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OGH vom 08.08.2002, 8ObA319/01x

OGH vom 08.08.2002, 8ObA319/01x

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer und Dr. Rohrer und die fachkundigen Laienrichter Dr. Lukas Stärker und Erika Helscher als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Inga S*****, vertreten durch Dr. Georg Grießer, Dr. Roland Gerlach und Dr. Sieglinde Gahleitner, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Dr. Otto B*****, vertreten durch Dr. Christoph Wolf, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung des aufrechten Bestandes eines Dienstverhältnisses (Streitwert EUR 1.198,81), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 8 Ra 222/01b-11, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom , GZ 28 Cga 234/00m-5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass sie zu lauten haben:

"Das Klagebegehren, es werde festgestellt, dass das zwischen der klagenden Partei und der beklagten Partei begründete Dienstverhältnis über den hinaus bis zum weiterbesteht, wird abgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 375,33 (darin EUR 62,02 Umsatzsteuer und EUR 3,20 Barauslagen) bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen."

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 387,03 (darin EUR 64,50 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens sowie die mit EUR 299,99 (darin EUR 50,-- Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin war vom bis beim Beklagten in Ausbildung zur zahnärztlichen Assistentin beschäftigt. Mit dem den Bestimmungen des Kollektivvertrags für die Angestellten bei Fachärzten für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde und Dentisten unterliegenden "Anlernvertrag" vereinbarten die Parteien ein Dienstverhältnis auf Probe für die Dauer eines Monats, das sich nach dessen Beendigung in ein befristetes Dienstverhältnis von zwei Monaten bis zum umwandelt.

Aufgabe der Klägerin war es, die Stühle und die Tassen für die Patienten vorzubereiten, Röntgenbilder anzufertigen und "Anmischungen" herzustellen. Sie musste auch Instrumente für Operationen sterilisieren und bereitlegen, Spritzen herrichten und gelegentlich bei Operationen assistieren sowie sonstige Zureichungen machen. Neben der Klägerin waren noch fünf weitere Assistentinnen beim Beklagten beschäftigt, die sich um die Ausbildung der Klägerin kümmerten.

Die Klägerin konnte zum Anfertigen von Gebissabdrücken nicht herangezogen werden, da sie zu langsam war und die Masse in der Zwischenzeit erhärtete. Die mit der Ausbildung der Klägerin betrauten Assistentinnen äußerten gegenüber dem Beklagten mehrfach, dass die Klägerin für den Beruf nicht geeignet sei. Der Klägerin wurde dies jedoch nicht mitgeteilt.

Am erfuhr die Klägerin, dass sie schwanger ist. Sie verständigte am davon den Beklagten und erklärte sich am diesem gegenüber ausdrücklich als arbeitsbereit. Mit ihrer am beim Erstgericht eingelangten Klage begehrte die Klägerin die Feststellung, ihr Dienstverhältnis zum Beklagten bestehe über den hinaus bis zum weiter aufrecht. Der Beklagte lehne die Weiterbeschäftigung der Klägerin bis zum Beginn des absoluten Beschäftigungsverbots nach § 3 MuttSchG ab. Da die im Dienstvertrag enthaltene Befristung nicht sachlich gerechtfertigt sei, komme § 10a MuttSchG zur Anwendung. Bei der Ausbildung zur Ordinationshilfe sei ein Probemonat ausreichend, um die fachliche Qualifikation feststellen zu können. Der Beklagte wendete ein, das Dienstverhältnis der Klägerin habe am wegen Ablaufs der vereinbarten Befristung geendet, nachdem der Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom mitgeteilt habe, dass das Dienstverhältnis über den Zeitpunkt des Zeitablaufs hinaus nicht fortgesetzt werde. Die Ausbildungszeit zur Ordinationshilfe betrage drei Jahre und sei so umfangreich, dass eine dreimonatige Probezeit als angemessen anzusehen sei. Die sachliche Rechtfertigung ergebe sich aus dem Kollektivvertrag, der in seinem § 17 vorsehe, dass für Auszubildende und Ordinationshilfen nach Ablauf der Probezeit von einem Monat ein Dienstverhältnis von zwei Monaten schriftlich vereinbart werden könne. Offensichtlich sei auch den Kollektivvertragsparteien bekannt gewesen, dass im Fall der Ausbildung zur Ordinationshilfe ein Probemonat nicht ausreichend sei, um die Eignung für die angestrebte Tätigkeit zu erkennen. Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es traf die eingangs wiedergegebenen Feststellungen und führte zu rechtlichen Beurteilung aus, es sei kein Grund zu erblicken, der es erforderlich mache, eine zahnärztliche Assistentin länger, als dies auch in anderen Branchen üblich und ausreichend sei, zu beobachten. Es spreche auch der festgestellte Sachverhalt, wonach es bereits vor Ablauf des Probemonats erkennbar gewesen sei, dass die Klägerin zu langsam arbeite, dafür, dass eine einmonatige Probezeit zur Beurteilung hinreiche. Ob eine Dienstnehmerin für den Beruf der zahnärztlichen Assistentin geeignet sei, könne bereits nach Ablauf eines Monats beurteilt werden, sodass jede darüber hinausgehende Befristung sachlich nicht gerechtfertigt sei.

