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OGH vom 09.11.2000, 8ObA30/00w

OGH vom 09.11.2000, 8ObA30/00w

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Petrag als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Langer und Dr. Rohrer sowie die fachkundigen Laienrichter MR Dr. Edith Söllner und Karl Lewisch als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache des Antragstellers Bundesgremium der Warenhäuser, 1045 Wien, Wiedner Hauptstraße 63, vertreten durch Schönherr, Barfuss Torggler & Partner, Rechtsanwälte in Wien, wider den Antragsgegner Österreichischer Gewerkschaftsbund, 1013 Wien, Deutschmeisterplatz 2, vertreten durch Dr. Helga Hofbauer, Rechtsanwältin in Wien, über den gemäß § 54 Abs 2 ASGG gestellten Antrag auf Feststellung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Antrag, der Oberste Gerichtshof möge feststellen, dass die im Anhang zum Kollektivvertrag für die Handelsangestellten Österreichs enthaltene Gehaltstafel f ("Warenhäuser") nichtig ist, wird abgewiesen.

Text

Begründung:

Antragsteller und Antragsgegner sind zur gesetzlichen Interessenvertretung der Arbeitgeber bzw der Arbeitnehmer berufene Körperschaften im Sinn des § 4 Abs 1 ArbVG. Dieser Umstand sowie die Legitimation im Verfahren gemäß § 54 Abs 2 ASGG wurde hinsichtlich des Antragsgegners bereits mehrfach klargestellt (SZ 67/149 mwH). Die Rechtsnatur des Antragstellers bedarf in Anbetracht des mit in Kraft getretenen Wirtschaftskammergesetzes 1998 (BGBl I 103/1998), durch welches das Handelskammergesetz (BGBl 182/1946 idF BGBl 661/1994) ersetzt wurde, einer neuerlichen Überprüfung. Auf Basis der alten Rechtslage wurde die Legitimation von Fachverbänden bereits mehrfach bejaht (DRdA 1994, 244; 9 ObA 9/99k ua). Maßgeblich dafür waren die Bestimmungen der §§ 29 Abs 4, 31 Abs 1 HandelskammerG, wonach neben den Fachgruppen auch Fachverbände berufen waren, in ihrem räumlichen und fachlichen Wirkungsbereich Kollektivverträge zur Regelung der Arbeits- und Lohnverhältnisse abzuschließen. An dieser Rechtslage hat sich durch das WirtschaftskammerG insoweit nichts geändert, als die Fachverbände gemäß dessen §§ 43 Abs 3, 47 Abs 2 weiterhin zum Abschluss von Kollektivverträgen ermächtigt sind. Zu der hier in Frage stehenden Antragslegitimation führt § 47 Abs 2 WirtschaftskammerG präzisierend aus, dass die Fachverbände in fachlichen Angelegenheiten nach Information der Bundeskammer berechtigt sind, unter anderem selbständige Anträge an staatliche Organe zu stellen.

Das hier antragstellende Bundesgremium der Warenhäuser wurde durch die 8. Fachgruppenordnungsnovelle (BGBl 35/1960) unter § 3 Abs 2 Z 32 in den Anhang zur Fachgruppenordnung aufgenommen. Es umfasste danach Inhaber von Warenhäusern. Auf Grund § 15 Abs 1 WirtschaftskammerG erließ der Bundesminister für Wirtschaftliche Angelegenheiten die Fachorganisationsordnung - FOO (BGBl II 365/1999), deren § 3 als im Bereich der Bundeskammer weiterbestehende Fachverbände mit Änderung des Wirkungsbereichs und der Bezeichnung in Z 18 den Fachverband des Versandhandels und der Warenhäuser, umfassend a) Unternehmungen, die sich mit dem Vertrieb von Waren im Weg des Versandhandels beschäftigen und b) Warenhäuser bezeichnet. Ob diese am kundgemachte Verordnung im Zeitpunkt der Antragstellung bereits in Kraft stand (das Inkrafttreten ist gemäß § 10 Abs 1 FOO an die nächste Funktionsperiode der Organe gebunden), kann dahinstehen, weil einerseits gemäß § 9 FOO die Fachverbände als "Bundesgremium" bezeichnet werden können und diese gemäß § 12 FOO Rechtsnachfolger der in ihnen zusammengefassten Fachverbände (Bundesinnungen, Bundesgremien), sowie in entsprechendem Maße auch jener Fachverbände sind, aus deren Bereich ihnen durch diese Bestimmungen einzelne Berufs- oder Unternehmensgruppen zuordnet werden können. Die Legitimation des Antragstellers ist daher auch unter Berücksichtigung der geänderten Gesetzeslage zu bejahen.

