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OGH vom 07.02.2008, 9ObA34/07a

OGH vom 07.02.2008, 9ObA34/07a

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling und Dr. Kuras sowie die fachkundigen Laienrichter KR Mag. Paul Kunsky und Peter Schleinbach als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei David H*****, vertreten durch Dr. Thomas Stampfer und Dr. Christoph Orgler, Rechtsanwälte in Graz, gegen die beklagte Partei Technische Universität Graz, 8010 Graz, Rechbauerstraße 12/I, vertreten durch die Finanzprokuratur, 1011 Wien, Singerstraße 17-19, wegen 69,60 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 8 Ra 66/06x-12, womit über Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom , GZ 37 Cga 2/06h-8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

I. Dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften wird gemäß Art 234 EG folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

„Sind die Art 1, 2 und 6 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung (hier: §§ 3 Abs 3, 26 Abs 1 des österreichischen Vertragsbedienstetengesetzes 1948) entgegenstehen, die anrechenbare Vordienstzeiten für die Ermittlung des Vorrückungsstichtags ausschließt, soweit sie vor der Vollendung des 18. Lebensjahres zurückgelegt wurden."

II. Das Verfahren wird bis zum Einlangen der Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften iSd § 90a Abs 1 GOG ausgesetzt.

Text

Begründung:

I. Sachverhalt:

Der am geborene Kläger und eine am geborene Kollegin absolvierten vom bis zum am Institut für Biotechnologie der Beklagten eine Lehre als Chemielabortechniker. Nach Abschluss der Lehre wurden beide Lehrlinge im Hinblick auf die gesetzlich vorgeschriebene Behaltefrist ( bis zum ) im Rahmen von Dienstverhältnissen von der Beklagten weiterbeschäftigt.

Im Rahmen dieser Dienstverhältnisse wurden der Kläger und seine Kollegin in unterschiedliche Gehaltsstufen eingestuft, der Kläger in die erste Gehaltsstufe v4 VBG, seine Kollegin in die zweite Gehaltsstufe v4 VBG. Dies hatte zur Folge, dass das Monatsgehalt des Klägers um 23,20 EUR brutto niedriger war als jenes seiner Kollegin. Diese unterschiedliche Einstufung resultierte daraus, dass für den Kläger und seine Kollegin unterschiedliche Vorrückungsstichtage errechnet wurden, weil die Beklagte gemäß § 26 des Vertragsbedienstetengesetzes 1948 (in der Folge: VBG) die Lehrzeiten der beiden jeweils nur insoweit anrechnete, als sie nach Vollendung des 18. Lebensjahres absolviert wurden. Der Kläger hat das 18. Lebensjahr aber um ein Jahr, 10 Monate und zwei Tage später als seine Kollegin vollendet, sodass bei der Berechnung seines Vorrückungsstichtags nur ein kürzerer Zeitraum der Lehrzeit berücksichtigt wurde.

II. Zum Vorbringen der Parteien:

Der Kläger begehrt von der Beklagten 69,60 EUR brutto sA (Bezugsdifferenz für die Zeit der Behaltepflicht). Die unterschiedliche Behandlung der Lehrzeiten vor und nach dem 18. Geburtstag sei nicht gerechtfertigt und widerspreche sowohl dem § 13 Abs 1 Z 2 des Bundes-Gleichbehandlungsgesetzes (in der Folge: B-GlBG) als auch der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom (Rahmen-Gleichbehandlungsrichtlinie; in der Folge: Richtlinie), die auf das Dienstverhältnis unmittelbar anwendbar sei. Es liege eine unmittelbare Diskriminierung auf Grund des Alters vor, die objektiv nicht gerechtfertigt werden könne.

Die Beklagte beantragte, das Klagebegehren abzuweisen. Der Kläger sei aufgrund der gesetzeskonformen Anwendung des § 128 des Bundesgesetzes über die Organisation der Universitäten und ihre Studien (Universitätsgesetz 2002; idF kurz: UG 2002) bzw des § 26 VBG eingestuft worden. Darin liege keine Ungleichbehandlung. Zudem sei die unterschiedliche Einstufung des Klägers und seiner Kollegin durch die unterschiedliche Vorbildung der beiden - die Kollegin verfüge über eine längere und etwas qualifiziertere Schulbildung - gerechtfertigt. Die vom Kläger zitierte Richtlinie sei nicht unmittelbar anzuwenden. Zudem lasse auch sie Ausnahmen von den darin normierten Diskriminierungsverboten zu.

