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OGH vom 06.05.2020, 13Ns19/20b

OGH vom 06.05.2020, 13Ns19/20b

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer, Mag. Michel, Dr. Oberressl und Dr. Brenner in der Finanzstrafsache gegen Friedrich H***** wegen Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG, AZ 35 Hv 4/20p des Landesgerichts Innsbruck, über Vorlage gemäß § 213 Abs 6 zweiter und dritter Satz, 215 Abs 4 zweiter Satz StPO durch das Oberlandesgericht Innsbruck, AZ 11 Bs 49/20y, nach Anhörung der Generalprokuratur nichtöffentlich (§ 62 Abs 1 zweiter Satz OGHGeo 2019) den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Sache wird dem Oberlandesgericht Wien zur Zuweisung an das zuständige Gericht übermittelt.

Text

Gründe:

Mit Anklageschrift vom (ON 4) legte die Staatsanwaltschaft Innsbruck Friedrich H***** mehrere Verhaltensweisen zur Last, die sie als „das“ Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 „iVm 33 Abs 3“ FinStrG (I) – vgl dazu RISJustiz RS0130303, RS0124712 [T12] und RS0087102 – und mehrere Finanzvergehen nach § 33 Abs 1 FinStrG (II) beurteilte.

Danach habe er als Einzelunternehmer und Betreiber von Glücksspielgeräten jeweils fortgesetzt in mehrfachen Tathandlungen

(I) zwischen und im Amtsbereich des Finanzamts für Gebühren, Verkehrssteuern und Glücksspiel vorsätzlich unter Verletzung der Pflicht nach § 59 Abs 3 GSpG, und zwar durch Unterlassung der Anzeige und Entrichtung der Glücksspielabgaben bis zum 20. des dem Entstehen der Abgabenschuld folgenden Kalendermonats, eine Verkürzung von Glücksspielabgaben für die Abrechnungszeiträume Jänner 2012 bis Dezember 2017 in der Höhe von jeweils monatlich 10.737,50 Euro bewirkt und

(II) im Amtsbereich des Finanzamts Baden Mödling vorsätzlich unter Verletzung abgabenrechtlicher Offenlegungs und Wahrheitspflichten in den Jahren 2013 bis 2018 durch Nichtabgabe der Umsatzsteuer und Einkommensteuererklärungen für die Veranlagungsjahre 2012 bis 2017 eine Verkürzung bescheidmäßig festzusetzender Abgaben bewirkt, und zwar (im Anklagetenor jeweils nach Kalenderjahr und Steuerart aufgegliedert) an Einkommensteuer um insgesamt 815.511 Euro und an Umsatzsteuer um 491.640 Euro.

Zur Frage der örtlichen Zuständigkeit verwies die Staatsanwaltschaft Innsbruck eingangs auf die wiederholte Verlegung des Wohnsitzes des Angeklagten. Das Finanzamt Wien sei zwar als Wohnsitzfinanzamt im Sinn des § 20 AVOG 2010 teilweise zur Einhebung der Umsatz und der Einkommensteuer zuständig gewesen, zufolge der Betriebstätten in Kufstein, Landeck und Innsbruck lasse sich aber aus § 25 Z 2 AVOG 2010 auch eine Zuständigkeit „des Ortes“, an welchem das Unternehmen betrieben worden sei, ableiten. Die Zuständigkeit des Landesgerichts Innsbruck gründete die Staatsanwaltschaft Innsbruck darauf, dass nach der genannten Subsidiarbestimmung für die Veranlagung der Einkommen und der Umsatzsteuer im anklagerelevanten Zeitraum auch die Finanzämter Innsbruck, Kufstein Schwaz und Landeck Reutte örtlich zuständig gewesen seien (ON 4 S 7).

Der Angeklagte erhob gegen die Anklageschrift keinen Einspruch.

