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OGH vom 03.12.2003, 9ObA113/03p

OGH vom 03.12.2003, 9ObA113/03p

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Univ. Doz. Dr. Bydlinski und die fachkundigen Laienrichter Dr. Christoph Kainz und Ulrike Kargl als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Gertrude S*****, vertreten durch Dr. Walter Silbermayr, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei H***** GmbH, ***** vertreten durch Frieders, Tassul & Partner, Rechtsanwälte in Wien, wegen EUR 6.302,19 sA, infolge ordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 8 Ra 5/03v-9, mit dem das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom , GZ 16 Cga 52/02m-5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass sie zu lauten haben:

"Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei EUR 6.302,19 samt 4 % Zinsen seit binnen 14 Tagen zu zahlen und die mit EUR 3.313,74 (darin EUR 354,46 an USt und EUR 1.187,-- an Barauslagen) bestimmten Verfahrenskosten aller drei Instanzen binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Das Mehrbegehren von weiteren 5,25 % Zinsen wird hingegen abgewiesen."

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin war vom bis zum Dienstnehmerin der beklagten Partei. Während ihres Dienstverhältnisses, das die Klägerin wegen Zuerkennung einer vorzeitigen Alterspension auflöste, war sie stets als Postbearbeiterin beim Österreichischen Rundfunk (ORF) tätig, dem sie von der beklagten Partei zur Arbeitsleistung überlassen wurde. Ihr monatlicher Bruttolohn betrug (zuletzt) EUR 1.260,44.

Mit ist ein Kollektivvertrag in Kraft getreten, der auf die Dienstnehmer des ORF Anwendung findet, und zwar auf alle Dienstnehmer, die nach dem im ORF eingestellt werden (Art I Abs 1 Z 1) sowie auf alle Dienstnehmer des ORF, die vor dem in ein Dienstverhältnis nach der freien Betriebsvereinbarung (FBV) übernommen wurden und auf die diese nach Maßgabe einer einzelvertraglichen Vereinbarung gemäß Art IV keine Anwendung mehr findet (Art I Abs 1 Z 2). Nach Art IV Abs 2 wird der ORF allen Dienstnehmern, die vor dem in ein Dienstverhältnis nach der FBV übernommen wurden, den Abschluss einer Vereinbarung anbieten, die unter anderem vorsieht, dass die Anwendung der FBV auf das Dienstverhältnis beendet wird und - unter Weitergeltung der übrigen Bestimmungen des Dienstvertrags - ab dem Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung der neue Kollektivvertrag gilt.

Der Kollektivvertrag enthält unter anderem folgende Bestimmungen:

"§ 21. Remunerationen

Ab dem gebührt dem Dienstnehmer am 1. April und am 1. Oktober eines jeden Kalenderjahers eine Remuneration von 150 % des jeweils vorangegangenen Monatsgehalts einschließlich der zuletzt bezogenen regelmäßigen Zulagen.

§ 26. Abfertigung

1. Hat das Dienstverhältnis ununterbrochen 3 Jahre gedauert, so gebührt eine Abfertigung nach den Bestimmungen des Angestelltengesetzes.

2. Bei einer längeren Dauer des Dienstverhältnisses beträgt die Abfertigung

nach 5 Dienstjahren.............................. das Vierfache

nach 10 Dienstjahren............................ das Fünffache

nach 15 Dienstjahren............................ das Achtfache

nach 20 Dienstjahren............................ das Zehnfache

nach 25 Dienstjahren............................ das Sechzehnfache

des dem/der Dienstnehmer/in für den letzten Monat des Dienstverhältnisses gebührenden Entgelts.

3. Unter dem "für den letzten Monat gebührenden Entgelt" ist 1/12 des Durchschnittsverdienstes des letzten Jahres zu verstehen, der sich aus den regelmäßig im Monat wiederkehrenden vollen Bezügen, aber auch aus in größeren Abschnitten oder nur einmal im Jahr ausbezahlten Remunerationen Zulagen, Beiträgen und Beihilfen ergibt.

...

