OGH vom 24.06.2004, 8ObA42/04s
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rohrer und Dr. Kuras sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Friedrich Stefan und Mag. Thomas Kallab als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Barbara P*****, vertreten durch Mag. Helmut Holzer, Mag. Wolfgang Kofler, Rechtsanwälte in Klagenfurt, wider die beklagte Partei Erich S*****, vertreten durch Fink & Bernhart, Rechtsanwälte in Klagenfurt, wegen EUR 3.391,34 brutto sA (Revisionsinteresse EUR 2.736,19 sA), infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 7 Ra 137/03a-73, mit dem infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Arbeits- und Sozialgericht vom , GZ 32 Cga 119/00m-62, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der außerordentlichen Revision der beklagten Partei wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen, die im Umfange von EUR 655,15 brutto sA mangels Anfechtung in Rechtskraft erwachsen sind, werden im Übrigen, das ist im Umfang von EUR 2.736,19 brutto sA, aufgehoben und die Rechtssache zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Revisionverfahrens sind weitere Kosten des Verfahrens.
Text
Begründung:
Die im Wesentlichen unstrittige Vereinbarung der klagenden Taxichauffeuse über die Dauer ihres Dienstvertrages lautete wie folgt:
"Kündigung: Das Dienstverhältnis kann von beiden Seiten unter Einhaltung einer 14-tägigen Kündigungsfrist aufgekündigt werden.
Das Dienstverhältnis wird für die Zeit vom bis befristet eingegangen und endet mit diesem Tag, ohne dass es einer gesonderten Kündigung bedarf.
Eine Verlängerung des Dienstverhältnisses muss bis zu diesem Zeitpunkt gesondert vereinbart werden."
Bei der 1958 geborenen Klägerin bestand 1989 ein Verdacht auf Brustkrebs, der wegen eines Tumors zwar zu Operationen führte, aber sich letztlich als unberechtigt herausstellte. Trotzdem trat das Geschwür wieder auf und die Klägerin musste behandelt werden. Sie war deshalb auch gesundheitlich beeinträchtigt und die Einstellung beim Beklagten wurde durch das AMS gefördert. Da die Klägerin schon im Zusammenhang mit der Einstellung auf die gesundheitlichen Probleme und allfällige Untersuchungen hinwies, äußerte der Beklagte, dass sie dies in der Mittagszeit erledigen könne, da zu dieser Zeit kaum ein Arbeitsanfall bestehe. Es kam dann nach ihrer Aufnahme im Jänner 2000 wieder zu einem Aufplatzen der Narbe, das eine Behandlung erforderlich machte. Deshalb besuchte die Klägerin auch im Februar noch zweimal den Arzt. Sie war vom 25. Jänner bis im Krankenstand. Im Februar war dies auch wegen eines grippalen Infektes, bei dem ihr Infusionen verschrieben wurden, die sie nicht vertrug. Der Krankenstand wurde verlängert, weil die Klägerin aufgrund der Antibiotikaeinnahme an Durchfall litt und nicht fahrtüchtig war. Ab 8. März war die Klägerin wegen Oberbauchkoliken und Bluthochdruck erneut im Krankenstand. Während dieses Krankenstandes begehrte der Beklagte die Aushändigung einer Therapiekarte hinsichtlich ihrer Behandlung, die die Klägerin jedoch verweigerte, weshalb sie dann am entlassen wurde.
Die Klägerin begehrt zuletzt (AS 293) im Hinblick auf die Entgeltfortzahlung durch die Gebietskrankenkasse und die Erschöpfung des Entgeltfortzahlungszeitraumes per das laufende Entgelt für den Zeitraum von 1. 3. bis und eine Kündigungsentschädigung für die Zeit von bis sowie eine "Urlaubsabfindung" in voller Höhe. Sie stützt sich zusammengefasst darauf, dass sie unberechtigt entlassen worden sei. Es sei auch unzulässig, zusätzlich zur Befristung von 6 Monaten auch noch eine Kündigungsmöglichkeit mit einer 14-tägigen Kündigungsfrist vorzusehen. Sie habe keinerlei Entlassungsgründe gesetzt und sei stets berechtigt vom Dienst abwesend gewesen.
Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete einerseits ein, dass die Vereinbarung der zusätzlichen Kündigungsfrist rechtswirksam erfolgt sei und andererseits, dass auch die Entlassung berechtigt sei. Die Beklagte sei unter Vorspiegelung falscher Tatsachen unberechtigt vom Dienst abwesend gewesen. Im Übrigen wendete er auch nicht mehr gegenständliche Kompensandoforderungen ein. Die Befristung sei auch dadurch gerechtfertigt, dass in der Wintersaison (Ballsaison) ein höherer Umsatz erzielt werden könne. Dies sei neben der Förderungszusage des AMS ein Grund für die Befristung gewesen.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es ging ausgehend vom einleitend festgestellten Sachverhalt davon aus, dass die Klägerin keinen Entlassungsgrund gesetzt habe, weil sie nicht verpflichtet gewesen sei eine Therapiekarte zu zeigen. Der Klägerin stünden daher die Ansprüche aus einer unberechtigten Entlassung zu. Die Vereinbarung einer zusätzlichen Kündigungsmöglichkeit bei einem befristeten Dienstverhältnis sei hier nicht zulässig, da das Dienstverhältnis insgesamt nur 6 Monate betragen habe.
Das Berufungsgericht gab der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung des Beklagten nicht Folge. Es beurteilte den letztlich festgestellten Sachverhalt rechtlich dahin, dass eine unberechtigte erhebliche Abwesenheit vom Dienst bei der Klägerin nicht festgestellt werden könne. Sie habe sich zweimal ordnungsgemäß und arbeitsunfähig im Krankenstand befunden und zweimal während der Dienstzeit ihren Arbeitsplatz verlassen, um einen Arzt aufzusuchen. Weder das Vortäuschen ungerechtfertigter Krankenstände noch .einer Dienstverhinderungen habe festgestellt werden können. Es bestehe kein Anspruch des Arbeitgebers auf eine genaue Kenntnis der für den Krankenstand maßgeblichen Diagnose, sodass auch eine allfällige Fehlinformation darüber nicht relevant sei.
Hinsichtlich der Höhe der Beendigungsansprüche ging das Berufungsgericht von der Unwirksamkeit der vereinbarten Kündigungsmöglichkeit aus. Grundsätzlich sei es zulässig, auch bei einem befristeten Arbeitsverhältnis eine Kündigungsmöglichkeit zu einem früheren Termin zu vereinbaren, dies aber nur dann, wenn die Dauer der Befristung und die Möglichkeit einer Kündigung in einem angemessenen Verhältnis stünden. Dazu vertrat das Berufungsgericht unter Berufung auf Löschnig, Das Arbeitsrecht10, 214 und Trattner ASoK 1998, 306 die Ansicht, dass dies bei einem mit einem halben Jahr befristetes Dienstverhältnis nicht zutreffe.
Die ordentliche Revision erachtete das Berufungsgericht ohne nähere Begründung als nicht zulässig.
Rechtliche Beurteilung
Die gegen dieses Urteil erhobene außerordentliche Revision des Beklagten ist zulässig, weil eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zu der Frage, ob die Vereinbarung einer Kündigungsmöglichkeit bei einem im Hinblick auf Förderungsmaßnahmen durch die Arbeitsmarktverwaltung mit 6 Monaten befristeten Arbeitsvertrag nicht vorliegt.
Die Revision ist auch im Sinne des subsidiär gestellten Aufhebungsantrages berechtigt.
Nicht berechtigt ist allerdings die vom Beklagten geltend gemachte Mängelrüge.
Der Beklagte bekämpft dabei im Wesentlichen in unzulässiger Weise die Beweiswürdigung des Berufungsgerichtes. Dieses hat nicht nur die Parteien selbst einvernommen, sondern mit ausdrücklicher Zustimmung der Parteien nach Darlegung seiner Bedenken gegen die Beweiswürdigung des Erstgerichtes auch die weiteren Aussagen und Urkunden erörtert und zugrundegelegt (vgl § 488 Abs 4 ZPO). Soweit die Berufung dann bei Heranziehung dieser Aussagen von den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen abweichende Feststellungen begehrt, handelt es sich um eine Frage der Beweiswürdigung, die im Revisionsverfahren nicht mehr bekämpfbar ist (vgl Kodek in Rechberger ZPO2 § 503 Rz 1).
