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OGH vom 14.01.1997, 14Os161/96

OGH vom 14.01.1997, 14Os161/96

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Massauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Mayrhofer, Dr.E.Adamovic, Dr.Holzweber und Dr.Ratz als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Pösinger als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Gudrun Ilse V***** wegen des Verbrechens der Veruntreuung nach § 133 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB, AZ 25 a Vr 6.086/96 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien, über die vom Generalprokurator erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien vom , AZ 19 Bs 280/96, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr.Wasserbauer, des Privatbeteiligtenvertreters Dr.Langer und der Angeklagten, jedoch in Abwesenheit ihrer Verteidigerin, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Text

Gründe:

Mit Beschluß des Bezirksgerichtes Donaustadt vom , GZ 10 U 713/93-30 (in ON 2 des Aktes 25 a Vr 6.086/96 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien), wurde das Privatanklageverfahren gegen Gudrun Ilse V*****, der die Veruntreuung von Nachlaßvermögen zum Nachteil von Familienangehörigen angelastet worden war, gemäß § 451 Abs 2 StPO mit der (alleinigen) Begründung eingestellt, daß infolge Fehlens der (vom Privatankläger Gernot Karl Franz H***** behaupteten) Voraussetzungen des § 166 StGB die inkriminierte Tat als Offizialdelikt (nämlich als das Verbrechen des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3 StGB) anzusehen sei. Der dagegen erhobenen Beschwerde des Privatanklägers gab das Landesgericht für Strafsachen Wien mit Beschluß vom , AZ 13 a Bl 882/95 (ON 34 in ON 2 dA), mit der bereits vom Bezirksgericht gewählten Begründung nicht Folge. Sodann wurden die Akten am "gemäß § 84 Abs 1 StPO" der Staatsanwaltschaft Wien übermittelt.

Diese legte hierauf in ihrer Anklageschrift vom der Gudrun Ilse V***** das Tatgeschehen als Verbrechen der Veruntreuung nach § 133 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB zur Last (ON 3). In der über den Einspruch der Beschuldigten ergangenen, der Anklage Folge gebenden Entscheidung vom , AZ 19 Bs 280/96, vertritt das Oberlandesgericht Wien den Standpunkt, daß der Einstellungsbeschluß des Bezirksgerichtes Donaustadt die weitere Verfolgung der Gudrun Ilse V***** wegen der unter Anklage gestellten Tat nicht hindere.

Rechtliche Beurteilung

Nach Ansicht des Generalprokurators verletzt diese Einspruchsentscheidung das Gesetz in den Bestimmungen der §§ 213 Abs 1 Z 3, 363 Z 1 und 2 sowie 451 Abs 2 StPO, wenn der nachstehende Standpunkt vertreten werde:

"Die Beendigung des Strafverfahrens vor dem Bezirksgericht durch Beschluß gemäß § 451 Abs 2 StPO setzt voraus, daß die dem Bestrafungsantrag zugrunde liegende Tat vom Gesetz nicht mit Strafe bedroht ist oder daß Umstände vorliegen, durch welche die Strafbarkeit der Tat aufgehoben und (gemeint: oder) die Verfolgung wegen der Tat ausgeschlossen ist. Aus der Tatsache, daß es zur Behebung eines solchen Beschlusses eines Rechtsmittels (des Anklägers) bedarf, folgt, daß eine Verfahrenseinstellung dieser Art nach dem Eintritt ihrer (materiellen) Rechtskraft jedenfalls (und zwar ungeachtet des Wortlautes des § 363 Z 1 StPO auch dann, wenn sie vor der Behandlung einer bestimmten Person als Beschuldigter vorgenommen wird) die - einer (neuerlichen) Verfolgung des Täters entgegenstehende - sogenannte "Sperrwirkung" entfaltet, sodaß eine (bloß) formlose Wiederaufnahme des Verfahrens nicht in Betracht kommt (10 Os 114/83 = SSt 54/57 = EvBl 1984/95 = RZ 1984/22, allerdings ergangen vor der Erweiterung der Anwendungsfälle des § 451 Abs 2 StPO durch das StrafrechtsänderungsG 1987, BGBl 605). Die (gleichfalls) eine formlose Fortsetzung des Verfahrens vorsehende Bestimmung des § 363 Z 2 StPO begünstigt nur den zur Strafverfolgung berechtigten Privatankläger, wenn die Einstellung des Verfahrens deshalb erfolgt ist, weil die Verfolgung wegen eines Privatanklagedeliktes von einem nicht berechtigten Privatankläger oder von einem öffentlichen Ankläger eingeleitet wurde. Wurde aber zu Unrecht ein Offizialdelikt als Privatanklagedelikt angeklagt und das Verfahren aus diesem Grund - wie vorliegend - durch Einstellung gemäß § 451 Abs 2 letzter Fall StPO beendet, so ist das Klagerecht des öffentlichen Anklägers erloschen (SSt 8/159; 9 Os 270/61; Foregger-Kodek StPO6 § 363 Erl III; Lohsing-Serini4, 623; Roeder, Lehrbuch des österreichischen Strafverfahrensrechtes**2, S 267, 330).

