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OGH 17.05.2000, 9ObA137/00p

OGH 17.05.2000, 9ObA137/00p

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Dr. Hopf als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Mag. Clodwig K*****, Angestellter, *****, vertreten durch Dr. Helmut Valenta und Dr. Gerhard Gfrerer, Rechtsanwälte in Linz, wider die beklagte Partei O***** Gesellschaft mbH & Co KG, *****, vertreten durch Mag. Harald Schuh und Mag. Christian Atzwanger, Rechtsanwälte in Linz, wegen S

257.751 netto sA (Revisionsinteresse S 100.915 netto sA), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 12 Ra 283/99w-16, womit der Berufung der klagenden Partei nicht Folge gegeben, jedoch infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Linz als Arbeits- und Sozialgericht vom , GZ 7 Cga 11/99v-7, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Akten werden dem Berufungsgericht zur amtswegigen Berichtigung des Urteils vom durch Beisetzung des Ausspruches, ob die Revision nach § 46 Abs 1 ASGG zulässig ist, zurückgestellt.

Text

Begründung:

Der Kläger begehrt von der Beklagten S 257.751 netto sA an restlichem Gehalt, anteiligen Sonderzahlungen, Überstundenentgelt, Urlaubsentschädigung und Kündigungsentschädigung. Zwischen den Parteien habe früher ein Arbeitsverhältnis bestanden; die dabei gewährte Entlohnung sei unangemessen gewesen. Beim Vergleich der Parteien vom sei der Kläger von der Beklagten in Irrtum geführt bzw es sei Zwang ausgeübt worden.

Die Beklagte beantragte, das Klagebegehren abzuweisen, und wendete ein, dass zwischen den Parteien lediglich ein Werkvertrag bestanden habe. Die offenen Ansprüche seien mit Vereinbarung vom - ohne Irrtum oder Zwang - geregelt worden.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren hinsichtlich des Teilbetrages von S 100.915 netto sA statt und wies das Mehrbegehren des Klägers von S 156.836 netto sA ab.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge, wohl aber der Berufung der Beklagten, und änderte das erstgerichtliche Urteil im Sinne der gänzlichen Abweisung des Klagebegehrens ab. Es unterließ - ohne nähere Begründung - einen Ausspruch über die Zulässigkeit der Revision.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers aus den Gründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens, der Aktenwidrigkeit und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das Ersturteil wiederherzustellen und die Beklagte zur Zahlung von S

100.915 netto sA zu verpflichten. Es liege eine erhebliche Rechtsfrage des materiellen und formellen Rechts vor, weil das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abgewichen sei bzw eine solche Rechtsprechung fehle. Die Revision sei daher zulässig.

Die Beklagte beantragt, die Revision des Klägers zurückzuweisen, weil keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 46 Abs 1 ASGG vorliege; hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 46 Abs 1 ASGG ist die Revision nur zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt, etwa weil das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abweicht oder eine solche Rechtsprechung fehlt oder uneinheitlich ist. Nach der hier allein in Betracht kommenden Z 1 des Abs 3 leg cit ist die Revision in Verfahren über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses auch bei Fehlen dieser Voraussetzungen zulässig, wenn der Streitgegenstand, über den das Berufungsgericht entschieden hat, insgesamt S 52.000,-- übersteigt oder wenn der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses strittig ist.

Verfahren "über die Beendigung" von Arbeitsverhältnissen im Sinne des § 46 Abs 3 Z 1 ASGG sind solche, in denen es um die Berechtigung oder um die Art der Beendigung geht, wobei es allerdings nicht erforderlich ist, dass diese Frage als Hauptfrage zu klären ist. Es muss sich aber um eine Rechtsstreitigkeit handeln, in der die Frage der (auch der Art der) Beendigung des Arbeitsverhältnisses für den Bestand des daran geknüpften Leistungsanspruches eine Rolle spielt (9 ObA 2250/96i, 9 ObA 92/97p; 9 ObA 259/99z ua; RIS-Justiz RS0085924).

