OGH vom 26.06.2003, 8ObA41/03t
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Rohrer und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Lovrek sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Christoph Kainz und Erika Helscher in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Gabriele E*****, Kindergärtnerin, ***** vertreten durch Dr. Gert Ragossnig, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei Österreichisches K***** - Kindergarten B*****, vertreten durch die Obfrau Mag. Petra L*****, diese vertreten durch Held Berdnik Astner & Partner, Rechtsanwälte in Graz, wegen Feststellung (Streitwert EUR 18.895,-), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 7 Ra 305/02f-24, womit über Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom , GZ 38 Cga 130/01g-18, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, dass das Ersturteil wieder hergestellt wird.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 2.541,9 bestimmten Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens (darin enthalten EUR 423,65 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin war ab bei der Marktgemeinde B***** als Kindergärtnerin beschäftigt. Mit Nachtrag zum Dienstvertrag vom wurde der Dienstvertrag der Klägerin gemäß § 14 des Dienst- und Besoldungsrechts für Kindergärtnerinnen dahin geändert, dass das Dienstverhältnis auf unbestimmte Zeit eingegangen wurde.
Die Klägerin bezog in den Monaten März bis August 2001 ein Bruttoeinkommen von S 26.827,33, worin eine Leiterzulage (S 995) inkludiert war. Überdies bezahlte die Marktgemeinde B***** der Klägerin 11 Monatsbeiträge zu einer Zusatzkrankenversicherung.
Der Beklagte ist ein Zweigverein des österreichischen K*****. Dieser Zweigverein führt seit September 2001 den Kindergarten in denselben Räumlichkeiten wie zuvor die Marktgemeinde B*****. Die rechtliche Grundlage des Handelns des Beklagten liegt in einem Vertragsabschluss mit der Marktgemeinde B*****. Über die Benützung der Räumlichkeiten wurde zwischen der Marktgemeinde B***** und dem Beklagten ein Mietvertrag geschlossen. Der Unterschied zwischen dem Kindergartenjahr 2000/2001, in welchem noch die Marktgemeinde den Kindergarten führte und dem Kindergartenjahr 2001/2002 liegt darin, dass das Angebot dahin erweitert wurde, dass der Beklagte 2002 einen Sommerkindergarten angeboten hat.
Von den ursprünglich vier Mitarbeitern wurden zwei pensioniert. Eine dritte Mitarbeiterin - die in einem befristeten Dienstverhältnis nach dem Angestelltengesetz tätig war - schloss mit dem Beklagten einen neuen Dienstvertrag nach dem Angestelltengesetz.
Die finanziellen Ausfälle des Kindergartens werden zur Gänze durch die Gemeinde B***** abgedeckt. Darüber hinaus erhält der Beklagte Landeszuschüsse. Der Kindergartenbetrieb wird nunmehr vom Beklagten alleinverantwortlich nach betriebswirtschaftlichen und privatwirtschaftlichen Überlegungen geführt.
Die Klägerin arbeitete im vergangenen Kindergartenjahr 2001/2002 im Kindergarten des Beklagten. Sie unterfertigte allerdings den ihr vorgelegten Dienstvertrag nach dem Angestelltengesetz nicht. Dieser Dienstvertrag sollte am enden. Die Klägerin wurde im vergangenen Kindergartenjahr vom Beklagten nach dem Mindestlohntarif für die Angestellten in privaten Kinderbetreuungseinrichtungen entlohnt. So betrug ihr Bruttobezug September 2001 S 24.242.
Mit Schreiben vom sprach die Marktgemeinde der Klägerin gegenüber die Kündigung aus. In diesem Schreiben ist festgehalten, dass für den Fall, dass das zwischen der Klägerin und der Marktgemeinde geschlossene Dienstverhältnis nach dem Steiermärkischen Gemeinde-Vertragsbedienstetengesetz noch aufrecht sein sollte, die Marktgemeinde unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist mit die Kündigung ausspreche. Das dienstrechtliche Arbeitsende sei demnach der . Dabei bezog sich die Marktgemeinde auf § 35 Abs 2 lit a, e und f des Steiermärkischen Gemeinde-Vertragsbedienstetengesetzes 1962. Der Bürgermeister hatte bereits vor dem Sommer 2001 einen Gemeinderatsbeschluss zur Kündigung der Klägerin eingeholt. Von der Gemeinderatssitzung wurde der zuständige Personalvertreter nicht informiert. Die Kündigung erfolgte dann nach Anhörung des Personalvertreters.
Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass hinsichtlich ihres Dienstverhältnisses zum Beklagten ab inhaltlich die Bestimmungen des Steiermärkischen Dienstrechtsgesetzes, des Steiermärkischen Gemeinde-Vertragsbedienstetengesetzes sowie weiters der Gemeinderatsbeschluss der Marktgemeinde B***** laut Sitzung vom Anwendung zu finden haben; infolge Betriebsüberganges des Kindergartens der Marktgemeinde B***** an den Beklagte trete der Beklagte als neuer Arbeitgeber für die Klägerin ab mit allen Rechten und Pflichten in dasjenige Arbeitsverhältnis ein, welches zeitlich davor zwischen der Klägerin und der Marktgemeinde B***** bestanden habe. Ferner begehrt die Klägerin die Feststellung, dass sich ihre Arbeitsbedingungen nach dem Betriebsübergang an den nunmehr Beklagten wesentlich verschlechtert hätten (§ 3 AVRAG) und die Klägerin daher innerhalb eines Monats ab Rechtskraft des Urteils berechtigt sei, das Arbeitsverhältnis nach § 3 Abs 5 AVRAG aufzulösen.
Sie bringt dazu vor, dass ein Betriebsübergang stattgefunden habe. Die Arbeitsbedingungen der Klägerin hätten sich wesentlich verschlechtert (Gehaltsreduktion; finanzieller Verlust von Zulagen, Fahrtkosten; Urlaubsverschlechterung uva). Die Betriebsübergangsrichtlinie sei unmittelbar anwendbar: Das ergebe sich daraus, dass beim Betriebsübergang des Kindergartens die Marktgemeinde als "hoheitliche Person" beteiligt gewesen sei. Darüber hinaus beziehe der Beklagte direkt bzw indirekt öffentliche Mittel und sei daher als "quasi öffentliche Institution" anzusehen. Zumindest in Analogie zu den Bestimmungen des AVRAG und der Richtlinie müsse sichergestellt sein, dass bei einem Betriebsübergang die Dienstnehmerrechte nicht beschnitten würden. Überdies unterliege der Beklagte als neuer Arbeitgeber jedenfalls den Bestimmungen des AVRAG, weil zwischen den Streitteilen ein Arbeitsverhältnis vorliege, welches auf privatrechtlichem Vertrag beruhe und für den Beklagten auch keine Ausnahmen vom Geltungsbereich des AVRAG normiert seien. Das Arbeitsverhältnis der Klägerin sei daher ex lege auf den Beklagten übergegangen: Die Betriebsübergangsrichtlinie und § 3 Abs 1 AVRAG enthielten idente Rechtsfolgen. Aus dem AVRAG ergäben sich daher die Rechte und Pflichten im Verhältnis zum Beklagten; die Rechte und Pflichten gegenüber der früheren Arbeitgeberin richteten sich nach der Richtlinie. Die Kündigung vom sei nicht wirksam, weil zu diesem Zeitpunkt die Marktgemeinde nicht mehr Arbeitgeberin der Klägerin gewesen sei. Überdies sei die Kündigung nichtig, weil sie im Zusammenhang mit dem Betriebsübergang stehe.
Der Beklagte wendet ein, dass die Berufung der Klägerin gegenüber dem Beklagten auf die Bestimmungen des AVRAG verfehlt sei, weil die Ausnahmebestimmung des § 1 Abs 2 AVRAG anwendbar sei. Die Klägerin könne sich gegenüber dem Beklagten auch nicht auf eine unmittelbare Wirkung der Richtlinie berufen.
