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OGH vom 27.06.2013, 8ObA32/13h

OGH vom 27.06.2013, 8ObA32/13h

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Kuras und Dr. Brenn sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Monika Lanz und Wolfgang Cadilek als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei M***** K*****, vertreten durch Held Berdnik Astner Partner Rechtsanwälte GmbH in Graz, gegen die beklagte Partei L***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Reinhard Tögl, Rechtsanwaltsgesellschaft mbH in Graz, wegen 261,19 EUR brutto sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen vom , GZ 6 Ra 7/13s 11, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits und Sozialgericht vom , GZ 28 Cga 126/12m 7, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das Urteil des Berufungsgerichts wird dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichts einschließlich der Kostenentscheidung wiederhergestellt wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Steiermark, *****, an pauschaliertem Aufwandsersatz (§ 58a ASGG) für das Berufungsverfahren 435 EUR binnen 14 Tagen zu zahlen. Die beklagte Partei ist weiters schuldig, der klagenden Partei die mit 188,02 EUR (darin enthalten 31,34 EUR USt) bestimmten Kosten der Revision binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin war im Zeitraum vom bis bei der Beklagten an 44 Beschäftigungstagen fallweise beschäftigt. Die Klägerin konnte Arbeitseinsätze sanktionslos ablehnen. Für ihre Tätigkeit sollte sie eine Entlohnung von 7,50 EUR netto pro Stunde erhalten. Der Klagsbetrag steht mit 261,19 EUR brutto außer Streit. Auf das Beschäftigungsverhältnis gelangte der Kollektivvertrag für Arbeiter im Hotel und Gastgewerbe zur Anwendung.

Pkt 7 lit e des Kollektivvertrags lautet:

„Lohnansprüche verfallen, wenn sie nicht vier Monate nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses vom Arbeitnehmer selbst oder dem Betriebsrat oder der Gewerkschaft beim Arbeitgeber oder dessen Stellvertreter schriftlich geltend gemacht werden. Diese Frist verlängert sich um den Zeitraum, um welchen die letzte Lohnabrechnung aus Verschulden des Arbeitgebers verspätet durchgeführt wurde.“

Pkt 8 lit g des Kollektivvertrags lautet:

„Der Mindestlohn für fallweise Beschäftigte im Sinne des § 471b ASVG beträgt 120 % des kollektivvertraglichen Mindestlohnes für die der Tätigkeit entsprechende Beschäftigungsgruppe.“

Die Klägerin begehrte die Zahlung der Urlaubsersatzleistung. Für jeden Arbeitstag habe sie Anspruch auf eine Urlaubsersatzleistung für 0,8 Werktage. Die Berechnungsgrundlage bilde der um 20 % erhöhte kollektivvertragliche Mindestlohn gemäß Pkt 8 lit g des anzuwendenden Kollektivvertrags.

