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OGH vom 31.03.1987, 11Os22/87

OGH vom 31.03.1987, 11Os22/87

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Schneider und Dr. Felzmann als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Cortella als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Werner H*** wegen des Vergehens der Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand voller Berauschung nach dem § 287 Abs. 1 (§§ 296 Abs. 1;

125) StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom , GZ 5 b Vr 10.282/86-20, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Generalanwalts Dr. Knob als Vertreters der Generalprokuratur, des Angeklagten und des Verteidigers Dr. Frysak zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Ausspruch, Werner H*** habe in einem die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Rauschzustand den Gruppeninspektor Hermann S*** durch gefährliche Drohung, indem er gegen ihn Boxerstellung einnahm, um auf ihn einzuschlagen, sowie mit Gewalt, indem er ihm einen zur Verteidigung erhobenen Regenschirm entriß und mehrfach auf ihn einschlug, an einer Amtshandlung, nämlich an seiner Festnahme gehindert (Punkt 1. des Urteilssatzes) und mithin (auch) Handlungen begangen, die ihm außer diesem Zustand als das Vergehen des Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach dem § 269 Abs. 1 StGB zugerechnet würden, aufgehoben, und dieser Ausspruch aus dem Urteil ausgeschieden.

Des weiteren wird das angefochtene Urteil auch im Strafausspruch aufgehoben und über den Angeklagten nach dem § 287 Abs. 1 StGB eine Geldstrafe im Ausmaß von 90 Tagessätzen, im Nichteinbringungsfall 45 Tage Ersatzfreiheitsstrafe, verhängt, wobei die Höhe des einzelnen Tagessatzes mit 50 S festgesetzt wird.

Die Entscheidungen über die Anrechnung der Vorhaft und über die Verfahrenskosten erster Instanz werden aus dem angefochtenen Urteil übernommen.

Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen. Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am geborene Taglöhner Werner H*** des Vergehens der Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand voller Berauschung nach dem § 287 Abs. 1 (§§ 269 Abs. 1; 125) StGB schuldig erkannt. Inhaltlich des Schuldspruchs versetzte er sich am in Wien, wenn auch nur fahrlässig, durch den Genuß größerer Mengen von Alkohol in einen die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Rauschzustand, hinderte in diesem Zustand Gruppeninspektor Hermann S*** durch gefährliche Drohung, indem er gegen ihn Boxerstellung einnahm, um auf ihn einzuschlagen, sowie mit Gewalt, indem er ihm einen zur Verteidigung erhobenen Regenschirm entriß und mehrfach auf ihn einschlug, an einer Amtshandlung, nämlich seiner Festnahme (1.) und machte fremde bewegliche Sachen, nämlich einen dem Hermann S*** gehörenden Regenschirm dadurch, daß er ihn über dem Knie abbog, unbrauchbar (2.), beging mithin Handlungen, die ihm außer diesem Zustand als Vergehen des Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach dem § 269 Abs. 1 StGB und als Vergehen der Sachbeschädigung nach dem § 125 StGB zugerechnet würden.

Der Angeklagte bekämpft dieses Urteil mit einer ausdrücklich auf die Z 4 und 9 lit. b des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Den Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z 4 StPO erblickt der Beschwerdeführer darin, daß dem von seinem Verteidiger in der Hauptverhandlung gestellten Antrag auf "Beischaffung des beschädigten Regenschirmes, weil divergierende Aussagen vorhanden sind, ob der Schirm U-förmig verbogen und abgebrochen bzw. eben nur leicht verbogen wurde" (vgl. S 102), nicht entsprochen wurde. Durch die Abweisung dieses Beweisantrages (vgl. S 103 iVm S 113) wurde der Angeklagte jedoch in seinen Verteidigungsrechten nicht beeinträchtigt. Denn einerseits ist dem zitierten Antrag nicht zu entnehmen, inwieweit die Beischaffung des Schirmes überhaupt eine Förderung der Wahrheitsfindung erwarten lassen sollte, sodaß es sich (arg: "ob") um einen bloßen Erkundungsbeweis handelt, anderseits wird die - allein entscheidende - Tatsache der Beschädigung bzw. des Unbrauchbarmachens des Schirmes (in welcher Form immer) dem Inhalt der Antragstellung nach gar nicht in Frage gestellt. Da demnach der (zusätzlichen) Erwägung des Erstgerichtes, daß die beantragte Beweisaufnahme auch unmöglich wäre, weil der Schirm später "offensichtlich vernichtet" worden sei (vgl. S 113), nur illustrative Bedeutung zukommt, gehen die dagegen gerichteten Beschwerdeausführungen ins Leere.

