OGH vom 14.02.2005, 16Ok1/05
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Kartellrechtssachen durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Birgit Langer als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Manfred Vogel und Dr. Gerhard Kuras sowie die fachkundigen Laienrichter Kommerzialräte Dr. Fidelis Bauer und Dr. Erich Haas in der Kartellrechtssache der Anmelderin L***** AG, *****, vertreten durch Jacobsen, Rechtsanwälte in Berlin und Schönherr Rechtsanwälte OEG, Rechtsanwälte in Wien, wegen Anmeldung eines Zusammenschlusses (§ 42a KartG), über den Rekurs der Anmelderin gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien als Kartellgericht vom , GZ 27 Kt 260, 338/04-49, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung:
Die L***** AG (im Folgenden: Anmelderin) meldete beim Kartellgericht am den Erwerb sämtlicher Anteile an der T***** Holding Ltd. (im Folgenden: Zielunternehmen) durch die D***** Holding GmbH, eine Tochtergesellschaft der Anmelderin, an. Die Anmeldung erfolge vorsorglich im Hinblick darauf, dass die Zielgesellschaft in Österreich kein oder ein vernachlässigbar geringes Gelegenheitsgeschäft habe. Der Zusammenschluss zeitige daher keine Auswirkungen in Österreich, die inländische Marktstellung der Anmelderin werde dadurch nicht berührt. Nach dem Auswirkungsprinzip sei eine Anmeldung daher nicht erforderlich, weshalb auch eine Entscheidung dahingehend beantragt werde, dass der Zusammenschluss keiner Anmeldung bedürfe.
Der Bundeskartellanwalt stellte einen Antrag auf Prüfung des Zusammenschlusses gemäß § 42b Abs 1 KartG. Die Europäische Kommission gehe von einem eigenständigen sachlich relevanten Markt für Lyocellstapelfasern aus, der in räumlicher Hinsicht das gesamte EWR-Gebiet umfasse. Die am Zusammenschlussvorhaben beteiligten Unternehmen hätten einen gemeinsamen Marktanteil von 99,5 %. Die Anmelderin sei ihrer eigenen Einschätzung nach in der Lage, für Lyocell Preiserhöhungen zu planen und durchzusetzen. Die Bundeswettbewerbsbehörde teilte in einer Stellungnahme mit, dass als sachlich relevanter Markt jener für die Herstellung und den Vertrieb von Faserprodukten für die textile und nichttextile Anwendung anzunehmen sei. Zwar gehe die Entscheidung der Kommission CVC-Lenzing vom (M 2187) davon aus, dass Lyocell ein eigener Markt sei, die österreichischen Abnehmer von Lenzing hätten aber - abgesehen von einer einzigen widersprüchlichen Aussage - betont, dass die Lyocellfaser substituierbar mit anderen cellulosischen Fasern, aber auch mit Baumwolle, sei. Lyocell sei ein substituierbares Nischenprodukt. Der Anteil der Fusionswerber am Gesamtfasermarkt weltweit betrage nur 5 %. Zur volkswirtschaftlichen Rechtfertigung werde darauf verwiesen, dass die Anmelderin der einzige inländische Viskosefaserproduzent sei. Mit dem Wegfall der Importquote im Jahr 2004 werde der Importdruck, besonders aus China, schlagartig zunehmen. Um Österreich am globalen Textilmarkt wettbewerbsfähig zu erhalten, brauche Österreich ein starkes Potential an Forschung und Entwicklung. Der Zusammenschluss sichere besonderes Know-How der Lyocellerzeugung und garantiere einen gewissen Standortvorteil gegen einen globalisierten Markt. In einer Stellungnahme der Z***** AG (in der Folge: Einschreiterin), einem im Bereich der Verfahrenstechnik im Anlagenbau tätigen und damit vom Zusammenschlussvorhaben betroffenen Unternehmen, wird darauf verwiesen, dass durch den Zusammenschluss ein weltweites Monopol entstehe, das den Wettbewerb zur Gänze ausschalte. Unter Berücksichtigung ihrer textilphysikalischen Eigenschaften sei die Lyocellfaser als eigenständig und nicht durch andere Fasern substituierbar zu beurteilen. Es bestehe ein deutlich unterschiedliches Eigenschaftsprofil zur Viskose, auch für den Endverbraucher sei Lyocell nicht durch Viskose substituierbar, weil nur erstere Faser waschbar sei. Der gemeinschaftsweite Markt betreffend Lyocell sei zwischen den am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen etwa zu gleichen Teilen aufgeteilt. Sowohl der gemeinschaftsweite als auch der Weltmarkt werde ausschließlich von den beiden zusammenschlussbeteiligten Unternehmen bedient. Auf Grund der speziellen Eigenschaften von Lyocell (hohe Trockenfestigkeit, hohe Nassfestigkeit, hohes Wasseraufnahmevermögen) sei der Bedarf an dieser Faser für textile Anwendungen stark steigend, dies auch auf Grund der geringen direkten Herstellkosten im Lyocellverfahren gegenüber dem klassischen Viskoseverfahren (reduzierte Prozessschritte, reduzierter Chemikalieneinsatz und hohe Rückgewinnungsraten). Die Lyocelltechnologie sei von beiden am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen in den Jahren 1982 bis 1992 jeweils eigenständig entwickelt worden und mit zahlreichen Patenten geschützt. Im Jahr 1997 sei zwischen den zusammenschlussbeteiligten Unternehmen ein Patentpool geschaffen worden, der bis heute ausschließlich den daran beteiligten Unternehmen zugänglich sei. Die Einschreiterin habe mit der Verfahrensentwicklung 1997 begonnen und eine semikommerzielle Pilotanlage errichtet, um ein eigenständiges Verfahren zur industriellen Herstellung der hochwertigen und zukunftsträchtigen Cellulosefaser auf dem Markt anbieten zu können. Um möglichen Patentdiskussionen präventiv zu begegnen, sei die Einschreiterin mit dem Zielunternehmen in Lizenzverhandlungen eingetreten, die von dessen Seite Mitte 2003 abgebrochen worden seien, was vermutlich mit dem sich anbahnenden Zusammenschluss im Zusammenhang stehe. Die Anmelderin habe am eine Klage gegen die Einschreiterin im Zusammenhang mit Patentverletzungen eingebracht; ihr Vorstandsvorsitzender habe in einer Presseaussendung erklärt, dass das Unternehmen fest entschlossen sei, seinen durch Patente geschützten Vorsprung in der Lyocelltechnologie zu verteidigen, und dass man überzeugt sei, auf Grund der Patentsituation die Lyocellaktivitäten der Einschreiterin in Deutschland und in anderen Patentländern untersagen zu können. Der Zusammenschluss wirke sich daher auch auf den Wettbewerb im Bereich der Verfahrens- und Anlagentechnik aus und führe auch dort zu einer ausgeprägten Monopolstellung. Es bestehe keine volkswirtschaftliche Rechtfertigung, weil es mit dem Entstehen eines Monopols zukünftig zu keiner Verbesserung der Wettbewerbsbedingungen kommen könne und der Zusammenschluss zu einer Verringerung der Alternativen für österreichische Abnehmer führe.
Das Erstgericht wies den Antrag zu entscheiden, dass der Zusammenschluss der Anmeldung nicht bedarf bzw die Anmeldung mangels Anmeldebedürftigkeit zurückzuweisen, ab (Punkt 1) und sprach aus, dass der angemeldete Zusammenschluss untersagt wird (Punkt 2). Es traf umfangreiche Feststellungen, aus denen folgende herauszuheben sind:
A) Die beteiligten Unternehmen
Die Anmelderin hat vier Geschäftsbereiche (Gesamtumsatz im Jahr 2003 weltweit von 623 Mio EUR, inländischer Anteil daran ca. 127 Mio EUR), nämlich 1. "Plastic" mit einem Umsatzanteil von ca. 80-90 Mio EUR, 2. Anlagenbau mit 70-80 Mio EUR, 3. Papier mit rund 50 Mio. EUR Umsatz und 4. den Faserbereich, der mit ca 440 Mio EUR etwa 70 % des Gesamtumsatzes ausmacht. Sie produziert ausschließlich cellulosische Fasern, also Viskose und Lyocell. Die Viskoseproduktion betrug im Jahr 2003 rund 210.000 Tonnen. Lyocell wurde zunächst mit einer Kapazität von ca 16.000 bis 20.000 Tonnen pro Jahr produziert; nach Inbetriebnahme einer zweiten Produktionslinie 2004 verdoppelte sich die Produktion auf ca. 36.000 bis 40.000 Tonnen jährlich. Der Exportanteil des Unternehmens an der Faserproduktion beträgt rund 80
%.
Das Zielunternehmen mit Sitz in London besitzt fünf direkte und indirekte Tochtergesellschaften und beschäftigt sich ausschließlich mit der Herstellung von Lyocell unter der Marke "Tencel". Der weltweite Umsatz von Tencel 2003 betrug rund 100 Mio EUR, davon im EU(15)-Bereich rund 27 Mio EUR. Das Zielunternehmen ist Teil einer niederländischen CVC-Gruppe, die Investmentfonds berät und verwaltet und an über 70 Unternehmen Beteiligungen hält. 2001 beabsichtigte die Bank Austria Creditanstalt-Gruppe den Verkauf ihrer Anteile an der Anmelderin an die CVC. Der geplante Zusammenschluss wurde von der Europäischen Kommission mit Entscheidung vom untersagt, weil er zur Begründung einer beherrschenden Stellung auf den EWR-Märkten für Standard-Viskose-Stapelfasern, spinngefärbte Viskose-Stapelfasern, Lyocell und die Lyocell-Produktions- und -Verarbeitungstechnologie führen und wirksamen Wettbewerb im gemeinsamen Markt erheblich behindern würde. Diese Entscheidung wurde von den damaligen Zusammenschlusswerbern nicht bekämpft. Die Übernahmeverhandlungen zwischen den Fusionswerbern fanden 2003 statt. Der damalige und auch nunmehrige Rechtsberater der Anmelderin war schon damals der Auffassung, eine Zusammenschlussanmeldung in Österreich sei trotz Erreichens der Umsatzschwellen des Kartellgesetzes im Hinblick auf das Wirkungsprinzip entbehrlich. Tatsächlich wurde der Zusammenschluss weltweit nirgendwo angemeldet. Mit Wirkung vom übernahm die Anmelderin das Zielunternehmen durch eine ihrer Tochtergesellschaften, womit nach einer Presseerklärung der Anmelderin deren Position als einer der weltweit führenden Hersteller hochqualitative Fasern auf Cellulosebasis weiter abgesichert werde. Der Zusammenschluss wurde am "vorsorglich" beim Kartellgericht angemeldet.