Das Gericht zweiter Instanz gab der dagegen erhobenen Berufung der Klägerin nicht Folge. Es ging (aktenwidrig) davon aus, dass ein zweimonatiges befristetes Dienstverhältnis im Sinn des § 17 des Kollektivvertrages entgegen dieser zwingenden Norm nicht schriftlich vereinbart und im Verfahren auch nicht behauptet worden sei. Im Übrigen sei trotz der insgesamt zeitaufwändigen Ausbildung die erforderliche Qualifikation nicht so hoch, dass die grundsätzliche Eignung zu diesem Beruf im vereinbarten Probemonat nicht beurteilt werden könnte.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen erhobene Revision des Beklagten ist berechtigt. Eingangs ist darauf zu verweisen, dass bereits im zweiten Absatz der Klage vorgebracht wurde, mit Anlernvertrag vom sei ein Probemonat sowie eine darauffolgende Befristung des Dienstvertrags bis vereinbart worden. Auch im vorbereitenden Schriftsatz des Beklagten (ON 2/S 3) wird dies ausdrücklich zugestanden. Der von der Klägerin vorgelegte "Anlernvertrag" (Beilage 1) sieht ausdrücklich und unzweifelhaft in Schriftform die Umwandlung des Dienstverhältnisses nach Beendigung des Probemonats in ein befristetes Dienstverhältnis von zwei Monaten vor. In diesem Sinne hat auch das Erstgericht seine Feststellungen getroffen. Die Ausführungen des Berufungsgerichtes auf S 8 seines Urteils, die zwingende Schriftform sei "im vorliegenden Fall jedoch jedenfalls nicht eingehalten" und nicht einmal behauptet worden, sind daher nicht verständlich und grob aktenwidrig.

§ 17 des Kollektivvertrages für die Angestellten bei Fachärzten bei Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde und Dentisten normiert, für neu aufgenommene Angestellte betrage die Probezeit einen Monat. Für Auszubildende und Ordinationshilfen könne nach Ablauf der Probezeit von einem Monat ein befristetes Dienstverhältnis von weiteren zwei Monaten schriftlich vereinbart werden. Die Klägerin will in ihrer Revisionsbeantwortung daraus ableiten, dass eine bereits zu Beginn des Arbeitsverhältnisses vereinbarte weitere Befristung im Sinn der genannten Bestimmung unzulässig sei, weil eine derartige Vereinbarung erst nach Ablauf des Probemonats getroffen werden dürfe, sollten weitere Zweifel bestehen bleiben, ob der Arbeitnehmer die entsprechenden Fähigkeiten mitbringe. Für diese einschränkende Auslegung bietet die zitierte Bestimmung des Kollektivvertrags aber keine ausreichenden Anhaltspunkte. Die gewählte Formulierung schließt nach Ansicht des erkennenden Senates die Vereinbarung eines von vorneherein mit insgesamt drei Monaten befristeten Diestverhältnisses nicht aus. Diese Sicht der Bestimmung entspricht auch den praktischen Lebensbedürfnissen, deren Beachtung den Kollektivvertragspartnern grundsätzlich zu unterstellen ist, weil dadurch für beide Parteien des Arbeitsvertrags der zeitliche Rahmen des Dienstverhältnisses klar abgesteckt ist. Wollte man hingegen das in der Revisionsbeantwortung entwickelte Modell als zwingend ansehen, würde in das Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer vor der Entscheidung über das Eingehen eines unbefristeten Dienstverhältnisses ein zusätzlicher Unsicherheitsfaktor eingeführt.