III. Der bisherige Verfahrensverlauf:

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt.

Auf die hier zu beurteilenden Dienstverhältnisse sei nach § 128 UG 2002 bis zum In-Kraft-Treten eines Kollektivvertrags das VBG (mit Ausnahme hier nicht relevanter Bestimmungen) als Inhalt des Arbeitsvertrags anzuwenden. Für beide Dienstverhältnisse gelte nach dessen § 41 Abs 1 UG 2002 ferner das B-GlBG, durch dessen Novellierung im Jahre 2004 der Gesetzgeber die Richtlinie umgesetzt habe.

Nach § 26 Abs 1 VBG seien nur solche Zeiten als Vordienstzeiten anzurechnen, die der Dienstnehmer nach Vollendung seines 18. Lebensjahres erworben habe. Diese Regelung führe zu einer unmittelbaren Diskriminierung des Klägers aufgrund des Alters bei der Festsetzung des Entgelts iSd §§ 13 Abs 1 Z 2 iVm § 13a Abs 1 B-GlBG, die - da keine der Ausnahmebestimmungen des § 13b B-GlBG verwirklicht sei - unzulässig sei.

Die unterschiedliche Vorbildung des Klägers und seiner Kollegin rechtfertige die unterschiedliche Entlohnung nicht, weil sie keine spezifische berufliche Anforderungen, die für die betreffende Tätigkeit unbedingt notwendig seien, vermittelt habe.

Die §§ 13 Abs 1 Z 2 und 14 B-GlBG gingen als jüngere, aber allgemeinere Vorschriften dem § 26 VBG als der älteren, aber spezielleren Norm vor, sodass § 26 VBG nicht mehr anwendbar sei. Selbst wenn man aber nicht von einer Derogierung des § 26 VBG ausgehen wollte, wäre dem Standpunkt des Klägers zu folgen, wonach der Gesetzgeber durch die Beibehaltung der 18-Jahres-Grenze seiner Verpflichtung zur Umsetzung der Richtlinie nicht ausreichend nachgekommen sei. Da die Umsetzungsfrist bereits abgelaufen und die Richtlinie inhaltlich unbedingt und hinreichend genau sei, komme ihr nach dem „funktionellen Staatsbegriff" des EuGH gegenüber der Beklagten, die als unter der Aufsicht des Bundes stehende juristische Person des öffentlichen Rechts öffentliche Interessen wahrnehme, unmittelbare Wirkung zu. Wegen des Anwendungsvorrangs des Gemeinschaftsrechts habe daher die in § 26 VBG enthaltene 18-Jahres-Grenze unangewendet zu bleiben. Auch aus dieser Überlegung sei das Klagebegehren berechtigt.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil.

Es wertete die durch § 26 VBG bewirkte schlechtere Einstufung des Klägers ebenfalls als nicht gerechtfertigte Diskriminierung wegen des Alters. Die Beklagte zeige kein einziges Kriterium auf, das die Ungleichbehandlung des Klägers rechtfertige. Seine Einstufung sei - wie die seiner Kollegin - ausschließlich aufgrund der angewendeten Bestimmungen des VBG erfolgt. Der Schulbesuch stehe damit in keinem Zusammenhang. Auch arbeitsmarktpolitische oder sonstige gesellschaftspolitisch bedeutende Zielsetzungen für die die Ungleichbehandlung bewirkende Altersgrenze seien nicht zu erkennen.