Eine wesentliche Verschlechterung der Arbeitsbedingungen der Klägerin sei nicht eingetreten. Einige Regelungen des nunmehr anzuwendenden AngG seien für den Arbeitnehmer deutlich günstiger als jene des Gemeinde-VBG. Schließlich behauptet der Beklagte noch, dass im vorliegenden Fall überhaupt keine wirtschaftliche Einheit, wie im § 3 AVRAG normiert, auf ihn übergegangen sei. Der Beklagte habe ein völlig neues Konzept entwickelt. So gebe es eine Nachmittagslernbetreuung und einen durchgehenden Sommerkindergarten. Schließlich wendet sich der Beklagte gegen die Fassung der Feststellungsbegehren, weil abstrakte Rechtsfragen ebensowenig wie rechtliche Qualifikationen feststellungsfähig seien.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es traf die eingangs wiedergegebenen Feststellungen und erachtete rechtlich zusammengefasst, dass die diesbezüglich hinreichend konkretisierten Bestimmungen der Betriebsübergangsrichtlinie gegenüber der Marktgemeinde B***** unmittelbar anzuwenden seien, wie bereits der OGH in 8 ObA 221/98b ("Tiroler Musikschulerkenntnis") erkannt habe. Der Beklagte könne sich nicht auf die Ausnahmebestimmung des § 1 Abs 2 Z 1 AVRAG berufen, weil er keiner der im § 1 Abs 2 Z 1 bis 4 AVRAG genannten Arbeitgeber sei. Das Erstgericht bejahte ferner im Hinblick auf die in wesentlichen Punkten gewahrte Unternehmeridentität die Voraussetzungen für den Betriebsübergang und die Zulässigkeit des Feststellungsbegehrens, weil die Klägerin mit Leistungsklage nur einzelne Ansprüche geltend machen könne, ihre Rechtsstellung aber mit dem Feststellungsbegehren umfassend geklärt werde. Es lägen auch die Voraussetzungen für das Feststellungsbegehren laut Punkt 2. vor, weil sich die Arbeitsbedingungen der Klägerin wesentlich verschlechtert hätten.
Über Berufung des Beklagten änderte das Berufungsgericht das Klagebegehren im Sinne einer gänzlichen Abweisung ab. Es bejahte die Voraussetzungen eines Betriebsüberganges; vertrat aber die Auffassung, dass dem Beklagten als privatem Verein die Richtlinie nicht unmittelbar entgegengehalten werden könne. Eine unmittelbare Anwendung des AVRAG gegenüber dem Beklagten scheide ebenfalls aus. Es liege ein Fall einer echten oder materiellen Privatisierung vor, bei dem eine unmittelbare Anwendung der Betriebsübergangsrichtlinie nicht in Frage komme und nur die Möglichkeit der Staatshaftung verbleibe. Die ordentliche Revision erklärte das Berufungsgericht für zulässig.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen von der Klägerin erhobene Revision ist zulässig; sie ist auch berechtigt.
1. Zur Zulässigkeit der Feststellungsbegehren:
Zutreffend hat das Erstgericht die Zulässigkeit auch des Feststellungsbegehrens zu Punkt 1. bejaht: Können bei einem Dauerrechtsverhältnis mit Leistungsklage nur einzelne Ansprüche geltend gemacht werden, so ist das Begehren auf Feststellung des gesamten zugrunde liegenden Rechtsverhältnisses nach Lehre und Rechtsprechung zulässig (Rechberger/Frauenberger in Rechberger² § 228 ZPO Rz 11; RIS-Justiz RS0038935; 7 Ob 510/96 = tw veröffentlicht in MietSlg 48.617; 8 Ob 27/00d uva). Das Feststellungsbegehren zu Punkt 1. zielt im Übrigen entgegen der Auffassung des Beklagten weder auf die Feststellung abstrakter Rechtsfragen oder von Einzelelementen eines Rechtsverhältnisses; die Klägerin begehrt vielmehr umfassend die Feststellung, dass der Beklagte als neuer Arbeitgeber mit allen Rechten und Pflichten in jenes Arbeitsverhältnis eintrat, welches zuvor zwischen der Klägerin und der Marktgemeinde bestand. Überdies ist die Rechtsprechung in der Bejahung der Zulässigkeit der Feststellungsklage betreffend die Feststellung rechtlicher Qualifikationen großzügig (vgl die Nachweise bei Rechberger/Frauenberger aaO § 228 ZPO Rz 5). Die Zulässigkeit des zu 2. gestellten Feststellungsbegehrens kann schon im Hinblick auf die ausdrückliche Anordnung im § 3 Abs 5 AVRAG nicht zweifelhaft sein.