B) Zur Gliederung des Fasermarktes
Nach dem Ausgangsmaterial unterteilt man den Faserbereich in Naturfasern tierischen oder pflanzlichen Ursprungs (zB Baumwolle und Wolle) und künstlich ("man-made") hergestellte Fasern, bei denen man einerseits auf Erdölbasis gewonnene Synthesefasern (zB Polyester, Polypropylen, Polyamid und Acryl), andererseits Cellulosefasern mit dem Ausgangsprodukt Holz (zB Lyocell und Viskose) unterscheidet. Cellulosefasern werden gebündelt und auf Stapel geschnitten, weshalb sie auch als Stapelfasern bezeichnet werden. Alle genannten Fasern können entweder für textile Anwendungen ("wovens-Bereich"), also zur Herstellung von Garnen und Geweben verwendet, oder zu Vliesen ("non-wovens-Bereich"), also zB als Füllmaterial für Decken und Babywindeln, aber auch als Wischtücher uä verarbeitet werden.
C) Die Produktion
Viskose wird seit rund 70 Jahren unter Verwendung chemischer Lösungsmittel hergestellt, die nicht zur Gänze wiederverwertet werden können, dadurch entstehen höhere Produktionskosten. Das Herstellungsverfahren belastet die Umwelt. Das Lyocellverfahren wurde zwischen 1985 und 1995 entwickelt. Die dabei verwendeten Lösungsmittel können zur Gänze wiederverwertet werden und sind wenig giftig bis ungiftig; Lyocell lässt sich daher umweltschonender und billiger erzeugen als Viscose. Die Entwicklung des Produkts erfolgte von den Fusionswerbern unabhängig voneinander; das Zielunternehmen produziert seit cirka 1992 für den Markt, die Anmelderin seit 1997. Bei der Lyocellproduktion wird das Celluloseausgangsmaterial mit einem Lösungsmittel zu honigartiger Konsistenz verflüssigt und durch Siebe gepresst, wodurch tausende feine Fäden entstehen. Diesen wird im weiteren Verarbeitungsprozess das Lösungsmittel wieder entzogen. Die dadurch entstehenden Faserstränge werden zuletzt in 4-8 mm lange Faserstücke zerschnitten und getrocknet, sodass ein watteartiges Produkt entsteht. Als Abnehmer kommen im Wesentlichen Spinnereien und Webereien in Betracht. Die Großproduktionsanlage der Anmelderin für Lyocell befindet sich in Heiligenkreuz. Sie war ursprünglich auf eine Kapazität von rund 12.000 Tonnen pro Jahr ausgelegt und hatte von Produktionsbeginn bis Anfang 1998 eine so gute Auslastung, dass die Kapazität ausgereizt wurde und rund 16.000 Tonnen pro Jahr produziert werden konnten. Im Gefolge der sogenannten "Asienkrise" ging dann die Produktion zurück. 2003 wurde eine zweite Produktionsstraße errichtet, sodass die derzeitige Kapazität bei rund 36.000 bis 40.000 Tonnen pro Jahr liegt, die Produktion bei rund 25.000 Tonnen pro Jahr. Die Kapazität der beiden Produktionsstätten des Zielunternehmens in den USA und in Großbritannien liegt bei jeweils 40.000 Tonnen, die tatsächliche Produktion bei rund 23.000 bzw 25.000 Tonnen pro Jahr.
D) Der Markt
Die Gesamtfaserproduktion betrug 2003 weltweit rund 58 Mio Tonnen, davon entfielen rund 35 Mio Tonnen oder 61 % auf man-made-Fasern und rund 39 % auf natürliche Fasern. Den weitaus größten Anteil der natürlichen Fasern (rund 37 %) macht Baumwolle aus, Wolle hält einen Anteil von etwa 2 %. Unter den man-made-Fasern ist der größte Anteil jener der Synthesefasern aus Erdöl; rund 37 Mio entfallen auf Polyester, 17 Prozent auf andere solche Synthesefasern. Etwa 5 % des Gesamtfasermarkts entfallen auf Cellulosefasern, also im Wesentlichen Viskose und Lyocell, wobei der jährlichen Produktion von ca 2,9 Mio Tonnen Viskose ca. 70.000 Tonnen Lyocell gegenüberstehen. Der gesamte Faserbedarf weltweit ist seit 1970 deutlich angestiegen, er betrug Anfang der 70er Jahre noch 22 Mio Tonnen pro Jahr. Seit etwa 1990 sind die man-made-Fasern der wichtigste Fasertyp, dessen Herstellung seit dieser Zeit jährlich um durchschnittlich 4,7 % gestiegen ist, während die Produktion natürlicher Fasern im gleichen Zeitraum um rund 0,4 % gesunken ist. Der Anteil der man-made-Fasern konnte von 38 % Anfang der 70er Jahre auf 61% erhöht werden. Zu diesem kontinuierlichen Wachstum hat vor allem der Anstieg der Synthesefaserproduktion geführt, die von rund 5 Mio Tonnen 1970 auf 32 Mio Tonnen gestiegen ist. Die Produktion von Cellulosefasern ist innerhalb der letzten 30 Jahre relativ konstant geblieben, so wurden 1970 3,6 Mio Tonnen produziert, 2003 rund 2,9 Mio Tonnen. Innerhalb der letzten fünf Jahre ist dagegen der Verbrauch an Cellulosefasern weltweit gestiegen, und zwar von 1,6 Mio Tonnen 1997 auf rund 2,9 Mio Tonnen 2003. Der Anteil des Lyocell an den Cellulosefasern ist mengenmäßig gering, sein Wachstum ist allerdings überproportional. So betrug die Produktion 1997 rund 31.000 Tonnen, 2003 rund 72.000 Tonnen. In den letzten 30 Jahren kontinuierlich gesunken ist der Anteil der Baumwolle. Weltweit konnte die Zielgesellschaft 2003 rund 47.000 Tonnen Lyocell absetzen, was rund 65 % des Gesamtmarktes von rund 72.000 Tonnen entspricht, die Anmelderin hielt einen mengenmäßigen Anteil von 20 %, was einen gemeinsamen Marktanteil von 85 % ausmachen würde. Bedenkt man, dass 15 % von 72.000 Tonnen rund 10.000 Tonnen ausmachen, kann nicht festgestellt werden, von welchem Wettbewerber diese Produktionsmenge stammen könnte. Die kolportierte Produktionsmenge des einzigen aktiven Wettbewerbers Hanil in Südkorea beträgt rund 3.000 Tonnen jährlich, was einem Marktanteil von 4,2 % für 2003 entspricht. Im Gegensatz zum weltweiten Anstieg der Faserproduktion ist der europäische Faserverbrauch rückläufig; deshalb wird die Entwicklung der Lyocellfaser als "one bright spot" gesehen, dessen "demand continued to go up sharply" (so ein einschlägiger Firmenbericht). Der Absatz der Fusionswerber bei Lyocell ist europaweit in den letzten drei Jahren gestiegen, für die Zielgesellschaft betrug das Wachstum 36 %, für die Anmelderin 4 %. Die Zielgesellschaft konnte dabei ihre Umsätze von rund 18,8 Mio EUR auf 25,6 Mio EUR anheben, die Anmelderin von 15,4 Mio EUR auf 16,1 Mio EUR. 2002 konnte die Zielgesellschaft ihre Umsätze um 32 % steigern, die Anmelderin um 36 %. 2003 betrug die Umsatzsteigerung bei der Zielgesellschaft 3 %, während die Anmelderin - auch bedingt durch einen Störfall samt Produktionsausfall in ihrem Werk Heiligenkreuz - einen Rückgang um 23,2 % erlitt. Das Wachstum der Absätze betrug in den letzten drei Jahren bei der Zielgesellschaft plus 68,7 %, während die Anmelderin - wohl auch bedingt durch den Produktionsausfall - 16,5 % der Absatzmenge einbüßte. Zwischen 2001 und 2002 stieg die Absatzmenge bei der Zielgesellschaft um 52,4 %, bei der Anmelderin um 33,6 %. EU-weit betrug der Marktanteil der Zielgesellschaft 2003 rund 60 % oder 12.500 Tonnen, jener der Anmelderin 32 % oder rund 6.500 Tonnen. Beide Unternehmen zusammen hätten daher nach eigenen Angaben auf dem Markt für Lyocell einen Anteil von 92 %, wobei nicht festgestellt werden kann, von welchem Wettbewerber die restlichen 8 % stammen könnten. Der inländische Stapelfasermarkt beträgt rund 90.000 Tonnen pro Jahr, davon entfallen rund 32.000 Tonnen auf Wolle und Baumwolle, rund 16.000 Tonnen auf synthetische Fasern und rund 43.000 Tonnen auf Cellulose, davon wieder rund 31.000 bis 32.000 Tonnen auf Viskose und 6.000 Tonnen auf Acetatkabel (für Zigaretten). Die überwiegenden Absatzgebiete liegen in Fernost und Nordamerika (rund 70-80 % der Produktion), der Rest bleibt in Europa. Nach den Angaben der Anmelderin errechnet sich für 2003 eine inländische Gesamtmarktmenge von 1.264 Tonnen Lyocell. Ins Verhältnis gesetzt zu den Absatzdaten der Anmelderin ergäbe sich daraus für 2003 ein Marktanteil der Anmelderin von 67,2 % und der Zielgesellschaft von 18,2 %, wobei allerdings ein Volumen von 14,6 % keinem Unternehmen zugeordnet werden könnte. Bei letzterer Position könnte es sich allenfalls zum Teil um die von der Anmelderin erwähnten cirka 500 Tonnen Lyocell handeln, die im Wege der Lohnfertigung von einem spanischen Unternehmen im Jahr 2003 in Österreich verarbeitet worden sein sollen. Die Umsätze in Österreich widersprechen insbesondere bei der Zielgesellschaft dem gesamteuropäischen Trend. So wurden im Jahr 1995 rund 66 Tonnen Lyocell aus Großbritannien nach Österreich importiert, im Jahr 1998 waren es 640 Tonnen. Auch im Jahr 1999 wurden 464 Tonnen Lyocell im Wert von rund 1,4 Mio EUR nach Österreich importiert, im Jahr 2000 waren es 535 Tonnen im Wert von rund 1,54 Mio EUR, 2001 509 Tonnen im Wert von rund 1,5 Mio EUR. Danach verringerten sich die Importe drastisch auf zB 230 Tonnen im Wert von rund 550.000 EUR im Jahr 2002 und 250 Tonnen im Wert von 636.000 EUR im Jahr 2003. Zwischen 2001 und 2002 ging daher der österreichische Umsatz von Tencel um mehr als 50 % zurück, während die Anmelderin einen Rückgang von lediglich 16,6 % verzeichnete. Im Jahr 2003 dagegen verzeichnete Lenzing sogar ein Umsatzwachstum in Österreich.