Ob oder wie ein Arbeitsverhältnis beendet wurde bzw ob ein solches fortbesteht, steht hier nicht in Frage. Strittig ist vielmehr, ob ein zwischen den Parteien abgeschlossener Vergleich wegen eines Willensmangels des Klägers erfolgreich angefochten werden kann und ob zwischen den Parteien überhaupt je ein Arbeitsverhältnis bestanden hat. Ein Fall des § 46 Abs 3 Z 1 ASGG liegt daher nicht vor (RIS-Justiz RS0085924; 9 ObA 263/97k; 9 ObA 271/97m).

Die Revision ist daher nur unter den Voraussetzungen des § 46 Abs 1 ASGG zulässig. Demgemäß hätte das Berufungsgericht iS des § 45 Abs 1 ASGG einen Ausspruch über die Zulässigkeit der Revision in seine Entscheidung aufzunehmen gehabt. Die Unterlassung dieses Ausspruches stellt eine offenbare Unrichtigkeit dar, die nach § 419 ZPO berichtigt werden kann und muss (SSV-NF 2/1; RIS-Justiz RS0085678).

Sollte das Berufungsgericht aussprechen, dass die Revision nicht zulässig ist, wäre die bereits erstattete Revision dem Rechtsmittelwerber nach § 84 ZPO zur Verbesserung durch Anführung der in § 506 Abs 1 Z 5 ZPO bei einer außerordentlichen Revision vorgeschriebenen gesonderten Gründe zurückzustellen.

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer und Dr. Hopf sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Wilhelm Koutny und Mag. Michael Zawodsky als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Mag. Clodwig K*****, Angestellter, *****, vertreten durch Dr. Helmut Valenta und Dr. Gerhard Gfrerer, Rechtsanwälte in Linz, wider die beklagte Partei O***** Gesellschaft mbH & Co KG, *****, vertreten durch Mag. Harald Schuh und Mag. Christian Atzwanger, Rechtsanwälte in Linz, wegen S

257.751 netto sA (Revisionsinteresse S 100.915 netto sA), infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 12 Ra 283/99w-16, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird mangels der Voraussetzungen des § 46 Abs 1 ASGG zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S

8.112 (darin S 1.352 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Das Berufungsgericht unterließ zunächst einen Ausspruch über die Zulässigkeit der Revision. Der Oberste Gerichtshof stellte daraufhin die Akten samt Revision des Klägers dem Berufungsgericht zur amtswegigen Berichtigung der Berufungsentscheidung durch Beisetzen des Ausspruches, ob die Revision nach § 46 Abs 1 ASGG zulässig ist, zurück. Mit Beschluss vom ergänzte das Berufungsgericht die Berufungsentscheidung durch den Zusatz "Die Revision ist nach § 46 Abs 1 ASGG nicht zulässig" und begründete diesen damit, dass die Lösung der streitentscheidenden Frage der Anfechtbarkeit des Vergleiches im Rahmen der ständigen Judikatur des Obersten Gerichtshofes erfolgt sei und im Übrigen nur Einzelfallbedeutung habe.

Gemäß § 46 Abs 1 ASGG ist die Revision nur zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt, etwa weil das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abweicht oder eine solche Rechtsprechung fehlt oder uneinheitlich ist.

