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OGH vom 19.06.2020, 8Ob27/20h

OGH vom 19.06.2020, 8Ob27/20h

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen Dr. Tarmann-Prentner und Mag. Korn, den Hofrat Dr. Stefula und die Hofrätin Mag. Wessely-Kristöfel als weitere Richter in der Insolvenzeröffnungssache der Schuldnerin A***** AG *****, über die ordentlichen Revisionsrekurse der 1. Schuldnerin, vertreten durch die mit Beschluss des Handelsgerichts Wien vom , GZ 71 Fr 1855/20y-6, bestellten Abwickler Mag. C***** R***** und Dr. T***** E*****, beide vertreten durch Urbanek Lind Schmied Reisch Rechtsanwälte OG in Wien, und der 2. Finanzmarktaufsichtsbehörde (FMA), 1090 Wien, Otto-Wagner-Platz 5, vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien vom , GZ 6 R 67/20x-38, womit über Rekurs der Gläubiger 1. Y***** N*****, 2. U***** Ltd, *****, 3. P***** Ltd, *****, 4. G***** Ltd, *****, und 5. P***** Corp, *****, alle vertreten durch Graf & Pitkowitz Rechtsanwälte GmbH in Graz, der Beschluss des Handelsgerichts Wien vom , GZ 5 S 29/20d-2, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Den Revisionsrekursen wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen und das Verfahren des Rekursgerichts werden als nichtig aufgehoben. Die Insolvenzeröffnungssache wird zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Text

Begründung:

Die Europäische Zentralbank (EZB) entzog mit Beschluss vom , ECB-SSM-2019-AT-8, WHD-2019-0009, der Schuldnerin – damals noch A***** Bank AG (im Folgenden auch: Gesellschaft) – mit Wirkung vom Zeitpunkt der Bekanntgabe des Beschlusses die Zulassung als Kreditinstitut (Rücknahme der Konzession).

Mit Beschluss vom setzte der Präsident des Gerichts der Europäischen Union zu T 797/19R den Vollzug des Beschlusses der EZB vom bis zur Entscheidung im Eilverfahren über die Klage der Gesellschaft vom auf Nichtigerklärung des genannten Beschlusses der EZB vom aus.

Der Beschluss vom wurde mit dem weiteren Beschluss des Präsidenten des Gerichts der Europäischen Union vom aufgehoben (ECLI:EU:T:2020:37).

Am beantragte die Österreichische Finanzmarktaufsichtsbehörde (im Folgenden: FMA) beim Erstgericht im Verfahren außer Streitsachen die Bestellung eines Abwicklers für die Antragsgegnerin gemäß § 6 Abs 5 BWG.

Mit Beschluss vom , 71 Fr 1855/20y-6, bestellte das Erstgericht als Firmenbuchgericht für die Gesellschaft Mag. C***** R***** und Dr. T***** E***** „anstelle der bisherigen Vorstände“ zu Abwicklern gemäß § 6 Abs 5 BWG. Es hielt fest, die beiden bestellten Abwickler verträten [die Gesellschaft] mit sofortiger Wirkung gemeinsam oder mit einem Prokuristen, und erkannte diesem Beschluss vorläufige Verbindlichkeit nach § 44 AußStrG zu.

Die am neu gefasste Satzung der Gesellschaft lautet in § 1:

„1. Die Aktiengesellschaft führt die Firma A***** AG. […]“

§ 2 lautet auszugsweise:

„1. Gegenstand des Unternehmens ist die Abwicklung von Bankgeschäften und Wertpapierdienstleistungen aller Art.

2. Gegenstand des Unternehmens sind ferner, soweit es nicht dem BWG unterliegt: […].“

Die Eintragung der Satzungsänderung im Firmenbuch erfolgte am ; der Antrag auf Änderung war am eingelangt (71 Fr 2145/20z).

Die Abwickler brachten namens der Schuldnerin am einen Konkurseröffnungsantrag ein. Die Schuldnerin sei zahlungsunfähig. Bemühungen um eine außergerichtliche Abwicklung der Schuldnerin seien am gescheitert. Zur Bestimmung des § 82 Abs 3 BWG wurde im Antrag die Ansicht vertreten, diese sei nicht mehr anwendbar, weil die Schuldnerin seit über keine aufrechte Bankkonzession verfüge.

Das Erstgericht eröffnete mit Beschluss vom das Konkursverfahren und bestellte Dr. G***** F***** zum Insolvenzverwalter. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens ergebe sich aus § 69 IO, die Antragslegitimation der Antragstellerin aus der vorläufigen Vollstreckbarkeit des Wegfalls der Bankenkonzession und der Änderung des Unternehmensgegenstands, weshalb § 82 Abs 3 BWG nicht zur Anwendung gelange. Da das Unternehmen im Sprengel des Erstgerichts betrieben werde, liege die örtliche Zuständigkeit gemäß § 63 IO vor.

