OGH vom 26.04.2000, 9ObA24/00w
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer und Dr. Hopf sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Jörg Krainhöfner und Wolfgang Neumeier als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Werner H*****, Angestellter, *****, vertreten durch Dr. Peter Cardona, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die beklagte Partei P***** Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Klaus Plätzer, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen S 260.902,42 brutto sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 11 Ra 200/99g-18, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Arbeits- und Sozialgericht vom , GZ 32 Cga 89/98y-14, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei hat die Revisionskosten selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Rechtliche Beurteilung
Das Berufungsgericht hat die Frage, ob bei der Kündigung des Klägers vom das betriebsverfassungsrechtliche Vorverfahren gemäß § 105 Abs 1 ArbVG eingehalten wurde (Floretta in ArbVG-Handkommentar 656), zutreffend bejaht, sodass die Kündigung das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien zum wirksam beendet hat und die über diesen Zeitpunkt hinausgehenden Entgeltansprüche des Klägers nicht zu Recht bestehen. Es reicht daher gemäß § 510 Abs 3 Satz 2 ZPO aus, auf die zutreffende Begründung des Berufungsgerichtes zu verweisen. Ergänzend und zusammenfassend ist den Revisionsausführungen folgendes entgegenzuhalten:
Gemäß § 105 Abs 1 ArbVG hat der Betriebsinhaber vor jeder Kündigung eines Arbeitnehmers den Betriebsrat zu verständigen, der innerhalb von fünf Arbeitstagen hiezu Stellung nehmen kann. Rechtsprechung und Lehre stimmen darin überein, dass nur die Verständigung des zuständigen Betriebsrates, also des Betriebsrates jener Arbeitnehmergruppe, der der Arbeitnehmer zur Zeit der Verständigung betriebsverfassungsrechtlich angehört, rechtswirksam ist (SZ 25/160). Sind in einem Betrieb getrennte Betriebsräte der Arbeiter und der Angestellten zu errichten, dann kann nur derjenige Betriebsrat die in § 105 ArbVG vorgesehenen Funktionen ausüben, zu dessen Gruppe der zu kündigende Arbeitnehmer gehört (Floretta aaO 659 f; Schwarz/Löschnigg, Arbeitsrecht7 567 f; SZ 59/89 mwN). Für die Gruppenzugehörigkeit ist die auf Gesetz beruhende arbeitsvertragliche Stellung des Arbeitnehmers maßgebend (§ 41 Abs 3 ArbVG). Angestellter ist demnach jeder, der eine Angestelltentätigkeit iS des gesetzlichen Arbeitsvertragsrechts ausübt (Strasser/Jabornegg, ArbVG3 Anm 5 zu § 41); die Arbeiter werden diesbezüglich lediglich als "Restgröße" erfasst, d. h. Arbeitnehmer, die nicht Angestellte sind, gelten - von hier nicht in Betracht kommenden Gruppen wie Lehrlingen, Vertragsbediensteten etc. abgesehen - als Arbeiter (Arb 11.447 mwN). Durch die Zuordnung nach den gesetzlichen Kriterien der Unterscheidung zwischen Arbeitern und Angestellten will das Betriebsverfassungsrecht Manipulationen ausschließen (Schwarz in Cerny/Haas-Laßnigg/Schwarz, Arbeitsverfassungsrecht Band 2, Erl. 3 zu § 41 ArbVG).
Ausgehend von der bindenden Feststellung, dass der Personalleiter der Beklagten gegenüber dem Vorsitzenden des Angestelltenbetriebsrates anlässlich einer Besprechung seine aktuelle und ernst gemeinte Kündigungsabsicht hinsichtlich des Klägers zum Ausdruck gebracht hat (S. 7 unten d. Berufungsurteils), geht es in rechtlicher Hinsicht nur mehr um die Frage, zu wessen Lasten es geht, wenn - ungeachtet dieser Bekanntgabe - alle Beteiligten irrtümlich der Meinung waren, dass der zu kündigende Arbeitnehmer der Arbeitnehmergruppe der Arbeiter angehört, während er tatsächlich zufolge Verrichtung von Angestelltentätigkeiten (unstrittig) der Arbeitnehmergruppe der Angestellten angehört.