Eine Frage der vorstehenden Qualität wird vom Revisionswerber in der im Zuge des Verbesserungsverfahrens nachgeholten Zulassungsbeschwerde zur Revision nicht aufgezeigt. Ob nämlich ein Vertrag im Einzelfall richtig ausgelegt wurde, stellt nach ständiger Rechtsprechung nur dann eine erhebliche Rechtsfrage dar, wenn infolge einer wesentlichen Verkennung der Rechtslage ein unvertretbares Auslegungsergebnis erzielt wurde (RIS-Justiz RS0042776, RS0042936, RS0044358, RS0107573, RS0112106). Dies gilt auch für die Auslegung eines Vergleiches über die Abgeltung sämtlicher wechselseitiger, wie immer gearteter Ansprüche des Klägers durch eine einmalige Zahlung der Beklagten. Auch sie hängt in der Regel von den Umständen des Einzelfalles ab und hat regelmäßig keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung (RIS-Justiz RS0042769/T13, 16 und 17, RS0044243/T6, RS0044358/T4 und T5). Die Auswirkungen einer Generalklausel im Zuge einer einvernehmlichen Beendigung der im Vergleich ausdrücklich als "Werkvertragsverhältnis" bezeichneten Vertragsbeziehung hängen demnach stets von den Umständen des Einzelfalles ab (vgl 9 ObA 168/99t). Die vom Berufungsgericht vorgenommene Auslegung der zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarung ist keineswegs unvertretbar.

Nach § 1385 ABGB kann ein Irrtum den Vergleich nur insoweit ungültig machen, als er die Wesenheit der Person oder des Gegenstandes betrifft. Da der Vergleich dem Zweck dient, strittige oder zweifelhafte Rechte einverständlich neu festzulegen (§ 1380 ABGB) und damit die Strittigkeit oder Zweifelhaftigkeit zu beseitigen, kann er nicht angefochten werden, wenn ein Partner beim Abschluss über den wahren Sachverhalt geirrt hat (§ 1387 ABGB), verlöre doch sonst der Vergleich seinen Sinn. § 1385 ABGB ist demnach in ständiger Rechtsprechung dahin auszulegen, dass eine Irrtumsanfechtung nur in Betracht kommt, wenn der Irrtum das betrifft, was die Parteien zur Zeit des Vergleichsabschlusses als sicher, also als unzweifelhaft und unstrittig angenommen haben ("Vergleichsgrundlage"). Dies ist jedoch hier gerade nicht der Fall; der Kläger bezieht nämlich seine behaupteten Willensmängel gerade auf jene Umstände (Rechtsnatur der früheren Vertragsbeziehung; Höhe seiner Ansprüche etc), die seinerzeit zwischen den Parteien strittig waren; ein abgeschlossener Vergleich kann jedoch gerade nicht wegen Irrtums über Umstände angefochten werden, die durch den Vergleich bereinigt werden sollten (HS 24.699 mwN; RIS-Justiz RS0032529, RS0032543, RS0032561; 9 ObA 306/98k ua). Für das Vorliegen von Arglist oder Zwang bestehen im vorliegenden Fall keine Anhaltspunkte. Im Übrigen hängt auch die Beurteilung, wie weit die Bereinigungswirkung einer Generalklausel greift und ob eine Drucksituation für den Arbeitnehmer bei deren Abschluss vorlag, von den Umständen des Einzelfalles ab (RIS-Justiz RS0112292).

Das Berufungsgericht gab bei der rechtlichen Beurteilung der anstehenden Fragen die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes richtig wieder und bewegte sich innerhalb der darin aufgestellten Grundsätze. Die Behauptung des Revisionswerbers, das Berufungsgericht wäre bei seiner Entscheidung von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abgewichen, blieb ebenso unbegründet wie die weitere Behauptung, es fehle eine einheitliche Rechtsprechung.

Da die Revisionsgegnerin in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision mangels Vorliegens einer Rechtsfrage im Sinne des § 46 Abs 1 ASGG hingewiesen hat, stehen ihr die Kosten der Revisionsbeantwortung gemäß den §§ 41, 50 Abs 1 ZPO zu.

Zusatzinformationen


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Rechtsgebiet
Zivilrecht
ECLI
ECLI:AT:OGH0002:2000:009OBA00137.00P.0517.000
Datenquelle

Fundstelle(n):
CAAAD-96472