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OGH vom 30.07.2009, 8ObA40/09d

OGH vom 30.07.2009, 8ObA40/09d

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Spenling und Hon.-Prof. Dr. Kuras und die fachkundigen Laienrichter Mag. Andreas Mörk und Robert Maggale als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Siegfried A*****, vertreten durch Dr. Michael Stögerer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Markus B*****, vertreten durch Dr. Otto Werschitz, Rechtsanwalt in Graz, wegen 50.665,61 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 8 Ra 102/08v-82, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom , GZ 30 Cga 23/08y-76, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 2.000,34 EUR (darin enthalten 333,39 EUR an USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Beklagte war beim klagenden Frächter als Kraftfahrer beschäftigt. Auf sein Dienstverhältnis ist der Kollektivvertrag für das Güterbeförderungsgewerbe zur Anwendung gekommen. Der klagende Frächter führte für eine österreichische Spedition, die wieder im Auftrag einer deutschen Spedition tätig war, im Rahmen eines sog externen gemeinschaftlichen Versandverfahrens im Sinne der Art 94 f des Zollkodex im sog Rundlauf, das bedeutet in immer gleichen Touren, Transporte von Deutschland über Österreich nach Ungarn und zurück durch. Der Beklagte hatte dabei im Jahr 2003 die in Ungarn erhaltene Ware beim Zollamt Wels ordnungsgemäß zu deklarieren und die Zollpapiere zu erledigen. So sollte er auch im März 2003 die am 5. März empfangene Ware nach Österreich über das Zollamt Wels und von dort nach Deutschland befördern. Versender war dabei ein ungarischer Unternehmer, Empfänger ein deutsches Unternehmen. Am 7. März unterblieb jedoch die ordnungsgemäße Erledigung der Zollpapiere beim Zollamt Wels, da der Beklagte persönliche Differenzen mit dem diensthabenden Zollwachebeamten hatte, vor Ende der zollamtlichen Abfertigung mit seinem Sattelzug den Amtsplatz des Zollamtes Wels verließ und dadurch vorsätzlich eingabepflichtige Waren im Wert von 167.691,41 EUR vorschriftswidrig der zollamtlichen Überwachung entzog, weswegen er auch rechtskräftig wegen des Vergehens des Schmuggels nach § 35 Abs 1 lit a 3. Fall FinStrG verurteilt wurde. Der Beklagte setzte an diesem Tag die Fahrt mit den Waren, die zuerst in Ungarn und dann noch einmal in Wels verplombt worden waren, nach Deutschland fort und öffnete am Zielort die Plombe. Da der Beklagte die Zollpapiere nicht vorweisen konnte, verweigerte jedoch der Empfänger das Abladen der Ware. Der Beklagte fuhr nach Wels zurück, um die Angelegenheit gütlich zu klären, was jedoch im Hinblick auf die eigenmächtige Öffnung der Plombe nicht mehr möglich war. Dadurch musste die Ware, die im Veredelungsverkehr in Ungarn veredelt worden war, zur Gänze und nicht nur hinsichtlich des Wertzuwachses der Verzollung und Versteuerung unterzogen werden.

Mit Bescheid des Hauptzollamtes Linz wurde die deutsche Spediteurin verpflichtet, einerseits einen Strafzoll in Höhe von 13.495,32 EUR sowie weiters die Einfuhrumsatzsteuer in Höhe von 36.437,35 EUR samt Abgabenerhöhung von 639,14 EUR sowie eine Verwaltungsabgabe von 93,60 EUR, insgesamt also 50.665,41 EUR, zu entrichten. Dieser Betrag wurde dann von der deutschen Spedition an die österreichische Spedition weiter verrechnet. Die österreichische Spedition hat ihrerseits dem klagenden Frächter ebenfalls diese 50.665,41 EUR weiterverrechnet. Ein Erstattungsantrag hinsichtlich des Strafzolles durch die deutsche Spedition wurde mit Bescheid vom abgewiesen. Der Beklagte wurde vor der Bezahlung der Forderung der österreichischen Spedition durch den klagenden Frächter nicht gefragt oder aufgefordert und hat dem auch nicht zugestimmt.