Die Beklagte entgegnete, dass die Klägerin nur als fallweise Aushilfskraft beschäftigt gewesen sei. Bei derartigen Beschäftigungen gebe es keinen Urlaubsanspruch und daher auch keine Urlaubsersatzleistung. Außerdem seien alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis verfallen.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Da ein fallweise beschäftigter Arbeitnehmer so wie ein regulärer Arbeitnehmer zu behandeln sei, habe dieser sowohl einen Anspruch auf kollektivvertragliche Sonderzahlungen als auch auf Urlaubsersatzleistung. Die Umrechnung des Urlaubsanspruchs in Arbeitsstunden im Rahmen eines Urlaubsstundenkontos sei bei entsprechender Handhabung grundsätzlich unbedenklich. Da der Beklagten der Nachweis einer All in Abgeltungsvereinbarung nicht gelungen sei, könne die Frage, ob die Abgeltung des Urlaubs durch einen höheren laufenden Lohn zulässig sei, offen bleiben. Die Verfallsbestimmung in Pkt 7 lit e des Kollektivvertrags beziehe sich nur auf das laufende Monatsentgelt.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten Folge und wies das Klagebegehren ab. Auch bei bloß kurzfristigen Dienstverhältnissen bestehe grundsätzlich ein Urlaubsanspruch. Entgegen der Ansicht des Erstgerichts habe aber nicht nur ein einheitliches Vertragsverhältnis bestanden. Vielmehr seien 44 einzelne Dienstverhältnisse zustande gekommen. Jedenfalls für den (allerdings nicht näher bestimmten) Zeitraum nach dem Gespräch, bei dem der Klägerin mitgeteilt worden sei, dass mit dem Stundenlohn alles abgegolten sei, sei von einer konkludenten Pauschallohnvereinbarung auszugehen. Davon abgesehen habe die Klägerin zugestanden, dass mit dem Stundenlohn zumindest die Sonderzahlungen abgegolten sein sollten. Sie nehme also selbst an, dass der Kollektivvertrag (Pkt 8 lit g) eine Art „All in Vereinbarung“ enthalte. Davon müsse neben den Sonderzahlungen aber auch die Urlaubsersatzleistung erfasst sein. Das Ablöseverbot des § 7 UrlG stehe dem nicht entgegen, weil aufgrund des kurzfristigen Bestands der einzelnen Arbeitsverhältnisse ein Urlaubsverbrauch (in natura) gar nicht möglich sei. Für den Wirkungsbereich des Kollektivvertrags für das Hotel und Gastgewerbe sei daher davon auszugehen, dass Lohnvereinbarungen mit fallweise Beschäftigten generell All in Vereinbarungen darstellten. Die ordentliche Revision sei zulässig, weil zu den Fragen, ob und unter welchen Bedingungen fallweise Beschäftigten ein Urlaubsanspruch und damit eine Urlaubsersatzleistung zustehe, sowie ob Lohnvereinbarungen mit fallweise Beschäftigten im Sinn des Pkt 8 lit g des Kollektivvertrags für Arbeiter im Hotel und Gastgewerbe generell als Pauschallohnvereinbarungen anzusehen seien, höchstgerichtliche Rechtsprechung fehle.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der Klägerin, die auf eine Stattgebung des Klagebegehrens abzielt.

Mit ihrer Revisionsbeantwortung beantragt die Beklagte, das Rechtsmittel der Gegenseite zurückzuweisen, in eventu, diesem den Erfolg zu versagen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil sich die Entscheidung des Berufungsgerichts als korrekturbedürftig erweist. Die Revision ist dementsprechend auch berechtigt.

1.1 Zwischen den Parteien ist unstrittig, dass die Klägerin bei der Beklagten fallweise beschäftigt war, und dass dementsprechend nicht von einem unzulässigen Kettenarbeitsverhältnis auszugehen ist. Das Vertragsverhältnis der Klägerin wurde nach ihren Interessen gestaltet. Sie konnte von ihr nicht gewünschte Arbeitseinsätze sanktionslos ablehnen.

1.2 Der Begriff der „fallweise beschäftigten Personen“ stammt aus dem Sozialversicherungsrecht. Gemäß § 471b ASVG sind darunter jene Personen zu verstehen, die in unregelmäßiger Folge tageweise beim selben Dienstgeber beschäftigt werden, wenn die Beschäftigung für eine kürzere Zeit als eine Woche vereinbart ist. Die fallweise Beschäftigung besteht demnach in der unregelmäßigen unterbrochenen Aneinanderreihung verschiedener, kurzfristig befristeter Arbeitsverhältnisse (ARD 5225/2/2001). In diesem Sinn haben die Parteien eine Rahmenvereinbarung geschlossen, auf deren Grundlage über die einzelnen Arbeitseinsätze jeweils gesonderte befristete Arbeitsverträge zustande gekommen sind. Die Rahmenvereinbarung als solche ist nicht als echtes Arbeitsverhältnis zu qualifizieren. Vielmehr trifft diese Qualifikation nur auf die den einzelnen Arbeitseinsätzen zugrunde liegenden Vereinbarungen zu (8 ObA 87/10t).