Das Rekursgericht gab mit der angefochtenen Entscheidung dem Rekurs der fünf aus dem Kopf dieses Beschlusses ersichtlichen Gläubiger Folge und änderte den erstgerichtlichen Beschluss dahin ab, dass es den Konkurseröffnungsantrag vom zurückwies. Das Rekursgericht erachtete es als bescheinigt, dass liquiden Mitteln der Schuldnerin von höchstens 33,4 Mio EUR fällige Verbindlichkeiten aus Einlagen von jedenfalls 49,2 Mio EUR gegenüberstünden und bejahte hiervon ausgehend die Zahlungsunfähigkeit. Es sei aber aufzugreifen, dass nicht die Abwickler, sondern nur die FMA gemäß § 82 Abs 3 BWG zur Stellung des Konkurseröffnungsantrags befugt gewesen wäre. Zwar seien die vom Erstgericht im Verfahren außer Streitsachen bestellten Abwickler im Zeitpunkt der Konkursantragstellung die organschaftlichen Vertreter der Schuldnerin gewesen. Die Bestellung der Abwickler „anstelle der bisherigen Vorstände“ begreife deren Abberufung ein. Der Beschluss des Firmenbuchgerichts vom sei wirksam, wenngleich – aufgrund seiner Anfechtung mit Rekurs – noch nicht rechtskräftig. Auch habe es sich bei der Schuldnerin bei Konkursantragstellung mangels aufrechter Berechtigung zum Betrieb von Bankgeschäften formal um kein Kreditinstitut iSd § 1 Abs 1 BWG gehandelt. Der Begriff des Kreditinstituts in § 82 BWG und damit auch dessen Abs 3 über das alleinige Konkurseröffnungsantragsrecht der FMA sei aber weit auszulegen. Er erfasse auch ein Kreditinstitut, dessen Konzession bereits entzogen worden sei, dessen konzessionspflichtige Bankgeschäfte aber noch nicht abgewickelt worden seien. Legte man den Begriff „Kreditinstitut“ in § 82 BWG eng iSd § 1 Abs 1 BWG aus, so wären nämlich die insolvenzrechtlichen Sonderbestimmungen des § 82 BWG insgesamt nicht anwendbar, so auch nicht der Ausschluss des Sanierungsplanantrags durch § 82 Abs 1 BWG. Nach dem Gesetzeszweck könne jedoch hierfür nicht ausschlaggebend sein, ob die Konzessionsrücknahme der Abwicklung vorangehe oder umgekehrt. Nichts anderes gelte für das Konkursantragsmonopol der FMA in § 82 Abs 3 BWG. Wäre die Kontrollbefugnis der FMA nach der sofort wirksamen Konzessionsrücknahme (§ 6 Abs 2 Z 2 BWG) darauf beschränkt, die Bestellung von Abwicklern nach § 6 Abs 5 BWG – unter Nachweis der mangelnden Eignung der sonst zur Abwicklung der Bankgeschäfte berufenen Personen – bei Gericht zu beantragen, hieße dies, dass die unmittelbare staatliche Aufsicht in der Phase der Abwicklung ausgerechnet bei solchen Instituten aus der Hand gegeben wäre. Dies widerspräche der Absicht des Gesetzgebers, welche aus den Vorschriften über die Selbstauflösung der Gesellschaft oder deren freiwillige Konzessionszurücklegung ersichtlich sei. Fasse ein Kreditinstitut den organschaftlichen Beschluss auf Auflösung (§ 6 Abs 2 Z 5 BWG), so komme es nämlich erst nach Abwicklung sämtlicher Bankgeschäfte zur Konzessionsrücknahme. Bis dahin unterliege das Kreditinstitut der Kontrolle durch die FMA. Ähnlich verhalte es sich beim Erlöschen der Konzession infolge deren Zurücklegung, welche gemäß § 7 Abs 3 BWG ebenso erst nach Abwicklung sämtlicher Bankgeschäfte zulässig sei.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR übersteige. Es ließ den ordentlichen Revisionsrekurs mangels Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage, ob das Konkursantragsmonopol der FMA gemäß § 82 Abs 3 BWG bei Kreditinstituten nach der Konzessionsrücknahme während der Abwicklung der konzessionspflichtigen Bankgeschäfte aufrecht bleibe, zu.

Gegen diesen Beschluss richten sich die jeweils aus dem Rechtsmittelgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobenen Revisionsrekurse der Schuldnerin, vertreten durch die Abwickler, und der FMA, dies jeweils mit einem im Ergebnis auf Wiederherstellung des erstgerichtlichen Beschlusses gerichteten Abänderungsantrag.

Die Rekurswerber beantragen in ihren Revisionsrekursbeantwortungen, den Revisionsrekursen nicht Folge zu geben.

I. Zur Zulässigkeit der Revisionsrekurse:

I.1. Dass die Schuldnerin und die FMA grundsätzlich zur Erhebung eines Revisionsrekurses gegen den den Insolvenzeröffnungsantrag der Schuldnerin zurückweisenden Beschluss des Rekursgerichts legitimiert sind, ziehen die Revisionsrekursgegner mit Grund nicht in Zweifel. Nach § 71c Abs 1 IO können Beschlüsse des Gerichts, womit das Insolvenzverfahren eröffnet oder der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens abgewiesen wird, von allen Personen, deren Rechte dadurch berührt werden, sowie von den bevorrechteten Gläubigerschutzverbänden angefochten werden. Mangels anderweitiger Regelungen ist § 71c IO (im Wege der Analogie) auch auf zurückweisende Beschlüsse anwendbar. Aufgrund der universellen Wirkung des Insolvenzverfahrens sind alle von der Eröffnung rechtlich Betroffenen zum Rekurs legitimiert. Sie werden auch durch die Zurückweisung in ihren Rechten berührt, denn diese bedeutet letztlich eine Nichteröffnung des Insolvenzverfahrens (zutr Schneider in Konecny, Insolvenzgesetze [2016] § 71c IO Rz 3 f).

I.2. Sofern die Revisionsrekursgegner die Berechtigung der Abwickler zur Vertretung der Schuldnerin allgemein und damit auch in Hinsicht auf die Erhebung des Revisionsrekurses in Abrede stellen, so ist dies im vorliegenden Verfahren nicht zu prüfen. Die Abwickler wurden mit firmenbuchgerichtlichem Beschluss vom „anstelle der bisherigen Vorstände“ gemäß § 6 Abs 5 BWG bestellt und diesem Beschluss unter einem vorläufige Verbindlichkeit nach § 44 AußStrG zuerkannt. Der Beschluss vom wurde zwar zwischenzeitlich mit Entscheidung des Oberlandesgerichts Wien vom , 6 R 57/20a, dahingehend abgeändert, dass dem Antrag der FMA vom auf Bestellung von Abwicklern abgewiesen wird. Die vorläufige Verbindlichkeit des erstgerichtlichen Beschlusses bis zur rechtskräftigen Erledigung des Verfahrens über den Antrag vom blieb – wie auch auf Seite 19 der Entscheidung zu 6 R 57/20a festgehalten – aber davon unberührt (siehe § 44 Abs 1 Satz 2 AußStrG aE; aus der Lit zB Thunhart in Schneider/Verweijen, AußStrG [2019] § 44 Rz 6). Gegen die der FMA am zugestellte Entscheidung zu 6 R 57/20a wurde im Übrigen – wie aus Seite 6 des Berichts des Insolvenzverwalters vom ersichtlich – zwischenzeitlich von der FMA Revisionsrekurs erhoben, über den noch nicht entschieden wurde (6 Ob 119/20y). Bei Einbringung des Revisionsrekurses gegen den hier angefochtenen Beschluss am wurde die Schuldnerin jedenfalls noch wirksam von den Abwicklern vertreten.