Mit seinem am beim Obersten Gerichtshof eingebrachten Antrag begehrt der Antragsteller die Feststellung, dass die im Anhang zum Kollektivvertrag für Handelsangestellte Österreichs enthaltene Gehaltstafel f ("Warenhäuser") nichtig sei. Mitglieder des Antragstellers seien mehrere Inhaber von Warenhäusern. Drei dieser Mitglieder seien in der Gehaltstafel f des Handelsangestellten-Kollektivvertrags namentlich als Adressaten dieser Gehaltstafel genannt. Die Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft einerseits und der Österreichische Gewerkschaftsbund andererseits haben den derzeit geltenden Handelsangestellten-Kollektivvertrag abgeschlossen. Dieser enthalte als Anlagen die Gehaltstafeln a bis h, die einen integrierenden Bestandteil des Kollektivvertrags bilden. Die "allgemeine" Gehaltstafel a gelte, wenn ein Mitgliedsunternehmen nicht unter die Gehaltstafeln b bis h falle. Die Gehaltstafel a enthalte zum größten Teil niedrigere Mindestgehälter als die "besonderen" Gehaltstafeln. Die Gehaltstafel f ("Warenhäuser") gelte zeitlich für diejenigen Angestellten und Lehrlinge, deren Arbeitsvertrag vor dem abgeschlossen worden sei. Sie umfasse außerdem nur jene Dienstnehmer, die bei den in der Gehaltstafel namentlich genannten Kaufhäusern beschäftigt sind. Die Besonderheit dieser Gehaltstafel sei, dass die von ihr erfassten Unternehmen - im Gegensatz zu den anderen Gehaltstafeln - nicht generell-abstrakt umschrieben seien, sondern namentlich bezeichnet werden. Die Gehaltstafel sei erstmals in den "60er-Jahren" beschlossen worden. Grund dafür sei der Gedanke gewesen, dass es sich bei den zu dieser Zeit bestehenden großen Warenhäusern um besonders ertragsstarke Unternehmen gehandelt habe. Diese Unternehmen sollten zu höheren Mindestlöhnen verpflichtet werden. Die Aufzählung der Warenhäuser sie in den "60er-Jahren" durchaus sachgerecht gewesen. Die genannten Warenhäuser haben damals tatsächlich zu den besonders ertragsstarken Handelsunternehmen gezählt. Der Gedanke, dass gerade diese Unternehmen höhere Gehälter zahlen sollten, sei daher im Abschlusszeitpunkt sachlich gerechtfertigt gewesen.

Seit diesem Zeitpunkt habe sich die Situation aber geändert und seien die in der Gehaltstafel f genannten Warenhäuser bei weitem nicht mehr die umsatzstärksten. Große Handelsgesellschaften betrieben nunmehr Warenhäuser, die - gemessen am Produktsortiment - mit denen der Gehaltstafel f vergleichbar seien. In einer im Jahr 1999 von einer Zeitschrift veröffentlichten Liste der umsatzstärksten österreichischen Unternehmen rangierten derartige Handelsunternehmen etwa auf den Plätzen 18 und 38, während die in der Gehaltstafel f genannten Unternehmen auf die Plätze 142, 209, 379 und 402 verwiesen seien und die übrigen dort genannten Warenhäuser überhaupt nicht zu den 500 umsatzstärksten Unternehmen gezählt würden. Jahresumsätze der nicht in der Gehaltstafel f genannten Unternehmen überstiegen jene der dort aufgelisteten um das Drei- bis Sechsfache. Die Gehaltstafel des Handelsangestellten-Kollektivvertrages teile daher die Warenhäuser in zwei Gruppen, wobei gerade die umsatz- und ertragsschwächeren Häuser zu höheren Mindestlöhnen verpflichtet würden. Diese Differenzierung sei unsachlich.

Die in der Gehaltstafel f genannten Warenhäuser seien auch umsatzschwächer als andere Unternehmen des Einzelhandels, sodass auch hier eine unsachliche Ungleichbehandlung vorliege. In den Jahren 1994 bis 1997 sei der Umsatz des gesamten Einzelhandels um 1,6 % gestiegen, während im gleichen Zeitraum die klassischen Warenhäuser einen Umsatzverlust von 11,4 % erwirtschaftet hätten. Die Anzahl der Warenhäuser sei von 1992 bis 1997 um 95 % gesunken, die ihrer Beschäftigten um 21 %. Auch eine weitere Entwicklung der letzten Jahre habe zur Unsachlichkeit der Gehaltstafel f beigetragen. Am Markt seien nunmehr Fachmärkte und filialisierende Ketten verstärkt präsent; ihr Umsatz sei deutlich höher als jener der hier in Rede stehenden Warenhäuser. Der Umsatz/Mitarbeiter sei jeweils zumindest gleich groß, teilweise aber auch wesentlich höher als bei den in der Gehaltstafel f genannten Unternehmen. Die geringe Umsatzstärke, vor allem aber die schlechte Relation des pro Mitarbeiter erzielten Umsatzes führe dazu, dass die Unternehmen der Gehaltstafel f wirtschaftlich schwächer seien und geringere Gewinne erwirtschafteten als die meisten der anderen beispielsweise aufgezählten Unternehmen. Dazu komme, dass Fachmärkte und Filialisten wegen ihrer geringeren Warenpalette wesentlich kostengünstiger wirtschaften könnten als herkömmliche Warenhäuser mit ihrem breiten Warenangebot. Der Anteil der Geschäftssystemkosten am Umsatz betrage bei Warenhäusern etwa 40 %, bei Fachmärkten nur etwa 18 %, bei Textilfilialisten etwa 22 % und bei Lebensmittel-Discountern nur 14 %. Die Rendite der Warenhäuser liege bei 0 bis 2 %, jene der Fachmärkte bei 2 bis 10 %, der Direktvertreiber bei 8 bis 14 % und der Filialisten bei 3 bis 13 %. Auch enthalte die Gehaltstafel f nicht nur klassische Warenhäuser, sondern auch Großversandhäuser, deren Einbeziehung in die Gehaltstafel f sachlich nicht gerechtfertigt werden könne, zumal andere Versandhäuser dort nicht genannt seien.