Bei der Prüfung der Frage, ob sich die Beklagte darauf berufen könne, gesetzeskonform gehandelt zu haben, sei zu berücksichtigen, dass Universitätsangestellte keine Vertragsbediensteten iSd VBG, sondern Angestellte seien und dass der Gesetzgeber mit der Festlegung des VBG als Vertragsinhalt nur einen Mindeststandard geschaffen habe. Der Dienstgeber habe daher im Hinblick auf die Bestimmungen des B-GlBG einen Interpretationsspielraum und könne gegenüber dem VBG günstigere Vereinbarungen treffen. Die richtlinienkonforme Auslegung der hier anwendbaren Bestimmungen führe daher zum Ergebnis, dass die Beklagte verpflichtet gewesen wäre, bei der Einstufung des Klägers die lediglich als Mindeststandard zu wertende Altersgrenze des § 26 VBG außer Acht zu lassen.

IV. Das dem Obersten Gerichtshof vorgelegte Rechtsmittel:

Die Beklagte bekämpft das Berufungsurteil primär mit der Behauptung, dass der Kläger nicht in unzulässiger Weise diskriminiert worden sei, weil § 26 VBG für alle Betroffenen in gleicher Weise - unabhängig von ihrem Alter - eine einheitliche Berücksichtigung von Vordienstzeiten ab dem 18. Lebensjahr vorsehe. Ferner macht sie geltend, dass eine allenfalls zu bejahende Ungleichbehandlung des Klägers wegen der umfangreicheren Vorkenntnisse seiner Kollegin gerechtfertigt sei. Im Übrigen liege der Regelung des § 26 VBG das gerechtfertigte Interesse des Bundes zu Grunde, für seine Mitarbeiter ein nachvollziehbares und gleichartiges System für die Anrechnung entgeltsrelevanter Zeiten zu schaffen. Die Altersgrenze von 18 Jahren bilde die Grundlage für das gesamte Vorrückungssystem im Bereich des VBG, aber auch für den Bereich der Beamtenbesoldung (§ 12 GehG). Sie sei notwendig, um eine unsachliche Differenzierung zwischen Lehrlingen und Schülern zu vermeiden und erhöhe durch die dadurch bewirkten geringeren Kosten den Anreiz für den Dienstgeber, junge Menschen zu beschäftigen.

Rechtliche Beurteilung

V. Zu den Vorlagefragen:

Die Beklagte ist eine juristische Person des öffentlichen Rechts (§ 4 UG 2002). Sie nimmt öffentliche Aufgaben wahr (vgl § 3 UG 2002), steht unter der Rechtsaufsicht des Bundes (§ 9 UG 2002) und ist von diesem zu finanzieren (§ 12 UG 2002).

Gemäß § 128 UG 2002 gilt für ab dem Zeitpunkt des vollen Wirksamwerdens dieses Bundesgesetzes (Anm: dies ist der ) an der Universität neu aufgenommene Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bis zum In-Kraft-Treten eines Kollektivvertrags gemäß § 108 Abs 3 UG 2002 das - auf privatrechtliche Dienstverhältnisse zum Bund anzuwendende - VBG als Inhalt des Arbeitsvertrags mit der Universität (mit Ausnahme der §§ 4, 32 und 34). Diese Bestimmung wurde vom Obersten Gerichtshof in seiner Entscheidung 9 ObA 129/04t als zwingende Norm interpretiert, die durch die statische Verweisung auf das VBG einen Mindeststandard als Arbeitsvertragsinhalt festlegt.

Nach § 3 Abs 1 Z 4 VBG dürfen als Vertragsbedienstete nur Personen aufgenommen werden, die ein Lebensalter von mindestens 15 Jahren haben. Eine vor Vollendung des 18. Lebensjahres im Dienstverhältnis zurückgelegte Zeit ist nach § 3 Abs 3 VBG für Rechte, die von der Dauer des Dienstverhältnisses oder von der Dauer einer bestimmten Dienstzeit abhängen, nur in den Fällen der §§ 24, 27a und 28b VBG zu berücksichtigen.

§ 26 VBG regelt die Ermittlung des für die besoldungsmäßige Einstufung von Vertragsbediensteten maßgebenden Vorrückungsstichtags und schließt dabei in seinem Abs 1 die Berücksichtigung vor der Vollendung des 18. Lebensjahres liegender Zeiten generell aus. Zu den zu berücksichtigenden Zeiten (sofern sie nach Vollendung des 18. Lebensjahres zurückgelegt wurden) gehören nach § 26 Abs 2 Z 1 lit b aa) ua solche, die in einem Lehrberuf (also als Lehrling) an einer Universität oder Hochschule zurückgelegt worden sind.