8. Der Anspruch auf Abfertigung geht nicht verloren, wenn der/die Dienstnehmer/in wegen Zuerkennung einer Pension nach den Bestimmungen des ASVG das Dienstverhältnis löst."

Die Klägerin begehrte von der beklagten Partei die Zahlung von EUR 6.302,19 samt 9,25 % Zinsen seit und brachte dazu im Wesentlichen vor, sie sei während der gesamten Zeit ihres Dienstverhältnisses zur beklagten Partei dem ORF als Arbeitskraft überlassen worden und habe damit faktisch zur Stammbelegschaft dieses Beschäftigerbetriebes gezählt. Sie sei hinsichtlich eines Anspruchs auf Abfertigung nicht anders zu behandeln als die anderen Mitarbeiter des ORF. Nach § 10 AÜG habe der überlassene Arbeitnehmer Anspruch auf das angemessene Entgelt, wobei bei der Beurteilung der Angemessenheit auf die Stellung vergleichbarer Arbeitnehmer im Beschäftigerbetrieb Bedacht zu nehmen sei. Der Entgeltbegriff sei weit zu fassen und erstrecke sich auch auf Abfertigungsansprüche. Die Angleichung der überlassenen Arbeitskräfte an den Standard des Beschäftigerbetriebs entspreche auch der "Entwicklung im EU-Recht". § 26 Abs 8 des ORF-Kollektivvertrags, der in Abänderung des § 23a Abs 1 Z 1 AngG keine zehnjährige Mindestdauer des Dienstverhältnisses verlange, gelte somit auch für sie. Ihr stehe damit eine Abfertigung in Höhe von vier Monatsentgelten, also von einem Zwölftel des letzten Jahresbezugs, zu.

Die beklagte Partei wandte dagegen im Wesentlichen ein, dass sich § 10 AÜG nur auf alle unmittelbar tätigkeitsbezogenen Entgeltsregelungen des Beschäftiger-Kollektivvertrags beziehe, wogegen Leistungen, die erkennbar auf anderen sozialpolitischen "Gewährungszwecken" beruhten, auszuklammern seien. § 26 Abs 8 des ORF-Kollektivvertrags sei daher auf das Beschäftigungsverhältnis zur Klägerin nicht anzuwenden. Die Rechtsauffassung der Klägerin führe auch dazu, dass bei einem Wechsel einer Arbeitskraft von einem Beschäftiger zu einem anderen sich rein zufällig nach dem jeweiligen Beschäftiger-Kollektivvertrag unterschiedliche Rechtsansprüche der überlassenen Arbeitskraft zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses wegen Pensionsantritts ergäben.

Das Berufungsgericht bestätigte die klageabweisende Entscheidung des Erstgerichts und erklärte die ordentliche Revision für zulässig. § 10 Abs 1 Satz 1 AÜG solle dem überlassenen Arbeitnehmer den Anspruch auf angemessenes, ortsübliches Entgelt gewähren, das mindestens einmal monatlich auszuzahlen und schriftlich abzurechnen sei, wobei die Beurteilung der Angemessenheit "für die Dauer der Überlassung" an das im Beschäftigerbetrieb vergleichbaren Arbeitnehmern für vergleichbare Tätigkeiten zu zahlende kollektivvertragliche Entgelt geknüpft werde. Auch wenn grundsätzlich für den Geltungsbereich des AÜG vom allgemeinen Entgeltbegriff des Arbeitsrechts auszugehen sei, erfahre dieser doch nach dem Wortlaut des § 10 Abs 1 AÜG insofern eine Einschränkung, als es sich um Entgeltsbestandteile handeln müsse, die während des aufrechten Dienstverhältnisses regelmäßig anfallen. Wenngleich auch die gesetzliche Abfertigung ihrem Wesen nach Entgeltsbestandteil sei, besitze sie weder den Charakter eines Entgelts, das monatlich zur Auszahlung gelangt, noch könne sie während der Zeit der Überlassung geschuldetes Entgelt sein. Angesichts der ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung, wonach nur für die Zeit der Überlassung eine Bedachtnahme auf den Kollektivvertrag des Beschäftigerbetriebs zu erfolgen habe, sei hinreichend deutlich klargestellt, dass § 10 Abs 1 Satz 3 AÜG Ansprüche, die erst bei Beendigung des Dienstverhältnises entstehen, nicht erfasst. Der gesetzliche Abfertigungsanspruch sei daher nicht Entgelt im Sinne des § 10 Abs 1 AÜG. Die ordentliche Revision sei zulässig, weil eine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Anwendung des § 10 Abs 1 AÜG auf gesetzliche Abfertigungsansprüche nicht existiere.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Klägerin, in der sie in erster Linie eine vollständige Klagestattgebung anstrebt, ist - entgegen der in der Revisionsbeantwortung vertretenen Rechtsauffassung der beklagten Partei - zulässig und mit Ausnahme des den gesetzlichen Zinssatz übersteigenden Teils des Klagebegehrens auch berechtigt.