Die Gehaltstafel f führe dazu, dass wirtschaftlich gleich starke oder vielfach sogar stärkere Unternehmen ihre Angestellten nur nach der subsidiär in Betracht kommenden allgemeinen Gehaltstafel a entlohnen müssten. Dies sei eine unsachliche Differenzierung und ein erheblicher Wettbewerbsnachteil. Der Kollektivvertrag verwirkliche damit vor allem im Prüfungszeitpunkt eine besonders krasse Verletzung des Gleichheitssatzes. Die Gehaltstafel f sei daher gemäß § 879 ABGB nichtig. Durch die unsachliche Differenzierung gefährde sie die Existenz der von ihr diskriminierten Unternehmen und der damit verbundenen Arbeitskräfte.

Der Antragsgegner begehrte die Abweisung des Antrages. Der Kollektivvertrag sei ein Instrument kollektiver Rechtssetzung und stehe sohin nicht für Einzelfallregelungen zur Verfügung. Der Gesetzgeber habe die Betriebsverfassung grundsätzlich abschließend geregelt, sodass eine Änderung durch Kollektivvertrag nicht zulässig sei. Schon aus diesem Grund verstoße die Geltungsbereichfestsetzung durch die Gehaltstafel f auf einzelne Unternehmen nicht gegen gesetzliche Bestimmungen über den Kollektivvertrag, der eine solche Regelung unter der Voraussetzung, dass der Arbeitgeber einem kollektivvertragsfähigen Verband der Arbeitgeber angehöre, nicht verbiete. Die Kollektivvertragsparteien treffe zwar nicht die Gleichbehandlungspflicht, sie seien aber bei der Gestaltung des Kollektivvertrags an die Grundrechte, insbesondere den verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz gebunden. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs stehe den Kollektivvertragsparteien jedoch eine relativ breite Gestaltungsfreiheit zu. Die gesellschafts- und sozialpolitische Zielsetzung des Normgebers sei durch die Anführung bestimmer großer allgemein bekannter Waren- und Kaufhäuser offenkundig gewesen. Es sollte eine Differenzierung nach Leistungsfähigkeit und Größe vorgenommen werden, die es gestattet, höhere Arbeitgeberleistungen für Arbeitsverhältnisse bei diesen Unternehmen aufzuerlegen. Dies sei sachlich gerechtfertigt. Selbst wenn es inzwischen Kaufhäuser gebe, die gleich groß seien, eine ähnliche Anzahl von Mitarbeitern, einen gleichartigen Kundenkreis oder eine ähnliche ja sogar höhere wirtschaftliche Ertragskraft haben, als die in der Gehaltstafel f genannten, sei dies rechtlich irrelevant. Dies deshalb, weil bis zu diese Regelung lediglich nicht zu beachtende Härtefälle nach sich gezogen habe. Für die neu eingetretenen Handelsangestellten bestehe seit die Möglichkeit der Entlohnung nach der Gehaltstafel a. Dass es inzwischen auch andere vergleichbare Kaufhäuser gebe, die von der Lohntafel f nicht erfasst werden, lasse noch nicht die Absicht einer Regelung erkennen, die in exzessiver Form zu einer Ungleichbehandlung vergleichbarer Fälle führen solle. Dass dabei im Lauf der Zeit Härtefälle entstehen könnten, mache das Gesetz nicht gleichheitswidrig.

Rechtliche Beurteilung

Der Feststellungsantrag des Antragstellers ist zwar zulässig, es kommt ihm jedoch keine Berechtigung zu.

Die Kollektivverträge für Angestellte und Lehrlinge in Handelsbetrieben enthielten ursprünglich in der angeschlossenen Gehaltstafel f "Warenhäuser" den Hinweis "Diese Gehaltstafel gilt für nachstehende Warenhäuser", welchem die Aufzählung von insgesamt 13 in Österreich angesiedelten Warenhäusern folgte. Ab dem am abgeschlossenen, am in Kraft getretenen, Kollektivvertrag enthält die Gehaltstafel f bei Aufzählung von nunmehr 10 Warenhäusern den Zusatz "Diese Gehaltstafel gilt für alle Angestellten und Lehrlinge, die vor dem in eines der nachstehenden Warenhäuser eingetreten sind". Dieser Änderung des Kollektivvertrags lag die Zusatzvereinbarung vom zugrunde (veröffentlicht in ARD 4702/1/95), laut deren Punkt 5. auf Grund einer Vereinbarung des Antragstellers mit der Gewerkschaft der Privatangestellten Mitarbeiter von Warenhäusern, die ab dem neu eingestellt werden, in die Tafel a eingestuft werden können. Weiters wird festgehalten, dass die Mitgliedsunternehmungen des Antragstellers erklärt haben, keine Kündigungen von Arbeitnehmern, die in die Gehaltstafel f eingereiht sind, vorzunehmen, um sie durch im Geltungsbereich der Gehaltstafel a des Handelsangestellten-KV neu eingestellte Arbeitnehmer zu ersetzen. Wie bereits in 9 ObA 244/98t ausgesprochen und wie der erkennende Senat neuerlich durch Rückfrage beim Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit erhoben hat, wurde dieser Teil der Zusatzvereinbarung dort bislang nicht hinterlegt.

Während der am abgeschlossene, seit in Kraft stehende Kollektivvertrag noch die bereits zitierte Einschränkung der Geltung der Gehaltstafel f für Angestellte und Lehrlinge, die vor dem in die insgesamt 10 genannten Warenhäuser eingetreten sind, enthält, fehlt dieser Zusatz nunmehr im Kollektivvertrag für Angestellte und Lehrlinge in Handelsbetrieben abgeschlossen am , in Kraft getreten am . Die Gehaltstafel F enthält einleitend keine namentliche Nennung von Warenhäusern mehr und auch keine zeitliche Einschränkung der Gültigkeit, sondern nur mehr das Wort "Warenhäuser".