Den Vorinstanzen ist beizupflichten, dass diese Rechtslage, nach der ihrer Art nach anrechenbare Vordienstzeiten nicht angerechnet werden, soweit sie vor der Vollendung des 18. Lebensjahres zurückgelegt wurden, zu einer Ungleichbehandlung von Dienstnehmern wegen ihres Alters bei der Festsetzung des Entgelts führen kann. Dies wird im zu beurteilenden Fall besonders deutlich.

Die schon mehrfach genannte Richtlinie, die sich ua gegen Diskriminierung wegen des Alters wendet, wurde in Österreich für den hier interessierenden Bereich durch die grundlegende Novellierung des B-GlBG umgesetzt, das nach seinem § 41 Abs 1 auch für die Angehörigen der Universität gilt (vgl auch § 44 B-GlBG;Rebhahn in Rebhahn, GlBG, § 1 Rz 28). Dessen §§ 13, 13a und 13b folgen weitestgehend wörtlich den die Diskriminierung wegen des Alters betreffenden Regelungen der Richtlinie. Der Oberste Gerichtshof teilt die Rechtsauffassung der Vorinstanzen, dass hier die Anwendung der Altersgrenze des § 26 Abs 1 VBG auf den Kläger dessen unmittelbare Ungleichbehandlung bei der Festsetzung des Entgelts wegen seines Alters bewirkt hat. Somit bleibt die zwischen den Parteien strittige Frage, ob die durch die Anwendung der Altersgrenze des § 26 Abs 1 VBG bewirkte Ungleichbehandlung als unzulässige Diskriminierung zu werten oder im Hinblick auf die Ausnahmebestimmungen des § 13b Abs 3 und 4 B-GlBG bzw des Art 6 der Richtlinie gerechtfertigt ist.

Älteren Spezialvorschriften (hier: §§ 3, 26 Abs 1 VBG) wird durch jüngere generelle Normen im Zweifel nur dann materiell derogiert, wenn sich die Neuregelung als Kodifikation darstellt, die eine vollständige und abschließende Kodifikation eines Rechtsbereichs beabsichtigt (SZ 68/191 mwN). Dies ist aber hier nicht der Fall. Vielmehr ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber aus den unten noch näher darzustellenden Gründen an der nicht nur dem § 26 Abs 1 VBG, sondern dem gesamten Dienstrecht der Bundesbediensteten zugrunde liegenden 18-Jahres-Grenze festhalten wollte, sodass für die vom Erstgericht vertretene Annahme einer materiellen Derogation kein Raum ist.

Die vom Berufungsgericht betonte Maßgeblichkeit der Richtlinie ergibt sich jedenfalls schon daraus, dass dieser im Verhältnis zur Beklagten unmittelbare Wirkung zukommt:

Nicht fristgerecht umgesetzte Richtlinien können unter bestimmten Umständen als Anspruchsgrundlage für individuelle Rechtsansprüche gegen den Staat herangezogen werden, obwohl sich Richtlinien definitionsgemäß an die Mitgliedstaaten wenden und diese zu ihrer Umsetzung im innerstaatlichen Recht verpflichtet sind. Voraussetzung für eine unmittelbare Wirkung ist, dass die Richtlinie für eine individuelle Anwendung zureichend bestimmt und inhaltlich unbedingt ist, sodass für die Mitgliedstaaten kein besonderer Ermessensspielraum besteht (ua EuGH, C-6/90 und C-9/90, Francovich u. a., Slg 1991, I-5357, Randnr 11, C-2/00, Marks & Spencer, Slg 2002, I-325, Randnr 25 uva).

