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OGH vom 28.11.2007, 9ObA156/07t

OGH vom 28.11.2007, 9ObA156/07t

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Rohrer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Dr. Hradil sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Reinhard Drössler und Mag. Michael Zawodsky als weitere Richter in den verbundenen Arbeitsrechtssachen der klagenden Partei Ing. Fritz B*****, Pensionist, *****, vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in Linz, gegen die beklagte Partei P***** GmbH, *****, vertreten durch Saxinger Chalupsky & Partner Rechtsanwälte GmbH in Linz, wegen Feststellung des aufrechten Bestandes des Dienstverhältnisses trotz Kündigung (8 Cga 169/06z) bzw Feststellung des aufrechten Bestandes des Dienstverhältnisses trotz Entlassung (8 Cga 183/06h) sowie Anfechtung einer Entlassung (8 Cga 3/07i), über die ordentliche und die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 12 Ra 30/07d-11, womit über Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Linz als Arbeits- und Sozialgericht vom , GZ 8 Cga 169/06z-5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt und beschlossen:

Spruch

1) Die außerordentliche Revision gegen die Entscheidung in den Verfahren 8 Cga 169/06z und 8 Cga 183/06h wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

2) Der Revision gegen die Entscheidung im Verfahren 8 Cga 3/07i wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei hat die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Gemeinde *****, deren Bürgermeister der Kläger war, gründete mit Gesellschaftsvertrag vom gemeinsam mit zwei anderen Gesellschafterinnen die beklagte GmbH, wobei die Gemeinde 90 % der Gesellschaftsanteile hält. Der Kläger war ab Eintragung der Gesellschaft in das Firmenbuch am deren Geschäftsführer.

Unternehmensgegenstand der Beklagten ist die Finanzierung und die sonstige administrative Unterstützung bei der Errichtung von Straßen, insbesondere eines Teilstücks der *****. Es war geplant, die Gesellschaft nach Fertigstellung dieser Umfahrung zu liquidieren.

Nach dem Gesellschaftsvertrag der Beklagten können Beschlüsse in der Generalversammlung oder schriftlich im Umlaufweg gefasst werden. Vor jeder Beschlussfassung ist eine Befassung des Gemeinderats mit den zur Beschlussfassung anstehenden Fragen zu veranlassen.

Am legte der Gemeindevorstand der Gemeinde ***** die Entlohnung für die Geschäftsführertätigkeit des Klägers mit netto 0,25 % der Projektkosten von S 110 Mio pro Jahr, beginnend ab bis zur Liquidierung der Gesellschaft, fest. Ferner wurde festgelegt, dass der Geschäftsführer dem Gemeinderat gegenüber weisungsgebunden ist und ein ASVG-Dienstverhältnis vorliegt. Der Kläger wurde zur Pflichtversicherung angemeldet.

Mit Gesellschafterbeschluss vom , ins Firmenbuch eingetragen am , wurde der Kläger seiner Funktion als Geschäftsführer enthoben.

Mit Schreiben vom kündigten die Beklagtenvertreter namens und auftrags der Beklagten das Dienstverhältnis zum nächstmöglichen Kündigungstermin auf. Am sprachen die Geschäftsführer der Beklagten die Entlassung des Klägers aus.

Zu 8 Cga 169/06z begehrt der Kläger die Feststellung, dass sein Dienstverhältnis ungeachtet der ausgesprochenen Kündigung weiterhin aufrecht sei. Das Dienstverhältnis sei bis zur Liquidation der Gesellschaft befristet, weshalb die trotz dieser Befristung ausgesprochene Kündigung rechtsunwirksam sei. Zudem sei vor ihrem Ausspruch der nach dem Gesellschaftsvertrag erforderliche Beschluss des zuständigen Organs der Gemeinde nicht gefasst worden.

Zu 8 Cga 183/06h begehrt der Kläger die Feststellung, dass das Dienstverhältnis ungeachtet der am ausgesprochenen Entlassung nach wie vor aufrecht sei. Er habe keinen Entlassungsgrund gesetzt. Wegen der Befristung des Arbeitsverhältnisses führe die unberechtigte Entlassung zu deren Unwirksamkeit. Außerdem sei vor der Entlassung das nach dem Gesellschaftsvertrag zuständige Organ der Gemeinde nicht befasst worden.