Der letztgenannte Kollektivvertrag macht das Begehren des Antragstellers nicht schlechthin hinfällig, weil er - wie auch alle vorhergehenden Kollektivverträge - in den Schlussbestimmungen (hier: Punkt XXI/2) ausdrücklich normiert, dass bestehende höhere Gehälter und günstigere arbeitsrechtliche Vereinbarungen durch das Inkrafttreten dieses Kollektivvertrags nicht berührt werden. Wenngleich somit nicht zweifelhaft sein kann, dass jedenfalls die vor dem in die in den früheren Kollektivverträgen aufgezählten Warenhäuser eingetretenen Angestellten und Lehrlinge weiterhin nach der Gehaltstafel f zu entlohnen sind, macht aber diese letzte Änderung des Kollektivvertrags, die im Zeitpunkt des Antrags am jedenfalls schon in Kraft stand, den Antrag unklar, weil ihm nicht entnommen werden kann, auf welche Fassung der Gehaltstafel f er abstellt und ob die möglicherweise wesentlich weitergehende letzte Fassung in ihrer Gesamtheit ebenfalls vom Antrag erfasst werden sollte. Die nunmehr allgemein gehaltene Fassung der Gehaltstafel F könnte - ohne dass das hier näher zu untersuchen wäre - gerade jene vom Antragsteller monierte Ungleichbehandlung weitestgehend beseitigt haben.

Es muss hier nicht weiter untersucht werden, inwieweit der Oberste Gerichtshof diese Abänderung des Kollektivvertrags auf Grund der Besonderheit des Verfahrens gemäß § 54 Abs 2 ASGG überhaupt in seine Überlegungen einbeziehen dürfte und ob bejahendenfalls ein verbesserungsfähiger Mangel des Schriftsatzes vorläge, weil der Antrag auch unter Außerachtlassung der seit bestehenden Rechtslage nicht berechtigt ist:

Jabornegg (in "Grenzen kollektivvertraglicher Rechtssetzung und richterliche Kontrolle", JBl 1990, 205) nennt die Gehaltstafel f des Kollektivvertrags der Handelsangestellten Österreichs als Fallbeispiel für einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz. Die namentliche Aufzählung der für höhere Arbeitgeberleistungen vorgesehenen Warenhäuser sei zwar gewiss kein ungeeignetes Mittel zur Differenzierung, jedoch erfolge diese eindeutig in nicht sachgerechter und daher dem Gleichheitssatz widersprechender Weise. Das Problem bestehe darin, dass die Liste dieser Warenhäuser insofern unvollständig sei, als es in Österreich noch eine ganze Reihe anderer Warenhausunternehmen gebe, die unter Berücksichtigung betriebswirtschaftlich relevanter Komponenten als durchaus vergleichbar angesehen werden müssten bzw sogar noch leistungsfähiger seien als manche der im Kollektivvertrag aufgezählten Unternehmen. Die konsequente Durchführung des Gehaltstafelsystems führe in diesen Fällen nicht dazu, dass man solche vergleichbare Warenhäuser ebenfalls der Gehaltstafel f zuordnen könnte. Vielmehr müssten die nach der Leistungsfähigkeit gleich starken oder sogar stärkeren Unternehmen ihre Angestellten nur nach der subsidiär in Betracht kommenden allgemeinen Gehaltstafel a entlohnen, was in wettbewerbsmäßiger Hinsicht einen nicht unbeträchtlichen Vorteil bedeute. Es erscheine mehr als zweifelhaft, ob dieses Ergebnis mit dem anzuwendenden Gleichheitssatz vereinbar sei.

Es fällt nun auf, dass die Analyse des Autors, die in der Gehaltstafel f enthaltene Liste der Warenhäuser sei unvollständig, den Zeitpunkt, auf welchen sie sich beziehen soll, nicht erkennen lässt. Es lässt sich daher auch nicht feststellen, ob die Aussage, die Annahme einer Teilnichtigkeit der Gehaltstafel f scheine unausweichlich, den erstmaligen Abschluss des Kollektivvertrages erfassen soll (für welchen Zeitpunkt die These von der Unvollständigkeit der Liste aber wohl zu belegen gewesen wäre) oder irgendeinen danach liegenden Zeitpunkt mit der sich dann ergebenden und noch darzustellenden Problematik der Möglichkeit des nachträglichen Nichtigwerdens eines rite abgeschlossenen Vertrages. Demgegenüber lässt der Antragsteller in seiner der Entscheidung zugrunde zu legenden Sachverhaltsdarstellung keinen Zweifel daran, dass die Gehaltstafel f im Zeitpunkt des Abschlusses des Kollektivvertrages in den "60er-Jahren" tatsächlich die großen Warenhäuser und besonders ertragsstarken Unterrnehmen erfasste. Er kommt daher zu dem Schluss, der Gedanke, gerade diese Unternehmen sollten höhere Gehälter zahlen, sei für den damaligen Zeitpunkt gerechtfertigt gewesen. Auf Grund dieses den Kreis der Untersuchung einengenden Vorbringens ist daher nur zu der Frage Stellung zu nehmen, ob eine ursprünglich sachlich gerechtfertigte differenzierte Behandlung im Kollektivvertrag durch Änderung der äußeren Umstände nachträglich gleichheitswidrig und damit nichtig werden kann.