Wie das Berufungsgericht zutreffend erkannte, ist die nach § 105 Abs 1 ArbVG vorgeschriebene Verständigung des Betriebsrates von der beabsichtigten Kündigung an keine besondere Form gebunden. Sie kann schriftlich oder - wie hier - auch mündlich erfolgen. Insbesondere muss auch das Wort "Verständigung" oder "Kündigung" nicht gebraucht werden. Die Verständigung muss nur eindeutig, bestimmt und verständlich sein. Es kommt nicht auf den Wortlaut der Erklärung, sondern darauf an, wie diese objektiv unter Würdigung der dem Betriebsrat bekannten Umstände nach der Übung des redlichen Verkehrs aufzufassen ist (Strasser/Jabornegg aaO Anm 11 zu § 105; SZ 63/172 mwnN; 9 ObA 237/99i ua). Nur in diesem Sinn muss die Information entgegen der Auffassung des Revisionswerbers "zielgerichtet" sein. Die Mitteilung an den Betriebsrat von einer beabsichtigten Kündigung muss auch nicht die Aufforderung enthalten, binnen fünf Arbeitstagen Stellung zu nehmen (Arb 6.623). Der Sinn einer "Verständigung" im Sinne des § 105 Abs 1 ArbVG kann nur der sein, dass der Betriebsrat Kenntnis von der Absicht des Betriebsinhabers erlangt, einen Arbeitnehmer zu kündigen (Arb 7.578). Es geht um die Kundgabe der Kündigungsabsicht (Strasser/Jabornegg aaO E 32 [letzter Satz] zu § 105).
Die Verständigung des richtigen Betriebsrates genügt, um der folgenden Kündigung die rechtliche Wirksamkeit zu verleihen; ein dabei unterlaufener Irrtum des Vorsitzenden des Angestelltenbetriebsrates darüber, dass der zu Kündigende ein Arbeiter sei, ist ebenso belanglos (SZ 25/160) wie die rechtsirrige Meinung, es handle sich nicht um eine Kündigung (DRdA 1986, 63). Ein subjektives Missverstehen der Erklärung des Betriebsinhabers berührt die Rechtswirksamkeit der Verständigung nicht (Floretta aaO 661). Richtig erkennt der Revisionswerber, dass der Betriebsratsvorsitzende jede Mitteilung des Betriebsinhabers über eine beabsichtigte Kündigung dahin überprüfen muss, ob er für den betroffenen Arbeitnehmer zuständig ist; das Problem einer "gesonderten" Prüfung, ob er sich von der Verständigung in der Funktion als Vorsitzender des Betriebsrates "angesprochen" fühlt, stellt sich daher nicht. Solange der Vorsitzende des Betriebsrates diese Funktion innehat, hat er sich im Falle der Verständigung von einer Kündigungsabsicht stets in dieser Funktion "angesprochen" zu fühlen. Generell muss bei der Beurteilung der Frage, ob eine Verständigung die Frist des § 105 Abs 1 ArbVG in Lauf setzt, berücksichtigt werden, dass die Verständigung nach § 105 Abs 1 ArbVG nur eine Absichtserklärung ist; derartige Absichtserklärungen sind aber auch ohne Beisetzung von Bedingungen noch mit gewissen Unsicherheiten behaftet. Der Betriebsrat muss daher die mit solchen Absichtserklärungen naturgemäß verbundenen Unsicherheiten hinnehmen. Sie entheben ihn nicht der Verpflichtung, gegebenenfalls innerhalb der gesetzlichen Frist des § 105 Abs 1 ArbVG tätig zu werden (RIS-Justiz RS0051599).
Hat somit der Personalleiter der Beklagten nach den Feststellungen (auch) gegenüber dem Vorsitzenden des Angestelltenbetriebsrates anlässlich einer Besprechung seine aktuelle und ernst gemeinte Kündigungsabsicht hinsichtlich des Klägers zum Ausdruck gebracht, so ist davon auszugehen, dass damit der zuständige Betriebsrat von der Absicht des Arbeitgebers im Sinne des § 105 Abs 1 ArbVG verständigt wurde. Das Klagebegehren wurde daher zu Recht abgewiesen.
Die Entscheidung über die Revisionskosten beruht auf den §§ 40, 50 Abs 1 ZPO. Die Beklagte hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.