Zu 8 Cga 3/07i begehrt der Kläger, die Entlassung als rechtsunwirksam zu erklären. Er habe keinen Entlassungsgrund gesetzt. Die Entlassung sei auch sozialwidrig. Der Kläger stehe im 67. Lebensjahr. Die Entlassung führe zu einer Beeinträchtigung seines öffentlichen Ansehens. Das Dienstverhältnis habe seit mehr als sechs Monaten bestanden. Die Entlassung sei überdies eine Motiventlassung, weil die Beklagte versuche, durch die Entlassung ein befristetes Dienstverhältnis vorzeitig zu beenden, um berechtigte Entgeltansprüche des Klägers abzuwenden.

Die Beklagte beantragte, alle Klagebegehren abzuweisen. Sie bestritt das Vorliegen eines befristeten Dienstverhältnisses. Die Formulierung „bis zur Liquidation der Gesellschaft" sei keine wirksame Befristung. Es fehle auch an einem für eine Befristung erforderlichen Gemeinderatsbeschluss. Im Übrigen seien die ausgesprochenen Beendigungserklärungen selbst im Falle einer Befristung wirksam; der Kläger sei auf die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen beschränkt. Die Entlassungsanfechtung setze zudem gemäß § 15 Abs 3 AVRAG eine sechsmonatige Betriebszugehörigkeit als Arbeitnehmer voraus. Zudem könne nach der genannten Bestimmung nur eine Kündigung, nicht aber eine Entlassung angefochten werden. Schließlich komme § 15 Abs 3 AVRAG nur auf pensionsnahe Dienstnehmer zur Anwendung, während der Kläger bereits einen Anspruch auf Alterspension habe. Es fehle daher auch an einer Beeinträchtigung sozialer Interessen. Die Entlassung sei keine Motiventlassung. Zudem habe der Kläger (näher dargelegte) Entlassungsgründe gesetzt.

Das Erstgericht wies die zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbundenen Klagen ab.

Aus der Festlegung des Gehalts „bis zur Liquidierung der Gesellschaft" könne keine Befristung des Dienstverhältnisses erschlossen werden. Zu einer solchen Befristung sei der Gemeindevorstand auch gar nicht zuständig gewesen; ein Gesellschafterbeschluss liege nicht vor. Selbst wenn man aber von einer Befristung des Dienstverhältnisses ausgehe, sei eine dennoch ausgesprochene Kündigung - ebenso wie eine Entlassung - nicht rechtsunwirksam. Der Arbeitnehmer könne lediglich Ersatzansprüche geltend machen. Zum Zeitpunkt der Kündigung sei der Kläger nicht mehr Geschäftsführer gewesen, sodass zur Beendigung seines Dienstverhältnisses nicht die Generalversammlung, sondern die Geschäftsführer zuständig gewesen seien. Ein Beschluss des zuständigen Organs der Gemeinde sei daher für den Ausspruch der Beendigungserklärungen nicht nötig gewesen.

Als Rechtsgrundlage für die Anfechtung der Entlassung komme nur § 15 Abs 3 AVRAG in Betracht. Diese Bestimmung ermögliche zwar nach ihrem Wortlaut nur die Anfechtung von Kündigungen, sei aber auf Entlassungen analog anzuwenden. Allerdings sei äußerst fraglich, ob sich der durch § 15 Abs 3 AVRAG vermittelte Schutz, der „pensionsnahen" Arbeitnehmern zuteil werden solle, auf den Kläger überhaupt beziehe, der zum Zeitpunkt der Beendigung 67 Jahre alt gewesen sei und Alterspension beziehe. Dies könne aber offen bleiben, da er jedenfalls die weitere Voraussetzung einer sechsmonatigen Betriebszugehörigkeit (§ 15 Abs 3 AVRAG) nicht erfülle. Hiebei sei - wie bei der Entlassungsanfechtung nach § 106 ArbVG - nur auf eine Betriebszugehörigkeit als Arbeitnehmer iSd § 36 ArbVG abzustellen.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und sprach aus, dass die ordentliche Revision in den Verfahren 8 Cga 169/06z und 8 Cga 183/06h nicht zulässig, im Verfahren 8 Cga 3/07i hingegen zulässig sei.