I.3. Entgegen der Ansicht der Revisionsrekursgegner fehlt der FMA nicht die Beschwer zur Erhebung eines Revisionsrekurses. Die FMA leitet ihre Rechtsmittellegitimation daraus ab, dass sie selbst Gläubigerin der Schuldnerin sei. Die Revisionsrekursgegner vertreten dazu die Ansicht, dass sich die FMA nicht wegen der unmittelbaren Beeinträchtigung von Rechten als Insolvenzgläubigerin am Revisionsrekursverfahren beteilige, sondern nur wegen der Begründung der rekursgerichtlichen Entscheidung, wonach die Insolvenzantragsbefugnis weiterhin bei ihr liege. Die FMA hat mit ihrem Revisionsrekurs ihre Forderungsanmeldung vom vorgelegt und damit eine Konkursforderung bescheinigt. Dass sie ihre Beschwer „auch“ (Seite 5 des Revisionsrekurses) daraus ableitet, dass ihr zu Unrecht das Insolvenzantragsmonopol gemäß § 82 Abs 3 BWG auch nach dem wirksamen Konzessionsentzug eingeräumt wird, ändert nichts an ihrer jedenfalls vorhandenen Beschwer als Konkursgläubigerin.

I.4. Die Revisionsrekurse sind mangels höchstgerichtlicher Rechtsprechung zum Antragsmonopol der FMA nach § 82 Abs 3 BWG auch iSd § 528 Abs 1 ZPO zulässig.

II. Zur Berechtigung der Revisionsrekurse:

In beiden Revisionsrekursen wird bestritten, dass die Revisionsrekursgegner zur Erhebung des Rekurses gegen die Konkurseröffnung legitimiert waren. Zum einen wird dies damit begründet, dass das Rekursgericht die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin ausdrücklich festgehalten habe, zum anderen damit, dass sich der Rekurs dagegen gewendet habe, dass in das Insolvenzantragsmonopol der FMA eingegriffen worden sei, wodurch gegebenenfalls aber allein die FMA beschwert wäre. Im Übrigen vertreten die FMA und die Schuldnerin in ihren Revisionsrekursen mit denselben oder sich ergänzenden Argumenten den Standpunkt, dass das Insolvenzantragsmonopol der FMA aufgrund des wirksamen Konzessionsentzugs und damit Fehlens eines Kreditinstituts iSd § 1 BWG nicht mehr gegolten habe, weshalb die Schuldnerin (vertreten durch die beiden Abwickler) zur Stellung des Insolvenzantrags legitimiert gewesen sei. Hintergrund des Insolvenzantragsmonopols der FMA in § 82 Abs 3 BWG sei, dass aufgrund der umfassenden Meldepflichten und Aufsichtsrechte die FMA stets auf einem vergleichbaren Informationsstand wie das Kreditinstitut selbst sei. Ihr komme in Erfüllung der Aufsichtspflicht die Letztentscheidung zu, ob mit all den damit verbundenen Folgekonsequenzen ein Konkursantrag gestellt oder zu dessen Abwendung ein Geschäftsaufsichtsverfahren eingeleitet werden soll. Diese Regelungszwecke könne die FMA, der nur die Aufsicht über die in § 69 Abs 1 Z 1 bis 7 BWG genannten Unternehmen zukomme, darunter Kreditinstitute iSd § 1 Abs 1 BWG, aufgrund des Konzessionsentzugs nicht mehr erfüllen. Die mangelnden Möglichkeiten der Informationsbeschaffung ließen sich auch nicht durch eine analoge Anwendung der Verpflichtung des Kreditinstituts zur Anzeige des Eintritts der Zahlungsunfähigkeit oder der Überschuldung nach § 73 Abs 1 Z 6 BWG substituieren, weil deren Nichteinhaltung nicht entsprechend sanktioniert wäre, zumal eine Anwendung der Strafbestimmungen der § 96 ff BWG am strafrechtlichen Analogieverbot scheitern würde. Eine Weitergeltung der Aufsichtsbestimmungen sei auch nicht nötig, weil § 6 Abs 5 BWG bei Konzessionsentzug wegen Gesetzesverletzungen im Falle unzuverlässiger Organwalter die Bestellung eines gerichtlichen Abwicklers vorsehe. Auch sei es Zweck des Konkursantragsmonopols der FMA, dass der Insolvenzabwendung dienende Maßnahmen, etwa gemäß § 70 Abs 2 BWG oder § 44 BaSAG, nicht durch Konkursanträge Dritter konterkariert werden. Mit dem Ende der Kreditinstitutseigenschaft wegen Konzessionsentzugs müsse allerdings keine Rettung des Kreditinstituts mehr angestrebt werden und dieses sowie die Integrität des Finanzmarkts dementsprechend auch nicht mehr vor Konkursanträgen Dritter oder der Gesellschaft selbst geschützt werden. Eine analoge Weitergeltung der aufsichtsrechtlichen Bestimmungen, insbesondere jener des § 82 Abs 3 BWG, stünde im Widerspruch zur aufsichtsrechtlichen Systematik. Bei der vom Rekursgericht vertretenen Auslegung des § 82 Abs 3 BWG müssten im Übrigen fortan die Insolvenzgerichte stets prüfen, ob eine Gesellschaft jemals zuvor als Kreditinstitut konzessioniert war und ob vielleicht noch Reste des Bankbetriebs vorlägen. Die vollständige Abwicklung des Bankbetriebs könne längere Zeit in Anspruch nehmen, nämlich bis jedes Sparguthaben zurückbezahlt oder rechtswirksam hinterlegt sei. Ein solches Ergebnis stünde der vom Gesetzgeber intendierten zügigen Verfahrensführung von Insolvenzeröffnungssachen entgegen.