Der Oberste Gerichtshof hatte sich mit diesem Problemkreis in seiner

Entscheidung 9 ObA 125/98f = SZ 71/122 = ArbSlg 11.757 = DRdA 1999/33

(Firlei) = ZAS 1999/15 (Aigner) zu befassen. Die in die Gehaltstafel

a des Kollektivvertrags eingereihte, seit in einem in der Gehaltstafel f genannten Kaufhaus beschäftigte Klägerin begehrte von diesem die sich aus der ihrer Meinung nach unkorrekten Einreihung ihres Arbeitsverhältnisses ergebende Gehaltsdifferenz. Der Oberste Gerichtshof führte in seinem die stattgebenden Vorentscheidungen bestätigenden Urteil unter anderem aus, dass die Geltungsbereichsfestsetzung durch die Gehaltstafel f auf einzelne Unternehmen nicht gegen gesetzliche Bestimmungen über den Kollektivvertrag verstoße, weil eine solche Regelung unter der Voraussetzung, dass der Arbeitgeber einem kollektivvertragsfähigen Verband der Arbeitgeber angehöre, nicht verboten sei. Die gesellschafts- und sozialpolitische Zielsetzung des Normengebers bei der Gehaltstafel f sei schon durch die Herausnahme von Warenhäusern unter Anführung bestimmter großer allgemein bekannter Waren- und Kaufhäuser offenkundig. Es sollte eine Differenzierung nach Leistungsfähigkeit und Größe vorgenommen werden, die es gestatte, höhere Arbeitgeberleistungen für Arbeitsverhältnisse bei diesen Waren- und Kaufhäusern aufzuerlegen und die Gestaltungsmacht der Arbeitgeber bezüglich der Lohnvereinbarungen in eine bestimmte Richtung zu fixieren. Die sachliche Rechtfertigung dieser Regelung sei nicht zu bestreiten. Ob dies aus heutiger Sicht nicht mehr nachvollziehbar sei, weil es inzwischen Kaufhäuser gebe, die gleich groß sind, eine ähnliche Anzahl von Mitarbeitern, einen gleichartigen Kundenkreis oder eine ähnliche ja sogar höhere wirtschaftliche Ertragskraft haben als die in der Gehaltstafel f genannten und die daher klare Wettbewerbsvorteile gegenüber den in der Gehaltstafel f angeführten Kaufhäusern haben, lasse allein eine exzessive lediglich nicht zu beachtende Härtefälle nach sich ziehende Regelung zum Zeitpunkt der hier maßgeblichen Sachverhaltsverwirklichung im Jahr 1995 nicht erkennen. Um auch nicht gleichheitswidrige Härtefälle zu beseitigen, habe der Normengeber der Gehaltstafel f dieser ohnedies mit Wirkung vom ihre zwingende Wirkung genommen. Diese Entscheidung wurde von Firlei (Glosse zu DRdA 1999/33) heftig kritisiert. Es gebe zwar sachliche rechtspolitische Gründe, die für eine Zulässigkeit arbeitgeberbezogener Individualregelung sprechen, doch müsse dann geprüft werden, ob die getroffene Regelung dem Gleichheitssatz, dem der Kollektivvertrag unterworfen sei, entspreche. Die Differenzierung zwischen leistungsfähigeren und nicht leistungsfähigeren Unternehmen sei grundsätzlich als sachlich anzusehen, gerade im Hinblick auf die Belastung mit den Kosten, die aus der Beschäftigung von Arbeitnehmern erwachsen. Der relevante Zeitpunkt der Prüfung sei "ohnehin nicht der Zeitpunkt der Entstehung der Norm", sondern der Zeitpunkt der Sachverhaltsverwirklichung. Veränderungen (rechtlicher oder tatsächlicher Art) könnten daher eine ursprünglich dem Gleichheitssatz entsprechende Norm gleichheitswidrig machen. Die Anwendung der "Härtefall-Doktrin" sei nur bei einer generellen Regelung zulässig, weil nur dort der Bedarf nach einer Durchschnittsbetrachtung bestehe. Werde vom Normgeber die Methode der namentlichen Benennung einzelner Normunterworfener gewählt, so müsse deren Auswahl mit besonderer Sorgfalt erfolgen. Der Verdacht der Gleichheitswidrigkeit sei hier besonders ausgeprägt. Sachwidrige Selektionen könnten in diesem Fall nicht als tolerierbare Härten angesehen werden. Der vorliegende Kollektivvertrag verwirkliche eine besonders krasse Verletzung des Gleichheitssatzes, vor allem zum Prüfungszeitpunkt. Gerade an Hand dieses Falles erwiesen sich Sinn und Zweck eines Verbots von Einzelfallregelungen auch auf Arbeitgeberseite mit besonderer Eindringlichkeit. Eine quasi hoheitliche Regelungsmacht wie die des österreichischen Kollektivvertrags habe eben auch ihren Preis im Sinne von gegengewichtig erforderlichen Kontrollen auf die Einhaltung rechtsstaatlicher und grundrechtlicher Regelungsschranken. Ähnlich argumentiert Aigner in seiner Glosse zu ZAS 1999/15. Es sei mittlerweile unbestritten und ständige Judikatur des Obersten Gerichtshofs, dass die Kollektivvertragsparteien an die Grundrechte gebunden seien. Es dürfe nicht übersehen werden, dass eine derartige Regelung auch auf Arbeitnehmerseite eine Ungleichbehandlung zwischen den Beschäftigten in "kleinen" Betrieben und jenen in Großbetrieben erzeuge. Der namentlichen Aufzählung von Arbeitgeberbetrieben müsse ein objektiv nachvollziehbares Prinzip zugrundeliegen. Veränderten sich die wirtschaftlichen Eckdaten eines Unternehmens längerfristig nachteilig, seien in erster Linie die Kollektivvertragspartner gefordert, eine Adaptierung des Geltungsbereichs der Gehaltstafel vorzunehmen. Unterließen sie diesen gesetzgeberischen Akt, sei man mit einem Gleichheitsproblem konfrontiert. Es sei von der Teilnichtigkeit einer ursprünglich korrekten Gehaltstafel auszugehen, wenn sie im Lauf der Zeit infolge einer Veränderung der Umstände invalidiert werde. Die Kollektivvertragsparteien dürften nicht eines oder mehrere ihrer Mitglieder benachteiligen. Täten sie es dennoch, missbrauchten sie ihre Regelungsmacht und gerieten unweigerlich in Konflikt mit Grundwertungen unserer Rechtsordnung. Möge der Oberste Gerichtshof im Ergebnis auch richtig liegen, sei es durchaus denkbar, dass die Unvollständigkeit einer namentlichen Aufzählung jener Unternehmen, für die eine Gehaltstabelle gelten solle, eine Unsachlichkeit darstelle.