E) Zur Marktentwicklung
Mit einem durchschnittlichen Anstieg des Faserverbrauches von 2 % p. a. wird gerechnet. Bei einem weiteren anteilsmäßigen Rückgang der Baumwolle auf etwa 20 % des Gesamtfasermarktes ist ein weiterer erheblicher Anstieg des Synthetikfaserbereiches auf rund 60 % des Gesamtmarktes zu erwarten; für Wolle dagegen wird ein etwa gleichbleibender Marktanteil angenommen, bei traditioneller Cellulose ein (wenn auch geringfügiger) Rückgang, sodass nach Schätzungen der Anmelderin eine erhebliche "Celluloselücke" zur Abdeckung des Gesamtfaserbedarfes entstehen wird, die zumindest 15 % des Gesamtfaserverbauches erreichen wird. Ende des Jahres 2004 fallen im Textilbereich die Importbeschränkungen in die EU, weshalb danach mit verstärktem Druck aus Fernost gerechnet wird.
F) Zur Wertschöpfungskette
Konsumenten können aus dem großen Angebot von textilen Bekleidungsstücken aus unterschiedlichsten Fasern wählen, wobei neben dem Preis auch Kriterien wie Funktionalität, Marke, Stil oder Ästhetik kaufbestimmend sind. Das Kleidungsstück wird daher in der Regel nicht auf Grund einer bestimmten Faser ausgewählt. Handelsketten und Designer berücksichtigen ihrerseits die Reaktionen der Endkonsumenten, um erfolgreich Trends entwickeln zu können und wählen demnach die Stoffe aus Musterstücken von Gewebeherstellern aus. Einerseits geben daher Handel und Designer bestimmte Kriterien vor, andererseits kann der Fabrikant von Stoffen die Auswahl des Handels bzw der Designer beeinflussen. Die Entwicklung, das Design der Stoffe und der Kleidungsstücke ist ein gemeinsamer Prozess zwischen Designern und Kleiderherstellung und dem Handel, wobei die Kleidungsproduzenten die jeweiligen Stoffe bei den Stofflieferanten bestellen, die wiederum die dafür benötigten Gewebe und Gestricke bei Webereien und Strickereien bestellen. Die Webereien wiederum kaufen entsprechend den Wünschen ihrer Kunden die einzelnen Garne bei den Spinnereien. Um die bestellten Garne produzieren zu können, beziehen die Spinnereien ihrerseits die Fasern bei den entsprechenden Faserherstellern. Der Weg der Textilkette von der Faser bis zum Endkunden durchläuft daher viele Stufen und Zwischenprodukte, sodass der Vorlauf vom Verkauf des ersten Kleidungsstückes bis zur Herstellung der Faser rund neun Monate benötigt. Die höchste Wertschöpfung des textilen Bekleidungsstückes erfolgt am oberen Ende der Textilkette, also bei der Kleidungsproduktion selbst, beim Zuschneiden, Nähen und Verpacken. Die Stufe der Faserherstellung macht dagegen einen sehr geringen Anteil am Wert des Endproduktes aus. So können aus einem Kilogramm Viskose oder Lyocellfaser rund drei Herrenoberbekleidungsstücke gefertigt werden. Bei einem Preis für 1 kg zB Lyocell im Bereich von 2 EUR bis 2,50 EUR liegt daher der wertmäßige Anteil des Faserproduktes am Endverkaufsprodukt bei rund 60 bis 70 Cent pro Hemd. Im non-wovens-Bereich ist die Wertschöpfungskette ähnlich, aber verkürzt. Faserprodukte können zwar auch „sortenrein" verwendet werden, insbesondere im Textilbereich werden aber Mischungen aus verschiedenen Fasern verwendet, um die Eigenschaften der einzelnen Fasern miteinander zu kombinieren und so bestmögliche Ergebnisse zu erreichen.
G) Die Preisentwicklung
In den letzten 5 Jahren schwankte der Preis von Viskose zwischen etwa 1,44 EUR und 1,69 EUR pro Kilo, jener für Baumwolle bewegte sich in der Bandbreite zwischen 1,08 EUR und 1,09 EUR. Bei Lyocellfaser war ein deutlicher Preisrückgang von rund 2,97 EUR 1997 auf rund 2 EUR 2003 zu beobachten; für 2004 ist nach Angaben der Anmelderin mit einem Preisanstieg zu rechnen. Im non-wovens-Bereich kostet 1 kg Lyocell zwischen 1,40 EUR und 1,60 EUR, im wovens-Bereich um rund 2 EUR. Der Kilopreis der Baumwolle unterliegt großen Schwankungen, je nach Ernte, Menge und Qualität; er liegt derzeit bei Baumwolle geringer Qualität bei cirka 1,8 US-Dollar. Auch innerhalb des Polyesters gibt es große Preisunterschiede, der Preis pro kg liegt in etwa zwischen 1,5 und 2 US-Dollar. Bei Viskose besteht ein großer Preisunterschied zwischen dem wovens- und non-wovens-Bereich. Spezialitätenviskose wird im Preis teilweise über 2 EUR pro kg gehandelt. Bei Lyocell liegen die Preise im non-wovens-Bereich bei denen von Viskose, im Textilbereich zwischen 1,9 und 2,1 EUR pro kg. Bei der Menge Stoff, die zB aus 1 kg Viskose, Polyester oder Lyocell hergestellt werden kann, gibt es keine signifikanten Unterschiede.
H) Die Wettbewerber
Bei Lyocell gibt es neben den beiden Zusammenschlusswerbern ein Produktionsunternehmen in Südkorea, das dem Vernehmen nach rund 3.000 Tonnen Lyocell pro Jahr produzieren soll; ob dieses qualitativ mit Lyocell oder Tencel zu vergleichen ist, kann nicht festgestellt werden.
I) Die Marktabgrenzung
Zur Abgrenzung des sachlich relevanten Marktes wurden die wichtigsten Kunden der Zusammenschlusswerber, insgesamt rund 70, befragt, die rund 75 % der gesamten Absatzmenge an Lyocell in Tonnen repräsentieren. Die Befragung hat ergeben, dass bei einer 5 %igen Preiserhöhung die Nachfragehäufigkeit nach Lyocell (im Vergleich zu Viskose) von 69,1 % auf 67,3 % sinken würde. Der relative Rückgang der Nachfragehäufigkeit auf Grund einer 5 %igen Preiserhöhung für Lyocell beträgt 2,6 %. Der Deckungsbeitrag der Anmelderin im Bereich der Lyocellproduktion würde sich dabei durch die höheren Erlöse um 7,7 % verbessern. Die Nachfrager würden daher bei einer 5 %igen Preiserhöhung nicht in solch hohem Ausmaß auf andere Produkte, wie zB Viskose, ausweichen, dass die Preiserhöhung für Lenzing nicht profitabel wäre. Viskose ist demnach nicht dem sachlich relevanten Markt hinzuzurechnen. Im Test mit sämtlichen anderen Fasern zeigen die Antworten der Abnehmer (Nachfrager), dass sich die Nachfragewahrscheinlichkeit für Lyocell bei einer 5 %igen relativen Preiserhöhung von 0,2620 % auf 0,2585 % verringern würde, was einem relativen Nachfragerückgang von 1,355 % für Lyocell entspricht. Die Nachfragewahrscheinlichkeit für Lyocell ist in diesem Fall absolut gesehen um ein Vielfaches geringer, da sämtliche Fasern zur Wahl stehen, andererseits ist aber auch der relative Rückgang infolge einer Preiserhöhung geringer. In diesem Fall errechnet sich eine Verbesserung des Deckungsbeitrages um 8,97 %, was wiederum bedeutet, dass auch in diesem Fall die Nachfrager nicht in einem solchen Ausmaß auf andere Produkte, nämlich sämtliche Faserarten, ausweichen würden, dass die Preiserhöhung für Lenzing nicht profitabel würde. In beiden Testvarianten ergibt sich daher, dass Lyocell ein eigener sachlich relevanter Markt ist. Eine 5 %ige Preiserhöhung wäre für einen hypothetischen Monopolisten profitabel, weil die Kunden nicht in ausreichenden Maße zu anderen Faserprodukten wechseln würden. Dasselbe Ergebnis gilt für eine Preiserhöhung von 10 %. Die Preiskorrelationen zwischen Viskose und Lyocell betrugen im Zeitraum 1995 bis 2004 0,055. Dies bedeutet, dass keine signifikante Preiskorrelation besteht, dass sich also die Preise für Lyocell und Viskose im Verlaufe der letzten 10 Jahre unabhängig voneinander entwickelt haben. Der Preiskorrelationskoeffizient für Viskose und Lenzing-Lyocell beträgt 0,137, jener zwischen Viskose und Tencel-Lyocell liegt mit -0,001, noch niedriger und bestätigt daher die Aussagen zur Preiskorrelation zwischen Viskose und Lyocell allgemein, ebenso wie die Ergebnisse des hypothetischen Monopolistentests. Wären Viskose und Lyocell dem gleichen Markt zuzurechnen, müsste die beoabachtete Preiskorrelation deutlich höher liegen. Die Preiskorrelation von Lyocell und Baumwolle betrug im Zeitraum 7/1995 bis 2004 insgesamt 0,683, zu Lyocell-Lenzing 0,674 und zu Lyocell-Tencel 0,766. Jene zwischen Lyocell und Polyester betrug 0,661, und zwar gegenüber Lyocell-Lenzing 0,133 und gegenüber Lyocell-Tencel 0,540. Die Preiskorrelation zwischen Lyocell und Polypropylen zwischen 1999 und 2004 betrug insgesamt 0,011, gegenüber Lyocell-Lenzing 0,363 und gegenüber Lyocell-Tencel -0,044. Erst bei einem Preiskorrelationskoeffizienten von 0,8 oder höher ist von einer starken Preiskorrelation, also einer ausreichenden Übereinstimmung der Preisentwicklung, auszugehen; darunter liegende Werte bedeuten, dass sich die Preise nicht in die gleiche Richtung entwickelt haben. Ein Preiskorrelationskoeffizient von +1 würde eine perfekt gleiche Preisentwicklung bedeuten, ein Preiskorrelationskoifizent von -1 eine perfekt gegengleiche Entwicklung.
J) Zu den Beihilfen
Für die Errichtung ihres Werks in Heiligenkreuz wurde der Anmelderin (bestätigt durch die Entscheidung der Europäischen Kommission vom in einem Beihilfenverfahren) Beihilfe auf der Grundlage gewährt, dass es sich bei Lyocell um einen neuen Typ von man-made-Stapelfasern aus natürlicher Cellulose handle. Der Hauptgrund für die staatlichen Garantien und Beihilfen lag nach dieser Entscheidung im behaupteten innovativen Charakter der Investition, die ein neues, innovatives Produkt und einen neuen innovativen Produktionsprozess betreffe. Zum Wettbewerbseinfluss werde ausdrücklich der Standpunkt vertreten, dass Lyocellfasern vom allgemeinen Viskosefasermarkt zu unterscheiden seien, was in den Stellungnahmen der "interessierten Parteien" bestätigt werde. Berücksichtige man die Tatsache, dass die Produktqualitäten auch von den Kunden als unterschiedlich betrachtet würden und dafür ein höherer Preis verlangt werde als für normale Viskosefaser, gehe die Kommission ebenfalls davon aus, dass es sich um zwei Produktmärkte mit ausreichender Unterscheidbarkeit handle, weshalb der wettbewerbliche Einfluss vergleichsweise limitiert sei.