In den – zulässigen (RS0116129) – Revisionsrekursbeantwortungen wird das Vorliegen von Konkursgründen bestritten und beanstandet, dass sich die Vorinstanzen mit diesen nicht auseinandergesetzt hätten. Zur Anwendbarkeit des § 82 Abs 3 BWG wird die Ansicht vertreten, dass bis heute ausschließlich die FMA antragslegitimiert sei, da noch immer – unstrittig; Anm – kein rechtskräftiger Konzessionsentziehungsbescheid vorliege und zum anderen nicht alle Bankgeschäfte abgewickelt seien. Das „Regime des BWG“ müsse jedenfalls solange nachwirken, als bei einer für die Schuldnerin positiven Konzessionsentscheidung die „Rückkehr“ zum gewöhnlichen Bankbetrieb noch denkmöglich sei. Erst die Rechtskraft des Konzessionsentziehungsbescheids und nicht dessen bloße Wirksamkeit liefere, wie auch aus § 6 Abs 4 BWG ersichtlich, den Dreh- und Angelpunkt. Bei anderer Auslegung wäre es in der Phase ab der sofort wirksamen (wenngleich nicht rechtskräftigen) Konzessionszurücknahme bis zum Ablauf der nach Rechtskraft des Entziehungsbescheids beginnenden 3-monatigen Nachfrist zur Satzungsreparatur alleine dem Vorstand anheimgestellt, darüber zu entscheiden, ob das „Noch-Immer-Institut“ einen Konkursantrag stellt oder nicht. Die Aufsicht der FMA wäre vorübergehend ausgesetzt, was jedoch dem gesetzgeberischen Willen nicht zugesonnen werden könne. Vielmehr entspreche es dem gesetzgeberischen Willen, dass die Sonderinsolvenzbestimmungen nach § 82 ff BWG sogar dann anwendbar seien, wenn durch die Konzession nicht gedeckte Geschäfte getätigt werden, solang nur die Konzession für irgendein Bankgeschäft vorliege. Dasselbe müsse umso mehr gelten, wenn die Entscheidung über die Konzessionsrücknahme noch nicht rechtskräftig und die Wiederaufnahme von Bankgeschäften im Falle einer erfolgreichen Anfechtung noch möglich sei. Es erschiene systemwidrig, ein Institut vor Rechtskraft eines Konzessionsentziehungsbescheids aus der Bankenaufsicht und dem Sonderinsolvenzrecht für Banken zu entlassen, um dann – nach Obsiegen in letzter Instanz – dieses Regime wieder anzuwenden. Das Antragsmonopol der FMA diene auch dem Schutz der Gläubiger, die sich darauf verlassen können sollten, dass die FMA vor dem Insolvenzantrag als ultima ratio die Insolvenzvoraussetzungen unter Abwägung allfälliger Sanierungsmöglichkeiten gewissenhaft geprüft habe. Auch bestünde die Berichtspflicht nach § 73 Abs 1 Z 6 BWG weiter. Ihre Missachtung führe über ihre Qualifikation als Schutzgesetz nach § 1311 ABGB zu Schadenersatzansprüchen der Gläubiger. Zu meinen, bereits mit dem Verlust einer Bankkonzession seien alle Vorschriften des BWG bzw auch des BaSAG unanwendbar, gehe fehl, weil bei einer engen Auslegung auch § 131 BaSAG über den Klassenkonkurs auf die Schuldnerin unanwendbar wäre.

Rechtliche Beurteilung

Der Senat hat erwogen:

II.1. Die Rechtsmittelbefugnis hinsichtlich des Eröffnungsbeschlusses kommt grundsätzlich dem Schuldner und den

Gläubigern bescheinigter Konkursforderungen zu (RS0059461 [T1]).

Gläubiger angemeldeter Konkursforderungen müssen diese nicht mehr gesondert bescheinigen (RS0127749; Schumacher in KLS § 71c IO Rz 8). Die Revisionsrekursgegner meldeten jeweils Forderungen an. Die Ansicht, die Revisionsrekursgegner wären gegen den erstinstanzlichen Konkurseröffnungsbeschluss deshalb nicht rekurslegitimiert gewesen, weil das Rekursgericht die Zahlungsunfähigkeit als bescheinigt angesehen habe, ist nicht nachvollziehbar.

II.2. Das Insolvenzantragsmonopol des § 82 Abs 3 Bankwesengesetz (BWG, BGBl 1993/532) gibt der FMA das alleinige Recht zur Beantragung eines Konkurses über das Vermögen eines Kreditinstituts. Anträge auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Kreditinstituts, sei es ein solcher des Kreditinstituts selbst, sei es ein solcher eines Gläubigers, sind aufgrund des Antragsmonopols der FMA grundsätzlich unzulässig und daher grundsätzlich zurückzuweisen (Engelhart, Die Geschäftsaufsicht über Kreditinstitute und ihre Auswirkungen auf das Konkursverfahren [2004] 184; zur parallelen Rechtslage in Deutschland statt vieler Vuia in Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch5 [2015] § 8 Rz 33, 47).

II.3. Von dem Recht zur Stellung des Insolvenzantrags zu unterscheiden ist das Recht eines Gläubigers auf ordnungsgemäße Durchführung des Insolvenzverfahrens und damit auch auf Beachtung der allenfalls einschlägigen Bestimmung des § 82 Abs 3 BWG. Eine unter Verletzung dieser Bestimmung erfolgte Konkurseröffnung betrifft unmittelbar seine Rechtsstellung, da bei Beachtung der Bestimmung die Insolvenzeröffnung unterblieben wäre.