Schon das Erstgericht hat zutreffend darauf verwiesen, dass nach dem weiten Staatsverständnis des EuGH die unmittelbare Wirkung einer Richtlinie nicht nur allen Trägern der öffentlichen Verwaltung einschließlich der Gemeinden und der sonstigen Gebietskörperschaften entgegengehalten werden kann. Vielmehr kann der Staat selbst dann Adressat einer unmittelbar wirkenden Bestimmung einer Richtlinie sein, wenn er nicht als Hoheitsträger, sondern in anderer Form - etwa als Inhaber eines öffentlichen Unternehmens oder als Mehrheits- oder Alleinbeteiligter an einem privaten Unternehmen - tätig wird. Demgemäß gehört nach der Rechtsprechung des EuGH auch eine Einrichtung, die unabhängig von ihrer Rechtsform kraft staatlichen Rechtsakts unter staatlicher Aufsicht eine Dienstleistung im öffentlichen Interesse zu erbringen hat und die hierzu mit besonderen Rechten ausgestattet ist, zu jenen Rechtssubjekten, denen die unmittelbar anwendbaren Bestimmungen einer Richtlinie entgegengehalten werden können (EuGH, C-188/89, Randnr 16 ff). Nach Ansicht des Obersten Gerichtshofs kann sich der Kläger daher auch gegenüber der Beklagten - einer juristische Person des öffentlichen Rechts, die öffentliche Aufgaben wahrnimmt, mit den dazu erforderlichen Rechten ausgestattet ist, unter der Rechtsaufsicht des Bundes steht und von diesem zu finanzieren ist - auf unmittelbar wirkende Bestimmungen der Richtlinie berufen.

Nach der Rechtsauffassung des Obersten Gerichtshofs sind die maßgebenden Bestimmungen der Richtlinie auch hinreichend bestimmt und inhaltlich unbedingt:

Die Artikel 1 und 2 der Richtlinie untersagen ua jede unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung wegen des Alters in Beschäftigung und Beruf. Nach Artikel 6 Abs 1 können allerdings die Mitgliedstaaten vorsehen, dass Ungleichbehandlungen wegen des Alters keine Diskriminierung darstellen, sofern sie objektiv und angemessen sind und im Rahmen des nationalen Rechts durch ein legitimes Ziel, worunter insbesondere rechtmäßige Ziele aus den Bereichen Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung zu verstehen sind, gerechtfertigt sind und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind. Derartige Ungleichbehandlungen können insbesondere einschließen:

a) die Festlegung besonderer Bedingungen für den Zugang zur Beschäftigung und zur beruflichen Bildung sowie besonderer Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, einschließlich der Bedingungen für Entlassung und Entlohnung, um die berufliche Eingliederung von Jugendlichen, älteren Arbeitnehmern und Personen mit Fürsorgepflichten zu fördern oder ihren Schutz sicherzustellen;

b) die Festlegung von Mindestanforderungen an das Alter, die Berufserfahrung oder das Dienstalter für den Zugang zur Beschäftigung oder für bestimmte mit der Beschäftigung verbundene Vorteile;

c) die Festsetzung eines Höchstalters für die Einstellung aufgrund der spezifischen Ausbildungsanforderungen eines bestimmten Arbeitsplatzes oder aufgrund der Notwendigkeit einer angemessenen Beschäftigungszeit vor dem Eintritt in den Ruhestand.

Diese Bestimmungen lassen den Mitgliedstaaten zwar einen gewissen Gestaltungsspielraum, sind aber nach Auffassung des Obersten Gerichtshofs sowohl im Verbot jeder mittelbaren oder unmittelbaren Diskriminierung als auch in der Aufzählung der Kriterien, die eine Ungleichbehandlung wegen des Alters zulassen, hinreichend genau und unbedingt, sodass sie die Voraussetzungen, um unmittelbare Wirkung zu entfalten, erfüllen (in diesem Sinn auch Rebhahn in Rebhahn, GlBG, § 1 Rz 18 mit weiteren Nachweisen).

Da die Frist zur Umsetzung der Richtlinie bereits mit abgelaufen ist und der österreichische Gesetzgeber die §§ 3 Abs 3 und 26 Abs 1 VBG nicht geändert hat, hängt daher die Entscheidung davon ab, ob die in diesen Bestimmungen normierte Altersgrenze durch eines der in Artikel 6 der Richtlinie angeführten Kriterien für eine zulässige Ungleichbehandlung wegen des Alters gerechtfertigt werden kann.