K) Zur Angebotssubstituierbarkeit
Lyocell wird in einem völlig anderen Produktionsverfahren als Viskose hergestellt und ist für die Zusammenschlusswerber durch rund 300 Patente geschützt. Die Umstellung der Produktion von Lyocell- auf Viskosestapelfaser bedeutet daher einen völlig neuen Produktionsablauf, für den neue Produktionsstätten errichtet werden müssen, abgesehen davon, dass hiefür die entsprechenden Patente notwendig wären. Ähnlich hohen Aufwand an Kosten und Zeit würde eine Umstellung des Angebotes von Lyocellfaser auf Synthesefasern bzw Baumwolle bedeuten. Es handelt sich dabei um völlig unterschiedliche Rohstoffe, die nach völlig verschiedenen Verfahren hergestellt werden.
L) Zum Technologiemarkt
Dem Markt für die Lyocellproduktion vorgelagert ist die Lyocellproduktions- und Verarbeitungstechnologie, weil für die Herstellung der Lyocellfaser besondere Produktionsanlagen und ein besonderes Verfahren notwendig sind. Die Anmelderin unterhält einen eigenen Geschäftsbereich für Anlagenbau, der auch die Planung und Herstellung des eigenen Lyocellwerkes durchführte. Es kann nicht festgestellt werden, dass die Produktiontechnologie oder die Verarbeitungstechnik auch anderen Unternehmen angeboten würden. Das Zielunternehmen unterhält keine eigene Anlagenbau- oder Technologieabteilung und bietet solche Leistungen auf dem Markt ebenfalls nicht an. Auf diesem Markt tätig ist die Einschreiterin mit einer Pilotanlage für die Lyocellproduktion in Thüringen, BRD, die für sich in Anspruch nimmt, damit eine von den Patenten der Lenzing und Tencel unabhängige Technologie zur Herstellung von Lyocell erfunden zu haben. Weitere Wettbewerber oder Aktivitäten auf dem Produktions- und Verarbeitungstechnologiesektor können nicht festgestellt werden. Die von den Fusionswerbern gehaltenen Patente zur Herstellung von Lyocell (jeweils rund 150) wurden im Jahr 1997 nach Bereinigung eines Patentstreites zwischen den genannten Unternehmen zu einem Patentpool zusammengefasst und wechselseitig Lizenzen gewährt.
M) Zu den Marktzutrittsbeschränkungen
Die gesetzlichen Marktzutrittsbeschränkungen sind niedrig, insbesondere durch die besondere Umweltfreundlichkeit des Herstellungsverfahrens von Lyocell. Strukturelle Zutrittsschranken bestehen vor allem im Hinblick auf die Patente der Fusionswerber. Die Anmelderin hat in einer Pressemitteilung dargelegt, fest entschlossen zu sei, den durch Patente geschützten Vorsprung in der Lyocelltechnologie zu verteidigen; sie sei überzeugt, auf Grund ihrer Patentposition die Lyocellaktivitäten der Einschreiterin in Deutschland und anderen Patentländern untersagen zu können. Nach den Angaben der Zusammenschlusswerber im Verfahren vor der Europäischen Kommission wurden die meisten Patente zwischen 1991 und 1998 angemeldet. Als weitere strukturelle Marktbeschränkung bestehen Skaleneffekte, weil die Fixkosten der Investitionen in eine neue Produktionsanlage bei etwa 100 Mio EUR für eine Kapazität von 30.000 Jahrestonnen liegen. Ebenso sind, wenn Lizenzen für die bestehenden Patente nicht erteilt werden, hohe Forschungs- und Entwicklungsausgaben zu erwarten. Bei den strategischen Zutrittsbeschränkungen ist einerseits die Markenloyalität zu nennen, die von den Vertretern aller Stufen der Abnehmerkette von Lyocell bestätigt wurde. Lyocell und Tencel haben eine hohe Markenreputation. Vor allem europäische Abnehmer bevorzugen europäische Fasern, einerseits auf Grund des Aufwandes, die Ware aus Asien zu beziehen, und andererseits im Hinblick auf Qualitätsaspekte. An potentiellen Wettbewerbern ist ein chinesisches Unternehmen bekannt, bei dem aber die Planung zur Errichtung einer Produktionsanlage noch nicht abgeschlossen ist.
N) Zu weiteren Faktoren der Marktbeherrschung
Durch den Zusammenschluss könnte das Produktangebot im Bereich Lyocell verbreitert und das Image der Marke „Tencel" übergreifend verwendet werden. Für das neu entstehende Unternehmen gäbe es größere Möglichkeiten zur Produktbündelung und Koppelung. Zum Umsatz des Konzerns der Anmelderin käme durch den Zusammenschluss ein Umsatz von rund 100 Mio EUR jährlich, dies sind rund 16% des Gesamtumsatzes der Anmelderin, hinzu. Der Umsatz im Faserbereich würde sich um ein Viertel vergrößern und zu einer deutlichen Aufwertung dieses Geschäftsbereiches führen, das Geschäftsfeld Lyocell würde sich etwa verdreifachen. Kein Lyocellkunde der Fusionswerber fragt Abnahmemengen nach, die ausreichend hoch sind, um Nachfragemacht ausüben zu können. Nach Durchführung des Zusammenschlusses gäbe es keinen ernsthaften alternativen Anbieter für Lyocell; dass sodann großes Interesse an der Vergabe von Patenten an Dritte für die Lyocellproduktion und -technologie bestehen werde, ist nicht anzunehmen.
O) Zur volkswirtschaftlichen Rechtfertigung
Rationalisierungseffekte durch Kosteneinsparungen auf Grund einer Reallokation der Produktion entstehen nach den Angaben der Anmelderin nicht. Skaleneffekte (Sinken der Durchschnittskosten durch Erhöhung der Produktionsmenge) könnten nach dem Zusammenschluss im Bereich Produktion, Marketing und Vertrieb erzielt werden. Im Bereich der Produktion rechnet die Anmelderin mit einer jährlichen Kostenreduktion durch Personalabbau zwischen rund 0,5 bis 1 Mio EUR innerhalb der jetzigen Anmelderin und rund 40.000 bis 50.000 EUR beim Zielunternehmen. Einsparungen im Bereich Marketing von rund 1,5 Mio EUR sind aus der Verschmelzung der beteiligten Marken und dadurch verringerte Ausgaben für gemeinsame Messeauftritte und PR-Veranstaltungen sowie klassische Werbung zu erwarten. An Kosten der Vertriebs- und Marketingbüros, die durch Schließung paralleler Standorte wegfielen, besteht nach Schätzungen der Anmelderin ein Einsparungspotential von rund 750.000 EUR jährlich. Die Straffung der Vertriebsstrukturen im Hinblick auf die bisher überlappenden Regionen von Distributionsagenten und Handelsvertretern sowie neu festzulegende Provisionssätze ersparen rund 2,4 Mio EUR pro Jahr. Weiters rechnet die Anmelderin mit einem Rationalisierungseffekt von rund 2 Mio EUR jährlich durch Personalabbau in Marketing und Vertrieb. Effizienzgewinne durch Verfahrens- und Produktionsverbesserungen sind nach Planung der Anmelderin dadurch zu erzielen, dass die Entwicklungsabteilungen, die sich mit Grundlagenforschung und Produktentwicklung bzw Anwendungstechnik befassen, zusammengefasst und in Oberösterreich konzentriert werden. Einsparungen betreffen hier sowohl Forschungseinrichtungen und Labors als auch das Personal. Die alljährlichen Personaleinsparungen werden mit rund 450.000 EUR bei der Anmelderin und 1,8 Mio EUR beim Zielunternehmen beziffert. Im Bereich Einkauf und Kapitalkosten werden Einsparungseffekte bei den Frachtkosten von jährlich rund 90.000 EUR erwartet, bei den Materialkosten von rund 110.000 EUR. Insgesamt werden die Effizienzgewinne auf rund 10 Mio EUR pro Jahr geschätzt und zwar rund 7,5 bis 8 Mio an Fixkosten und 2,5 Mio an variablen Kosten. Demgegenüber entstehen durch den Zusammenschluss einmalige Kosten in Höhe von rund 6 Mio EUR im Hinblick auf Abfertigungen und Pensionskosten beim Personal und den Distributionsagenten, sowie den Umsetzungskosten des Zusammenschlusses. Die Nettoeffizienzgewinne betragen daher im Jahr 2004 rund 5 Mio EUR, in den Folgejahren rund 10 Mio EUR. Die Gesamtkosten der Anmelderin betragen dagegen bei einem Umsatz von 28 Mio EUR im Lyocellbereich rund 37 Mio EUR, es ergibt sich daher ein jährlicher Abgang von rund 9 Mio EUR. Die dargestellten Effizienzen fallen allerdings für das gesamte, neu entstehende Unternehmen an. Selbst wenn man das gesamte Betriebsergebnis der Zielgesellschaft als ausgeglichen annehmen würde, ist im Sinne einer ökonomisch rationalen Strategie der Anmelderin davon auszugehen, dass die durch die Transaktion erzielten Effizienzgewinne in erster Linie zum Abbau von Verlusten verwendet und nicht an die Kunden weitergegeben würden. Durch die Zusammenlegung der Forschungsbereiche würde sich einerseits der technologische Standard verbessern, andererseits fiele aber der Wettbewerb zwischen den unabhängigen Forschungsbereichen zweier unabhängiger Unternehmen weg.
