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OGH 24.03.2015, 8Ob30/15t

OGH 24.03.2015, 8Ob30/15t

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch seinen Vizepräsidenten Prof. Dr. Spenling als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Tarmann-Prentner, die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Dr. Brenn und die Hofrätin Dr. Weixelbraun-Mohr als weitere Richter in der Schuldenregulierungssache des W***** R*****, vertreten durch Mag. Georg Luckmann, Rechtsanwalt in Klagenfurt, gegen den Insolvenzverwalter Mag. Michael Trötzmüller, Rechtsanwalt in Klagenfurt, über den Revisionsrekurs des Insolvenzverwalters gegen den Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt vom , GZ 1 R 276/14d-25, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Klagenfurt vom , GZ 6 S 8/14i-21, aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Akt wird dem Erstgericht zurückgestellt.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Dem Insolvenzverwalter wurde die angefochtene Entscheidung des Landesgerichts Klagenfurt am zugestellt. Seinen Revisionsrekurs gegen diese Entscheidung brachte der Insolvenzverwalter zwar rechtzeitig am beim Erstgericht ein, aber nicht im „Elektronischen Rechtsverkehr“ (ERV). In seinem Schriftsatz hat er nicht angeführt oder bescheinigt, dass die konkreten technischen Möglichkeiten dafür im Einzelfall ausnahmsweise nicht vorlägen (§ 1 Abs 1c ERV 2006 idF BGBl II 2012/141).

Gemäß § 89c Abs 5 Z 1 GOG idF BGBl I 2012/26 sind Rechtsanwälte nach Maßgabe der technischen Möglichkeiten zur Teilnahme am Elektronischen Rechtsverkehr verpflichtet. Ein Verstoß gegen diese Bestimmung ist wie ein Formmangel zu behandeln, der zu verbessern ist (§ 89c Abs 6 GOG idF BGBl I 2012/26). Bei Eingaben eines Rechtsanwalts ab dem maßgeblichen Stichtag, dem (§ 98 Abs 15 Z 1 GOG), die auf dem Postweg und nicht im Elektronischen Rechtsverkehr eingebracht werden, hat das Gericht ein fristgebundenes Verbesserungsverfahren durchzuführen (RIS-Justiz RS0128266; 10 Ob 41/14y; 2 Ob 184/13t ua). Die Bescheinigung der Unmöglichkeit der elektronischen Einbringung steht weiterhin offen (10 ObS 35/14s; 10 ObS 163/12m). Die frühere Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0124215; RS0124335; RS0124555), die in der nicht im elektronischen Weg eingebrachten Eingabe keinen die geschäftsordnungsgemäße Behandlung hindernden Formmangel erkannte und von einem folgenlosen Verstoß gegen eine reine Ordnungsvorschrift ausging, wurde infolge Änderung der Rechtslage für solche Eingaben seit dem nicht mehr aufrecht erhalten. In gewollter Abkehr von dieser Judikatur müssen die im neu gefassten § 89c Abs 5 GOG idF BGBl I 2012/26 genannten ERV-Teilnehmer/innen seither den Elektronischen Rechtsverkehr zwingend verwenden (ErläutRV 1676 BlgNR 24. GP 3). Das gesetzwidrige Abgehen von seiner Nutzung soll - als Verletzung einer zwingend einzuhaltenden Formvorschrift (§ 89c Abs 6 GOG idF BGBl I 2012/26) - zu einem Verbesserungsverfahren und bei einem Ausbleiben der Verbesserung zur Zurückweisung der Eingabe führen (JAB 1699 BlgNR 24. GP 1).

Der Akt ist daher dem Erstgericht zurückzustellen. Dieses wird den als Insolvenzverwalter einschreitenden Rechtsanwalt unter Setzung einer angemessenen Frist zur Einbringung seines Revisionsrekurses im Elektronischen Rechtsverkehr aufzufordern haben. Wird diese Frist eingehalten, gilt das Anbringen als zum ursprünglichen Zeitpunkt eingebracht (§ 85 Abs 2 ZPO).

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Spenling als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Tarmann-Prentner, die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Dr. Brenn und die Hofrätin Dr. Weixelbraun-Mohr als weitere Richter in der Schuldenregulierungssache des W***** R*****, vertreten durch Mag. Georg Luckmann, Rechtsanwalt in Klagenfurt, gegen den Insolvenzverwalter Mag. Michael Trötzmüller, Rechtsanwalt in Klagenfurt, über den Revisionsrekurs des Insolvenzverwalters gegen den Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt vom , GZ 1 R 276/14d-25, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Klagenfurt vom , GZ 6 S 8/14i-21, aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss des Rekursgerichts wird aufgehoben und der Rekurs des Schuldners gegen den Beschluss des Erstgerichts vom zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Aufgrund eines Eigenantrags des Schuldners eröffnete das Erstgericht mit Beschluss vom das Schuldenregulierungsverfahren, sprach die Geringfügigkeit des Verfahrens aus, entzog dem Schuldner die Eigenverwaltung und bestellte einen Insolvenzverwalter.

Zum Vermögen des Schuldners zählt eine Liegenschaft, deren Ausscheidung der Schuldner beantragte und hinsichtlich der bisher keine Verwertungsmaßnahmen gesetzt wurden.

