OGH vom 19.06.2006, 8ObA48/06a

OGH vom 19.06.2006, 8ObA48/06a

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Langer als Vorsitzende sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Dr. Glawischnig und die fachkundigen Laienrichter Dr. Johannes Pflug und Rudolf Vyziblo als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Mag. Engelbert E*****, vertreten durch Dr. Vera Kremslehner, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagte Partei Stadtgemeinde M*****, vertreten durch Mag. Helmut Marschitz, Rechtsanwalt in Mistelbach, wegen EUR 54.739 sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 8 Ra 158/05x-24, mit dem das Urteil des Landesgerichtes Korneuburg als Arbeits- und Sozialgericht vom , GZ 7 Cga 141/04z-19, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 1.806,17 (darin EUR 301,02 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war seit bei der beklagten Partei als Musiklehrer, zuletzt in der Verwendung eines Musikschuldirektors, beschäftigt. Wegen diverser Leiden befand er sich seit dem Jahr 2000 immer wieder im Krankenstand, zuletzt vom bis . Am stellte er den Antrag beim Bundesministerium für Soziale Sicherheit auf Feststellung seiner Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten. Mit Bescheid vom wurde der Kläger zum Kreis der begünstigten Behinderten ab Antragstellung zugezählt.

Mit Schreiben vom teilte die beklagte Partei dem Kläger mit, dass sein Dienstverhältnis gemäß § 26 Abs 9 NÖ Vertragsbedienstetengesetz per wegen krankheitsbedingter Verhinderung der Dienstleistung von mehr als einem Jahr ex lege beendet sei. Der Kläger wurde in der Folge abgerechnet und erhielt im September 2003 unter anderem eine Abfertigung von EUR 47.071,62 brutto.

Der Kläger meldete sich weder während des Krankenstands bei der beklagten Partei noch teilte er ihr mit, dass er bereits am den Antrag auf Feststellung der Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten gestellt hatte. Er reagierte auf das Schreiben der beklagten Partei, mit dem ihm die ex lege Beendigung des Dienstverhältnisses mitgeteilt wurde, nicht.

Am erhielt er den Bescheid der Bundesberufungskommission vom . In einem einige Tage später geführten Telefonat machte der Kläger dem Stadtamtsdirektor vom Erhalt des Bescheides Mitteilung. Da der Stadtamtsdirektor den Sachverhalt nach der Mitteilung des Klägers nicht klar durchschaute, ersuchte er ihn, ihm das erhaltene Schreiben zu übermitteln. Diesem Ersuchen kam der Kläger nicht nach. Der Stadtamtsdirektor war der Auffassung, dass das Dienstverhältnis durch den langen Krankenstand des Klägers von einem Jahr nach den Bestimmungen des NÖ Vertragsbedienstetengesetzes gelöst worden war. Die Bestimmung des § 8a BEinstG war ihm konkret nicht geläufig. Zwischen ihm und dem Kläger erfolgte keine weitere Kommunikation. Erst mit dem Schreiben der Klagevertreterin vom wurde der beklagten Partei der Bescheid vom übersendet und sie darauf hingewiesen, dass die Auflösung des Dienstverhältnisses mangels Verständigung des Behindertenausschusses nicht rechtswirksam sei. Nach Rückfrage des damaligen Stadtamtsdirektors beim Bundessozialamt übermittelte die beklagte Partei dem Bundessozialamt die Mitteilung, dass das Dienstverhältnis mit dem Kläger mit Ablauf des infolge seines Krankenstandes geendet habe. Der beklagten Partei sei ein anhängiges Verfahren beim Bundessozialamt nicht bekannt gewesen. Erst im Dezember 2003 habe der Kläger mitgeteilt, dass er dem Personenkreis der begünstigten Behinderten zuzuzählen sei. Im Dezember 2003 sei übersehen worden, beim Bundessozialamt die Beendigung des Dienstverhältnisses mitzuteilen.

Bei dem Telefonat im Dezember 2003 hat sich der Kläger nicht arbeitsbereit erklärt. Der Kläger erlangte erst nach Einholung einer gewerkschaftlichen Information und in der Folge durch die Klagevertreterin Kenntnis von der Notwendigkeit der Verständigung des Bundessozialamts im Fall einer Beendigung des Dienstverhältnisses mit einem begünstigten Behinderten.

Der Kläger begehrt mit der Begründung, dass nach § 8a BEinstG die Beendigung des Dienstverhältnisses frühestens drei Monate nach der Verständigung des Behindertenausschusses wirksam werden könne, Entgelt für den Zeitraum Oktober 2003 bis in Höhe von EUR 54.739 sA.