Der klagende Frächter begehrt nunmehr diese 50.665,41 EUR sA gestützt darauf, dass ihm dieser Betrag von der österreichischen Spedition weiterverrechnet worden sei. Die Erhebung eines Rechtsmittels sei nicht möglich gewesen, ebenso die Rückerstattung der Einfuhrumsatzsteuer. Der Beklagte sei auch rechtskräftig verurteilt, sodass eine Minderung des Schadenersatzanspruchs nicht in Betracht komme.

Der Beklagte beantragt die Klageabweisung und wendet zusammengefasst ein, dass er beim Verlassen des Zollamtes übernervös und gestresst gewesen sei, da er Angst gehabt habe, die Beförderungsfrist nach Art 96 Abs 1 des Zollkodex nicht einhalten zu können. Außerdem sei er überzeugt gewesen, bereits alle zollrechtlichen Formalitäten erledigt zu haben. Die deutsche Spedition habe es auch unterlassen, gegen den Abgabenbescheid ein Rechtsmittel zu erheben, insbesondere habe es aber der Kläger unterlassen, das Einverständnis des Beklagten einzuholen. Die Einfuhrumsatzsteuer stelle überhaupt keinen Schaden dar, da sie als Vorsteuerbetrag nach § 12 UStG rückgefordert werden könne. Der Kläger hätte jedenfalls im Rahmen seiner Schadensminderungspflicht auf die Erhebung eines Rechtsmittels hinwirken müssen, dessen Erfolgsaussichten gut gewesen wären. Jedenfalls treffe den Kläger ein Mitverschulden. Letztlich seien die Ansprüche auch nach dem Kollektivvertrag verfallen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es ging rechtlich im Wesentlichen davon aus, dass der Kläger ohne Einverständnis des Beklagten oder Vorliegen eines rechtskräftigen Urteils einem Dritten, und zwar der österreichischen Spedition, aus dem Titel des Schadenersatzes geleistet habe. Dieses Einverständnis oder der in einem rechtskräftigen Urteil enthaltene Zahlungsauftrag bilde aber eine Voraussetzung des Rückgriffsanspruchs.

Das Berufungsgericht gab der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung des Klägers nicht Folge. Es verwarf die Nichtigkeitsberufung und verneinte auch allfällige Verfahrensmängel. Da es sich nicht um die Geltendmachung eines Eigenschadens nach § 2 DHG, sondern um eine Regressforderung nach Ersatz des Schadens eines Dritten nach § 4 DHG handle, ging auch das Berufungsgericht davon aus, dass das Einverständnis des Dienstnehmers oder das rechtskräftige Urteil konstitutive Anspruchsvoraussetzungen für das Entstehen eines Regressanspruchs gemäß § 4 DHG seien. Soweit der Dienstgeber geklagt werde, habe er dem Dienstnehmer den Streit zu verkünden. Insgesamt zeige sich daraus, dass dem Dienstnehmer bereits im Vorstadium vor der Zahlung Mitwirkungsrechte zur Hintanhaltung oder zur Verringerung der Schadersatzansprüche eingeräumt werden sollen. Die österreichische Spedition sei nun selbst schadenersatzpflichtig gewesen und habe den klagenden Frächter im Regressweg belangt. Dabei handle es sich um die Zahlung des Schadens eines Dritten. Daran ändere auch der Umstand nichts, dass nach den Art 203, 213 des Zollkodex ein Solidarschuldverhältnis zwischen dem Frächter und der deutschen Spedition entstanden sei. Bescheidadressat sei allerdings allein die deutsche Spedition gewesen, auch wenn sie auf die Haftung des Klägers hingewiesen worden sei. Die deutsche Spedition sei entsprechend Art 96 Abs 1 des Zollkodex als Inhaber des externen gemeinschaftlichen Versandverbands zur Haftung herangezogen worden, hingegen würde sich die Haftung des Klägers als Warenführer im Sinne des Art 96 Abs 2 des Zollkodex ergeben. Durch die sofortige Zahlung seien dem Beklagten allfällige Einwendungsmöglichkeiten abgeschnitten worden.