Der Gläubigerausschuss gab dem Antrag des Schuldners auf Ausscheidung dieser Liegenschaft in seiner Sitzung vom keine Zustimmung. Mit Beschluss vom selben Tag erteilte das Erstgericht daher dem Masseverwalter den Auftrag, die Verwertung dieser Liegenschaft des Schuldners vorzunehmen.

Dem Rekurs des Schuldners gegen den Beschluss vom gab das Rekursgericht Folge und hob ihn mit dem nun angefochtenen Beschluss vom auf (ON 25). Das Insolvenzgericht könne eine beantragte Ausscheidung auch dann, wenn der Gläubigerausschuss sie ablehne, beschließen. Derzeit könne jedoch noch nicht abschließend beurteilt werden, ob die Verwertung der Liegenschaft tatsächlich im Interesse der Insolvenzgläubiger gelegen sei; dies habe das Erstgericht im fortzusetzenden Verfahren zu klären.

Den Revisionsrekurs ließ das Rekursgericht zu, weil Rechtsprechung zu der Frage fehle, ob es sich um einen gesetzlich geregelten Akt der Gläubigerautonomie handle, wenn der Gläubigerausschuss eine Ausscheidung ablehne und das Gericht nicht korrigierend eingreifen könne.

Gegen diesen Beschluss des Rekursgerichts richtet sich der Revisionsrekurs des Insolvenzverwalters mit dem Antrag, ihn aufzuheben und den erstinstanzlichen Beschluss zu bestätigen.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig und berechtigt, weil die Entscheidung des Rekursgerichts einer Korrektur bedarf.

1. Beschließt der Gläubigerausschuss die Ausscheidung von Vermögensgegenständen, so bedarf dieser Beschluss der Genehmigung des Insolvenzgerichts (§ 119 Abs 5 IO). Lehnt der Gläubigerausschuss die Ausscheidung ab, so hat das Insolvenzgericht diesen Beschluss auf seine Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit zu überprüfen. Nach § 95 Abs 2 IO hat es einen Beschluss des Gläubigerausschusses oder der Gläubigerversammlung von Amts wegen oder auf Antrag des Insolvenzverwalters oder jedes Mitglieds des Gläubigerausschusses aufzuheben, wenn er dem gemeinsamen Interesse der Insolvenzgläubiger widerspricht oder andere gleich gewichtige Gründe vorliegen (Kodek in Bartsch/Pollak/Buchegger, Österreichisches Insolvenzrecht4 § 119 Rz 207, 212). Ein Beschluss des Insolvenzgerichts auf Genehmigung des Beschlusses des Gläubigerausschusses auf Ablehnung der Ausscheidung ist hingegen nicht vorgesehen (8 Ob 73/05a). Wird die Ablehnung der Ausscheidung dennoch vom Insolvenzgericht genehmigt, so besteht an der Bekämpfung eines solchen Beschlusses des Insolvenzgerichts kein Rechtsschutzinteresse (8 Ob 73/05a).

2. Gegen eine in Beschlussform ergehende Weisung des Insolvenzgerichts an den Insolvenzverwalter gemäß § 84 Abs 1 KO (IO) ist ein Rekurs nicht zulässig (RIS-Justiz RS0124961; RS0065165; 8 Ob 23/09d).

3. Das Rekursgericht ist hier erkennbar der Ansicht, dass das Erstgericht mit seinem Beschluss vom über die vom Schuldner beantragte Ausscheidung der Liegenschaft entschieden habe. Tatsächlich handelt es sich bei diesem Beschluss jedoch um eine - nicht anfechtbare - (bloße) Weisung des Gerichts an den Insolvenzverwalter. Das Erstgericht hat weder (zustimmend oder ablehnend) über die Ausscheidung der Liegenschaft (§ 119 Abs 5 IO) entschieden, noch den Beschluss des Gläubigerausschusses aufgehoben (§ 95 Abs 2 IO), noch den Beschluss des Gläubigerausschusses durch eine andere Verfügung ersetzt (§ 95 Abs 3 IO) oder einen Antrag bzw eine Anregung des Schuldners auf Aufhebung oder Ersetzung des Gläubigerausschussbeschlusses abgewiesen.

Der Rekurs des Schuldners gegen diese bloße Weisung des Erstgerichts war daher unzulässig. Der Rekurs des Insolvenzverwalters gegen den Beschluss des Rekursgerichts ist daher berechtigt.

4. Eine Stellungnahme des Schuldners zum Revisionsrekurs des Insolvenzverwalters war nicht erforderlich, denn nach ständiger Rechtsprechung ist das Rechtsmittelverfahren in Insolvenzsachen - mit Ausnahme des Eröffnungsverfahrens (dazu 8 Ob 282/01f) - grundsätzlich einseitig (§ 260 Abs 4 IO; RIS-Justiz RS0116129).

Zusatzinformationen


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Rechtsgebiet
Zivilrecht
ECLI
ECLI:AT:OGH0002:2015:0080OB00030.15T.0324.000
Datenquelle

Fundstelle(n):
MAAAD-99522