2. Vorliegen eines Betriebsüberganges:
Die Beurteilung, ob ein Betriebsübergang im Sinne der Richtlinie 77/187/EWG des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens- oder Betriebsteilen vom , die durch die Richtlinie 98/50/EG vom neu gefasst wurde bzw nunmehr in die Richtlinie 2001/23/EG des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens- oder Betriebsteilen vom übergegangen ist (in der Folge immer: RL) vorliegt, hängt ebenso wie die Beurteilung, ob ein Betriebsübergang im Sinne der die RL umsetzenden Bestimmung des § 3 Abs 1 AVRAG vorliegt, davon ab, ob eine wirtschaftliche Einheit unter Identitätswahrung übergegangen ist. Sowohl der EuGH wie auch der OGH stellen primär nicht auf den Übergang einer organisatorischen, sondern weitgehend einer wirtschaftlichen Einheit unter Identitätswahrung ab (RIS-Justiz RS0082749; RS0110832; SZ 70/219; SZ 71/100; SZ 72/180 uva). Es kommt daher auf die Übernahme der materiellen und immateriellen Aktiva, des Großteils der Belegschaft, den Übergang der Kundschaft, den Grad der Ähnlichkeit zwischen der vor und nach dem Übergang verrichteten Tätigkeit, die Fortführung der wirtschaftlichen Einheit und die Übertragung einer organisierten Gesamtheit von Personen und Sachen zur Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mit eigener Zielsetzung an, wobei die Betriebsidentität gerade nicht von der Identität des Betriebsinhabers abhängig ist. Dabei ist im Sinne eines beweglichen Systems eine Gesamtbewertung der einzelnen vorliegenden Tatbestandsmerkmale vorzunehmen, zumal der Betriebsübergang in einem sehr weiten Sinn zu verstehen ist (SZ 71/100 uva). Berücksichtigt man nun, dass der Kindergarten vom Beklagten am selben Standort geführt wird, dass die Klägerin und eine weitere ehemalige Mitarbeiterin der Marktgemeinde dort tätig sind, dass mit Ausnahme einer geringfügigen Erweiterung des Angebotes keinerlei organisatorische oder strukturelle Änderungen vorgenommen wurden und dass der "Kundenstock" wohl überwiegend aus der Marktgemeinde B***** und deren näherer Umgebung rekrutiert wird, sind die Voraussetzungen für einen Betriebsübergang zu bejahen. Dabei kommt der von den Vorinstanzen nicht näher geklärten "rechtlichen Grundlage des Handelns" (Vertrag zwischen der Marktgemeinde und dem Beklagten) keine zentrale Bedeutung zu, zumal nicht an ein Rechtsgeschäft bzw einen Eigentumswechsel, sondern schlicht an den Übergang eines Betriebes oder Betriebsteiles angeknüpft wird. Der Begriff des Betriebsüberganges lässt sich daher nicht auf rechtsgeschäftliche Verfügungen reduzieren (SZ 72/180; 8 ObS 187/00h; SZ 71/100 uva).
3. Anwendbarkeit der RL bzw des AVRAG:
Es gilt die verfahrensentscheidende Rechtsfrage zu beantworten, ob die Ausnahmebestimmung des § 1 Abs 2 Z 1 AVRAG dazu führt, dass der Beklagte die im § 3 Abs 1 AVRAG geregelten Rechtsfolgen nicht gegen sich gelten lassen muss:
Gemäß § 1 Abs 1 AVRAG gilt das Bundesgesetz für Arbeitsverhältnisse, die auf einem privatrechtlichen Vertrag beruhen. Gemäß § 1 Abs 2 Z 1 leg cit sind vom Anwendungsbereich des Bundesgesetzes Arbeitsverhältnisse zu Ländern, Gemeindeverbänden und Gemeinden ausgenommen. Die Ausnahme des § 1 Abs 2 Z 1 AVRAG gilt sowohl dann, wenn der Veräußerer, als auch dann, wenn der Erwerber ein Land oder eine Gemeinde ist (8 ObA 221/98b = ZAS 2000/11 [Jöst] = DRdA 2000/12 [Wachter] = SZ 72/70). Das bedeutet für den vorliegenden Fall, dass gegenüber der Gemeinde als Arbeitgeberin und Veräußererin § 3 Abs 1 AVRAG nicht angewendet werden kann.