Die ordentliche Revision erachtete das Berufungsgericht als zulässig, da eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage der Auswirkung der Haftungsverhältnisse nach dem Zollkodex auf die Beurteilung der Ersatzansprüche nach dem DHG nicht vorliege.

Gegen dieses Urteil richtet sich die auf den Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützte Revision des Klägers mit dem Antrag, es im klagestattgebenden Sinne abzuändern; hilfsweise stellt er einen Aufhebungsantrag.

Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen, bzw ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grunde zulässig, aber nicht berechtigt. Weitgehend kann auf die zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichts verwiesen werden (§ 510 Abs 3 ZPO). Die Revision macht im Wesentlichen geltend, dass es sich letztlich doch um eine Eigenschuld - gemeint im Sinne eines Eigenschadens - des Klägers handle, auf den die Beschränkungen des § 4 DHG nicht anzuwenden seien. Im Ergebnis handle es sich um eine Solidarschuld, bei der es im Ermessen der Zollbehörde bleibe, welchen Schuldner sie in Anspruch nehme. Die Zollbehörde hätte auch den Kläger in Anspruch nehmen können. Insoweit könnte auch keine Beeinträchtigung der Abwehrrechte des Dienstnehmers nach § 4 DHG vorliegen, da bei einer Inanspruchnahme des Klägers durch die Zollbehörde ein Eigenschaden vorgelegen wäre. Auch sei die Bindungswirkung der strafgerichtlichen Verurteilung zu beachten.

Dem ist ergänzend Folgendes entgegenzuhalten:

Voranzustellen ist, dass nach § 4 Abs 1 DHG dann, wenn der Dienstgeber aufgrund der §§ 1313a bis 1316 ABGB oder aufgrund einer anderen gesetzlichen Verpflichtung von einem Dritten zum Ersatz eines Schadens herangezogen wird, den sein Dienstnehmer bei Erbringung der Dienstleistungen dem Dritten zugefügt hat, dem Dienstnehmer dies unverzüglich mitzuteilen und im Falle der Klage den Streit zu verkünden hat. Abs 2 dieser Bestimmung sieht vor, dass dann, wenn der Dienstgeber im Einverständnis mit dem Dienstnehmer oder aufgrund eines rechtskräftigen Urteils dem Dritten den Schaden ersetzt hat, er die Vergütung dieser Leistung und des ihm erwachsenen notwendigen Prozess- und Exekutionskostenaufwands gegen den Dienstnehmer geltend machen kann. Daraus leitet der Oberste Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung ab, dass eine Ersatzleistung des Arbeitgebers, die ohne Einverständnis mit dem Arbeitnehmer oder ohne rechtskräftiges Urteil erfolgte, keinen Rückgriffsanspruch des Arbeitgebers gegen den Arbeitnehmer begründet (RIS-Justiz RS0054917 mwN, zuletzt 6 Ob 83/03d; RIS-Justiz RS0035598 mwN; 8 ObA 95/00d; Kerschner DHG2 § 4 Rz 26; Windisch-Graetz in ZellKomm § 4 DHG Rz 4 iVm § 3 Rz 22 uva).