Gemäß § 10a MuttSchG ist der Ablauf eines auf bestimmte Zeit abgeschlossenen Dienstverhältnisses von der Meldung der Schwangerschaft bis zum Beginn des Beschäftigungsverbotes gehemmt, es sei denn, dass die Befristung aus sachlich gerechtfertigten Gründen erfolgt oder gesetzlich vorgesehen ist. Zufolge Abs 2 dieser Gesetzesstelle ist eine Befristung unter anderem dann sachlich gerechtfertigt, wenn sie im Interesse der Dienstnehmerin liegt oder wenn das Dienstverhältnis zu Ausbildungszwecken oder zur Erprobung abgeschlossen wurde, wenn auf Grund der in der vorgesehenen Verwendung erforderlichen Qualifikation eine längere Erprobung als die gesetzliche oder kollektivvertragliche Probezeit notwendig ist. Das Motiv des historischen Gesetzgebers bei der Einführung des § 10a MuttSchG durch das arbeitsrechtliche Begleitgesetz BGBl 822/1992 lag darin, die Umgehung des Mutterschutzgesetzes durch den Abschluss von befristeten Arbeitsverhältnissen zu verhindern. Der Oberste Gerichtshof hat auch bereits klargestellt, dass die über die einmonatige Probezeit hinausgehende Befristung dann sachlich gerechtfertigt ist, wenn die Zeit der Erprobung in einem ausgewogenen Verhältnis zur Ausbildung und der angestrebten Verwendung steht. Je höher die Qualifikation der Tätigkeit ist, desto eher kann auch eine längere Befristung als sachlich gerechtfertigt angesehen werden (8

ObA 316/99z = ArbSlg 12.025 = DRdA 2001/41 [Ritzberger-Moser] = WBl

2000/379; 9 ObA 326/00g = WBl 2001/349; 8 ObA 51/02m).

Im hier zu beurteilenden Fall der Ausbildung zur Ordinationshilfe kann durchaus von einer höheren Qualifikation der angestrebten Verwendung ausgegangen werden, beträgt doch die Ausbildungszeit gemäß § 8 des Kollektivvertrags drei Jahre und beinhaltet eine praktische und eine theoretische Ausbildung (Duales System). Damit kann aber die von der Klägerin angestrebte Tätigkeit nicht etwa mit jener einer Verkäuferin oder Regalbetreuerin (vgl 9 ObA 326/00g) gleichgestellt werden, sondern nähert sich eher jener einer Planungsassistentin an, in welchem Fall der erkennende Senat in seiner Entscheidung 8 ObA 316/99z eine dreimonatige Befristung des Dienstverhältnisses als jedenfalls sachlich gerechtfertigt erachtete. Wenngleich den Vorinstanzen darin beizupflichten ist, dass die Probezeit nur zur Prüfung der grundsätzlichen Eignung der Arbeitnehmerin dienen soll, darf nicht übersehen werden, dass an diese Eignung umso höhere Anforderungen zu stellen sind, je qualifizierter der angestrebte Beruf und die dafür erforderliche Ausbildung ist. Dies haben offenbar auch die Kollektivvertragspartner erkannt, indem sie die Möglichkeit eröffneten, an die Probezeit von einem Monat ein befristetes Dienstverhältnis in der Dauer von zwei Monaten anzuschließen. Dass letztere Möglichkeit nur fakultativ eingeräumt wurde, vermag an diesen Überlegungen nichts zu ändern, da nicht übersehen werden darf, dass die Bestimmung auszubildende und bereits ausgebildete Ordinationshilfen betrifft, bei welch letzteren etwa bereits die bisherige Verwendung entsprechend aussagekräftig sein kann. Die Befristung des Dienstverhältnisses der Klägerin ist daher als sachlich gerechtfertigt im Sinn des § 10a Abs 2 MuttSchG anzusehen. Daran ändert auch nichts, dass nach den Feststellungen möglicherweise schon während des Probemonats von den übrigen Assistentinnen die mangelnde Eignung der Klägerin erkannt wurde, da die sachliche Rechtfertigung der Befristung im Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung zu beurteilen ist (8 ObA 316/99z).

Der Ablauf des auf bestimmte Zeit abgeschlossenen Dienstverhältnisses wurde daher durch die Meldung der Schwangerschaft der Klägerin nicht gemäß § 10a Abs 1 MuttSchG gehemmt, sodass der Revision des Beklagten Folge zu geben und das Klagebegehren abzuweisen ist. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 50, 41 ZPO.