2. Das Urlaubsgesetz gilt auch für fallweise Beschäftigte (PVP 2006/39, 130; vgl auch Cerny , Urlaubsrecht 10 § 1 Erl 1, 63). Dies entspricht dem Verbot der Diskriminierung befristet Beschäftigter nach § 4 der Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge laut Anhang der Richtlinie 1999/70/EG, das nach der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache C 486/08, Zentralbetriebsrat der Landeskrankenhäuser Tirols, auch für fallweise Beschäftigte gilt.

Zudem wird in der Rechtsprechung der (über Initiative des Arbeitnehmers gewährte) Verbrauch auch einzelner Urlaubstage, halber Tage oder einzelner Stunden für zulässig erachtet ( Reissner in ZellKomm² § 4 UrlG Rz 28 und 29; Cerny § 4 UrlG Erl 15, 161).

3.1 In Judikatur und Literatur ist (nach Maßgabe des Günstigkeitsprinzips) die grundsätzliche Zulässigkeit der Pauschalierung von Entgeltbestandteilen oder des Gesamtentgelts anerkannt (RIS Justiz RS0051519; Rebhahn in ZellKomm² § 1152 ABGB Rz 49). Sogenannte „ All in Vereinbarungen “ werden in der Regel auf die Tarifierung aller regelmäßigen Arbeitsleistungen, konkret auf Mehrarbeits und Überstunden sowie auf Zuschläge, aber auch auf Reise und Bereitschaftszeiten, bezogen ( Burger , Arbeitsrechtliche Zulässigkeit von All in Vereinbarungen in Resch , All in Vereinbarungen Erscheinungsformen und rechtliche Rahmenbedingungen 43 und 46; Wachter in Wachter/Burger , Aktuelle Entwicklungen im Arbeits und Sozialrecht 2008, 134; Schneller , Zur Zulässigkeit von Inklusivvereinbarungen [„All in Klauseln“] in FS Cerny 332). Auch die Einbeziehung der laut Kollektivvertrag zustehenden aliquoten Sonderzahlungsanteile in das einzelvertraglich vereinbarte laufende Entgelt wird als zulässig erachtet (9 ObA 160/11m mwN; Burger 47; vgl auch Cerny § 6 UrlG Erl 1, 191).

Eine derartige Pauschalvereinbarung kann durch Einzelvertrag ausdrücklich oder schlüssig getroffen werden. Dem Arbeitnehmer muss aber klar erkennbar sein, dass mit dem gewährten Entgelt auch die entsprechenden (quantitativen oder qualitativen) Mehrleistungen abgegolten sind ( Burger 44; Wachter 135; Schneller 336). Eine All in Regelung bedarf somit einer klaren Vereinbarung ( Rebhahn § 1152 ABGB Rz 49).

3.2 Im gegebenen Zusammenhang ist nun zu beachten, dass die unabdingbaren Rechte des Arbeitnehmers auch durch Pauschalabreden nicht beschränkt werden dürfen ( Rebhahn § 1152 ABGB Rz 49). Dementsprechend verstößt die Abgeltung eines offenen Urlaubsanspruchs in Geld bzw die Einbeziehung des Urlaubsentgelts in das laufende Entgelt gegen den Zweck der am Ausfallsprinzip orientierten Regelung des § 6 UrlG und ist daher absolut nichtig ( Reissner § 7 UrlG Rz 1 und 6; Cerny § 6 UrlG Erl 1, 191; vgl auch EuGH C 486/08, Zentralbetriebsrat der Landeskrankenhäuser Tirols, Rn 31). Gleiches gilt für die Einbeziehung der Urlaubsersatzleistung in eine All in Vereinbarung. Dies würde bedeuten, dass der Nichtverbrauch von Urlaub von vornherein abgefunden und der tatsächlich bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses offene Urlaubsanspruch nicht nach § 10 UrlG abgegolten würde. Eine solche Vereinbarung verstößt gegen das Ablöseverbot des § 7 UrlG und ist daher ebenso nichtig ( Burger 48; vgl auch Cerny § 7 UrlG Erl 2, 210).