Vertritt man die Auffassung, daß die Sperrwirkung, welche nach der zitierten Entscheidung SSt 54/57 einer Verfahrenseinstellung aus dem Grunde des § 42 StGB zugeschrieben wurde, allen Beschlüssen nach § 451 Abs 2 StPO idF des StRÄG 1987 zukommt (so die allerdings nicht näher begründete Anm bei Mayerhofer-Rieder StPO3 § 363 E 9), dann stünde deshalb der vom Bezirksgericht Donaustadt gemäß § 451 Abs 2 StPO gefaßte Einstellungsbeschluß formal der weiteren Verfolgung der Beschuldigten Gudrun Ilse V***** wegen der inkriminierten Tat jedenfalls entgegen. Ob ungeachtet des Hausdurchsuchungsbefehls (s ON 19) und der Kontenoffenlegungsbeschlüsse (insbes AS 1 e verso) im Privatanklageverfahren (ON 2) davon ausgegangen werden kann, daß keine bestimmte Person als Beschuldigte behandelt wurde (S 8 der Einspruchsentscheidung; vgl allerdings Bertel, Grundriß des österreichischen Strafprozeßrechts4 Rz 1062), kann dahingestellt bleiben. Demnach wäre vom Oberlandesgericht gemäß § 213 Abs 1 Z 3 StPO der Anklage keine Folge zu geben und das Verfahren einzustellen gewesen".

Dann aber fährt die Nichtigkeitsbeschwerde - alternativ - mit folgenden Überlegungen fort:

"Die vom Einspruchsgericht eingenommene gegenteilige Rechtsposition, wonach Verfahreneinstellungen aufgrund mangelnder Legitimation des einschreitenden Anklägers (Verfolgungshindernis nach § 451 Abs 2 letzter Fall StPO) 'keine absolute Sperrwirkung entfalten, da sie keine endgültige Verfahrensbeendigung, sondern lediglich eine partielle in bezug auf den nicht berechtigten Ankläger zum Ziel haben', ist allerdings im Hinblick auf die durch das StRÄG 1987 erfolgte Erweiterung der Einstellungsgründe durchaus vertretbar. Nicht von der Hand zu weisen ist nämlich zunächst die Befürchtung des Oberlandesgerichtes Wien, daß bei undifferenzierter Anwendung des Rechtssatzes der Entscheidung SSt 54/57 der Täter eines Offizialdeliktes, der einen Dritten zur Einbringung einer (diesbezüglich unzulässigen) Privatanklage beim Bezirksgericht veranlaßt, sich nach Fassung eines Einstellungsbeschlusses nach § 451 Abs 2 letzter Fall StPO der weiteren strafrechtlichen Verfolgung durch den (am bisherigen Verfahren gar nicht beteiligten) öffentlichen Ankläger entziehen könnte.

Davon abgesehen kann dem Gesetzgeber nicht zugesonnen werden, daß er in Fällen wie dem vorliegenden einer das Verfahren wegen Mangels des berechtigten öffentlichen Anklägers nur formal beendigenden Entscheidung (Urteil nach § 259 Z 1 oder Einstellung gemäß § 451 Abs 2 StPO) die Wirkung des Verlustes des öffentlichen Anklagerechtes zuerkennen wollte. Die ausdrückliche gesetzliche Regelung (bloß) des umgekehrten Falles als zur formlosen Wiederaufnahme nach § 363 Z 2 StPO geeignet, ist erklärbar, wenn bedacht wird, daß bei Entstehung der StPO den Privatanklageverfahren wegen ihrer relativ geringen Anzahl weniger Gewicht beigemessen wurde und im Vordergrund der Strafrechtspflege schon damals die Verfolgung von der öffentlichen Anklage unterliegenden Rechtsbrüchen stand, sodaß angesichts des einschlägigen Regelungsinhaltes der StPO (s insbes §§ 27, 46, 112 ua) eine gewisse "Bevorrangung" des öffentlichen Anklägers unübersehbar ist. So gesehen enthält § 363 Z 2 StPO bloß die Zweifel beseitigende Klarstellung, daß bei Überschreitung der Verfolgungskompetenz des öffentlichen Anklägers dem zur Klage noch berechtigten Privatankläger (s nunmehr § 46 Abs 1 StPO) das Verfolgungsrecht jedenfalls gewahrt bleibt. Die Wirkung von Einstellungsentscheidungen wie der gegenständlichen erstreckt sich demnach nur auf den nicht berechtigten Ankläger und garantiert dem Beschuldigten, von diesem nicht mehr in Verfolgung gezogen zu werden. Nur insoweit kann daher von einer Sperrwirkung der Formalentscheidung gesprochen werden".