Das Rekursgericht wertete aus diesen Gründen den Rekurs der Revisionsrekursgegner zutreffend als zulässig.

II.4. § 1 Abs 1 BWG definiert den Begriff Kreditinstitut (und nicht Bank). Demnach ist Kreditinstitut, wer aufgrund der § 4 oder 103 Z 5 BWG oder besonderer bundesgesetzlicher Regelungen berechtigt ist, Bankgeschäfte zu betreiben (8 Ob 142/19v [Pkt 3.2]; Laurer/Kammel in Laurer/M. Schütz/Kammel/Ratka, BWG4 [2017] § 1 Rz 1).

II.5. Wird einem Kreditinstitut die Konzession entzogen, erlischt (nur) die Berechtigung zum Neuabschluss von Bankgeschäften. Davor abgeschlossene Geschäfte bleiben von der Konzessionsrücknahme unberührt (Oppitz in Chini/Oppitz,Bankwesengesetz [2011] § 6 Rz 13, Pangl/Rehulka/Strau in Dellinger, BWG [2016] § 6 Rz 32 f). Das Kreditinstitut ist von den zu Liquidatoren Berufenen – bei einer AG sind dies die Vorstandsmitglieder (§ 206 Abs 1 AktG), nach Vorliegen eines Beschlusses nach § 6 Abs 5 BWG die bestellten Liquidatoren – abzuwickeln (Diwok in Diwok/Göth, Bankwesengesetz [2005] § 6 Rz 36, 39). Im Zuge seiner Abwicklung darf das Institut auch dann, wenn es seine Zulassung (Konzession) verloren hat, Bankgeschäfte vornehmen (Beschluss des Präsidenten des ECLI:EU:T:2020:37; Jabornegg, Zusammenschluß einer Sparkassen-Aktiengesellschaft mit einer bankgeschäftlich tätigen Sparkasse – Eine Erwiderung, ÖBA 1990, 966 [968]; vgl auch ErläutRV 178 BlgNR 25. GP 13 zu § 2 des Bundesgesetzes zur Schaffung einer Abbaueinheit, BGBl I 2014/51: „Auch materiell erlischt die Konzession nicht vollständig, da im Rahmen der Abbauziele Bankgeschäfte weiterhin durchgeführt werden dürfen.“; aA W. Jud/Grünwald, Zusammenschluß einer Sparkassen-Aktiengesellschaft mit einer bankgeschäftlich tätigen Sparkasse – Erwiderung auf eine Erwiderung, ÖBA 1991, 85 [91]; Diwok in Diwok/Göth, Bankwesengesetz [2005] § 6 Rz 31). Insofern liegt weiterhin eine Berechtigung zum Betrieb von Bankgeschäften iSd § 1 BWG vor.

Im vorliegenden Fall wurde der Schuldnerin von der EZB die Bankkonzession rechtswirksam (vgl Art 263, 264 iVm 278 AEUV), wenngleich noch nicht rechtskräftig entzogen (zur Kompetenz der EZB hierzu siehe die Verordnung [EU] Nr 1024/2013 zur Übertragung besonderer Aufgaben im Zusammenhang mit der Aufsicht über Kreditinstitute auf die Europäische Zentralbank). Folglich ist die Schuldnerin zwar keine werbende Bank mehr, sondern eine Bank in Abwicklung. Als solche ist sie aber soweit dies zur Abwicklung erforderlich ist, berechtigt, Bankgeschäfte zu betreiben. Sie ist damit insofern weiterhin als Kreditinstitut iSd § 1 iVm 82 BWG zu qualifizieren.

II.6. Mit der Richtlinie 2014/59/EU wurde ausweislich ihres Namens ein Rahmen für die Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen festgelegt. Bei den Maßnahmen der Richtlinie handelt es sich um einen Prozess, der nicht zwingend mit dem Erfordernis der Zulassung im Einklang erfolgen muss (Fellner, Erfahrungen aus der Anwendung des Bail-In in Österreich, in Jahn/Schmitt/Geier, Bankensanierung und -abwicklung – Handbuch [2016] 495 [Rz 63 f, 78, 81]). Die Richtlinie erfasst daher nicht nur werbende Kreditinstitute (Perner, Zum rechtlichen Rahmen der HETA-Abwicklung, ÖBA 2015, 239 [241 f]). Weder die Richtlinie noch das ihrer Umsetzung dienende Bundesgesetz über die Sanierung und Abwicklung von Banken (

BaSAG – BGBl I 2014/98) schließen aus, dass über ein Kreditinstitut ein reguläres Insolvenzverfahren eröffnet wird (vgl nur § 82 Abs 7 BWG iVm § 61 BaSAG sowie Erwägungsgrund 93 und Art 65 Abs 1 und 86 Abs 1 der RL). Ein über ein Kreditinstitut eröffnetes Konkursverfahren (ein Sanierungsverfahren scheidet gemäß § 82 Abs 1 BWG aus), wäre im Übrigen grundsätzlich ein „Liquidationsverfahren“ iSd Art 2 der Richtlinie 2001/24/EG über die Sanierung und Liquidation von Kreditinstituten (Pröbsting, Die grenzüberschreitende Sanierung und Liquidation von Kreditinstituten – Die Insolvenz von Kreditinstituten und deren Zweigstellen in anderen Mitgliedstaaten, ZfRV 2008, 239 [254]; zu dem durch die Richtlinie 2014/59/EU veränderten Anwendungsbereich der Richtlinie 2001/24/EG siehe ihren Art 1).