Rechtliche Beurteilung

Berechtigung kommt der Beschwerde hingegen zu, soweit sie geltend macht, daß der Angeklagte den Gruppeninspektor Hermann S*** nicht als (Kriminal-)Beamten erkannt, sondern für einen Pensionisten gehalten habe. Der Sache nach behauptet der Angeklagte damit allerdings nicht - wie er meint - die den Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z 9 lit. b StPO herstellende irrtümliche Annahme eines rechtfertigenden Sachverhaltes im Sinn des § 8 StGB, sondern einen Tatbildirrtum, der die Tatbestandsmäßigkeit der Handlung verhüllt, den Vorsatz ausschließt und Nichtigkeit im Sinn der Z 9 lit. a oder der Z 10 des § 281 Abs. 1 StPO bewirkt. Beim Delikt des § 287 StGB muß die Rauschtat jedenfalls als Betätigung eines auf die Herbeiführung des strafgesetzwidrigen Erfolges gerichteten Willens erscheinen, also auch alle subjektiven Tatbestandsmerkmale des Grunddeliktes verkörpern. Dem Volltrunkenen fehlt nicht der deliktstypische Willensentschluß (die Willensreaktion), sondern bloß die Fähigkeit, das Unrecht seiner Tat einzusehen (Diskretionsfähigkeit) und/oder nach dieser Einsicht zu handeln (Dispositionsfähigkeit). Die Urteilsannahme eines beim Angeklagten zur Tatzeit vorgelegenen - durch eine tiefgreifende Bewußtseinsstörung in Form voller Alkoholberauschung bewirkten - Zustandes der Zurechnungsunfähigkeit (§ 11 StGB) bedeutet nur, daß er für jenes Delikt, dessen Tatbestand die Rauschtat als solche verkörpert, bloß deshalb nicht bestraft werden kann, weil es trotz eines auf die Tatbestandsverwirklichung gerichteten Vorsatzes an dem für eine entsprechende Bestrafung (darüber hinaus) notwendigen biologischen Schuldelement gebricht. Die Rauschtat muß somit alle objektiven und subjektiven Merkmale der betreffenden strafbaren Handlung aufweisen (vgl. EvBl. 1980/183, RZ 1983/29, ÖJZ-LSK 1984/151 ua).

Vorliegend zog der Angeklagte nach den Urteilsfeststellungen aus dem Verhalten des Kriminalbeamten S***, der sich als solcher auswies, falsche Schlüsse, hielt S*** - wie das Erstgericht ersichtlich als erwiesen annimmt (vgl. S 115, 117) - für einen "Pensionisten" und erkannte nicht, daß eine Amtshandlung im Gang sei. Damit konnte die Rauschtat auch nicht - wie

erforderlich - willensmäßig darauf gerichtet sein, einen Beamten mit Drohung und Gewalt an einer Amtshandlung zu hindern. Dem steht nicht die Urteilsannahme entgegen, der Angeklagte hätte in nüchternem Zustand erkennen können, daß es sich um ein amtliches Vorgehen handelt (vgl. S 117). Denn auch hieraus läßt sich nicht etwa ableiten, daß der Angeklagte im Rausch eine Handlung beging, die ihm außer diesem Zustand als Widerstand gegen die Staatsgewalt (§ 269 Abs. 1 StGB) zugerechnet würde. Bedeutet doch "er hätte erkennen können" nur fahrlässiges Nichterkennen, was zur Herstellung des - vorsätzliches Handeln erfordernden - Tatbestandes nach dem § 269 Abs. 1 StGB nicht ausreicht.

Aus dem Gesagten folgt allerdings nicht, daß der Angeklagte teilweise, nämlich in bezug auf den § 269 Abs. 1 StGB (formell) freizusprechen wäre. Denn Gegenstand des Schuldvorwurfes nach dem § 287 Abs. 1 StGB ist das (wenn auch nur fahrlässige) Sichversetzen in einen die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Rausch, sodaß alle im selben Rauschzustand verübten strafbaren Handlungen nur ein Vergehen nach dem § 287 StGB bilden (vgl. ÖJZ-LSK 1976/17 = EvBl. 1976/151). Werner H***, der im Rausch auch eine Handlung verübte, die ihm außer diesem Zustand als das Vergehen der Sachbeschädigung zugerechnet würde, bleibt daher weiterhin des Vergehens nach dem § 287 Abs. 1 StGB schuldig. Die Annahme eines weiteren "verdeckten Deliktes" (hier des Vergehens nach dem § 269 Abs. 1 StGB) gereicht dem Angeklagten aber dennoch zum Nachteil, sodaß insoweit der Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z 10 StPO vorliegt (vgl. Mayerhofer-Rieder, StPO 2 , § 281 Z 10, Nr. 30 und 38).

Der - im übrigen zu verwerfenden - Nichtigkeitsbeschwerde war daher teilweise Folge zu geben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt zu bleiben hatte, im Ausspruch aufzuheben, Werner H*** habe in einem die Zurechnungsunfähigkeit ausschließenden Rauschzustand den Gruppeninspektor Hermann S*** durch gefährliche Drohung, indem er gegen ihn Boxerstellung einnahm, um auf ihn einzuschlagen, sowie mit Gewalt, indem er ihm einen zur Verteidigung erhobenen Regenschirm entriß und mehrfach auf ihn einschlug, an einer Amtshandlung, nämlich an seiner Festnahme gehindert (Punkt 1./ des Urteilssatzes) und mithin (auch) Handlungen begangen, die ihm außer diesem Zustand als das Vergehen des Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach dem § 269 Abs. 1 StGB zugerechnet würden, und dieser Ausspruch aus dem Urteil auszuscheiden.

Des weiteren war das angefochtene Urteil auch im Strafausspruch aufzuheben und mit Strafneubemessung vorzugehen. Hiebei konnte - anknüpfend an die verbliebenen Strafzumessungsgründe - ungeachtet der durch einschlägige Vorstrafen belasteten Täterpersönlichkeit des Angeklagten im Hinblick auf den relativ geringen Unrechtsgehalt der Tat nach dem § 287 Abs. 1 StGB (in Verbindung mit dem § 125 StGB) mit einer Geldstrafe im Ausmaß von 90 Tagessätzen das Auslangen gefunden werden. Der Tagessatz war mit 50 S - als den persönlichen Verhältnissen und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Rechtsbrechers entsprechend - zu bemessen.

Die Anwendung des § 43 Abs. 1 StGB kam nicht in Betracht, weil es nach der Lage des Falles der Vollstreckung der Geldstrafe bedarf, um die Strafzwecke zu erreichen.

Die Entscheidungen über die Vorhaftanrechnung und die Verfahrenskosten erster Instanz wurden aus dem Ersturteil übernommen. Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.