P) Zur internationalen Wettbewerbsfähigkeit
Die Anmelderin ist Weltmarktführer in der Viskoseproduktion und ein weltweit renommiertes Unternehmen, dessen Absatzmarkt insbesondere in Asien und im non-wovens-Bereich wächst. Ihre Qualitätsprodukte werden besonders von europäischen Abnehmern geschätzt. Die Anmelderin besitzt bereits eine sehr hohe internationale Wettbewerbsfähigkeit. Teile der Kunden der Zusammenschlusswerber beurteilen den Zusammenschluss deutlich positiv und erwarten sich Produktinnovationen und die Möglichkeit, dem Wettbewerbsdruck aus Asien standzuhalten und den Standort Europa aufrecht zu erhalten. Andere Abnehmer dagegen äußern schwerwiegende Bedenken dahin, dass nach der Fusion nur noch ein ernstzunehmender Anbieter für Lyocell und daher keine Ausweichmöglichkeit bestehen würde. Viele Abnehmer beziehen neben Lyocell auch Viskose von der Anmelderin und befürchten zukünftig Produktbündelungen sowie Preiserhöhungen oder unterschiedliche Behandlung von Klein- und Großkunden. Die Anmelderin geht in einem internen Dokument (228. Aufsichtsratssitzung vom ) davon aus, dass nach dem Zusammenschluss Preiserhöhungen durchgeführt werden könnten bzw die Nachfrage auch bei Preiserhöhungen weiterhin bestehen bleibe. Keine konkreten Festellungen können zur Frage getroffen werden, ob und inwieweit durch den Zusammenschluss Arbeitsplätze (in Österreich) geschaffen bzw in welchem zeitlichen Horizont wieviele Arbeitsplätze dadurch gesichert werden können und ob dies überhaupt der Fall ist. Ebenfalls nicht festgestellt werden kann, inwiefern die Forschungs- und Entwicklungseinheit, die durch den Zusammenschluss geschaffen würde, standortgebunden in Österreich bliebe bzw wie groß die Wahrscheinlichkeit einer Abwanderung wäre. Österreich hat eine ausgeprägte klein- und mittelständische Unternehmensstruktur und einen Mangel an großen kapitalkräftigen Unternehmen, wobei in den Jahren seit dem EU-Beitritt durch die Abwanderung von Firmen und passive Direktinvestionen der Einfluss österreichischer Unternehmen - bereits ausgehend von einem ungünstigen Niveau - weiter zurückgedrängt wurde. Die Abwanderung von Firmenzentralen bringt volkswirtschaftliche Nachteile mit sich, wenn dadurch verstärkt Arbeitsplätze verloren gehen, Steuereinnahmen sinken und geringere Multiplikatoreneffekte aus Konsumausgaben entstehen und/oder die Forschung und Entwicklung ins Ausland abwandert. Im Zeitalter der Globalisierung sind aktive Direktinvestitionen von hoher volkswirtschaftlicher Bedeutung.
In rechtlicher Hinsicht ging das Kartellgericht davon aus, dass die Fusionswerber die umsatzmäßigen Vorgaben des § 42a KartG unbestrittenermaßen erfüllten. Auch wirke sich der Zusammenschluss in Österreich schon deshalb aus, weil sich die Marktstellung des erwerbenden Unternehmens im Inland ändere, weil nämlich zu erwarten sei, dass durch den Zusammenschluss eine marktbeherrschende Stellung verstärkt werde. Abzustellen sei bei dieser Beurteilung nicht allein auf die Marktanteile, sondern auch auf die Kriterien Finanzkraft, Beziehungen zu anderen Unternehmen und Zugangsmöglichkeiten zu den Beschaffungs- und Absatzmärkten; zu berücksichtigen seien auch Umstände, die den Marktzutritt für andere Unternehmer beschränkten. Allein deshalb, weil das Zielunternehmen in Österreich keine Marktanteile habe und es deshalb zu keiner Marktanteilsaddition kommen könne, falle das Zusammenschlussvorhaben nicht aus der Anmeldepflicht. Liege auch nur die Möglichkeit einer Auswirkung im Inland vor (hier: vor allem infolge Erhöhung der Marktzutrittsschranken für andere Unternehmer durch Schaffung eines weltweiten Monopols für die Anmelderin, infolge Stärkung von deren Finanzkraft, aber auch infolge Zugangsmöglichkeiten zu den Absatzmärkten, dem Vertriebsnetz und der Marke des Zielunternehmens), seien die Fusionswerber bei Erreichen der Umsatzschwellen gehalten, das Vorhaben jedenfalls anzumelden, um den hiezu berufenen Behörden die Prüfung der tatsächlichen oder möglichen Auswirkungen im Inland einzuräumen. Dies müsse umso mehr gelten, als die Europäischen Kommission in Sachen CVC-Lenzing von einer Marktabgrenzung mit einem eigenen Markt "Lyocell" ausgegangen sei, weshalb selbst bei anderer Auffassung in dieser Frage nicht mit gutem Grund zu vertreten sei, eine Anmeldung erübrige sich. Die in diese Richtung gehenden Anträge der Anmelderin seien daher abzuweisen.
Zur Marktabgrenzung sei von einem räumlich weltweiten Markt auszugehen, weil die Produkte der Zusammenschlusswerber weltweit gehandelt würden und mit weltweit agierenden Unternehmen weltweite Lieferverträge zu weltweiten Preisen abgeschlossen würden. Die Abgrenzung des sachlich relevanten Markts sei nach Bedarfsmarktkonzept durchzuführen. Dabei komme es auf die Austauschmöglichkeit der direkten Abnehmer an, also auf die Sicht der Abnehmer als Nachfrager. Die Bestimmung jener Produkte, die von den Abnehmern als austauschbar angesehen würden, könne in Form eines gedanklichen Experiments erfolgen, bei dem von einer geringen, nicht vorübergehenden Änderung der relativen Preise ausgegangen und die Bewertung der wahrscheinlichen Reaktion der Kunden vorgenommen werde. Zu beantworten sei sodann die Frage, ob in den relevanten Gebieten die Kunden der Parteien als Reaktion auf diese Preiserhöhung auf leicht verfügbare Substitute ausweichen würden. Sei die Substitution so groß, dass durch den damit einhergehenden Absatzrückgang eine Preiserhöhung nicht mehr einträglich wäre, so seien beide Produkte in einen gemeinsamen sachlichen Markt einzubeziehen. Die Grenze des sachlich relevanten Marktes liegt dort, wo eine kleine dauerhafte Preiserhöhung einen Gewinn einbrächte (hypothetischer Monopolistentest oder SSNIP-Test). Es komme auf das tatsächliche Verhalten der konkreten Kunden an, und nicht darauf, was von einem logisch rationalen Standpunkt aus betrachtet als Kundenreaktion zu erwarten wäre. Die Befragung der Kunden der Zusammenschlusswerber durch die Sachverständige habe nun ergeben, dass eine Preiserhöhung von 5 %, aber auch eine von 10 % bei Lyocell im Hinblick auf das angegebene Verhalten der Abnehmer der Zusammenschlusswerber für letztere jeweils profitabel wäre, und zwar sowohl in der Abgrenzung zwischen Lyocell und Viskose als auch in der Abgrenzung zwischen Lyocell und dem gesamten restlichen Fasermarkt, weshalb von einem eigenen Markt für Lyocell auszugehen ist. Diese sachliche Marktabgrenzung werde durch die Entscheidung der Kommission, die ebenfalls eine Befragung der Abnehmer durchgeführt habe und auf Grund deren Ergebnisse zur gleichen sachlichen Marktabgrenzung gelangt sei, gestützt. Gleiches gelte für andere Entscheidungen der Kommission im Bereich Fasern und Garne, wonach zB Acetatgarne in sachlicher Hinsicht von Naturgarnen (Baumwolle und Seide) und synthetischen Garnen (Polyester, Polyamide, Viskose usw) abgegrenzt worden seien (Courtaulds/SNIA) oder Nylonfasern in sachlicher Hinsicht als eigenständiger Markt angesehen worden seien und eine Austauschbarkeit etwa mit Polypropylen, Fasern, Wolle, Polyester oder Acryl nicht angenommen worden sei (DuPont/ICI, Rhone-Poulenc-SNIA/Nordfaser). Im Übrigen hätten im Beihilfenverfahren nicht nur Österreich, sondern auch die „interessierten Parteien" großen Wert auf die Eigenständigkeit des beihilfenwerbenden Produkts gelegt und ausdrücklich den Standpunkt vertreten, dass Lyocell vom allgemeinen Viskosemarkt zu unterscheiden sei. Zur gegenteiligen, von der Anmelderin vertretenen sachlichen Marktabgrenzung, die sämtliche Fasern einbeziehe, habe die Anmelderin keinerlei Beweise vorgelegt, das durchgeführte Beweisverfahren habe auch keine Beweisergebnisse dazu erbracht. Dass für den gleichen Zweck auch andere Produkte verwendet werden könnten, sage nichts über die Marktabgrenzung nach der zuvor dargelegten Methode aus, sondern könne je nach dem Ergebnis des allein relevanten Verhaltens der Nachfrager auch bedeuten, dass es sich dabei eben um benachbarte Märkte handle. So seien etwa Wein, Fruchtsäfte und Mineralwasser sämtliche zum Trinken geeignet, dennoch gehörten sie nicht demselben sachlich relevanten Markt an, sondern es seien sogar umgekehrt innerhalb des Bereiches der Mineralwässer verschiedene sachlich relevante Märkte abgegrenzt worden, je nach Marke und Art des Gebindes (Glas- oder Plastikflaschen), wie im Fall Nestlé/Perrier, weil das Verhalten der Abnehmer entsprechend gelagert gewesen sei. Diese Einschätzung schließe aber nicht aus, dass der sachlich abgegrenzte Markt in wettbewerblicher Beziehung zu benachbarten Märkten stehe. Stelle man sich den definierten sachlich relevanten Markt als konzentrischen Kreis vor, bildeten einen weiteren Kreis um den Markt herum Substitutionsprodukte oder -leistungen, das heißt Waren oder Leistungen, die die zum relevanten Markt gehörenden Waren und Leistungen substituieren könnten, ohne austauschbar im Sinne des Bedarfsmarktkonzeptes zu sein, und die daher dennoch geeignet und in der Lage seien, Verhaltensspielräume einzuschränken.
Ausgehend von einer marktbeherrschenden Stellung der Anmelderin im Sinne der Vermutung des § 34 Abs 1a KartG wäre es an dieser gelegen, diese Vermutung zu widerlegen. Hiezu seien keinerlei Beweisergebnisse beigebracht worden, und auch die durchgeführten Beweise deuteten nicht in diese Richtung. Diese marktbeherrschende Stellung bestehe aber bereits derzeit, sodass im Sinne des § 42b KartG zu prüfen sei, ob sie durch die geplante Akquisition tatsächlich verstärkt werde. Dies sei von der Anmelderin unter Hinweis auf die mangelnde Marktanteilsaddition bestritten worden. Wie schon ausgeführt, komme es aber nicht nur auf die Addition der Marktanteile an, sondern eine Verstärkung der marktbeherrschenden Stellung könne auch auf andere Faktoren zurückzuführen sein. Auf Grund der Beweisergebnisse sei hier vor allem zu nennen, dass mit dem Kauf des Zielunternehmens der einzige aktuelle oder zumindest potentielle Wettbewerber im Lyocellmarkt wegfalle und im Hinblick auf die bisherige mangelnde Bereitschaft zur Lizenzvergabe im Betreff der Patente zur Herstellung von Lyocell auch praktisch jeder potentielle Wettbewerb in absehbarer Zeit ausgeschlossen sei. Selbst wenn man nicht davon ausgehe, dass die Importe nach Österreich nach der Untersagungsentscheidung der Kommission absichtlich "heruntergefahren" worden seien, um für die geplante "umgekehrte" Akquisition die mangelnde Inlandsauswirkung und mangelnde Marktanteilsaddition behaupten zu können, sei das Zielunternehmen aber jedenfalls als potentieller Wettbewerber einzustufen, weil es ebenfalls Lyocell vertreibe und in Österreich zumindest bereits vertrieben habe, also prinzipiell über entsprechende Vertriebswege und Kontakte verfüge, die im Falle einer Preiserhöhung reaktiviert werden könnten. Eine weitere Beeinträchtigung des potentiellen Wettbewerbers entstehe durch mit dem Zusammenschluss verbesserte Portfolioeffekte und Bündelungsmöglichkeiten, etwa durch Koppelung der Abnahme von Lyocell nur gemeinsam mit Viskose. Letztlich stärke der Zusammenschluss auch das Geschäftsfeld Lyocell der Anmelderin erheblich, weshalb auf Grund all dieser Umstände gesamt gesehen von einer Verstärkung deren marktbeherrschender Stellung durch das Fusionsvorhaben auszugehen ist, sodass gemäß § 42b Abs 2 Z 2 KartG der geplante Zusammenschluss prinzipiell zu untersagen sei.