Aus den in der bereits zitierten Entscheidung 8 ObA 221/98b dargestellten Überlegungen ist jedoch auch im vorliegenden Fall davon auszugehen, dass der Marktgemeinde gegenüber die RL unmittelbar anzuwenden ist: Die RL war in den innerstaatlichen Bereich umzusetzen. Dieser Verpflichtung kam der Bundesgesetzgeber durch das AVRAG grundsätzlich nach. Die Ausnahmen des § 1 Abs 2 AVRAG werden in den Gesetzesmaterialien (RV 1077 BlgNR 18. GP 9) wie folgt gerechtfertigt: "Die Ausnahmen beruhen zum Teil auf verfassungsrechtlichen Überlegungen (Landarbeiter, Dienstverhältnisse zu Ländern und Gemeinden), zum Teil auf der Erwägung, dass für den Bereich des Dienstrechtes eigenständige Regelungen bestehen. Dienstrechtliche Vorschriften im Sinne des Abs 2 Z 3 können sowohl Gesetze wie Verordnungen sein, nicht jedoch Kollektivverträge." Im hier interessierenden Fall kommt die Gesetzgebungszuständigkeit dem Land zu. Nur für bestimmte - hier nicht relevante - Bereiche des Dienstrechts der Kindergärtnerinnen enthält Art 14 Abs 5 lit a und c B-VG Sonderregelungen. Gemäß Art 14 Abs 9 B-VG wird hinsichtlich des Dienstrechtes der Kindergärtnerinnen auf Art 10 und 21 B-VG verwiesen. Aus Art 21 B-VG ist die Kompetenz der Länder hinsichtlich der Gesetzgebung und Vollziehung in den Angelegenheiten des Dienstrechtes und des Personalvertretungsrechtes der Bediensteten der Gemeinde abzuleiten. Es wäre daher der Landesgesetzgeber zur Umsetzung der RL verpflichtet gewesen. Ist - wie im vorliegenden Fall - ein Land bei der Erfüllung der Umsetzungsverpflichtungen säumig geblieben, so ist der Bund, falls er in einem Vertragsverletzungsverfahren vor dem EuGH wegen dieser Säumigkeit verurteilt wird, berechtigt, die Regelungskompetenz in der jeweiligen Materie an sich zu ziehen (Art 23d Abs 5 B-VG idF B-VG Nov 1994, 1013). Ein solcher Fall liegt hier derzeit nicht vor. Eine Art 3 der RL bzw § 3 AVRAG entsprechende Regelung fehlt.
Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH können nicht fristgerecht umgesetzte RL unter bestimmten Umständen als Anspruchsgrundlage für individuelle Rechtsansprüche gegen den Staat herangezogen werden, obwohl sich RL definitionsgemäß an die Mitgliedstaaten wenden und diese zu ihrer Umsetzung in innerstaatliches Recht verpflichtet sind (Art 189 Abs 3 EGV = Art 249 Abs 3 EG). Voraussetzung für eine unmittelbare Wirkung ist, dass die RL für eine individuelle Anwendung zureichend bestimmt ist und den Mitgliedstaaten keinen besonderen Ermessensspielraum gewährt (EuGH Rs 41/74 - Yvonne van Duyn - Home Office Slg 1974, 1337). Die hier in Frage stehende RL ist für eine individuelle Anwendung hinreichend bestimmt. Ist daher der Arbeitsvertragspartner der "Staat" selbst, entfaltet die RL unter den weiteren genannten Voraussetzungen unmittelbare Wirkung im Verhältnis zwischen Individuum und Staat (8 ObA 221/98b mwN). Die Berufungsmöglichkeit auf die RL besteht nach ständiger Rechtsprechung des EuGH nicht nur gegenüber dem Staat, sondern auch gegenüber Organisationen oder Einrichtungen, die dem Staat oder dessen Aufsicht unterstehen oder mit besonderen Rechten ausgestattet sind, die über diejenigen hinausgehen, die nach den Vorschriften für die Beziehungen zwischen Privatpersonen gelten (C-188/89 - Foster ua - British Gas plc, Slg 1990 I 3313; Rs 8/81 - Becker - Finanzamt Münster - Innenstadt, Slg 1982, 53). Das gilt auch für Gemeinden (EuGH Rs 103/88 - Fratelli Constanzo SpA-Commune di Milano, Slg 1989, 1839).
Daraus folgt, dass die Marktgemeinde B***** die RL gegen sich gelten lassen muss, was dazu führt, dass sie als Folge des Betriebsüberganges das Ausscheiden der Klägerin aus dem Arbeitsverhältnis zu akzeptieren hat.