Zu den beiden Feststellungsbegehren:

Die Frage einer Befristung des Dienstverhältnisses spiele für die Wirksamkeit des Kündigungs- oder Entlassungsausspruchs keine Rolle. Zwar sei die Kündigung eines befristeten Arbeitsverhältnisses nur zulässig, wenn die Kündigungsmöglichkeit wirksam vereinbart worden sei, was nur zulässig wäre, wenn Dauer der Befristung und Kündigungsmöglichkeit in einem angemessenen Verhältnis stehen. Kündige aber der Arbeitgeber ein befristetes Dienstverhältnis ohne eine solche Vereinbarung, werde es - sofern nicht eine ausdrückliche Vereinbarung über einen Kündigungsausschluss vorliege - dennoch beendet. Den Arbeitgeber treffen allerdings die Folgen der ungerechtfertigten vorzeitigen Auflösung. Auch die Entlassung sei trotz einer Befristung des Dienstverhältnisses wirksam. Dabei sei gleichgültig, ob ein Entlassungsgrund vorliege oder nicht. Auch die ungerechtfertigte Entlassung beende das Dienstverhältnis, mache aber den Arbeitgeber ersatzpflichtig.

Die im Gesellschaftsvertrag enthaltene Bestimmung, wonach vor jeglicher Beschlussfassung im Rahmen der GmbH die Befassung des Gemeinderats erforderlich sei, beziehe sich auf Beschlüsse der Generalversammlung. Zum Zeitpunkt der Beendigung des Dienstverhältnisses sei der Kläger nicht mehr Geschäftsführer, sondern nur mehr Dienstnehmer der Beklagten gewesen. Zur Beendigung seines Dienstverhältnisses seien daher die Geschäftsführer der Beklagten befugt gewesen, sodass weder für die Kündigung noch für die Entlassung ein Generalversammlungsbeschluss erforderlich gewesen sei.

Zur Entlassungsanfechtung:

§ 15 Abs 3 AVRAG ermögliche auch in nicht betriebsratspflichtigen Betrieben eine Kündigungsanfechtung wegen wesentlicher Interessenbeeinträchtigung. Diese Möglichkeit stehe nach dem Gesetzeswortlaut nur männlichen Arbeitnehmern der Geburtsjahrgänge 1935 bis 1942 und weiblichen Arbeitnehmern der Geburtsjahrgänge 1940 bis 1947 zu. In den Gesetzesmaterialien werde dazu erläutert, dass die Kündigungsschutzmaßnahme in engem Zusammenhang mit der Aufhebung der vorzeitigen Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit stehe und für pensionsnahe Arbeitnehmer/innen erforderlich sei. Angesichts des unterschiedlichen Pensionsanfallsalters sei es sachlich gerechtfertigt und aus Gründen der Zielgenauigkeit nötig, bei dieser Schutzmaßnahme für pensionsnahe Jahrgänge unterschiedliche Jahrgangsgrenzen vorzusehen. Die Schutzbedürftigkeit von Arbeitnehmern sei in Abhängigkeit von der voraussichtlichen Restlebensarbeitszeit bis zum gesetzlichen Pensionsalter zu sehen (189 BlgNR 21. GP 21). Anfechtungsberechtigt seien nur pensionsnahe Arbeitnehmer, de facto also nur Männer zwischen 58 und 65 und Frauen zwischen 53 und 60 Jahren. Die konkrete Festlegung bestimmter Geburtsjahrgänge durch den Gesetzgeber sowie die Bezugnahme auf die Pensionsreform in den Gesetzesmaterialien legten den Schluss nahe, dass damit bloß eine vorübergehende Schutzmaßnahme getroffen werde sollte, die nicht als anhaltender Schutz für ältere Arbeitnehmer gedacht gewesen sei. Konkret sei demnach nur an einen Schutz bis zum Regelpensionsalter gedacht gewesen. Davon gehe auch der Oberste Gerichtshof aus, der in der Entscheidung 8 ObA 53/04h für den Geltungsbereich des ArbVG in Ausnahmefällen auch einen Kündigungsschutz über das Regelpensionsalter hinaus angenommen und dies ua damit begründet habe, dass § 15 Abs 3 AVRAG einen ausdrücklichen Ausschluss der Anfechtungsmöglichkeit nach Eintritt in das Regelpensionsalter vorsehe, während dies nach § 105 Abs 3 Z 2 ArbVG nicht der Fall sei; daher sei für den Geltungsbereich des ArbVG (im Gegensatz zu jenem des AVRAG) die Anfechtungsmöglichkeit nicht „automatisch" ausgeschlossen.