II.7. Ein Konkursverfahren über das Vermögen eines Kreditinstituts ist weitgehend nach den allgemeinen Regeln der IO zu führen. Das BWG und das

BaSAG enthalten – neben zahlreichen den Insolvenzfall von Banken (Kreditinstituten) betreffenden materiell-rechtlichen Bestimmungen – vereinzelt insolvenzverfahrensrechtliche Sondernormen, die im Konfliktfall jenen der IO als leges speciales vorgehen (Fruhstorfer in Buchegger, Österreichisches Insolvenzrecht, 1. Zusatzband [2009] § 82 BWG Rz 1, 6; Dellinger/Steinböck in Dellinger, Bankwesengesetz § 82 Rz 9). Diese sind insbesondere,

- dass Kreditinstitute der FMA unverzüglich schriftlich den Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder der Überschuldung anzuzeigen haben (§ 73 Abs 1 Z 6 BWG) und dass die Geschäftsleiter der Abbaueinheit (§ 2 Z 56 BaSAG) gegenüber der Abwicklungsbehörde (somit der FMA: § 3 Abs 1 BaSAG) zur Vorbereitung und Mitwirkung bei der Stellung eines Insolvenzantrags verpflichtet sind (§ 84 Abs 8a Satz 3 BaSAG);

- dass der Antrag auf Eröffnung des Konkurses nur von der FMA gestellt werden kann (§ 82 Abs 3 Satz 1 BWG,§ 84 Abs 8a Satz 1 iVm § 3 Abs 1 BaSAG) und ansonsten § 70 IO anzuwenden ist (§ 82 Abs 3 Satz 2 BWG);

- dass das Gericht vor Bestellung und Abberufung eines Masseverwalters die FMA anzuhören hat (§ 82 Abs 5 BWG);

- dass über das Vermögen eines Kreditinstituts kein Sanierungsverfahren eröffnet werden kann und im Konkurs eines Kreditinstituts ein Sanierungsplanantrag nicht stattfindet (§ 82 Abs 1 BWG);

- und dass im Konkursverfahren von Kreditinstituten der FMA Parteistellung zusteht (§ 82 Abs 2 BWG).

Weiters enthält § 119 BaSAG entscheidungswesentliche „Beschränkungen von Insolvenzverfahren und sonstigen Verfahren“, auf die noch einzugehen sein wird.

II.8. Unter FMA im Sinn der genannten Bestimmungen ist jeweils die mit der Verfassungsbestimmung des § 1 Abs 1

Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz (FMABG – BGBl I 2001/97 idF BGBl I 2002/45) zur Durchführung der Bankenaufsicht, der Versicherungsaufsicht, der Wertpapieraufsicht und der Pensionskassenaufsicht unter der Bezeichnung „Finanzmarktaufsichtsbehörde“ eingerichtete Anstalt des öffentlichen Rechts mit eigener Rechtspersönlichkeit zu verstehen. Sie ist in Ausübung ihres Amtes an keine Weisungen gebunden (Satz 2 leg cit). Die FMA ist gemäß § 3 Abs 1 BaSAG auch die „Abwicklungsbehörde“ für die Zwecke des BaSAG sowie die „nationale Abwicklungsbehörde“ und die „betreffende nationale Abwicklungsbehörde“ für die Zwecke der Verordnung (EU) Nr 806/2014 zur Festlegung einheitlicher Vorschriften und eines einheitlichen Verfahrens für die Abwicklung von Kreditinstituten und bestimmten Wertpapierfirmen im Rahmen eines einheitlichen Abwicklungsmechanismus und eines einheitlichen Abwicklungsfonds (siehe Art 3 Abs 1 Nr 3 und 4 der Verordnung). Eine Gesamtschau der Bestimmungen ergibt, dass der FMA auch in Hinsicht auf das Konkursverfahren über das Vermögen von Kreditinstituten (Banken) vom Gesetzgeber eine wesentliche Rolle zuerkannt wird.

II.9. Ausfluss der Bedeutung der FMA in diesem Bereich ist ihre Stellung als Amtspartei im Konkursverfahren eines Kreditinstituts (§ 82 Abs 2 BWG bzw § 84 Abs 8a BaSAG; zu Amtsparteien allgemein G. Kodek in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG I2§ 2 Rz 61 ff; Kunz, Die Prozessstandschaft – Eine Untersuchung der Klagebefugnisse Dritter im österreichischen Zivilverfahren [2019] 45; nur terminologisch abweichend Fruhstorfer in Buchegger aaO § 82 BWG Rz 12 f: „Legalpartei“). Diese Stellung erfasst auch das Konkurseröffnungsverfahren. Dies ergibt sich zum einen aus der Legitimation der FMA zur Stellung des Eröffnungsantrags nach § 82 Abs 3 BWG, zum anderen aus dem in § 82 Abs 5 BWG verankerten Recht der FMA, vor Bestellung eines Masseverwalters vom Insolvenzgericht angehört zu werden (vgl Dellinger/Steinböck in Dellinger, BWG § 82 Rz 6; Laurer in Laurer/M. Schütz/Kammel/Ratka, BWG4 [2018] § 82 Rz 2). Für ein weites, auch das Insolvenzeröffnungsverfahren einschließendes Verständnis von „Konkursverfahren“ in § 82 Abs 2 BWG (bzw § 84 Abs 8a BaSAG) spricht auch die Intention des Gesetzgebers, durch die Einführung einer Amtspartei die Vertretung der Interessen des Bundes im Verfahren zu gewährleisten (ErläutRV 1130 BlgNR 18. GP 151), somit vor allem das volkswirtschaftliche Interesse an einem funktionsfähigen Bankwesen und an der Finanzmarktstabilität (siehe § 69 Abs 1 Z 1 BWG sowie § 3 Abs 2 Satz 2 FMABG).