Die Akten wurden von der Vorsitzenden wegen Bedenken gegen die örtliche Zuständigkeit des Landesgerichts Innsbruck gemäß § 213 Abs 6 zweiter Satz StPO dem Oberlandesgericht Innsbruck vorgelegt. Dieses ging – nach Verneinen des Bestehens eines der in § 212 Z 1 bis 4 StPO genannten Gründe – gemäß § 213 Abs 6 letzter Satz, 215 Abs 4 zweiter Satz StPO mit Vorlage an den Obersten Gerichtshof vor, weil es für möglich hielt, dass ein im Sprengel eines anderen Oberlandesgerichts liegendes Gericht zuständig sei.

Rechtliche Beurteilung

Der Oberste Gerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 195 Abs 1 FinStrG gelten für das Verfahren wegen gerichtlich strafbarer Finanzvergehen die Bestimmungen der StPO, soweit in § 195 bis 247 FinStrG nicht etwas Besonderes vorgeschrieben ist. Da diese Gesetzesstellen keine Sondernormen hinsichtlich der örtlichen Gerichtszuständigkeit enthalten, sind daher insoweit die Bestimmungen der StPO maßgebend. Gemäß § 37 Abs 1 erster Satz StPO ist im Fall gleichzeitiger Anklage einer Person wegen mehrerer Straftaten das Hauptverfahren vom selben Gericht gemeinsam zu führen. Dabei ist unter Gerichten verschiedener Ordnung das höhere, unter Gerichten gleicher Ordnung jenes mit Sonderzuständigkeit für alle Verfahren zuständig, wobei das Gericht, das für einen unmittelbaren Täter zuständig ist, das Verfahren gegen Beteiligte an sich zieht (§ 37 Abs 2 erster Satz StPO). Im Übrigen kommt das Verfahren im Fall mehrerer Straftaten dem Gericht zu, in dessen Zuständigkeit die frühere Straftat fällt (§ 37 Abs 2 zweiter Satz StPO). Wenn jedoch für das Ermittlungsverfahren eine Staatsanwaltschaft bei einem Gericht zuständig war, in dessen Sprengel auch nur eine der angeklagten strafbaren Handlungen begangen worden sein soll, so ist dieses Gericht zuständig (§ 37 Abs 2 dritter Satz StPO).

Primärer Anknüpfungspunkt für die Zuständigkeit im Hauptverfahren ist nach § 36 Abs 3 erster Satz StPO jener Ort, an dem die Straftat ausgeführt wurde oder ausgeführt werden sollte.

Hinsichtlich der Hinterziehung der Glücksspielabgaben (I) liegt der Ausführungsort im Sinn des § 36 Abs 3 erster Satz StPO am Sitz des – nach § 19 Abs 2 Z 8 AVOG 2010 für das gesamte Bundesgebiet für die Erhebung der Glücksspielabgaben zuständigen – Finanzamts für Gebühren, Verkehrssteuern und Glücksspiel (vgl RISJustiz RS0130898 [T1]). Dieser befindet sich in Wien (§ 4 Abs 2 AVOG 2010DV).

Bei Finanzvergehen, die durch Erstattung einer Steuererklärung (oder gesetzwidriges Unterlassen einer solchen) begangen werden, ist Ausführungsort im Sinn des § 36 Abs 3 erster Satz StPO der Sitz jenes Finanzamts, bei dem die Steuererklärung einzureichen ist (13 Ns 18/16z, ZWF 2016/49, 277).

Nach § 20 Abs 1 AVOG 2010 ist das – für die Erhebung der Einkommenssteuer (II) bei unbeschränkter Steuerpflicht sowie der Umsatzsteuer nach § 20 Abs 2 Z 1 und 2 AVOG 2010 zuständige – Wohnsitzfinanzamt jenes Finanzamt, in dessen Bereich der Abgabepflichtige (§ 77 BAO) mit Hauptwohnsitz (§ 1 Abs 7 des Meldegesetzes 1991) angemeldet ist.

Nach der Aktenlage war der Angeklagte vom bis zum in Wien und vom bis zum in Traiskirchen gemeldet (ON 6 S 1).

Zur Führung des Hauptverfahrens ist somit jedenfalls ein im Sprengel des Oberlandesgerichts Wien gelegenes Landesgericht zuständig, was – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – dessen Zuständigkeit zur Zuweisung an das zuständige Gericht nach sich zieht.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2020:0130NS00019.20B.0506.000

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