Die Beklagte hat sich dazu primär darauf berufen, dass die Altersgrenze zur Schaffung eines einheitlichen und nachvollziehbaren Systems der Anrechnung entgeltsrelevanter Zeiten erforderlich sei. Die Altersgrenze von 18 Jahren bilde die Grundlage für das gesamte Vorrückungssystem im Bereich des VBG, aber auch für den Bereich der Beamtenbesoldung (§ 12 Gehaltsgesetz - GehG). Sie sei notwendig, um eine unsachliche Differenzierung zwischen Lehrlingen und Schülern zu vermeiden und erhöhe durch die dadurch bewirkten geringeren Kosten den Anreiz für den Dienstgeber, junge Menschen zu beschäftigen.

Mit diesen Ausführungen beruft sich die Beklagte inhaltlich darauf, dass die in Rede stehende Altersgrenze, die nicht nur in der Bundesbesoldung, sondern auch in verschiedenen Kollektivverträgen eine Rolle spielt, in Art 6 Abs 1 lit a und b der Richtlinie eine Rechtfertigung finde. Dieses Vorbringen kann nicht von vornherein als unberechtigt abgetan werden:

Allgemein erlangen in Österreich Personen erst mit Vollendung des 18. Lebensjahres die volle Geschäftsfähigkeit und stehen bis dahin „unter dem besonderen Schutz der Gesetze" (§ 21 des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches - ABGB). Mündige Minderjährige - solche, die das 14. Lebensjahr vollendet haben - können sich selbständig durch Arbeitsvertrag verpflichten, benötigen aber für den Abschluss eines Lehrvertrags der Zustimmung eines Erziehungsberechtigten (§ 152 ABGB).

Nach den Bestimmungen des Gesetzes über die Beschäftigung von Kindern und Jugendlichen ist die Beschäftigung von unter 15-jährigen nur ausnahmsweise in besonderen Fällen möglich (unter anderem im Rahmen einer Lehre nach Vollendung der Schulpflicht). Die Beschäftigung von Jugendlichen (15. bis 18. Lebensjahr) ist zwar im Allgemeinen zulässig, aber verschiedenen inhaltlichen Beschränkungen unterworfen.

Das Schulpflichtgesetz sieht im Allgemeinen eine Schulpflicht beginnend ab dem 6. Lebensjahr für 9 Schulstufen vor, also im Regelfall bis zum 15. Lebensjahr, die für Lehrlinge durch den Besuch der Berufsschulen erfüllt wird (§§ 20 ff des Schulpflichtgesetzes).

Das System der allgemeinbildenden Schulen, die im Rahmen der Bestimmungen des Schulunterrichtsgesetzes und des Schulorganisationsgesetzes frei zugänglich sind, erstreckt sich über insgesamt 12 Schulstufen, also im Regelfall vom 6. bis zum 18. Lebensjahr.

Nach dem österreichischen Recht sind Lehrverhältnisse Ausbildungsverhältnisse, die durch das sogenannte „duale Berufsausbildungssystem" charakterisiert sind. Das bedeutet, dass die berufliche Ausbildung zum einen Teil in einem für die Lehrlingsausbildung geeigneten Betrieb und zum anderen Teil in einer dafür vorgesehenen Schule in einem berufsbegleitenden, fachlich einschlägigen Unterricht erfolgt, durch den die grundlegenden theoretischen Kenntnisse zu vermitteln sind, die betriebliche Ausbildung zu fördern und zu ergänzen sowie die Allgemeinbildung zu erweitern ist (Berger/Fida/Gruber, Berufsausbildungsgesetz, § 1 Anm 2). Ihrer rechtlichen Struktur nach werden Lehrverhältnisse in Österreich trotz ihres besonderen Ausbildungszwecks als Arbeitsverhältnisse qualifiziert (Berger/Fida/Gruber, aaO Rz 4 mit zahlreichen Nachweisen aus Lehre und Rechtsprechung).