Hiezu hat der erkennende Senat erwogen:

Die Nichtigkeitssanktion des § 879 Abs 1 ABGB erfasst auch Kollektivverträge. Sie (bzw einzelne Bestimmungen) sind (teil-)nichtig, wenn sie gegen die Gesetze oder die guten Sitten verstoßen (ArbSlg 10.447; SZ 67/149 ua). Der Oberste Gerichtshof hat zur Bundesbahn-Besoldungsordnung ausgesprochen, dass diese einem Kollektivvertrag gleichzuhalten und bei Verstoß gegen zwingendes Recht oder gegen die guten Sitten vom Gericht als ungültig zu behandeln sei. Bei der umfassenden die Umstände des einzelnen Falles berücksichtigenden Interessenabwägung sei auf den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses abzustellen (ArbSlg 10.447; ArbSlg 11.316). Damit folgte er dem allgemein in bürgerlichen Rechtssachen aufgestellten Satz, dass das Vorliegen der Voraussetzungen des § 879 ABGB im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses zu prüfen sei (EvBl 1984/110; SZ 67/123; RdW 1999, 196; 4 Ob 50/00g ua), und dass eine nachträgliche Änderung der Umstände Nichtigkeit grundsätzlich nicht begründen könne (SZ 9/203; 6 Ob 117/00z). In letztgenannter Entscheidung hat der Oberste Gerichtshof zur Interzession naher Angehöriger ausdrücklich klargestellt, dass es auf die im Zeitpunkt des Eingehens der Bürgschaftsverpflichtung gegebenen und in absehbarer Zeit zu erwartenden Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Interzedenten ankomme und dem Richter nicht das Recht gegeben sei, in einen inhaltlich nicht zu beanstandenden Vertrag einzugreifen, wenn sich die Lage des Schuldners im Nachhinein verschlechtere.

In diesem Zusammenhang ist auch darauf zu verweisen, dass bereits ausgesprochen wurde, das Vorliegen einer schwierigen wirtschaftlichen Situation des Unternehmens mache das Beharren des Arbeitnehmers auf ihm gesetzlich zustehende Ansprüche (Abfertigung) nicht sittenwidrig (ArbSlg 6722; ArbSlg 10.607; 9 ObA 346/98t). Ebenso wurde vom Obersten Gerichtshof ausgesprochen, dass eine Pensionszsuage ohne Widerrufsvorbehalt vom Arbeitgeber selbst bei erheblicher Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage nur durch ausnahmsweise zulässige Vertragsergänzung oder bei Kollusion einseitig abgeändert werden darf (SZ 62/4 mwH). Inwieweit dieser Rechtssatz (modifiziert) bei Vorliegen besonderer Umstände auch auf Kollektivvertragsparteien übertragen werden könnte, ist nicht zu überprüfen, weil es dem Antrag insoweit an Sachverhaltssubstrat mangelt. Ebenso kann ungeprüft bleiben, ob die zivilrechtlichen Grundsätze über den Wegfall der Geschäftsgrundlage auf die normativen Regelungen in Tarifverträgen angewendet werden können, was zumindest im deutschen Rechtsbereich bezweifelt wird (BAG, 4 AZR 531/75), weil der Rückgriff auf die Lehre vom Wegfall der Geschäftsgrundlage jedenfalls dann zu unterbleiben hat, wenn einerseits bereits im Zeitpunkt des Abschlusses des Vertragsverhältnisses mit der Möglichkeit einer Änderung der Geschäftsvoraussetzungen gerechnet werden musste (SZ 49/13; SZ 54/4; RdW 1990, 249; 1 Ob 234/99i ua) und andererseits das Gesetz ein Instrumentarium zur Verfügung stellt, auf die Auswirkungen veränderter Verhältnisse zu reagieren (SZ 51/25; 1 Ob 34/98a ua). Mag der Zeitpunkt der erstmaligen Vereinbarung des hier strittigen Teiles des Kollektivvertrages auch rund 40 Jahre zurückliegen, so war doch auch bereits damals allgemein bekannt, dass das Wirtschaftsleben ständigen Veränderungen unterworfen ist, weshalb nicht unterstellt werden kann, die Vertragspartner hätten nicht vorhersehen können, es würde eine dem Antragsvorbringen zumindest ähnliche Entwicklung eintreten. Abgesehen davon stünde den Kollektivvertragspartnern die Möglichkeit der Kündigung und der Neuverhandlung der strittigen Punkte offen, sodass auch insoweit der Rückgriff auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage nicht zulässig erscheint.