Ob dem beklagten Verein gegenüber die "Eintrittsautomatik" der in § 3 Abs 1 AVRAG umgesetzten RL entgegengehalten werden kann, hängt davon ab, ob eine zumindest analoge Anwendung de AVRAG zu bejahen ist: Die RL selbst nämlich kann gegenüber einem Privaten nach der Rsp des EuGH nicht unmittelbar angewendet werden (Faccini Dori-Recreb C-91/92 Slg 1994 I-03325).
Jöst vertritt in seiner Entscheidungsbesprechung zu 8 ObA 221/98b (ZAS 2000/11) ausdrücklich die Auffassung, dass dann, wenn keine besonderen Aufsichts- oder Kontrollrechte von Bund, Land oder Gemeinden bestehen, zB im Fall echter Privatisierung, eine unmittelbare Wirkung gegenüber Privatunternehmen nicht in Betracht komme. Es bliebe nur die Staatshaftung. Dabei wird allerdings in Wahrheit die Frage, ob bei echten Privatisierungen dem Privaten gegenüber eine Berufung auf das AVRAG möglich ist, nicht beantwortet. In einer Entscheidungsbesprechung zu 8 ObA 61/99z (DRdA 2000/39) geht auch Reissner davon aus, dass dann, wenn - im Gegensatz zum Sachverhalt des "Tiroler Musikschulerkenntnisses" - 8 ObA 221/98b - der neue Inhaber nicht unter den Begriff des "Staates" im Sinne des Europarechtes fällt, diesem gegenüber die RL nicht angewendet werden kann, weshalb die Arbeitnehmer trotz Betriebsüberganges im Arbeitsverhältnis beim alten Inhaber (Gemeinde) blieben. Auch hier wird jedoch nur der ohnedies unstrittige Grundsatz hervorgehoben, dass dem Privaten gegenüber die RL nicht unmittelbar angewendet werden kann.
Resch vertritt dem gegenüber in seinem in der FS Josef Cerny "Sozialpolitik ist Gesellschaftspolitik" erschienenen Beitrag "Betriebsübergang bei Ausgliederung von Gemeinde- und Landesbetrieben" die Auffassung, dass bei echten Privatisierungen von Landes- bzw Gemeindebetrieben der neue Arbeitgeber grundsätzlich dem AVRAG unterliege, da ab dem Betriebsübergang zu ihm ein Arbeitsverhältnis, welches auf privatrechtlichem Vertrag beruhe, vorliege (§ 1 Abs 1 AVRAG) und auch keine der Ausnahmen vom Geltungsbereich des AVRAG greife. Die Gebietskörperschaft unterliege dagegen mangels Umsetzung im Sinne der Judikatur unmittelbar der RL. Ausgehend von dieser Ausgangslage greife die Regelung des ex lege-Überganges der Arbeitsverhältnisse unter Aufrechterhaltung aller Rechte und Pflichten bei Betriebsübergang sehr wohl auch beim Übergang von der Gebietskörperschaft auf den Privaten. Die Regelung sei für beide Arbeitgeber inhaltlich gleich (§ 3 Abs 1 AVRAG einerseits und Art 3 Abs 1 erster Satz RL andererseits), Tatbestand und Rechtsfolge seien in beiden Regelungen ident. Der Tatbestand des Betriebsüberganges werde zwar in der neu gefassten RL etwas näher konkretisiert, es bestehe aber kein Zweifel, dass § 3 Abs 1 AVRAG nur auf den Tatbestand des Betriebsüberganges im Sinne der RL abstelle. Auch die Rechtsfolge des ex lege-Übergangs der Arbeitsverhältnisse sei in der Richtlinie und im AVRAG inhaltlich gleich geregelt. Die Geltungsbereichsregelung des AVRAG stehe diesem Ergebnis nicht entgegen: Das AVRAG könne im konkreten Zusammenhang nur die Rechte und Pflichten im Verhältnis zum neuen Arbeitgeber regeln, das folge aus der Geltungsbereichsregelung des § 1 Abs 2 AVRAG. Die Rechte und Pflichten des früheren Arbeitgebers ergäben sich aus der RL. Bekenne man sich zur unmittelbaren Geltung der RL auf die Gebietskörperschaft, finde sich kein Hinweis, der im konkreten Zusammenhang für einen Normenmangel im Hinblick auf den ex lege-Übergang des Arbeitsvertrages bei Betriebsübergang spreche. Das folge einerseits aus dem Wortlaut der Regelung, aber auch - wenn man die juristische Konsequenz der Nichtanwendbarkeit der RL auf den konkreten Arbeitnehmer bedenke - aus dem Gebot der richtlinienkonformen Interpretation von Gesetzen. Ganz grundsätzlich erscheine auch das Ergebnis unbedenklich, dass der bisherige Arbeitgeber für den gleichen Vorgang anderen Rechtsvorschriften unterliege (nämlich der unmittelbar anzuwendenden RL) wie der neue Arbeitgeber (der dem AVRAG unterliege).