Die Besonderheit liegt hier nun darin, dass „Zollschuldner" neben Art 96 nach Art 202 Abs 3 des hier unstrittig zur Anwendung kommenden sog Zollkodex (Verordnung EWG Nr 2913/92 des Rates vom zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften) nicht nur die Person ist, die die Ware vorschriftswidrig in dieses Zollgebiet verbracht hat, sondern alle Personen, die an diesem Verbringen beteiligt waren, obwohl sie wissen mussten oder vernünftigerweise hätten wissen müssen, dass sie damit vorschriftswidrig handeln. Weiters sind jene Personen „Zollschuldner", welche die betreffenden Waren erworben oder im Besitz gehabt haben, obwohl sie im Zeitpunkt des Erwerbs oder Erhalts der Ware wussten oder vernünftigerweise hätten wissen müssen, dass diese vorschriftswidrig in das Zollgebiet verbracht worden war. Es geht also darum, dass hier mehrere Zollschuldner in Betracht kommen, die nach Art 213 des Zollkodex gesamtschuldnerisch zur Erfüllung der Zollschuld verpflichtet sind. Bei der Frage, welchen der Zollschuldner die Zollbehörde heranzieht, steht dieser ein Auswahlermessen zu (vgl Witte, Zollkodex4 Art 213 Rz 4). Nur ausgehend von dem konkret herangezogenen „Zollschuldner" lässt sich aber beurteilen, welcher Schaden nun tatsächlich entstanden ist. Dies zeigt sich etwa bei der Frage der Erstattungsmöglichkeiten der Einfuhrumsatzsteuer bzw der Möglichkeit, diese als Vorsteuer geltend zu machen (vgl dazu etwa § 20 Abs 7 UStG iVm § 26 UStG, aber auch § 12 Abs 1 Z 2 UStG). Daraus ergibt sich, dass nur ausgehend vom Vermögen und den vertraglichen Beziehungen des konkret in Anspruch genommenen „Zollschuldners" beurteilt werden kann, welche Nachteile entstehen bzw inwieweit diese gemindert werden können (vgl in diesem Zusammenhang auch 8 Ob 312/00s). Jedenfalls dieser Umstand rechtfertigt es aber, auch hier davon auszugehen, dass dann, wenn ein anderer „potentieller Zollschuldner" dem tatsächlich in Anspruch genommenen „Zollschuldner" dessen „Schaden" ersetzt, ein Fall des § 4 DHG und kein Eigenschaden im Sinne des § 2 DHG vorliegt (vgl allgemein zur Abgrenzung auch etwa Kerschner aaO § 2 Rz 3; Windisch-Graetz aaO § 2 Rz 2 f; Oberhofer in Schwimann ABGB3 § 2 DHG Rz 11 f mwN; 6 Ob 83/03d = ZAS 2004/41 [Kietaibl] = DRdA 2004/21 [Kerschner]). Daran ändert hier auch der Umstand nichts, dass der Ersatz des Schadens wohl auch auf die gemeinsame Haftung und § 896 ABGB gestützt werden kann, weil auch insoweit die „besonderen Verhältnisse" im Schadenersatzrecht liegen (vgl dazu, dass dieses „Verhältnis" auf den Anspruch nach § 896 ABGB - dort im Zusammenhang mit der Verjährung - durchschlägt, P. Bydlinski in KBB2 § 896 Rz 4; weiters Gamerith in Rummel ABGB3 § 896 Rz 5a und 11 sowie Apathy/Riedler in Schwimann ABGB3 § 896 Rz 9 f).

Ausgehend davon haben aber die Vorinstanzen zutreffend die Berechtigung des geltend gemachten Anspruchs mangels des Vorliegens der Voraussetzungen des § 4 DHG verneint.

Soweit sich der Kläger auf die Bindungswirkung der strafgerichtlichen Verurteilung stützt, ist dem schon im Ansatz entgegenzuhalten, dass sich diese nur auf den Gegenstand der Verurteilung, also die darin angeführte Tat und die dort bezeichnete strafbare Handlung, bezieht einschließlich der dafür konkret notwendigen Tatsachen und der rechtlichen Subsumtion unter einen bestimmten Tatbestand (vgl dazu SZ 68/195; RIS-Justiz RS0074219; Rechberger in Rechberger ZPO3 § 411 Rz 12 mzwN; Schragel in Fasching/Konecny2 § 191 Rz 2), aber jedenfalls nicht auf die hier im Strafverfahren gar nicht zu prüfende Frage, inwieweit der Kläger sein Einverständnis zur Leistung des Arbeitgebers an die österreichische Spedition gegeben hat oder dieser Anspruch im Klagswege durchgesetzt wurde.

Insgesamt erweist sich also die übereinstimmende Beurteilung der Vorinstanzen, dass hier der konkret geltend gemachte Ersatzanspruch unter § 4 DHG fällt und diesem mangels Einhaltung der Voraussetzungen des § 4 DHG die Berechtigung fehlt, als zutreffend.

Dementsprechend war der Revision nicht Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 50 und 41 ZPO.