Lehrlinge, die beim Bund oder bei anderen Gebietskörperschaften (oder auch bei der Beklagten) tätig sind, können daher regelmäßig bereits vor dem 18. Lebensjahr Vordienstzeiten erwerben, deren Berücksichtigung im Falle einer Weiterbeschäftigung im erlernten Beruf beim bisherigen Dienstgeber bei der Ermittlung des Vorrückungsstichtags in Frage kommt. Dies unterscheidet die Lehrlinge, ebenso wie die ungelernten Hilfskräfte, von den Schülern, die nach Absolvierung einer weiterführenden Schule in den Bundesdienst oder sonst ins Berufsleben treten. Bei letzteren kommt nach dem System des § 26 VBG grundsätzlich nur die Berücksichtigung von berufsrelevanten Studien- oder besonderen Ausbildungszeiten in Betracht, die erst nach Ablegung der Reifeprüfung und damit im Allgemeinen erst nach der Vollendung des 18. Lebensjahres absolviert werden. Dem Einwand der Beklagten liegt nun die Überlegung zugrunde, dass daher die Anrechnung von vor der Vollendung des 18. Lebensjahres zurückgelegten Dienstzeiten eine Bevorzugung des Lehrverhältnisses darstellen würde, obwohl die im Lehrverhältnis zugebrachten Zeiten - wie der Oberste Gerichtshof etwa im Zusammenhang mit dem Berufsschutz im Rahmen der gesetzlichen Sozialversicherung ausgesprochen hat - nach dem Grundsatz der Gleichbehandlung wie Schulzeiten zu behandeln sind (10 ObS 114/98g ua). Dieser Gedanke ist nicht von der Hand zu weisen: Global gesehen könnten durch die Anrechnung von vor der Vollendung des 18. Lebensjahres zurückgelegten Dienstzeiten bei der Wahl des Ausbildungswegs unerwünschte Anreize zugunsten des Lehrverhältnisses, aber auch zugunsten der Tätigkeit als ungelernte Hilfskraft, geschaffen werden.

Im Ergebnis geht es auch hier um ein System der entgeltmäßigen Einstufung, das dem Grundgedanken folgt, dass mit dem Dienstalter in der Regel die Berufserfahrung wächst, die den Arbeitnehmer befähigt, seine Arbeit besser zu verrichten und daher eine entgeltmäßige Vorrückung mit fortschreitendem Dienstalter rechtfertigt ( Cadman C-17/05) und dafür vergleichbare Berufserfahrungen bei anderen Arbeitgebern oder spezifische Berufsausbildungen mitberücksichtigt. Es stellt sich die Frage, ob es dem Gesetzgeber freisteht bis zum Beginn der vollen Geschäftsfähigkeit erlangte spezifische Berufserfahrungen (Lehrlinge, ungelernte Hilfskräfte) nicht zu berücksichtigen, um damit eine Benachteiligung von Personen, die eine „allgemeine" schulische Ausbildung anstreben, zu vermeiden und einen Anreiz, möglichst früh die allgemeine Schulbildung zu verlassen, zu verhindern . Der Hintergrund der in Rede stehenden Regelung könnte auch darin liegen, zu verhindern, dass Jugendliche, für die die Berufswahl vor Erlangung der vollen Geschäftsfähigkeit nicht möglich ist, gegenüber jenen Jugendlichen benachteiligt werden, die bereits frühzeitig „wissen", welchen Beruf sie wählen bzw dass sie ihre allgemeine Schulausbildung abbrechen wollen.

Die Frage, ob derartige Überlegungen und Zielsetzungen des Gesetzgebers, aber auch die Überlegung, das Lehrverhältnis für den öffentlichen Dienst kostengünstig zu gestalten und damit die Eingliederung von Jugendlichen in den Arbeitsmarkt zu begünstigen, die Altersgrenze der §§ 3 Abs 3, 26 VBG iSd Art 6 der Richtlinie rechtfertigen können, wurde - soweit überblickbar - vom Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften bislang nicht entschieden. Da nicht davon ausgegangen werden kann, dass bei der Beantwortung dieser Frage kein Raum für vernünftige Zweifel verbleibt, ist der Oberste Gerichtshof verpflichtet, ein Vorabentscheidungsverfahren einzuleiten.

Der Ausspruch über die Aussetzung des Verfahrens gründet sich auf § 90a Abs 1 GOG.