Damit bleibe zu prüfen, ob trotz Vorliegens der Untersagungsvoraussetzungen der Zusammenschluss deshalb nicht zu untersagen sei, weil ein Rechtfertigungsgrund des § 42 Abs 3 KartG vorliege. Dazu müssten entweder durch das Fusionsvorhaben Verbesserungen der Wettbewerbsbedingungen eintreten, die die Nachteile der Marktbeherrschung überwiegen, oder der Zusammenschluss müsste zur Verbesserung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit notwendig und zugleich volkswirtschaftlich gerechtfertigt sein. Durch den geplanten Zusammenschluss werde der einzige ernsthafte, aktuelle oder zumindest potentielle Wettbewerber sowohl in Österreich als auch weltweit ausgeschaltet, der in der Vergangenheit durchaus auch Lieferungen nach Österreich im nennenswerten Umfang betrieben habe und dessen weltweite Kapazität und Produktion etwa doppelt so hoch sei wie jene der Erwerberin. Berücksichtige man weiters, dass es auch weltweit keinen anderen ernsthaften Konkurrenten im Bereich des Lyocellmarktes gebe, so könne eine Verbesserung der Wettbewerbsbedingungen durch die Schaffung eines Monopols nur verneint werden.
In der Frage der Notwendigkeit des Zusammenschlusses für die internationale Wettbewerbsfähigkeit und seine volkswirtschaftliche Rechtfertigung sei zu berücksichtigen, dass auf dem als sachlich relevant abgegrenzten Markt durch den angestrebten Zusammenschluss ein Monopol entstünde und wohl in aller Regel nicht davon auszugehen sei, dass die Schaffung eines weltweiten Monopols zur Verbesserung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit notwendig sei. Auch im Bereich der gemeinschaftsrechtlichen Fusionskontrolle werde die Ansicht vertreten, dass solches typischerweise nur dann der Fall sein werde, wenn die Wettbewerbsbeschränkung auf dem Markt innerhalb und die Verbesserung der Unternehmensstellung auf dem Markt außerhalb der Gemeinschaft eintrete, nicht aber dann, wenn durch den Zusammenschluss eine beherrschende Stellung auf dem Weltmarkt entstehe oder verstärkt werde. Die Anmelderin vertrete nun die Auffassung, dass ohne den Zusammenschluss die Lyocellproduktion eingestellt werden müsse. Das dazu vorgelegte Privatgutachten über die Ertragsentwicklung der Anmelderin mit und ohne Fusion gehe von durchschnittlichen variablen Kosten von 1,31 EUR pro kg Lyocell für die Anmelderin alleine aus, für beide Unternehmen weise es Kosten von 1,02 EUR aus; daraus folge, dass der "break even point" bei der derzeitigen Kapazität der Anmelderin nie erreicht werden könne, durch die Fusion dagegen schon. Diese durchschnittlichen variablen Kosten für die Anmelderin seien aber auf Basis der Produktionsmenge für 2003 errechnet worden, die aufgrund des damaligen Störfalles im Werk aber ungewöhnlich gering gewesen und im Jahr davor ein Drittel darüber gelegen sei; die Prognose für 2004 liege bei mehr als dem Doppelten der Produktionsmenge 2003. Schon daraus ergebe sich, dass die Berechnung der durchschnittlichen variablen Kosten und die darauf aufbauenden weiteren Berechnungen nicht aussagekräftig seien. Es könne daher nicht davon ausgegangen werden, dass der Zusammenschluss für die internationale Wettbewerbsfähigkeit auch nur des Lyocellbereiches der Anmelderin - und auch nur aus betriebswirtschaftlicher Sicht - tatsächlich notwendig wäre. Umsoweniger gelte solches für die Weltmarktstellung der Anmelderin als Gesamtunternehmen. Auflagen, durch die die zu verneinende Notwendigkeit des Zusammenschlusses für die internationale Wettbewerbsfähigkeit aufgewogen werden könnten, seien nicht erkennbar. Damit brauche auf das Kriterium der volkswirtschaftlichen Rechtfertigung nicht mehr eingegangen werden. Das angemeldete Vorhaben sei zu untersagen.
Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs der Anmelderin mit dem Abänderungsantrag dahin, die Zusammenschlussanmeldung zurückzuweisen bzw den Zusammenschluss nicht zu untersagen; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Der Bundeskartellanwalt beantragt, dem Rekurs nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist nicht berechtigt.
1. Zur Frage der Marktbeherrschung
1.1. Wesentliche Verfahrensmängel?
Die Rekurswerberin vermisst in der angefochtenen Entscheidung eine Aufzählung der aufgenommenen Beweismittel; die verwendeten Erkenntnisquellen ergäben sich nur mittelbar aus der Beweiswürdigung.
Ein Formfehler der Entscheidung wird damit nicht aufgezeigt: Nach den Bestimmungen des im Entscheidungszeitpunkt noch anzuwendenden AußStrG idF vor dem fehlen Bestimmungen über den Inhalt schriftlicher Beschlussausfertigungen, und selbst nach § 39 AußStrG idF BGBl I 2003/111 (AußStrG neu) zählt eine Liste der aufgenommenen Beweismittel nicht dazu. Auch ist nicht zu erkennen, welche Auswirkungen dieser behauptete Formmangel auf die inhaltliche Richtigkeit der Entscheidung haben könnte.
Unberücksichtigt geblieben seien die Angaben der inländischen Kunden der Anmelderin und der Zielgesellschaft, die Entscheidung der englischen Kartellbehörde "Office of fair Trading", mit dem das angemeldete Vorhaben genehmigt worden sei, sowie die ergänzende Aussage des Zeugen Fahnemann zur Substituierbarkeit von Lyocell-Fasern. Indem das Kartellgericht bei seiner Entscheidung die vorhandenen Erkentnisquellen ohne erkennbare Begründung nur zu einem Bruchteil ausgeschöpft habe, sei eine erschöpfende Erörterung und gründliche Beurteilung der Sache unterblieben.
Mit diesen Ausführungen macht die Rekurswerberin keine Verfahrensfehler, also die Verletzung von Verfahrensvorschriften (Kodek in Rechberger, ZPO² vor § 461 Rz 14 und § 471 Rz 6) geltend, sondern beanstandet in Wahrheit die - ihrer Auffassung nach unrichtige - Beweiswürdigung des Erstgerichts. Im Falle einander widersprechender Beweisergebnisse hat der Richter nämlich seiner Entscheidung jenen Sachverhalt zugrunde zu legen, den er nach bestem Wissen und Gewissen für wahr hält (Rechberger in Rechberger, ZPO² § 272 Rz 1), während die gegenteiligen Beweisergebnisse nicht in die Entscheidung einfließen, und er hat diesen Auswahlvorgang zu begründen. Nur wenn eine solche Begründung gänzlich fehlt oder so unzureichend ist, dass sich die Beweiswürdigung nicht überprüfen lässt, liegt ein Verfahrensmangel vor (Rechberger in Fasching, ZPO² § 272 Rz 8 mwN); solches wird im Rechtsmittel nicht einmal behauptet. Die Überprüfung der Beweiswürdigung des Erstgerichts durch den Obersten Gerichtshof war im kartellrechtlichen Verfahren nach der bisherigen Rechtsprechung jedenfalls insoweit ausgeschlossen, als das Erstgericht die Tatsachenfeststellungen - wie hier - nicht nur aufgrund der Aktenlage getroffen hat (stRsp SZ 71/104; SZ 74/149; RIS-Justiz RS0109206). Zur Begründung wurde darauf verwiesen, dass der Oberste Gerichtshof auch in seiner Funktion als Kartellobergericht Höchstgericht ist und dass eine mündliche Rekursverhandlung - systemgerecht - deshalb vor dem Obersten Gerichtshof nicht vorgesehen ist, weil seine Anrufung mangels anderer Regelung im KartG (§ 43) nur aus den im Gesetz genannten Gründen (§ 15 AußStrG in der vor dem geltenden Fassung) möglich ist, wozu die Überprüfung der Beweiswürdigung nicht zählt (vgl SZ 74/149). Nach Inkrafttreten des AußStrG idF BGBl I 2003/111 (AußStrG neu) ist die aufgeworfene Frage unter den neuen rechtlichen Rahmenbedingungen zu untersuchen.
Gem § 52 Abs 1 AußStrG neu hat das Rekursgericht eine mündliche Rekursverhandlung durchzuführen, wenn es eine solche für erforderlich erachtet. Erwägt das Rekursgericht, von den Feststellungen des Erstgerichts abzuweichen, so darf es nur dann von der neuerlichen Aufnahme eines in erster Instanz unmittelbar aufgenommenen, für die Feststellungen maßgeblichen Beweises Abstand nehmen, wenn es vorher den Parteien bekannt gegeben hat, dass es gegen die Würdigung dieses Beweises durch das Erstgericht Bedenken habe, und ihnen Gelegenheit gegeben hat, eine neuerliche Aufnahme dieses Beweises durch das Rekursgericht zu beantragen; diese kann auch durch einen beauftragten Richter des Rekursgerichts vorgenommen werden (§ 52 Abs 2 AußStrG neu). § 52 AußStrG neu ist ab anzuwenden (§ 203 Abs 7 iVm § 199 AußStrG neu).
Mit diesen Bestimmungen hat der Gesetzgeber dem Rekursgericht die Möglichkeit eröffnet, im außerstreitigen Rekursverfahren bei Behandlung der Beweisrüge nach Beweiswiederholung von den Feststellungen des Erstgerichts abzugehen und so eine neue Tatsachengrundlage zu schaffen.