Die beklagte Partei beantragte Klagsabweisung. Das Dienstverhältnis habe ex lege mit Ablauf des geendet. Der Kläger sei endabgerechnet worden und habe unter anderem Abfertigung erhalten. Er habe seine Leistungsbereitschaft bzw sein Interesse am Fortbestand des Dienstverhältnisses in keiner Form erklärt und die Dienstgeberin nicht auf das anhängige Verfahren beim Bundessozialamt hingewiesen. Der Kläger mache Beendigungsansprüche in Form einer Kündigungsentschädigung geltend, die jedenfalls überhöht seien, weil der Kläger während des Krankenstandes nicht die vollen Dienstbezüge sondern nur Krankengeld erhalten habe. Compensando werde die Abfertigung eingewendet.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren zur Gänze ab. Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. In rechtlicher Hinsicht führte es aus, dass der Arbeitnehmer bei einer unwirksamen Auflösung des Arbeitsverhältnisses wegen des bestehenden besonderen Kündigungsschutzes ein Wahlrecht habe: Er könne die Unwirksamkeit der Auflösung geltend machen, aber auch die unwirksame Beendigung akzeptieren und die für diesen Fall vorgesehenen Ansprüche - wie Kündigungsentschädigung - geltend machen. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes obliege es dem Arbeitnehmer, unter Hinweis auf seine Eigenschaft als begünstigter Behinderter die Unwirksamkeit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufzuzeigen und seine Leistungsbereitschaft zu bekunden. Erkläre sich der Arbeitnehmer nicht leistungsbereit, fehle es an einer sachlichen Rechtfertigung für ein Wahlrecht zwischen der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses und dem Anspruch auf Kündigungsentschädigung. Dem Arbeitnehmer stehe es unter diesen Umständen frei, die Beendigung zu akzeptieren und seine Ansprüche auf der Grundlage der Beendigungserklärung geltend zu machen.

Diese Erwägungen seien auch auf den vorliegend zu lösenden Sachverhalt zu übertragen. Die wechselseitige Interessenlage sei die gleiche. Bei der vorliegenden Beendigungsform stehe es dem Arbeitgeber jedenfalls offen, bei Leistungsbereitschaft des Dienstnehmers diesem die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu ermöglichen, um nicht Beendigungsansprüchen des Dienstnehmers aus seiner rechtsunwirksamen Beendigung ausgesetzt zu sein. Der Arbeitnehmer wiederum habe die Wahl, die Fortsetzung des Dienstverhältnisses anzustreben oder sich auf eine nach § 8a BEinstG unwirksame Beendigung des Dienstverhältnisses zu berufen und die Kündigungsentschädigung zu fordern. Habe der Dienstgeber, wie hier, zum Zeitpunkt der Beendigung des Dienstverhältnisses keinerlei Kenntnis von der Eigenschaft des Dienstnehmers als begünstigter Behinderter, nehme ihm der Dienstnehmer durch die unterlassene Information über ein anhängiges Verfahren die Möglichkeit, dem Dienstnehmer die Aufrechterhaltung des Dienstverhältnisses anzubieten. Verschärft werde die Beeinträchtigung der Interessen des Dienstgebers auch dadurch, dass er, ausgehend von einer zulässigen Beendigung des Dienstverhältnisses, Ansprüche wie Abfertigung beglichen habe. Der Zweck der Schutzbestimmung des § 8a BEinstG könne nicht darin liegen, dem begünstigten Dienstnehmer neben der Abfertigung einen Gehaltsanspruch jedenfalls für die gesamte Zeit bis zur Wirksamkeit der Beendigung drei Monate nach Verständigungen des Behindertenausschusses - hier ein Jahreseinkommen - zu verschaffen. Der Kläger hätte entsprechend den in 9 ObA 82/03d aufgestellten Kriterien nur dann einen Anspruch auf Kündigungsentschädigung, wenn er nach Beendigung des Dienstverhältnisses dem Dienstgeber seine grundsätzliche Leistungsbereitschaft erklärt hätte. Davon könne nach dem festgestellten Sachverhalt aber nicht die Rede sein. Der Kläger habe bei dem Telefonat im Dezember 2003 in keiner Weise seine Leistungsbereitschaft zum Ausdruck gebracht und sei auch dem Ersuchen, den Bescheid zu übermitteln, nicht nachgekommen. Die beklagte Partei habe bei für sie noch nicht geklärter Rechtslage noch nicht mit einer Verständigung des Behindertenausschusses reagieren müssen. Nach dem festgestellten Verhalten des Klägers sei es ihm nicht um die Aufrechterhaltung des Dienstverhältnisses gegangen, sondern strebe er weitere Entgeltzahlungen für ein Jahr an. Die ordentliche Revision sei zuzulassen, weil eine Entscheidung zu § 8a BEinstG noch nicht ergangen sei.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Klägers ist aus den vom Berufungsgericht angeführten Gründen zulässig, aber nicht berechtigt.