Die Gegenthese gehe offenbar von der Vorstellung aus, dass ein Betriebsübergang zwischen verschiedenen Gesetzgebungszuständigkeiten (verschiedene Bundesländer, von Gebietskörperschaft zum Bund) nicht von den einzelnen Gesetzgebern für sich geregelt werden könne, sondern einer vereinheitlichenden gemeinsamen Regelung der einzelnen Gesetzgeber bedürfe (Vorschlag eines Gliedstaatsvertrages). Damit werde aber der Vereinheitlichungszweck der RLen überspitzt: Die ausreichenden Vorgaben fänden sich in den RLen, die einzelnen Gesetzgeber setzten um, anhand der europarechtlichen Vorgaben werde damit das Werkzeug für eine im Wesentlichen europaeinheitliche Regelung geschaffen. Das koordinierende Band sei bereits die RL. Ihre innerstaatliche Umsetzung (bzw allenfalls eine mögliche direkte Anwendbarkeit) schaffe normalerweise in ausreichender Weise eine Grundlage für das juristische Fundament eines Betriebsüberganges (auch wenn dieser in Überschneidung verschiedener Gesetzgebungszuständigkeiten erfolge). Besonders deutlich werde das, wenn man sich den internationalen Betriebsübergang vor Augen halte: Nach herrschender Ansicht sei als anzuwendende Rechtsordnung für den Betriebsübergang das Arbeitsvertragsstatut maßgeblich, was dazu führe, dass etwa mit dem Wechsel des Betriebes in das (EU)-Ausland auch das Arbeitsvertragsstatut wechsle und damit eine andere nationale Rechtsordnung zur Anwendung komme. Niemand behaupte allerdings, dass bei einem Betriebsübergang mit Standortwechsel von Österreich nach Deutschland weder das AVRAG noch das BGB zur Anwendung kommen könne. Vielmehr greife bis zum Arbeitsvertragsstatutwechsel das AVRAG und danach das BGB, ohne dass etwa eine zusätzliche staatsvertragliche Regelung notwendig werde.
Der erkennende Senat schließt sich der Auffassung von Resch aus den dort genannten Gründen an: Folgende Punkte sind dabei als besonders wesentlich hervorzuheben: Zunächst ist in Wahrheit auch der umgekehrte und in 8 ObA 221/98b (Tiroler Musikschulerkenntnis) behandelte Fall dadurch gekennzeichnet, dass den dort betroffenen ersten Arbeitgebern gegenüber, soweit es sich um private Vereine handelte, der Betriebsübergang nur damit erklärt werden kann, dass auf sie das AVRAG anwendbar ist: Außerhalb des Geltungsbereiches des AVRAG bzw der RL bedürfte es nämlich einer Dreiparteieneinigung (zwischen früherem Arbeitgeber, neuem Arbeitgeber und Arbeitnehmer), um ein Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Arbeitsverhältnis zum alten Arbeitgeber und einen Eintritt des neuen Arbeitgebers in das Dienstverhältnis zu bewirken. Nur durch die ganz offensichtlich unterstellte Geltung des AVRAG gegenüber dem privaten Arbeitgeber wird daher auch bei dem der Entscheidung 8 ObA 221/98b zugrunde liegenden Sachverhalt eine Auswechslung der Person des Arbeitgebers erklärt. Diese Entscheidung wurde sowohl von Jöst (ZAS 2000/11) als auch von Wachter (DRdA 2000/12) befürwortet. Ferner ist hervorzuheben, dass die Rechtsfolgen der RL im Wesentlichen mit den umgesetzten Bestimmungen des § 3 Abs 1 AVRAG übereinstimmen. Setzt man für die Anwendbarkeit des AVRAG gegenüber dem neuen Arbeitgeber voraus, dass auch dem alten Arbeitgeber gegenüber die gleiche gesetzliche Regelung entgegengehalten werden kann, müsste man konsequenterweise auch bei Umsetzung der RL durch den Landesgesetzgeber die Auffassung vertreten, dass dem (echten) privaten Arbeitgeber wegen der verschiedenen Gesetzgebungszuständigkeiten die landesgesetzliche Bestimmung nicht entgegengehalten werden könnte. Zuletzt ist zu betonen, dass die hier gewählte Auslegung dem Gebot der richtlinienkonformen Interpretation von Gesetzen entspricht, zu dem sich die Judikatur immer schon bekannt hat (vgl RIS-Justiz RS0102121).