Träfen diese Überlegungen zu, hätte dies nach Ansicht des Generalprokurators freilich zur Folge, daß die zitierten, wenngleich seit Generationen in Judikatur und Schrifttum vertretenen Meinungen verfehlt und nicht aufrecht zu erhalten seien.

Der Oberste Gerichtshof vermag diesen Ausführungen aus nachstehenden Erwägungen nicht beizutreten:

Die Frage, welchen rechtserheblichen Inhalt eine gerichtliche Entscheidung hat, ist eine Rechtsfrage, die aufgrund des Wortlautes von Spruch und Begründung in Verbindung mit dem dadurch angewandten Gesetz zu lösen ist und nicht durch Erforschung des vermutlichen Willens der am Zustandekommen dieser Entscheidung beteiligten Organwalter. Eine undeutliche Entscheidung ist im Zweifel gesetzeskonform auszulegen (Mayerhofer StPO4 § 280 E 11).

Indem sowohl das Bezirksgericht Donaustadt als auch das Landesgericht für Strafsachen Wien infolge Fehlens der Voraussetzungen des § 166 StGB die inkriminierte Tat als in die Zuständigkeit des Schöffengerichtes fallendes Offizialdelikt (§ 2 Abs 3 StPO) angesehen haben, haben sie inhaltlich keinen der drei zur Verfahrenseinstellung führenden Fälle des § 451 Abs 2 StPO bejaht.

Mit der Anführung des § 451 Abs 2 StPO, ohne einen der dort genannten Einstellungsgründe anzunehmen, hat sich das Bezirksgericht nur in der (rechtlich unbeachtlichen) Bezeichnung seines tatsächlich der Bestimmung des § 450 StPO entsprechenden Vorgehens vergriffen (vgl Mayerhofer StPO4 § 450 E 1 a und 2 a).

Der Gesetzgeber des Strafrechtsänderungsgesetzes BGBl 1987/605 hat nämlich dem Bezirksgericht die bis dahin von der Rechtsprechung bejahte Kompetenz, bereits vor der Hauptverhandlung mangels eines nach dem Gesetz erforderlichen Antrages eines hiezu Berechtigten das Verfahren einzustellen (vgl Mayerhofer StPO4 § 451 E 14) dadurch genommen, daß er in auffallendem Gegensatz zur wortgleichen Übernahme der Einstellungsgründe der §§ 213 Abs 1 Z 3 und 485 Abs 1 Z 6 StPO darauf verzichtet hat, jenen der §§ 213 Abs 1 Z 4 und 485 Abs 1 Z 7 StPO in der Bestimmung des § 451 Abs 2 StPO zu erwähnen; ein Schweigen, welches füglich nur als "beredt" angesehen werden kann (vgl Larenz Methodenlehre der Rechtswissenschaft6 370).

So hat das Bezirksgericht Donaustadt (im Einklang mit dem Beschwerdegericht) auch ausdrücklich eine mit seiner Entscheidung verbundene generelle (also die Anklagebefugnis des Staatsanwaltes miterfassende) Sperrwirkung im Sinne des XX.Hauptstückes der StPO 1975 verneint.

Die in beiden Entscheidungen zum Ausdruck kommende Überzeugung von einer damit verbundenen partiellen, nur eine Anklageerhebung durch Gernot Karl Franz H***** hindernden Sperrwirkung hinwieder berührt die zur Beurteilung stehende Sachverhaltskonstellation nicht und kann schon deshalb außer Betracht bleiben.

Sie ist, wie der Vollständigkeit halber angemerkt sei, zudem gesetzesfremd, weil die Sperrwirkung des XX.Hauptstückes ungeachtet der Frage, wer in dem durch Einstellung oder Freispruch beendeten Strafverfahren als Ankläger aufgetreten ist, einer abermaligen Verfolgung des Täters wegen derselben Tat vorbeugen will. Daher bedarf der Fall des § 363 Z 2 StPO auch einer als Ausnahmebestimmung angelegten Sonderregelung.

Es zeigt sich somit, daß die bloß die sachliche Unzuständigkeit des Bezirksgerichtes (§ 450 StPO) aussprechenden Beschlüsse des Bezirksgerichtes Donaustadt vom , GZ 10 U 713/93-30, und des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom , AZ 13 a Bl 882/95, eine die Verfolgung der inkriminierten Tat hindernde Sperrwirkung im Sinne des XX.Hauptstückes nicht entfalten konnten, womit der von der Anfechtung betroffene Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien vom , AZ 19 Bs 280/96 - wenngleich aus anderen als den dort angeführten Gründen - dem Gesetz entspricht.

Die Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes mußte daher verworfen werden.