Gemäß § 8a BEinstG ist, soweit in dienstrechtlichen Vorschriften für Bedienstete einer Gebietskörperschaft die Beendigung des Dienstverhältnisses wegen langer Dienstverhinderung infolge Krankheit kraft Gesetzes vorgesehen ist, im Fall eines begünstigten Behinderten der Behindertenausschuss spätestens drei Monate vor Ablauf dieser Frist von Amts wegen zu verständigen. Der Behindertenausschuss hat zur Zweckmäßigkeit einer Vereinbarung über die Fortsetzung des Dienstverhältnisses Stellung zu nehmen. Die Beendigung des Dienstverhältnisses wird - ungeachtet der dienstrechtlichen Vorschriften - frühestens drei Monate nach Einlangen der Verständigung beim Behindertenausschuss wirksam.

Der Revisionswerber beruft sich in seinem Rechtsmittel neuerlich darauf, dass er ungeachtet der Regelung des § 26 Abs 9 NÖ VBG, wonach das Dienstverhältnis bei Dienstverhinderung wegen Krankheit, wenn die Verhinderung der Dienstleistung ein Jahr gedauert hat, ex lege mit Ablauf der Frist endet, im Hinblick auf § 8a BEinstG vom aufrechten Bestand des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf von drei Monaten nach Verständigung des Behindertenausschusses ausgegangen sei und das laufende Entgelt für diesen Zeitraum begehre.

Eine allgemeine Pflicht des Dienstgebers über die Eigenschaft als begünstigter Behinderter weitgehende Erkundigungen einzuziehen, besteht nicht (Ernst-Haller, Behinderteneinstellungsgesetz, § 8 Rz 28; RdA 1997, 507). Allerdings besteht eine Pflicht des Dienstnehmers, die ihm bekannte Eigenschaft als begünstigter Behinderter dem Dienstgeber mitzuteilen, weil es sich dabei um eine Angelegenheit handelt, die infolge gesetzlicher Bestimmungen unmittelbar Einfluss auf die Gestaltung des Arbeitsverhältnisses hat (Arb 11.241; RdA 1997, 507 ua).

Nach ständiger Rechtsprechung kann der die Leistungsbereitschaft des Arbeitnehmers voraussetzende Fortsetzungsanspruch nicht zeitlich unbegrenzt geltend gemacht werden (Arb 11.023; 9 ObA 270/97i; RIS-Justiz RS0028233). Die Aufgriffsobliegenheit, die Unwirksamkeit der Beendigung zeitgerecht aufzuzeigen, wird mit einem eminenten Klarstellungsinteresse des Arbeitgebers am Bestand oder Nichtbestand des Arbeitsverhältnisses begründet (9 ObA 81/03g, 8 ObA 123/04d; 9 ObA 15/05d). Es geht letztlich darum, dass der Arbeitnehmer sein Recht - dessen Geltendmachung ihm freisteht -, die Beendigungserklärung als unwirksam zu bekämpfen, im Hinblick auf die synallagmatische Arbeitsrechtsbeziehung in angemessener Zeit geltend zu machen hat, können doch sonst dem anderen Vertragspartner, der auf die Wirksamkeit der Beendigung vertraut hat, Nachteile entstehen (vgl 8 ObA 44/03h). Diese Erwägungen sind auch auf den vorliegenden Fall zu übertragen, da der Dienstgeber ein genauso großes Interesse an der Klarstellung hat, ob eine „ex lege" Beendigung des Dienstverhältnisses nach bestehenden Rechtsvorschriften wirksam erfolgt ist, wie an der Klarstellung der Wirksamkeit einer von ihm getroffenen Rechtsgestaltung.

Es wäre daher am Kläger gelegen gewesen, nach Vorlage des Bescheides unter Hinweis auf seine Eigenschaft als begünstigter Behinderter die Unwirksamkeit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufzuzeigen und seine Leistungsbereitschaft zu bekunden (vgl SZ 2003/136). Der Kläger hat sich aber erstmals mit Schreiben vom , also rund zehn Monate nach der ihm von der beklagten Partei mitgeteilten „ex lege" Beendigung des Dienstverhältnisses gemäß § 29 Abs 6 NÖ VBG und über sechs Monate nach Erhalt des Bescheides vom auf den aufrechten Bestand des Dienstverhältnisses berufen und zu diesem Zeitpunkt erstmals seine Leistungsbereitschaft bekundet. Im hier zu beurteilenden Fall fällt besonders ins Gewicht, dass der Kläger bereits am den Antrag auf Feststellung der Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten mit Wirkung ab Antragstag gestellt hat und somit schon ab diesem Zeitpunkt mit der Erlassung eines positiven Bescheides rechnen musste bzw gerechnet hat. Er hat somit vorliegend seine Aufgriffsobliegenheit im Sinn der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes verletzt. Die Revision ist daher nicht berechtigt.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.