Dieser Beurteilung steht auch das zu 9 ObA 260/02d eingeleitete Vorabentscheidungsverfahren nicht entgegen, weil die dort wesentliche Frage ist, ob sich ein Gemeindeverband als "staatliche Einrichtung" seinen Arbeitnehmern gegenüber auf die RL berufen kann, obwohl diese dem Übergang ihrer Arbeitsverträge auf einen Erwerber widersprechen. Diese Konstellation ist mit dem hier vorliegenden Fall nicht vergleichbar, bei welchem die klagende Arbeitnehmerin selbst von einem Betriebsübergang ausgeht.
Da aus den dargelegten Gründen ein Betriebsübergang auf den Beklagten und die Anwendbarkeit der Rechtsfolgen des § 3 Abs 1 AVRAG zu bejahen ist, erübrigt sich eine Beantwortung der in der Revision aufgeworfenen Frage, ob es sich hier überhaupt um einen Fall echter Privatisierung handelt.
4. Berechtigung des Feststellungsbegehrens nach § 3 Abs 5 iVm Abs 6 AVRAG:
Die Berechtigung des von der Klägerin gestellten Feststellungsbegehrens im Sinne des § 3 Abs 6 AVRAG wegen wesentlicher Verschlechterungen der Arbeitsbedingungen ist schon deshalb zu bejahen, weil die insoweit als Kollektivvertrag und nicht als Individualvereinbarung zu wertenden Entgeltbestimmungen des Steiermärkischen GemeindeVBG günstiger sind als der Mindestlohntarif für die Angestellten in privaten Kinderbetreuungseinrichtungen (Bruttobezug der Klägerin September 2001 S 24.242; Bruttomonatseinkommen der Klägerin in den Monaten März bis August 2001 S 26.827,33 inklusive einer Leiterzulage in Höhe von S 995 [vgl dazu 9 ObA 97/95 = SZ 68/183 = DRdA 1996/39]). Da der nunmehr für die Klägerin geltende Mindestlohntarif nur Mindestentgelte festsetzt und - anders als die üblichen Kollektivverträge - keine entsprechende Erhöhung von über diesen Mindestentgelten liegenden Istlöhnen vorsieht, kommt es bei Erhöhung der Mindestentgelte bis zur Aufsaugung der Überzahlung zu keiner entsprechenden Erhöhung des gleich einer einzelvertraglichen Überzahlung beibehaltenen bisherigen Entgeltes der Klägerin (zum Mindestlohntarif siehe Strasser ArbVG-Komm § 22 Rz 6).
Der Einwand der Beklagten, eine wesentliche Verschlechterung der Arbeitsbedingungen sei nicht eingetreten, weil einige Regelungen des AngG deutlich günstiger als jene des VBG seien, ist nicht zielführend, weil die Frage der Verschlechterung der Arbeitsbedingungen weder nach einem Gesamtvergleich noch nach einem punktuellen Vergleich, sondern nach dem sogenannten Gruppenvergleich durchzuführen ist. Es ist daher ein Vergleich rechtlich und sachlich zusammengehöriger Normen durchzuführen, der hier im Hinblick auf das deutlich geringere Mindestentgelt der Klägerin zu einer Bejahung der Berechtigung ihres Feststellungsbegehrens nach § 3 Abs 5 und 6 AVRAG führt (vgl dazu RIS-Justiz RS0051060; zuletzt 9 ObA 285/01d).
Der berechtigten Revision war daher Folge zu geben und das Ersturteil wieder herzustellen. Der Klagestattgebung steht die Kündigung vom nicht entgegen.
Diese von der Marktgemeinde B***** nach Betriebsübergang ausgesprochene Kündigung konnte keine zivilrechtlichen Wirkungen entfalten, weil die Marktgemeinde zu diesem Zeitpunkt nicht mehr Arbeitgeber und daher nicht zur Kündigung legitimiert war.
Die Entscheidung über die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.