Nicht geändert hat sich durch diese Neuregelung das grundsätzliche Gefüge des Instanzenaufbaus, wonach der Oberste Gerichtshof - abgesehen von den Ausnahmen der Beseitigung von Aktenwidrigkeiten oder der Ergänzung der Tatsachengrundlage durch unstrittige oder notorische Tatsachen - in sämtlichen Verfahrensarten (demnach auch im Verfahren nach dem AußStrG neu, vgl § 66 AußStrG neu) ausschließlich als Rechtsinstanz zur Überprüfung von Rechtsfragen tätig wird (siehe dazu zuletzt auch § 85 Abs 5 GOG idF der Zivilverfahrens-Nov 2004 BGBl 2004/128 bei einem zweistufigen Instanzenzug). Für das kartellgerichtliche Verfahren gilt grundsätzlich nichts anderes: § 43 KartellG erklärt nämlich ganz allgemein das Verfahren außer Streitsachen für maßgeblich, in dem (nach alter und neuer Rechtslage) der Oberste Gerichtshof nur Rechtsinstanz war und ist. Angesichts dieser Aufgabe des Obersten Gerichtshofs, die er durchgehend in sämtlichen Verfahrensarten zu erfüllen hat, bedürfte es aber nach Auffassung des Senats der Anordnung einer Ausnahmebestimmung, um dem Gericht letzter Instanz - abweichend vom Regelfall - in besonderen Einzelfällen auch die Aufgaben einer Tatsacheninstanz zu übertragen. Eine solche Ausnahmebestimmung ist dem Kartellgesetz fremd.
§ 88 Abs 2 KartG ordnet an, dass der Rechtszug gegen Beschlüsse des Kartellgerichts in zweiter und letzter Instanz an den Obersten Gerichtshof als Kartellobergericht geht. Dass der Oberste Gerichtshof in Kartellrechtssachen ausnahmeweise auch Tatsacheninstanz ist, kann dieser Bestimmung weder nach ihrem Wortlaut, noch bei teleologischer Auslegung entnommen werden.
Bei der Frage nach dem Zweck einer Rechtsnorm ist primär davon auszugehen, dass ein Gesetz den Zweck hat, praktisch angewendet zu werden, und dass der Gesetzgeber beabsichtigte, vernünftig zu handeln (Fasching, Zivilprozessgesetze² Einl Rz 94). Dass dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden kann, er habe den Obersten Gerichtshof in Kartellrechtssachen ausnahmsweise auch als Tatsacheninstanz berufen, erhellt deutlich aus der Bestimmung des § 42b Abs 5 letzter Satz KartG.
Danach ist der Oberste Gerichtshof verpflichtet, über Rekurse gegen die Entscheidung des Kartellgerichts, mit der es einen Zusammenschluss untersagt hat, binnen zwei Monaten nach dem Einlagen der letzten Gegenäußerung zu entscheiden. Nach Ablauf dieser Frist ist eine Untersagung des Zusammenschlusses nicht mehr möglich (arg ex § 42b Abs 5 erster Satz KartG).
Berücksichtigt man, dass im kartellgerichtlichen Verfahren regelmäßig mehrere Gegenschriften zu erwarten sind (vgl § 44 KartG) und dass die Äußerungsfrist vier Wochen beträgt (§ 53 Abs 2 KartG), sind Fälle denkbar, in denen die letzte Gegenäußerung bereits in den ersten Tagen der Frist einlangt, der Akt aber (infolge Abwartens der den übrigen Parteien offenstehenden, von ihnen aber nicht genützten Äußerungsfrist) frühestens vier Wochen später dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung vorgelegt werden kann. Diese Rahmenbedingungen haben zur Folge, dass sich die dem Obersten Gerichtshof zur Bestätigung der Untersagung eines Zusammenschlusses offenstehende Frist auf weniger als einen Monat verkürzen kann. Dass der Gesetzgeber vom Obersten Gerichtshof erwartet hätte, in einer so gewichtigen Materie wie die Zusammenschlusskontrolle innerhalb eines derart kurzen Zeitraums eine mündliche Verhandlung anzuberaumen, samt Beweiswiederholungen durchzuführen sowie die Rechtsfragen anhand einer erst nach der Verhandlung feststehenden Tatsachengrundlage zu lösen, kann ihm vernünftigerweise nicht unterstellt werden. Bei gegenteiliger Auffassung genügte dem in erster Instanz unterlegenen Zusammenschlusswerber, in seinem Rechtsmittel auch eine umfangreiche Beweisrüge zu erheben, die innerhalb der gesetzlichen Frist nicht erledigt werden kann, um jedenfalls den von ihm gewünschten Verfahrenserfolg (Nichtuntersagung des Zusammenschlussvorhabens) zu erzielen.
Der Senat gelangt damit zum Ergebnis, dass der Oberste Gerichtshof auch als Kartellobergericht im kartellgerichtlichen Verfahren ausschließlich als Rechtsinstanz tätig wird; zur Überprüfung der Beweiswürdigung ist er damit - ebenso wie in allen anderen Verfahrensarten - in keinem Fall berufen.
1.2. Verstoß des gerichtlichen Gutachtens gegen zwingende Denkgesetze?
Unter dem Rechtmittelgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung bringt die Revisionswerberin vor, die Ergebnisse des Gutachtens der gerichtlichen Sachverständigen seien logisch nicht zu erklären, widersprüchlich und daher als Beweisgrundlage nicht geeignet. Die Frage, ob ein eingeholtes Sachverständigengutachten die von den Tatsacheninstanzen getroffenen Feststellungen rechtfertigt, gehört ebenso in das Gebiet der Beweiswürdigung wie jene, ob ein weiteres Sachverständigengutachten eingeholt werden soll (RIS-Justiz RS0043320). Eine Anfechtung der Ergebnisse von Sachverständigengutachten, die Tatsacheninstanzen ihren Entscheidungen zu Grunde legten, wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung ist nach ständiger Rechtsprechung nur insoweit möglich, als dabei dem Sachverständigen bei seinen Schlussfolgerungen ein Verstoß gegen zwingende Denkgesetze oder gegen objektiv überprüfbare Gesetze sprachlichen Ausdrucks unterlaufen ist oder erkennbar ist, dass der Sachverständige erheblichen Verhandlungsstoff außer Acht gelassen hat und dies die Unrichtigkeit des Gutachtens zur Folge hat (RIS-Justiz RS0043168). Einen solchen Widerspruch bei den Schlussfolgerungen des gerichtlichen Sachverständigen zeigt die Rekurswerberin aber nicht auf:
Kern des Gutachtens sind hypothetische Monopolistentests, bei denen Abnehmer zu ihrem Verhalten bei einer geringfügigen, aber nachhaltigen Preiserhöhung für Produkte, deren Zugehörigkeit zu einem Markt festgestellt werden soll, befragt werden. Im Anlassfall standen einander bei Test I Lyocell und Viskose, bei Test II Lyocell und alle anderen Fasern (Viskose, Baumwolle, Polyester und Polypropylen) mit dem Ergebnis gegenüber, dass eine Preiserhöhung von 5 % für Lyocell nach Test I eine Verschiebung der Nachfrage zu Viskose im Ausmaß von 2,6 %, nach Test II zu Viskose und anderen Fasern im Ausmaß von 1,4 % mit sich bringen würde. Die Rekurswerberin sieht das Ergebnis dieser Tests nicht mit den Denkgesetzen vereinbar, sei doch logisch nicht zu erklären, weshalb der Nachfragerückgang im Fall von Test II bei einer größeren Auswahl nicht zumindest gleich groß sei wie bei Test I bei nur einem einzigen Substitutionsprodukt. Dem ist entgegenzuhalten, dass es für den Erfolg ihrer Rechtsrüge nicht auf eine Logik des Antwortverhaltens der befragten Personen bei der Befundaufnahme, sondern allein darauf ankommt, ob dem Sachverständigen bei seinen Schlussfolgerungen aus den Ergebnissen der Befundaufnahme (hier: in Form von Personenbefragungen) ein Verstoß gegen zwingende Denkgesetze unterlaufen ist. Letzteres ist nicht erkennbar:
Die von der Sachverständigen aus den Befragungsergebnissen gezogenen Schlussfolgerungen, das festgestellte Ausweichverhalten der Abnehmer zu anderen Produkten sei nicht so stark, dass eine Preiserhöhung im abgefragten Ausmaß für einen hypothetischen Monopolisten nicht profitabel wäre, für Lyocell bestehe daher ein von anderen Fasern unabhängiger sachlich relevanter Markt, ist jedenfalls logisch nachvollziehbar; wenn das Erstgericht unter anderem diesem Gutachtensergebnis bei seinen Feststellungen gefolgt ist, kann darin kein Rechtsfehler erblickt werden.
Ähnliches gilt für den zweite Einwand der Rekurswerberin gegen die Richtigkeit des Gutachtens: Der Vorwurf, die Sachverständige gelange aufgrund ihrer Befragungsergebnisse zu einer irreal niedrigen Preiselastizität, stellt zwar die Plausibilität der Befragungsergebnisse (die der Sachverständigen als Berechnungsgrundlage dienten) in Frage, führt aber nicht aus, dass die Sachverständige aus diesen Ergebnissen Schlüsse unter Verstoß gegen die Denkgesetze gezogen hätte. Dass die Sachverständige Aussagen österreichischer Abnehmer der am Zusammenschlussvorhaben beteiligten Unternehmen nicht berücksichtigt hat, ist darauf zurückzuführen, dass sich diese an ihren Befragungen - aus welchen Gründen auch immer - nicht beteiligt haben (siehe Gutachten ON 28 Tabelle 6); dies macht das Gutachten (angesichts einer Gesamtrücklaufquote von 41,6 %) aber noch nicht methodisch angreifbar.
Das Gutachten entspricht im Übrigen - wie von der Rekurswerberin zu Recht nicht in Zweifel gezogen - in seiner Methode jenen Grundsätzen, die im europäischen Kartellrecht von der Bekanntmachung der Kommission über die Definition des relevanten Marktes im Sinne des Wettbewerbsrechts der Gemeinschaft (ABl C 372 vom ) aufgestellt und empfohlen werden (vgl die dortigen Ausführungen zur Ermittlung der Nachfragesubstituierbarkeit in Rn 5ff).
1.3. Unrichtige Beweiswürdigung?
Entgegen der zuvor unter 1.1. dargestellten Rechtsprechung hält die Rekurswerberin eine Überprüfung der Beweiswürdigung im Anlassfall deshalb für möglich, weil sich während des erstgerichtlichen Verfahrens die Zusammensetzung des Senats geändert habe. Der Oberste Gerichtshof hat aber auch schon in einem vergleichbaren Fall (Entscheidung unter Berücksichtigung von in anderer Senatsbesetzung durchgeführten Vernehmungen) eine Tatsachenüberprüfung im kartellrechtlichen Rekursverfahren unter Hinweis auf seine Rechtsprechung (siehe zuvor 1.1.) abgelehnt (16 Ok 8/02); daran ist festzuhalten. Fehlen die verfahrensrechtlichen Voraussetzungen für eine Beweiswiederholung, kommt eine Überprüfung der Beweiswürdigung auch unter dem Aspekt einer teilweise geänderten Senatsbesetzung in der Tatsacheninstanz nicht in Betracht. Der Gesetzgeber hat im Übrigen erst jüngst bei der Neugestaltung des Außerstreitverfahrens deutlich zum Ausdruck gebracht, dass er das Unmittelbarkeitsprinzip nicht ausufernd angewendet wissen will, wird doch in § 52 Abs 2 AußStrG idF BGBl I 2003/111 im Fall einer Beweiswiederholung durch das als Senat besetzte Rekursgericht die persönliche Wahrnehmung eines beauftragten Richters aus dem Senat - ähnlich wie in § 29 Abs 2 Unterbringungsgesetz - zur Wahrung des Unmittelbarkeitsprinzips für ausreichend erachtet (vgl RV zu § 52, abgedruckt in Maurer, AußStrG neu, 142).