II.10. Die Parteistellung der FMA im Konkurs(eröffnungs)verfahren nach § 82 Abs 2 BWG (bzw § 84 Abs 8a BaSAG) beginnt nicht unbedingt erst damit, dass die FMA in Ausübung ihres Konkursantragsmonopols (§ 82 Abs 3 BWG) selbst den Konkursantrag stellt. Auch bei Vorliegen eines Eigenantrags des Kreditinstituts oder eines Gläubigerantrags kommt der FMA sofort Parteistellung zu. Dies ergibt sich aus Art 86 der Richtlinie 2014/59/EU. Nach dessen Abs 1 haben (unbeschadet von Art 82 Abs 2 Buchstabe b der RL) die Mitgliedstaaten dafür zu sorgen, „dass für ein in Abwicklung befindliches Institut oder ein Institut oder ein Unternehmen im Sinne von Art 1 Abs 1 Buchstabe b, c oder d, für das festgestellt wurde, dass die Voraussetzungen für eine Abwicklung gegeben sind, reguläre Insolvenzverfahren nur auf Initiative der Abwicklungsbehörde eingeleitet werden, und dass eine Entscheidung zur Einleitung eines regulären Insolvenzverfahrens für ein Institut oder ein Unternehmen im Sinne von Art 1 Abs 1 Buchstabe b, c oder d nur mit der Zustimmung der Abwicklungsbehörde erteilt werden kann“. Für die Zwecke von Abs 1 haben gemäß Abs 2 die Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass

„a) die zuständigen Behörden und die Abwicklungsbehörden unverzüglich über jeden Antrag auf Einleitung eines regulären Insolvenzverfahrens in Bezug auf ein Institut oder ein Unternehmen im Sinne von Art 1 Abs 1 Buchstabe b, c oder d informiert werden, und zwar unabhängig davon, ob sich das Institut oder das Unternehmen im Sinne von Art 1 Abs 1 Buchstabe b, c oder d in

b) der Antrag nicht beschieden wird, es sei denn, die Mitteilungen nach Buchstabe a sind erfolgt, und einer der beiden folgenden Fälle ist eingetreten:

i) die Abwicklungsbehörde hat die für reguläre Insolvenzverfahren zuständigen Behörden darüber unterrichtet, dass sie in Bezug auf das Institut oder das Unternehmen im Sinne von Art 1 Abs 1 Buchstabe b, c oder d keine Abwicklungsmaßnahme plant;

ii) seit dem Datum des Eingangs der unter Buchstabe a genannten Mitteilungen ist ein Zeitraum von 7 Tagen verstrichen.“

Diese Vorschriften der Richtlinie sollten mit § 119 Abs 1 und 2 BaSAG in das österreichische Recht umgesetzt werden (ErläutRV 361 BlgNR 25. GP 23), welche wie folgt lauten:

„(1) Wird in Bezug auf ein Institut oder ein Unternehmen gemäß § 1 Abs 1 Z 2 bis 4 ein Antrag auf Einleitung eines Insolvenzverfahrens eingebracht, hat das Insolvenzgericht die Abwicklungsbehörde unverzüglich darüber zu informieren. Diese Informationspflicht entfällt, wenn die FMA den Insolvenzantrag gestellt hat.

(2) Ein Insolvenzverfahren über das Vermögen eines Unternehmens gemäß § 1 Abs 1 Z 2 bis 4 darf nur dann eröffnet werden, wenn die Mitteilung gemäß Abs 1 erfolgt ist und die Abwicklungsbehörde nicht innerhalb von sieben Tagen ab dem Eingang der Mitteilung das Insolvenzgericht darüber unterrichtet, dass sie in Bezug auf das Unternehmen gemäß § 1 Abs 1 Z 2 bis 4 eine Abwicklungsmaßnahme plant.“

II.11. Bei der Schuldnerin handelte es sich im Zeitpunkt der Einbringung des Insolvenzantrags bereits um „ein in Abwicklung befindliches [Kredit-]Institut“. Um Art 86 der Richtlinie 2014/59/EU zu entsprechen, hätte das Insolvenzgericht (Erstgericht) „über Antrag auf Einleitung eines regulären Insolvenzverfahrens“ – und damit auch über den Antrag der Schuldnerin – die FMA als Abwicklungsbehörde zu informieren gehabt. Auch nach § 119 Abs 1 BaSAG wäre das Insolvenzgericht von einer unverzüglichen Information der Abwicklungsbehörde (FMA) über die erfolgte Einbringung eines Antrags auf Einleitung eines Insolvenzverfahrens in Bezug auf die Schuldnerin als Institut iSd § 1 Abs 1 Z 1 BaSAG nur dann befreit gewesen, wenn – was nicht der Fall ist – die FMA selbst den Insolvenzantrag gestellt hätte.

Um der Richtlinie zu entsprechen, hätte das Insolvenzgericht weiters erst nach Eintritt der in Art 86 Abs 2 der Richtlinie genannten Voraussetzungen „den Antrag bescheiden“, das heißt über den Antrag eine – sei es zurückweisende, sei es abweisende, sei es ihm stattgebende – Entscheidung treffen dürfen (siehe die ebenso eindeutige englische und französische Fassung des Art 86 Abs 2 der Richtlinie: „[…] Member States shall ensure that [...] the application is not determined unless […]“ bzw „[…] les États membres s’assurent [...] qu’il n’est statué sur la demande que [...]“). Wenn § 119 Abs 2 BaSAG insoweit nur bestimmt, dass „ein Insolvenzverfahren über das Vermögen eines Unternehmens gemäß § 1 Abs 1 Z 2 bis 4 nur dann eröffnet werden [darf], wenn die Mitteilung gemäß Abs 1 erfolgt ist und die Abwicklungsbehörde nicht innerhalb von sieben Tagen ab dem Eingang der Mitteilung das Insolvenzgericht darüber unterrichtet, dass sie in Bezug auf das Unternehmen gemäß § 1 Abs 1 Z 2 bis 4 eine Abwicklungsmaßnahme plant“, so bleibt dies zumindest in zweifacher Hinsicht hinter der Absicht des Gesetzgebers, die Richtlinie umzusetzen, zurück (ErläutRV 361 BlgNR 25. GP 23). Zum einen sieht § 119 Abs 2 BaSAG enger als die Richtlinie ein Zuwarten des Insolvenzgerichts bis zum Vorliegen der in Art 86 Abs 2 genannten Fälle nur vor, falls das Insolvenzgericht stattgebend entscheiden möchte (= Insolvenzeröffnung). Zum anderen gilt die Pflicht zum Zuwarten nach der Richtlinie nicht nur bei Vorliegen eines Insolvenzantrags über das Vermögen eines Unternehmens iSd Art 1 Abs 1 Buchstabe b bis d der Richtlinie bzw der damit korrespondierenden Bestimmungen des § 1 Abs 1 Z 2 bis 4 BaSAG, sondern auch wenn – dieser Fall liegt hier vor – „für ein in Abwicklung befindliches Institut“ die Insolvenzeröffnung beantragt wurde.