Zutreffend haben die Vorinstanzen die Auffassung vertreten, dass sich die Entgeltsregelung des § 10 Abs 1 AÜG unmittelbar nur auf die periodisch, in der Regel monatlich, fällig werdenden Entgeltansprüche bezieht, sodass der Versuch der Revisionswerberin, allein aus dem Wortlaut dieser Vorschrift eine allgemeine Regel abzuleiten, nach der der Arbeitnehmer ("die Arbeitskraft") auch im Hinblick auf Abfertigungsansprüche mit den Dienstnehmern des Beschäftigerbetriebs gleichgestellt wird, erfolglos bleiben muss.

Die Klägerin zeigt allerdings zu Recht auf, dass das AÜG - über § 10 Abs 1 hinaus - an verschiedener Stelle Regelungen enthält, die unter Berücksichtigung der Besonderheiten der Arbeitskräfteüberlassung Benachteiligungen des Arbeitnehmers verhindern sollen. So wird im § 2 Abs 1 Z 1 ein Gesetzeszweck des AÜG explizit im Schutz der überlassenen Arbeitskräfte, insbesondere in arbeitsvertraglichen, arbeitnehmerschutzrechtlichen und sozialversicherungsrechtlichen Angelegenheiten gesehen. § 8 Abs 2 AÜG erklärt Vereinbarungen zwischen dem Überlasser und dem Beschäftiger, die der Umgehung gesetzlicher Bestimmungen zum Schutz der Arbeitskraft dienen, für unzulässig. Berücksichtigt man weiters, dass mit dem AÜG die gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung geregelt werden sollte, in deren Rahmen der Arbeitgeber typischerweise nicht die Absicht hat, den Dienstnehmer im eigenen Betrieb zu beschäftigen, sondern ihn nur deshalb einstellt, um Dritten (den Beschäftigern) kurzfristig mit einer Arbeitskraft auszuhelfen (so etwa Löschnigg, Arbeitsrecht10 , 165), so erscheint es nicht notwendigerweise geboten, die Regelungen des AÜG auch dann als abschließend anzusehen, wenn eine von der für typisch angesehenen erheblich abweichende Arbeitskräfteüberlassung vorliegt. Dafür ist nicht unbedingt eine nachgewiesene Vereinbarung zwischen dem Überlasser und dem Beschäftiger zum Nachteil des Arbeitnehmers im Sinne des § 8 Abs 2 AÜG erforderlich. Je weiter sich die konkret zu beurteilende Arbeitskräfteüberlassung von jenem Typus entfernt, den der Gesetzgeber bei der gesetzlichen Regelung im Auge hatte, desto eher kann es sich im Einzelfall als sachgerecht erweisen, die Rechtsstellung des Arbeitnehmers jener der Dienstnehmer des Beschäftigers anzunähern, zumal der positive Nachweis einer Umgehungsabsicht häufig nicht zu erbringen ist. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass das AÜG nicht nur im Zusammenhang mit dem (laufenden) Entgelt im § 10 Abs 1, sondern auch an anderer Stelle (zB §§ 6, 7, 10 Abs 3) die Verhältnisse im Beschäftigerbetrieb für maßgeblich erklärt.