Auch die Ausführungen der Revision, die sich gegen die Beurteilung durch das Berufungsgericht wenden, dass der Beklagte hier keinen Entlassungsgrund nachweisen konnte, vermögen nicht zu überzeugen.
Die Revision stützt sich im Wesentlichen darauf, dass doch eine beharrliche Pflichtenvernachlässigung im Sinne des § 82 lit f GewO vorliege, weil die Klägerin bewusst unrichtig behauptet habe, dass sie sich bereits vier Brustkrebsoperationen unterziehen musste. Damit entfernt sich die Revision jedoch vom festgestellten Sachverhalt (vgl zu den Voraussetzungen einer ordnungsgemäß ausgeführten Rechtsrüge auch Kodek in Rechberger, ZPO2 § 503 Rz 5). Tatsächlich festgestellt wurde ja auch, dass sich die Klägerin wegen des Verdachtes von Brustkrebserkrankungen verschiedensten Untersuchungen und Operationen mit nachhaltigen Einschränkungen unterziehen musste und diese teilweise mit mit den Dienstabwesenheiten der Klägerin beim Beklagten im Zusammenhang stehen. Weiters wurde festgestellt, dass die Krankenstände der Klägerin jedenfalls gerechtfertigt waren. Inwieweit hier eine beharrliche Pflichtverletzung vorliegen sollte, ist nicht ersichtlich.
Letztlich berechtigt wendet sich Revision aber gegen die pauschale Ansicht des Berufungsgerichtes, dass bei dem Anfang 2000 geschlossenen und mit 6 Monaten befristeten Arbeitsvertrag die Vereinbarung einer zusätzlichen Kündigungsmöglichkeit jedenfalls unzulässig sei.
Der Oberste Gerichtshof hat nun in ständiger Rechtsprechung grundsätzlich festgehalten, dass auch bei befristet abgeschlossenen Arbeitsverträgen, bei denen allein nach dem Gesetz die Beendigung des Arbeitsverhältnisses nur durch Ablauf der Befristung erfolgt und keine Kündigungsmöglichkeit besteht, eine Kündigungsmöglichkeit vertraglich vereinbart werden kann (vgl allgemein RIS-Justiz RS0028428 mit zahlreichen weiteren Nachweisen; vgl erstmals Arb 6.786, wobei es dabei nur darum ging mangels einer solchen Vereinbarung ein Kündigungsrecht auszuschließen, ebenso in der Entscheidung vom , 4 Ob 124/78 = SWK 1979, B I 96 zu einem "auf Probe abgeschlossenen Anstellungsverhältnis; 4 Ob 183/82 = Arb 10.215 zu einem "befristeten Ausbildungsverhältnis" bei dem als Kündigungsgrund die mangelnde Möglichkeit eines positiven Abschlusses vereinbart wurde; OGH 4 Ob 105/85 = DRdA 1986/19 [Petrovic] bei einem mit einem Jahr befristeten Arbeitsvertrag zur Unwirksamkeit einer einseitig ausschließlich zu Gunsten des Arbeitgebers vereinbarten Kündigungsmöglichkeit; OGH 9 ObA 47/87 zur Zulässigkeit bei einem mit 5 Monaten befristeten Arbeitsverhältnis mit einer Kündigungsmöglichkeit von beidseits einer Woche; OGH 9 ObA 204/93 zur Zulässigkeit bei einem auf ca 3 ½ befristeten Arbeitsverhältnis nach dem Angestelltengesetz; vgl allgemein zur Lehre etwa Krejci in Rummel ABGB3 § 1158 bis 1159c Rz 9; Floretta/Spiellbüchler/Strasser I4, 356; Schrammel in Tomandl/Schrammel Arbeitsrecht 24, 192 uva). Seit der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom zu 9 ObA 88/94 (= ZAS 1995/22 [zust Reissner]) hat der Oberste Gerichtshof aber unter Hinweis auf Martinek/Schwarz/Schwarz (AngG7 365) und Egger (Die Beendigung von befristeten Arbeitsverhältnis im Lichte der Rechtsprechung wbl 1993, 33 ff) ausgesprochen, dass die Dauer der Befristung und die Möglichkeit der Kündigung in einem