Auch wenn – wie hier – von einem Nichtberechtigten (unter Verletzung des Insolvenzantragsmonopols der FMA) ein Insolvenzantrag gestellt wurde, verlangt die Richtlinie lege non distinguente also ein Zuwarten mit der Entscheidung über diesen Antrag, solange nicht die FMA (Abwicklungsbehörde) über diesen Antrag vom Insolvenzgericht informiert wurde und zudem die in Art 86 Abs 2 der Richtlinie genannten weiteren Voraussetzungen erfüllt sind. Hierdurch wird zum einen verhindert, dass die FMA von dem – zwar unzulässigen, aber möglicherweise inhaltlich berechtigten – Insolvenzantrag eines Nichtlegitimierten niemals erfährt. Zum anderen hat die FMA, solange das Insolvenzgericht nach Art 86 Abs 2 der Richtlinie zuwartet, Gelegenheit, selbst – als Amtspartei in Ausübung ihres Konkursantragsmonopols, nicht als Insolvenzgläubigerin, zumal auch sie insofern wegen des Antragsmonopols keinen Antrag stellen darf – einen Insolvenzantrag einzubringen und damit – bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen für eine Insolvenzeröffnung – die Insolvenzeröffnung anlässlich des vom Nichtlegitimierten gestellten Antrags, der an sich zurückzuweisen wäre, im Ergebnis zu erreichen (vgl für Deutschland Vuia in Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch5§ 8 Rz 33, 47; Haß/Herweg in Schwennicke/Auerbach, Kreditwesengesetz mit Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz und Finanzkonglomerate-Aufsichtsgesetz3 [2016] § 46b KWG Rz 13; Vuia in Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung I4 [2019] § 13 Rz 55; Linker in A. Schmidt, Hamburger Kommentar zum Insolvenzrecht7 [2019] § 13 InsO Rz 33).

II.12. Eine

Richtlinie ist grundsätzlich nicht

unmittelbar anwendbar, sondern muss von den Mitgliedstaaten in das innerstaatliche Recht umgesetzt werden. Weder kann der Einzelne durch die Richtlinie unmittelbar verpflichtet werden, noch besteht eine unmittelbare Wirkung von Bestimmungen nicht umgesetzter Richtlinien im Verhältnis zwischen Privatpersonen (RS0111214 [T10, T 19]), jedoch haben die Gerichte die in Umsetzung der Richtlinie ergangene Norm richtlichenkonform zu interpretieren (RS0111214). Noch weiter Gehendes kann gelten, wenn die Richtlinie nicht das Verhältnis zwischen Privatpersonen, sondern zB – wie hier – allein ein bestimmtes gerichtliches Prozedere normiert. Diesfalls kann eine Richtlinie insoweit unmittelbare Wirksamkeit entfalten, als sie inhaltlich als unbedingt und hinreichend genau erscheint, was dann der Fall ist, wenn den Mitgliedstaaten angesichts des Wortlauts und des klaren Regelungsziels der Richtlinie kein größerer Gestaltungsspielraum bei der Umsetzung zur Verfügung steht (RS0111214 [T4]). Zumal Art 86 Abs 2 der Richtlinie hinreichend genau ist, ist diese Richtlinienbestimmung insoweit auch geeignet, unmittelbar angewendet zu werden (vgl im Übrigen auch Art 5 der Verordnung [EU] Nr 806/2014).

II.13. Das Erstgericht hätte daher den Insolvenzantrag der FMA zustellen und erst nach Vorliegen der Voraussetzungen des Art 86 Abs 2 der Richtlinie (§ 119 Abs 2 BaSAG) über diesen entscheiden dürfen. Da dies unterblieb, wurde das rechtliche Gehör der FMA als Amtspartei (§ 82 Abs 2 BWG) verletzt (vgl Höllwerth in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG I2§ 15 Rz 6). Die Gehörverletzung konnte nicht durch die Möglichkeit der FMA zur Erhebung eines Rekurses und Stellungnahme im Rekurs

saniert werden, da nicht nur – weiterhin – eine förmliche Information der FMA über das Vorliegen eines Konkurseröffnungsantrags iSd Art 86 der Richtlinie 2014/59/EU unterblieb (vgl RS0006057 [T16]), sondern auf diese Weise auch die unionsrechtliche Anordnung, dass ohne Durchführung des in § 86 der Richtlinie (§ 119 Abs 2 BaSAG) vorgesehenen Prozedere dem Insolvenzgericht eine Entscheidung über den Insolvenzeröffnungsantrag verboten ist, umgangen würde. Schon aus demselben Grund kann auch die Unterlassung der Rüge der Nichtigkeit im Revisionsrekurs der FMA nicht als Heilung gewertet werden.

Damit erweisen sich die Revisionsrekurse im Ergebnis im Sinne des in ihnen jeweils mitenthaltenen (RS0041774 [T1]) Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrags als berechtigt. Die Entscheidungen der Vorinstanzen sowie das von der Nichtigkeit miterfasste rekursgerichtliche Verfahren sind als nichtig aufzuheben. Dem Erstgericht ist die Verfahrensergänzung iSd Art 86 Abs 2 der Richtlinie (§ 119 Abs 2 BaSAG) aufzutragen.

Auf die Frage des Vorliegens eines Insolvenzgrundes – konkret der von den Revisionsrekursgegnern bestrittenen Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin – ist mangels Vorliegens eines Insolvenzantrags der nach § 82 Abs 3 BWG als Amtspartei zur Stellung eines solchen einzig legitimierten FMA bis auf weiteres nicht einzugehen.

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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2020:0080OB00027.20H.0619.000

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