Die der einhelligen Literatur entsprechende Rechtsmeinung des Erstgerichts, dass der in § 15 Abs 3 AVRAG statuierte Kündigungsschutz zur Vermeidung von Umgehungen analog auch auf Entlassungen auszudehnen sei, sei zutreffend. Der Kläger sei aber zum Zeitpunkt der Entlassung bereits 67 Jahre alt gewesen und habe eine Alterspension bezogen. Daher falle er schon aus diesem Grund nicht (mehr) in den Schutzbereich des AVRAG, weshalb auch das Anfechtungsbegehren erfolglos bleiben müsse. Auf die Frage, ob der Arbeitnehmerbegriff des § 36 ArbVG auch auf § 15 Abs 3 AVRAG anzuwenden sei, komme es daher nicht an.

Gegen die Entscheidung in den Verfahren 8 Cga 169/06z und 8 Cga 183/06h (Begehren auf Feststellung des Fortbestandes des Dienstverhältnisses trotz Kündigung bzw Entlassung) richtet sich die außerordentliche Revision des Klägers, gegen die Entscheidung im Verfahren 8 Cga 3/07i (Entlassungsanfechtung) die von ihm erhobene ordentliche Revision.

Rechtliche Beurteilung

Die Beklagte beantragte, der ordentlichen Revision des Klägers nicht Folge zu geben.

1) Zur außerordentlichen Revision:

Entgegen der Meinung des Revisionswerbers entspricht die oben wiedergegebene Rechtsauffassung des Berufungsgerichtes über die Wirksamkeit von vorzeitigen Beendigungserklärungen im befristeten Dienstverhältnis der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (zur Wirksamkeit der Kündigung, sofern - wie hier - keine ausdrückliche Vereinbarung über den Ausschluss des Kündigungsgrundes vorliegt: die vom Revisionswerber offenbar missverstandene Entscheidung 9 ObA 49/05d und die dort zitierte Rechtsprechung; zur Wirksamkeit der Entlassung: 9 ObA 31/04f mwN).

Gründe für ein Abgehen von dieser Rechtsprechung vermag der Revisionswerber nicht aufzuzeigen.

Auf die Frage, ob das Dienstverhältnis des Klägers ein befristetes war, kommt es daher nicht an.

Die Auslegung von Vertragsbestimmungen durch die zweite Instanz - hier: die Auslegung der Bestimmung des Gesellschaftsvertrages über die Notwendigkeit der Befassung des Gemeinderats - begründet im Allgemeinen keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO. Die von der zweiten Instanz vorgenommene Auslegung des Gesellschaftsvertrags, wonach sich die darin für Beschlussfassungen im Rahmen der Gesellschaft vorgesehene Mitwirkung des Gemeinderats auf Beschlüsse der Generalversammlung bezieht, ist jedenfalls nicht unvertretbar. Eine erhebliche Rechtsfrage vermag daher der Revisionswerber auch in diesem Zusammenhang nicht aufzuzeigen. Auf der Grundlage dieser Auslegung bestand aber - da der Kläger zum Zeitpunkt der Beendigungserklärungen nicht mehr Geschäftsführer und daher für die Abgabe der Beendigungserklärung kein Generalversammlungsbeschluss erforderlich war (SZ 74/59) - für eine Mitwirkung des Gemeinderats keine Veranlassung.

2) Zur ordentlichen Revision:

Das Berufungsgericht vertrat die Rechtsauffassung, dass der in § 15 Abs 3 AVRAG normierte Kündigungsschutz zur Vermeidung von Umgehungen auch auf Entlassungen analog anzuwenden sei. Die nach dem Wortlaut des § 15 Abs 3 AVRAG für Arbeitnehmer der Jahrgänge 1935 bis 1942 bzw für Arbeitnehmerinnen der Jahrgänge 1940 bis 1947 eröffnete Möglichkeit der Kündigungsanfechtung stehe aber dem Kläger, der zum Zeitpunkt der Beendigungserklärung 67 Jahre alt war und eine Alterspension bezog, nicht offen.

Diese Rechtsauffassung ist zutreffend, sodass es insoweit ausreicht, auf die dazu angestellten Überlegungen der zweiten Instanz zu verweisen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Ergänzend ist dazu auszuführen:

Dass die durch § 15 Abs 3 AVRAG eröffnete Anfechtungsmöglichkeit auf Entlassungen analog anzuwenden ist, entspricht der herrschenden Lehre und ist zur Vermeidung der Umgehung des mit der genannten Bestimmung geschaffenen Kündigungsschutzes unabdingbar.