4.1 Nach den dargestellten Grundsätzen wäre eine zwischen den Parteien getroffene All in Vereinbarung, die auch den Anspruch auf die Urlaubsersatzleistung umfassen und diese durch ein höheres laufendes Entgelt ersetzen würde, zufolge Verstoßes gegen das Ablöseverbot nach § 7 UrlG nichtig. Im Anlassfall wäre nicht einmal klar, ob und ab wann die Parteien eine (konkludente) Pauschallohnvereinbarung überhaupt geschlossen haben.

4.2 Die Begründung des Berufungsgerichts beruht in Wirklichkeit auf der Ansicht, dass die Bestimmung über den erhöhten Mindestlohn (120 %) für fallweise Beschäftigte gemäß Pkt 8 lit g des zugrunde liegenden Kollektivvertrags per se als All in Vereinbarung anzusehen sei, die auch die Urlaubsersatzleistung beinhalte.

Zunächst ist nicht einmal klar, ob die Parteien überhaupt die Anwendung des kollektivvertraglichen (erhöhten) Mindestlohns vereinbart haben. Davon abgesehen scheitert das vom Berufungsgericht erzielte Ergebnis schon daran, dass vom Ablöseverbot nach § 7 UrlG auch kollektivvertragliche Regelungen erfasst werden ( Reissner § 7 UrlG Rz 1 und 6). Zudem fehlte es an der Erkennbarkeit für den Arbeitnehmer, dass mit dem höheren Stundenlohn auch die Urlaubsersatzleistung abgegolten sein soll. Ein derartiger Inhalt lässt sich der in Rede stehenden Regelung des Kollektivvertrags nicht einmal ansatzweise entnehmen.

4.3 Das Argument des Berufungsgerichts, dass bei fallweise Beschäftigten ein Urlaubsverbrauch in natura gar nicht möglich sei, ist nicht zutreffend, zumal der Urlaub hier auch in Stunden verbraucht werden kann. Für die Beurteilung ist auch unbedeutend, ob die Klägerin davon ausgegangen ist, dass vom erhöhten kollektivvertraglichen Mindestlohn die Sonderzahlungen abgegolten sind. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts kann von dieser Einschätzung der Klägerin nicht auf die Urlaubsersatzleistung geschlossen werden. Auch der Hinweis des Berufungsgerichts auf § 2 Abs 3 des Dienstleistungsscheckgesetzes ist nicht zielführend, weil dieses Gesetz auf eine Sondersituation Bedacht nimmt und nur in dieser Hinsicht eine ausdrückliche gesetzliche (Sonder )Regelung zur Berücksichtigung der Urlaubsersatzleistung trifft.

5. Zum verneinten Verfall der Urlaubsersatzleistung nach Pkt 7 lit e des Kollektivvertrags erweisen sich die Ausführungen der Vorinstanzen, wonach sich diese Verfallsbestimmung nur auf das laufende Entgelt bezieht, als zutreffend (RIS Justiz RS0064834; 8 ObA 22/04z).

6.1 Zusammenfassend ergibt sich:

Fallweise Beschäftigten im Sinn des § 471b ASVG steht ein Urlaubsanspruch zu, der zugunsten des Arbeitnehmers auch stundenweise in Anspruch genommen werden kann. Die Einbeziehung der Urlaubsersatzleistung in eine All in Entgeltvereinbarung verstößt gegen das Ablöseverbot des § 7 UrlG und ist nichtig. Pkt 8 lit g des Kollektivvertrags für Arbeiter im Hotel und Gastgewerbe normiert keine All-in-Vereinbarung unter Einschluss der Urlaubsersatzleistung.

6.2 Die Beurteilung des Berufungsgerichts hält der Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof somit nicht Stand. In Stattgebung der Revision der Klägerin war das angefochtene Urteil im Sinne einer Wiederherstellung der Entscheidung des Erstgerichts abzuändern.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO iVm § 2 ASGG.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:2013:008OBA00032.13H.0627.000