Der Oberste Gerichtshof hat aber gerade in jüngster Zeit der Änderung der Verhältnisse Rechnung getragen, indem er etwa eine enge Auslegung des § 11 ÖffnungszeitenG für geboten erachtete, um eine sich sonst durch die Öffnung des Marktes infolge des EU-Beitritts ergebende Inländerdiskriminierung für den Versandhandel zu vermeiden (SZ 71/192). Er hat weiters Arbeitnehmern, die in Unfallkrankenhäusern überwiegend septische Patienten betreuen, ungeachtet der bei Abschluss des Kollektivvertrages nicht vorhergesehenen Auflösung der septischen Stationen weiterhin die Gefahrenzulage zuerkannt und begründend dargelegt, dass tatsächliche Änderungen im Normbereich, die zur Zeit der Entstehung der Norm noch gar nicht bedacht worden sein konnten, nach dem historischen und noch immer aktuellen Normzweck zu beurteilen seien, auch wenn man dabei über die bisherige Auslegung hinausgehen oder wenn man ergänzende Rechtsfortbildung üben müsse (DRdA 2000, 74). Im hier zu beurteilenden Fall ist allerdings klarzustellen, dass einerseits - wie bereits ausgeführt - eine Änderung der Wirtschaftsstrukturen durchaus vorhersehbar war und andererseits die hier strittige Gehaltstafel infolge der namentlichen Aufzählung der betroffenen Unternehmen der Auslegung wohl nicht zugänglich ist, wie Jabornegg aaO zutreffend ausführt. Dazu kommt, dass eine derartige Auslegung, die nur in der Einbeziehung weiterer Unternehmen bestehen könnte, nicht Ziel des Antragstellers ist, der die Gehaltstafel in ihrer Gesamtheit beseitigt sehen will.

Verändern sich die tatsächlichen Umstände dergestalt, dass die Regelungen der Kollektivverträge unzweckmäßig oder unbefriedigend werden, so sind nicht die Gerichte, sondern die Kollektivvertragsparteien gehalten, den Kollektivvertrag zu ändern (ArbSlg 10.447; JBl 1996, 672). Allerdings haben die Gerichte die Kollektivverträge dahin zu überprüfen, ob sie gegen höherrangiges Recht, also die Verfassung, europäisches Gemeinschaftsrecht, zwingendes Gesetzesrecht, die guten Sitten oder tragende Grundsätze des Arbeitsrechts verstoßen (JBl 1996, 672 ua):

Auch die Kollektivvertragsparteien sind bei der Gestaltung des Kollektivvertrags an den verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz gebunden, wenngleich in Anbetracht ihrer Interessenwahrungspflicht von einer sogenannten "abgeschwächten" Grundrechtsbindung auszugehen ist (SZ 65/163; SZ 67/203; RdW 1998, 360 ua). Aus dem Gleichheitsgebot leitet der Verfassungsgerichtshof nicht nur ein Willkürverbot, sondern auch das Verbot unsachlicher Differenzierung ab. Er geht davon aus, dass eine zunächst gleichheitskonforme Regelung durch eine Änderung der "maßgeblichen tatsächlichen Verhältnisse" gleichheitswidrig werden kann (VfSlg 9995; VfSlg 13.917; G 1381/95 ua). Allerdings bringt der Verfassungsgerichtshof in seiner Judikatur in verschiedenen Zusammenhängen immer wieder zum Ausdruck, dass der Gleichheitsgrundsatz auch das Vertrauen in die Rechtsordnung unter bestimmten Voraussetzungen schütze. Rechtsnormen zielten auf die Steuerung menschlichen Verhaltens. Diese Funktion könnten Rechtsvorschriften freilich nur dann erfüllen, wenn sich die Normunterworfenen bei ihren Dispositionen grundsätzlich an der geltenden Rechtslage orientieren könnten. Daher könnten gesetzliche Vorschriften mit dem Gleichheitsgrundsatz in Konflikt geraten, weil und insoweit sie die im Vertrauen auf eine bestimmte Rechtslage handelnden Normunterworfenen nachträglich belasteten. Das könne bei schwerwiegenden und plötzlich eintretenden Eingriffen in erworbene Rechtspositionen, auf deren Bestand der Normunterworfene mit guten Gründen vertrauen konnte, zur Gleichheitswidrigkeit des belastenden Eingriffs führen (VfSlg 11.309; VfGH WBl 1989, 336). In seiner Entscheidung G 304/96, B 613/97 (ZfVB 1998/944) erkannte der Verfassungsgerichtshof zwar die einen Richter treffende Kürzung der Dienstzulage durch das StrukturanpassungsG 1996 als geringfügig (1,4 % des Bruttobezugs) und als gleichwertig zu den übrigen Sparmaßnahmen im Staatsdienst und daher verfassungskonform, führte aber allgemein aus, dass der aus dem Gleichheitssatz erfließende Vertrauensschutz schon dann besonderer Beachtung bedürfe, wenn Personen während ihrer aktiven Berufstätigkeit ihre Lebensführung auf den Bezug einer später anfallenden Pension eingerichtet haben. Insoweit die Regelung mittelbar zu einer Kürzung von Ruhebezugsansprüchen führe, könnte fraglich sein, ob dabei der besondere Vertrauensschutz, den Pensionisten - aber auch Personen, die nahe dem Pensionsalter sind - gegenüber plötzlichen und intensiven Eingriffen in erworbene Rechtspositionen genießen, zu beachten sei. Gerade dieses Erkenntnis zeigt die besondere Bedeutung, welche in diesem Zusammenhang der Verhältnismäßigkeitsprüfung zukommt, um einen "billigen Ausgleich" zwischen den Erfordernissen des Allgemeininteresses und denen des Grundrechtsschutzes des Einzelnen herzustellen (dazu eingehend:

Holoubek, Der verfassungsrechtliche Schutz von Aktiv- und Ruhebezügen von Beamten vor Kürzungen durch den Gesetzgeber, ZAS 1994, 5; Tomandl, Rechtspolitische Gestaltungsmöglichkeiten des Gesetzgebers bei der Pensionsreform, ZAS 1996, 73).