angemessenen Verhältnis stehen müssen (vgl dazu auch 8 ObA 305/95 grundsätzlich auch 8 ObA 2206/96m oder zuletzt 9 ObA 43/03v; ebenfalls in diesem Sinne Reissner, in seiner Entscheidungsbesprechung zu ZAS 1995/22, Schrammel aaO; Floretta/Spielbüchler/Strasser aaO; Trattner, Ist bei einem befristeten Arbeitsverhältnis eine Kündigung möglich? ASoK 1998, 306; kritisch Andexlinger, RdW 1996, 171 zur Bedeutung im Praktikantenverhältnis). Die wesentliche Grundlage für die Rechtsprechung wird darin gesehen, dass eine Kündigung während der Dauer befristeter Dienstverhältnisse nur bei längerer Befristung zuzulassen ist, um die Vorteile der Bestandfestigkeit des Arbeitsverhältnisses nicht durch eine Kündigung zu gefährden (vgl dazu 8 ObA 305/95, Reissner aaO). In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass der Gesetzgeber etwa zeitgleich durch die Schaffung des § 10a des MSchG mit BGBl 833/1992 und die Bestimmung des § 11 Abs 2 Z 4 AÜG auch gesetzliche Regelungen eingeführt hat, aus denen sich ergibt, dass selbst die erstmalige Befristung eines Arbeitsverhältnisses unter bestimmten Voraussetzungen eine sachliche Begründung erfordert. Wenngleich diese für spezifische Einzelfälle getroffenen gesetzlichen Wertungen nicht allgemein auszudehnen sind, zeigt sich daraus doch die Einschätzung des Gesetzgebers, dass eine Befristung als regelmäßig nachteilig für den Arbeitnehmer angesehen wird. Dem steht nun im allgemeinen der Vorteil gegenüber, dass nach dem Gesetz eine Kündigung während dieser Befristung nicht vorgesehen ist. Eine davon abweichende Regelung kann unter Berücksichtigung der Gründe für die Befristung und der konkreten Ausgestaltung der Kündigungsmöglichkeiten mangels Angemessenheit ein grobes Missverhältnis zwischen dem Verletzten und den geförderten Interessen im Sinne des § 879 ABGB herbeiführen (vgl allgemein Krejci in Rummel ABGB3 § 879 Rz 55 und 82 ff sowie Buchsbaum, ZAS 1980, 60 ff ).
Soweit sich der Beklagte allerdings darauf beruft, dass der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung vom zu 8 ObA 2206/96m bei einem mit vier Monaten befristeten Arbeitsverhältnis eine den Kündigungsmöglichkeiten des Kollektivvertrages entsprechende Kündigungsvereinbarung nicht als unzulässig erachtete, ist ihm schon entgegenzuhalten, dass es sich damals um ein Saisonarbeitsverhältnis handelte, bei dem ja allgemein eine Befristung als sachlich gerechtfertigt beurteilt wird (vgl dazu etwa § 10a MSchG; ua). Davon kann aber hier im Hinblick auf die Behauptungen des Beklagten schon im Ansatz nicht ausgegangen werden, da weder konkrete Darstellungen zum Vorliegen eines Saisonarbeitsverhältnisses ersichtlich sind noch vom Beklagten behauptete "Wintersaison" eine Befristung zwischen Jänner und Juni erklären kann.
Anders stellt sich jedoch dies jedoch bei der vom Beklagten aufgestellten Behauptung, dass die Befristung des Arbeitsverhältnisses mit der Förderzusage durch das AMS verbunden gewesen sei, dar. Darin könnte durchaus ein sachlicher Grund für eine Befristung liegen (vgl allg. ). Ausgehend davon wäre aber dann auch keine Unwirksamkeit der hier vereinbarten Kündigungsmöglichkeit anzunehmen.
Das Verfahren wird also zur Feststellung der konkreten Gründe für die Befristung noch zu ergänzen sein.
Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.