Dennoch kann sich der Kläger auf § 15 Abs 3 AVRAG nicht mit Erfolg berufen:

Der Gesetzgeber hat sich bei dieser mit dem ARÄG 2000 geschaffenen Bestimmung einer ungewöhnlichen und wenig glücklichen Gesetzestechnik bedient, indem er den Personenkreis, dem die für „pensionsnahe" Arbeitnehmer normierte Anfechtungsmöglichkeit eröffnet werden sollte, durch eine fixe Altersbegrenzung umschrieb. Dies musste naturgemäß von vornherein Fragen nach der Bedeutung dieser Regelung und nach der weiteren Entwicklung aufwerfen (dazu bereits Trost, Das Lebensalter als „soziale Komponente" im österreichischen Kündigungsrecht, FS Cerny S 353 ff [365 f]), was umso mehr gilt, als die Bestimmung seither nicht an die mittlerweile verstrichene Zeit angepasst wurde.

Das Berufungsgericht hat sich mit den Gesetzesmaterialien zu § 15 Abs 3 AVRAG ausführlich auseinandergesetzt und daraus in Übereinstimmung mit Trost, (aaO, 366, 370) und Wolligger (ZellKom, § 15 AVRAG Rz 17) den Schluss gezogen, dass mit dieser Bestimmung nur eine vorübergehende Schutzmaßnahme für pensionsnahe Jahrgänge und kein anhaltender Schutz für ältere Arbeitnehmer geschaffen werden sollte. Auch Mayr (Diskriminierung aufgrund des Geschlechts und Kündigung in Kleinbetrieben, RdW 2001/44) weist auf den der letztlich beschlossenen Fassung des Gesetzes zugrunde liegenden Abänderungsantrag vom zum Entwurf für das Sozialrechts-Änderungsgesetz 2000 hin, in dem davon die Rede ist, dass die Schutzbedürftigkeit von Arbeitnehmern in Abhängigkeit von der voraussichtlichen Restlebensarbeitszeit bis zum gesetzlichen Pensionsantrittsalter zu sehen sei. Unter Berufung darauf interpretierte auch der Oberste Gerichtshof in der schon vom Berufungsgericht zitierten Entscheidung 8 ObA 53/04h§ 15 Abs 3 AVRAG dahin, dass der Gesetzgeber mit der von ihm gewählten Formulierung die durch die Bestimmung geschaffene Kündigungsanfechtungsmöglichkeit für jene Arbeitnehmer, die das Regelpensionsalter erreicht haben, ausschloss.

Nun trifft es zu, dass der Kläger an sich jenen Jahrgängen angehört, die in § 15 Abs 3 AVRAG zur Umschreibung des als schutzwürdig normierten Personenkreises angeführt wurden. Im Sinne der eben angestellten Überlegungen kann aber nicht unberücksichtigt bleiben, dass er zum Zeitpunkt der in Rede stehenden Beendigungserklärungen bereits 67 Jahre alt war, das Regelpensionsalter somit erreicht hatte, und auch - wie das Berufungsgericht unwidersprochen ausführte - bereits Alterspension bezog. Er gehört damit nicht mehr zu jenem Personenkreis, dem nach dem offenkundigen Willen des Gesetzgebers der Schutz der Anfechtungsmöglichkeit des § 15 Abs 3 AVRAG eröffnet werden sollte.

Der Meinung des Revisionswerbers, in diesem Sinn interpretiert sei § 15 Abs 3 AVRAG verfassungswidrig, vermag sich der Oberste Gerichtshof nicht anzuschließen, weil die der genannten Bestimmung zugrunde liegende Differenzierung zwischen „pensionsnahen" Arbeitnehmern und solchen, die das Regelpensionsalter bereits erreicht haben, nicht unsachlich ist.

Schon deshalb muss der Entlassungsanfechtung des Klägers ein Erfolg versagt bleiben.

Die Beklagte hat die Kosten ihrer im Verfahren über die Entlassungsanfechtung erstatteten Revisionsbeantwortung selbst zu tragen, weil nach § 15 Abs 6 AVRAG in Rechtsstreitigkeiten nach § 15 Abs 3 AVRAG kein Kostenersatz stattfindet.