhinein bekannt geben, sah jedoch erst nach Erstellung des jeweiligen Wochenplans, ob und gegebenenfalls an welchem Halbtag und in welchem Umfang er tatsächlich zur Dienstleistung herangezogen wurde. Der Umfang der vom Beklagten benötigten Arbeitsleistungen des Klägers hing im Wesentlichen vom jeweiligen konkreten Bedarf an Rechtsberatern ab.

Dass der Kläger nach erfolgter Einteilung im Wochenplan grundsätzlich verpflichtet war, seine Rechtsberatertätigkeit zu verrichten, ist richtig. Dies ist aber kein besonderes Merkmal eines echten Arbeitsvertrags, sondern letztlich Ausfluss einer jeden Vertragsgestaltung, in der sich eine Person zur Erbringung einer Leistung gegenüber einer anderen Person verpflichtet. Der Kläger war zwar bei der Verrichtung seiner Rechtsberatertätigkeit vor Ort zwangsläufig in eine gewisse Organisationsstruktur der Erstaufnahmestelle (und nicht des Beklagten) eingebunden, aber nicht in dem Maße, dass er der funktionellen Autorität des Beklagten unterworfen gewesen wäre (vgl 9 ObA 99/91).

Der Kläger hatte auch grundsätzlich die Möglichkeit, sich bei Verhinderung von einem anderen an der Erstaufnahmestelle Ost tätigen Rechtsberater des Beklagten vertreten zu lassen. Selbst wenn weder der Kläger noch das Steuerungsbüro eine Vertretung organisieren konnten, hatte dies für den Kläger keine Konsequenzen. Auch wenn dieses Vertretungsrecht vom Kläger tatsächlich nicht in Anspruch genommen wurde (vgl RIS Justiz RS0118332), stellt dies im vorliegenden Fall kein Indiz für ein echtes, auf die persönliche Arbeitspflicht des Arbeitnehmers ausgerichtetes Rechtsverhältnis dar.

Die mangelnde organisatorische Gebundenheit des Klägers an Weisungen über die Art der Ausführung der Tätigkeit gründet auf die schon gesetzlich vorgegebene Weisungsfreiheit (und damit auch Kontrollfreiheit) der Tätigkeit eines Rechtsberaters. Dieses Merkmal spricht daher im vorliegenden Fall weder für das Vorliegen eines echten Arbeitsvertrags noch eines freien Dienstvertrags. Dass der Kläger ein Tätigkeitsprotokoll führen und seine Arbeitszeiten in eine Anwesenheitsliste eintragen musste, war nicht Ausfluss einer laufenden inhaltlichen Kontrolle des Beklagten, sondern sollte nur die vom Kläger in der Honorarnote verrechneten Arbeitsstunden für den Beklagten nachvollziehbar machen (vgl 9 ObA 46/13z). Da der Kläger auch im Übrigen nicht in eine betriebliche Hierarchie des Beklagten eingeordnet und eingegliedert war, kann nicht davon gesprochen werden, dass der Kläger, vergleichbar einem echten Arbeitnehmer, in den Betrieb des Arbeitgebers integriert war (vgl Rebhahn in ZellKomm 2 § 1151 ABGB Rz 107 mwN).

Ebenfalls aus der Natur (dem Sacherfordernis) der Tätigkeit des Klägers folgt die Festlegung der Arbeitsorte (vgl 4 Ob 116/84; 9 ObA 10/99g; 8 ObA 55/07g; 8 ObA 57/09d). Die Bereitstellung von üblichen Büromöbeln und Büroarbeitsmitteln – hier im Übrigen nicht durch den Beklagten, sondern durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl –, stellt kein zwingendes Kriterium für einen echten Arbeitsvertrag dar. Auch die regelmäßige dauernde Dienstleistung des Klägers für den Beklagten steht für sich genommen der Annahme eines freien Dienstvertrags nicht entgegen (9 ObA 54/97z; RIS Justiz RS0021749). Gleiches gilt hier auch in Bezug auf die vertraglich dem Kläger eingeräumte Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall (vgl Radner in Mazal/Risak , Das Arbeitsrecht, System und Praxiskommentar Kap I Rz 38 mwN). Schließlich ist auch die vereinbarte Möglichkeit beider Parteien, den Vertrag unter gewissen Voraussetzungen aufzulösen, jedem Dauerschuldverhältnis immanent (8 ObA 63/13t).