Aufbauend auf dieser Judikatur des Verfassungsgerichtshofes hat der erkennende Senat jüngst in seiner Entscheidung DRdA 2000/22 (mit im Wesentlichen zustimmender Glosse Runggaldier) ausgesprochen, dass der Verfassungsordnung zwar ein "Grundrecht wohlerworbener Rechte" fremd sei, diese Tatsache jedoch nicht die Minderung wohlerworbener Rechte jedweder Art und jedweder Intensität sachlich zu begründen vermöge, weil unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung der Vertrauensschutz zu berücksichtigen sei. Er hat weiters ausgesprochen, dass der Einwand, die Änderung einer Betriebsvereinbarung sei erforderlich gewesen, um den wirtschaftlichen Bestand des beklagten Unternehmens längerfristig zu sichern, nicht durchzuschlagen vermöge, weil eine dem von Tomandl aaO 79 als Rechtfertigung plötzlicher Eingriffe in Ansprüche genannten drohenden Staatsbankrott bei nicht erhöhbaren Einnahmen vergleichbare Situation bei der Beklagten nicht gegeben sei. Mazal verweist in seiner Glosse zu dieser Entscheidung in ecolex 2000/58 darauf, dass der Oberste Gerichtshof zutreffend die Frage des Schutzes wohlerworbener Rechte letztlich als Abwägungsproblem zwischen Interessen des Unternehmens und der Mitarbeiter erkannt habe.

Auch außerhalb des Themenkreises Ruhegeldanwartschaften und Pensionsleistungen wurde der Vertrauensschutz insbesondere bei längeren Überzahlungen wiederholt bejaht. So hat der erkennende Senat in seiner Entscheidung DRdA 1998, 58 ausgesprochen, eine durch 15 Jahre falsch berechnete Überstundenentlohnung könne vom Arbeitgeber nicht mehr einseitig auf den für ihn günstigeren kollektivvertraglichen Berechnungsmodus zurückgeführt werden. Die Arbeitnehmer genössen einen Vertrauensschutz in die bisherige Berechnung, die eine spürbare Auswirkung (5 %) auf die Lohnsumme der Arbeiter gehabt habe und damit auch Auswirkungen auf ihre Bereitschaft, am Arbeitsverhältnis mit dem Arbeitgeber festzuhalten.

Vor diesem rechtlichen Hintergrund ist noch festzuhalten, dass die Unterschiede der Einkommen nach der Gehaltstafel a und jenem der Gehaltstafel f etwa auf Grund des Kollektivvertrages des Jahres 1999 keinesfalls durchgehend als geringfügig betrachtet werden können, betragen sie doch zB in der Beschäftigungsgruppe 1 für Angestellte über 18 Jahre S 1.620, somit 11,75 %, und in der Beschäftigungsgruppe 2 im ersten Berufsjahr S 1.530, somit 10,42 %, im 18. Berufsjahr S 2.390, somit 11,82 %. Es ist weiters darauf zu verweisen, dass der Antrag nur jene Arbeitnehmer umfasst, die vor dem in ein Angestellten- oder Lehrverhältnis bei einem der in der Gehaltstafel f genannten Häuser eingetreten sind. Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass der begehrte Entfall der Gehaltstafel f nicht auch unerhebliche Auswirkungen auf zu erwartende Pensionen hat. Der Antragsteller hat sich darauf beschränkt, seine Position im Vergleich zu Mitbewerbern zu beschreiben und keinerlei Vorbringen erstattet, das die - wie dargestellt erforderliche - Verhältnismäßigkeitsprüfung erlauben würde. Es fehlt somit jegliches sachliches Substrat, um zu einer für den Antragsteller positiven Entscheidung zu gelangen. Es muss fraglich erscheinen, ob eine derartige Prüfung in Anbetracht der Größe der betroffenen Unternehmen und der Vielzahl der dort beschäftigten Arbeitnehmer in einem Verfahren nach § 54 Abs 2 ASGG überhaupt zielführend durchgeführt werden könnte, zumal die Kollektivvertragsparteien der behaupteten Änderung der Verhältnisse Rechnung getragen und eine den Vertrauensschutz wahrende Anpassung des Kollektivvertrags vorgenommen haben.

In Anbetracht dieser Verfahrenslage muss nicht weiter geprüft werden, ob die mangels Hinterlegung und Kundmachung gemäß § 14 ArbVG als Kollektivvertrag nicht wirksam gewordene Zusatzvereinbarung vom (vgl 9 ObA 244/98d), mit welcher die Mitgliedsunternehmungen des Antragstellers auf Austauschkündigungen verzichteten, nicht jedenfalls als Selbstbindungsnorm relevant ist, sodass die Antragstellung treuwidrig wäre. Würde nämlich dem Antrag stattgegeben, wäre im Ergebnis der tragende Gedanke der Vereinbarung, die nach der Gehaltstafel f zu entlohnenden Arbeitnehmer, solange sie nicht aus wirtschaftlichen oder organisatorischen Gründen entbehrlich werden, im Genuss dieses höheren Einkommens zu halten, zunichte gemacht.

Der Antrag ist abzuweisen.