2. Zu den Rechtfertigungsgründen 2.1. Wesentliche Verfahrensmängel?
Der Vorwurf der Rechtsmittelwerberin, das Erstgericht habe den Schriftsatz der Bundesarbeitskammer (ON 39), in dem das Zusammenschlussvorhaben befürwortet werde, in seiner Entscheidung "mit keinem Wort erwähnt", zeigt keinen Verfahrensfehler auf. Eine prozessuale Formvorschrift, wonach Stellungnahmen der Kammern (§ 49 KartG) im verfahrensbeendenden Beschluss aufzuzählen seien, ist dem Gesetz nicht zu entnehmen. Die Rekurswerberin war im Übrigen nicht gehindert, sich auch zu diesem Aktenbestandteil zu äußern; worin in diesem Zusammenhang eine Verletzung ihres rechtlichen Gehörs liegen soll, ist umso weniger nachvollziehbar, als sich das Erstgericht bei seiner Entscheidung gerade nicht auf den Inhalt dieser Stellungnahme gestützt hat.
2.2. Unrichtige rechtliche Beurteilung?
Nach Auffassung der Rekurswerberin sei das Zusammenschlussvorhaben nicht nur für die internationale Wettbewerbsfähigkeit des Lyocell-Bereichs der Anmelderin notwendig, sondern auch volkswirtschaftlich gerechtfertigt, ja "geradezu ein Schulbeispiel" für das Vorliegen eines Rechtfertigungsgrunds nach § 42b Abs 3 Z 2 KartG. Die am Zusammenschlussvorhaben beteiligten Unternehmen seien ohne die zu erwartenden Rationalisierungsgewinne nicht in der Lage, mit der Sparte "Lyocell" stabile Gewinne zu erreichen. Für die Beurteilung, ob ein Rechtfertigungsgrund vorliege, sei "selbstverständlich" nur auf den Markt für Lyocell und nicht auf die Wettbewerbsfähigkeit der beteiligten Unternehmen auf anderen Märkten abzustellen, würde die gegenteilige Sicht doch auf eine - im Wettbewerbsrecht ansonsten verpönte - Quersubventionerung hinauslaufen. Diese Ausführungen überzeugen nicht.
Der Tatbestand des § 42b Abs 3 Z 2 KartG stellt seinem klaren Wortlaut nach auf die Wettbewerbsfähigkeit der beteiligten Unternehmen ab, hat also die Unternehmen als wirtschaftliche Einheit vor Augen; unberücksichtigt bleibt in diesem Zusammenhang hingegen, wie sich das Zusammenschlussvorhaben auf die Marktmacht, also die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen allein auf dem jeweils konkret betroffenen Markt, auswirken wird. Dies ist auch sachgerecht. Insbesondere Großunternehmen mit finanzstarken Gesellschaftern sind regelmäßig auf einer Vielzahl von Märkten tätig. Bei der Beurteilung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens ist daher bei der Steigerung der Leistungsfähigkeit der fusionierenden Unternehmen insgesamt anzusetzen, ohne diese Prüfung auf den vom Zusammenschlussvorhaben betroffenen Markt einzuengen. Verfehlt ist in diesem Zusammenhang der Hinweis der Rekurswerberin auf wettbewerbsrechtlich verpönte Quersubventionierung, spielt dieser Gesichtspunkt doch in erster Linie dort eine Rolle, wo die Unterstützung gemeinwirtschaftlicher Aktivitäten eines Unternehmens mit öffentlichen (Finanz- oder Sach-)Mitteln auch den erwerbswirtschaftlichen Aktivitäten desselben Unternehmens zugutekommt und dadurch den Wettbewerb verfälscht (vgl dazu zuletzt etwa Eillmansberg, Neues zur beihilferechtlichen Beurteilung von Quersubventionen: Das Chronopost-Urteil des EuGH, wbl 2004, 101). Ein derartiger Sachverhalt wurde weder behauptet, noch festgestellt. Festgestellt wurde, dass die Anmelderin nicht nur Weltmarktführerin in der Viskoseproduktion, sondern ein weltweit renommiertes Unternehmen mit wachsendem Absatzmarkt und bereits sehr hoher internationaler Wettbewerbsfähigkeit ist; sie erzielte 2003 mit vier Geschäftsbereichen einen weltweiten Gesamtjahresumsatz von 623 Mio EUR, von dem rund 70 % auf den Faserbereich (Herstellung von 210.000 t Viskose und 40.000 t Lyocell) entfallen. Wenn das Erstgericht unter diesen Voraussetzungen das Vorliegen des Rechtfertigungsgrundes nach § 42b Abs 3 Z 2 KartG schon unter dem Gesichtspunkt der fehlenden Notwendigkeit zur Stärkung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit der Anmelderin verneint hat, liegt darin kein Rechtsirrtum. Es ist dann aber auch zu Recht auf die Frage einer möglichen volkswirtschaftlichen Rechtfertigung nicht mehr eingegangen, weil die Tatbestandsvoraussetzungen der genannten Bestimmung kumulativ vorliegen müssen (Gugerbauer, KartellG² § 42b Rz 7).
3. Zur Anmeldebedürftigkeit
Die Rekurswerberin bestreitet die internationale Zuständigkeit des Kartellgerichts mit der Behauptung, die Auswirkungen des Zusammenschlussvorhabens im Inland seien nicht hinreichend spürbar, bringe doch der Erwerb der Zielgesellschaft - unterstelle man einen relevanten Gesamtmarkt für sämtliche Fasern - für die Anmelderin nur eine Marktanteilserweiterung um 0,3 % mit sich. Diese Argumentation geht schon deshalb ins Leere, weil sie nicht von der (zutreffenden: siehe dazu oben Punkt 1.2.) Marktabgrenzung des Erstgerichts ausgeht, wonach für Lyocell ein von anderen Fasern unabhängiger sachlich relevanter Markt besteht. Nach den Feststellungen entsteht durch die geplante Fusion ein weltweites Monopol der Anmelderin für Lyocell. Damit ist der Beurteilung des Erstgerichts zuzustimmen, das Vorhaben sei geeignet, sich im Inland auszuwirken, weil es die Finanzkraft der Anmelderin stärke, ihr neue Absatzchancen und einen Zugriff auf die Marke und das Vertriebsnetz der Zielgesellschaft eröffne sowie die Marktzutrittsschranken für andere Unternehmer erhöhe. Schließlich liegt auf der Hand, dass es sich (auch) auf die inländischen Abnehmer der Anmelderin auswirkt, wenn ihre Lieferantin die Stellung einer Monopolistin erlangt.
4. Zur Reichweite der Untersagungsverfügung
Ausgehend von der Bestimmung des § 6 Abs 2 KartG vertritt die Rekurswerberin die Auffassung, die Eingriffsbefugnis des Kartellgerichts beschränke sich auf das Inland. Das Kartellgericht wäre daher verpflichtet gewesen, den Inhalt seiner Entscheidung "auf die Auswirkungen des Falles im Inland zu beschränken", etwa durch den Ausspruch, die Untersagung werde nur soweit ausgesprochen, als sich das Vorhaben auf den inländischen Markt auswirke. Noch sinnvoller wäre es gewesen, den beteiligten Unternehmen Leitlinien an die Hand zu geben, wie im konkreten Fall die Trennung zwischen inländischen und ausländischen Aktivitäten stattfinden solle. Mit dem Ausspruch einer weltweiten Untersagung habe das Kartellgericht seine Jurisdiktionsbefugnis überschritten.
Dem ist entgegenzuhalten, dass sich das Erstgericht bei der Fassung des Spruchs seiner Entscheidung zutreffend am Gesetzesauftrag orientiert hat (vgl § 42b Abs 2 Z 2 KartG), wonach im Verfahren über die Prüfung von Zusammenschlüssen auszusprechen ist, ob der Zusammenschluss untersagt oder nicht untersagt wird. Hinter dieser Regelung steht die Erkenntnis, dass es praktisch unmöglich ist, die Auswirkungen eines komplexen Zusammenschlussvorhabens nach geografischen Gesichtspunkten präzise abzugrenzen. Abgesehen davon hätte jede Einschränkung eines einen Zusammenschluss untersagenden Ausspruchs in geografischer Hinsicht in dem von der Rekurswerberin gewünschten Sinn zur Folge, dass für die betroffenen Unternehmen nicht mit der notwendigen Eindeutigkeit feststünde, ob und unter welchen Voraussetzungen sie den Tatbestand der Durchführung eines Zusammenschlusses in verbotener Weise (§ 142 Z 1 lit a KartG) verwirklichen. Die von der Rekurswerberin vertretene Auffassung hätte demnach eine - angesichts der nach dieser Bestimmung drohenden massiven Sanktionen unerträgliche - Rechtsunsicherheit für die beteiligten Unternehmen zur Folge.
Besteht demnach - wie im Anlassfall von der Rechtsmittelwerberin zutreffend nicht in Zweifel gezogen - bei einem Zusammenschlusstatbestand ein hinreichender Inlandsbezug, der die Anwendbarkeit inländischen Fusionskontrollrechts zur Folge hat (vgl dazu etwa 16 Ok 1/95 = SZ 69/271 = ÖBl 1997, 185 - W-GmbH), ist im Fall einer Untersagung ein räumlich unbeschränktes Verbot auszusprechen; eine Überschreitung inländischer Jurisdiktionsbefugnis kann darin nicht erblickt werden.
Zwar hat die Antragstellerin mit Schriftsatz vom bekanntgegeben, ihre Zusammenschlussanmeldung zurückzuziehen (ON 63); dem hat (nur) der Kartellanwalt zugestimmt (ON 64). Der Senat hat aber erst jüngst (16 Ok 3/04) mit ausführlicher Begründung ausgesprochen, dass ein über Antrag der Amtsparteien eingeleitetes Prüfungsverfahren nach § 42b KartG ein kontradiktorisches Kartellverfahren ist, weshalb eine wirksame Zurückziehung der Anmeldung - bei analoger Anwendung der ZPO - der Zustimmung aller Amtsparteien bedürfte. Daran ist festzuhalten. Der hier noch nicht anwendbare § 11 AußStrG nF sieht zukünftig ausdrücklich vor, dass ein Antrag nach Erhebung eines zulässigen Rechtsmittels nur mit Zustimmung des Antragsgegners zurückgenommen werden kann. Im Anlassfall fehlt im Zeitpunkt der Entscheidung des Senats die Zustimmung der Bundeswettbewerbsbehörde zur Zurückziehung der Anmeldung; diese kann daher keine verfahrensbeendende Wirkung entfalten.
Dem Rekurs ist ein Erfolg zu versagen.