Bei der gebotenen Gesamtbetrachtung nach der Methodik eines beweglichen Systems überwiegen hier die für einen freien Dienstvertrag sprechenden Elemente.

2.3. Der Oberste Gerichtshof hat in der Vergangenheit auch in vergleichbaren Konstellationen das Vorliegen eines freien Dienstverhältnisses angenommen:

In 9 ObA 99/91 betreffend die Tätigkeit eines klagenden Arztes im Rahmen eines von einer Landesärztekammer betriebenen Notdienstes betonte der Oberste Gerichtshof, dass der Mangel der persönlichen Abhängigkeit von der Beklagten und die weitgehende Selbstbestimmung des Klägers schon darin ihren Ausdruck findet, dass der Kläger nach der konkreten Ausgestaltung der vertraglichen Beziehungen über seinen Einsatz frei verfügen durfte. Er durfte nicht nur seine Einteilungswünsche im Voraus äußern, sondern jeweils auch entscheiden, ob er den eingeteilten Dienst antreten wolle oder sich vertreten lasse. Dafür bedurfte es keiner Entschuldigungsgründe.

Nach 9 ObA 10/99g ist ein Sprachlehrer, der den Arbeitsablauf, insbesondere die Arbeitszeit, selbst weisungsfrei bestimmen und jederzeit ändern kann, selbst dann, wenn er an den Unterrichtsraum und die Unterrichtsmethode gebunden ist, als freier Dienstnehmer anzusehen. Entscheidend war insbesondere, dass der Sprachlehrer bis zum Zeitpunkt der gemeinsamen Festlegung der Arbeitsleistung die Möglichkeit hatte, sich nur zu bestimmten Stunden oder überhaupt nicht zur Verfügung zu halten, ohne dass dies zu Konsequenzen geführt hätte.

Auch das Vertragsverhältnis zwischen der Republik Österreich und einem Arzt, der den Zeitpunkt der Anstaltsbesuche und die Einteilung der Ordination im Einvernehmen mit der Anstaltsleitung festlegen konnte, über die vom Arzt zu erbringenden Leistungen in einer Justizanstalt wurde als freier Dienstvertrag beurteilt (8 ObA 55/07g).

Der Revision des Beklagten ist daher Folge zu geben und das sowohl das Haupt- als auch das Eventualklagebegehren abweisende Ersturteil wiederherzustellen. Dass das VBG (§ 1 Abs 1 VBG;8 ObA 55/07g; vgl 9 ObA 16/12m) und das Frühwarnsystem des § 45a AMFG auch auf ein freies Dienstverhältnis zur Anwendung gelangen würden, wird vom Kläger nicht behauptet. Ebenfalls nicht weiter in Frage gestellt wird vom Kläger, dass auch für ein auf bestimmte Zeit eingegangenes Dienstverhältnis die Möglichkeit einer Kündigung vereinbart werden kann (vgl 8 ObA 261/95). Eine Kündigungsanfechtung nach § 105 Abs 3 ArbVG scheitert schon am Arbeitnehmerbegriff des § 36 Abs 2 ArbVG (9 ObA 2260/96k; 9 ObA 127/03k). Letztlich stellen sich auch keine Fragen im Zusammenhang mit dem AVRAG, weil freie Dienstverhältnisse nicht der Bestimmung des § 3 AVRAG unterliegen (9 ObA 53/13d mwN).

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Die Umsatzsteuer für die in der Berufungsbeantwortung grundsätzlich richtig verzeichneten Kosten beträgt 454,42 EUR.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:2016:009OBA00040.16X.0624.000