Im vorliegenden Fall liegt insoweit eine ganz außergewöhnliche Arbeitskräfteüberlassung vor, als die Klägerin nicht nur mehr als 9 Jahre bei einem Beschäftiger tätig war, sondern darüber hinaus während des gesamten Dienstverhältnisses zur beklagten Partei niemals andere Tätigkeiten verrichtete. Auch wenn es durchaus in Einzelfällen vorkommen mag, dass im Rahmen eines Arbeitskräfteüberlassungsunternehmens einzelne Arbeitnehmer auch für ein oder für zwei Jahre einem Beschäftiger überlassen werden, kann es nicht mehr als wirtschaftlich naheliegende Form der Rekrutierung von Arbeitskräften angesehen werden, für einen derart langen Zeitraum einen Mitarbeiter nicht unmittelbar anzustellen, sondern im Wege der Arbeitskräfteüberlassung in Anspruch zu nehmen. Die ausschließliche Verwendung eines Arbeitnehmers bei einem einzigen Beschäftiger für einen sehr langen Zeitraum ist derart atypisch, dass eine abweichende Behandlung eines solchen Beschäftigungsverhältnisses durchaus in Betracht kommt.

Dem kann die Revisionsgegnerin auch nicht mit Erfolg entgegenhalten, dass damit eine Ungleichbehandlung von insgesamt gleich lang beschäftigten Arbeitnehmern verbunden wäre, sofern diese einmal eine Vielzahl von kurzen Beschäftigungszeiten, das andere Mal jedoch eine lange Beschäftigungsdauer bei einem einzigen Beschäftiger zurückgelegt haben. Die langjährige Dienstleistung bei einem einzigen Arbeitgeber (Beschäftiger) wird eben im Normalfall durch ein reguläres Dienstverhältnis und nicht im Wege der Arbeitskräfteüberlassung begründet. Auf derart lange Beschäftigungsverhältnisse zielen die Regelungen des AÜG nicht ab. Auch die Gefahr von Benachteiligungen durch die Konstruktion der Arbeitskräfteüberlassung ist gegenüber einem für derartige Fälle typischen regulären Beschäftigungsverhältnis besonders hoch, mag auch im Einzelfall eine Umgehungsabsicht nicht vorliegen oder nicht erweislich sein.

Der erkennende Senat hält es daher für einen Fall wie den vorliegenden, in dem der überlassene Dienstnehmer während der gesamten Zeit seines Rechtsverhältnisses zum Überlasser einem einzigen Beschäftiger überlassen wurde und dabei Zeiträume zurückgelegt hat, die für die unmittelbaren Dienstnehmer des Beschäftigers einen Abfertigungsanspruch begründeten, für geboten, den überlassenen Dienstnehmer nicht nur im Hinblick auf das regelmäßige Arbeitsentgelt (§ 10 Abs 1 AÜG), sondern auch für die Abfertigungsfrage mit den vergleichbaren Dienstnehmern des Beschäftigerbetriebs (weitgehend) gleichzustellen. Dass eine derartige Gleichbehandlung etwa deshalb verfehlt wäre, weil die Klägerin vom Überlasser sonstige Vorteile erhalten hätte, die den Dienstnehmern des Beschäftigers nicht gebührten, behauptet die beklagte Partei nicht.

Die dargestellte Lösung berücksichtigt einerseits, dass es sich nach ganz herrschender Judikatur bei der Abfertigung (nach altem Recht) um einen Anspruch handelt, dem ganz überwiegend Entgeltcharakter zukommt (vgl nur Löschnigg, Arbeitsrecht10 , 576 mwN), und andererseits die besondere Zielrichtung des AÜG. Dieses will nicht nur ganz allgemein Benachteiligungen des überlassenen Arbeitnehmers verhindern, sondern diesem darüber hinaus "für die Dauer der Überlassung" auch ein Entgelt sichern, das den kollektivvertraglichen Ansprüchen der Arbeitnehmer des Beschäftigerbetriebes (weitgehend) entspricht. Dieser Gesetzeszweck lässt sich auch den Materialien zum AÜG entnehmen. Sowohl in den Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage (450 BlgNR 17. GP 13) als auch im Bericht des Ausschusses für Soziale Verwaltung (511 BlgNR 17. GP, 1) wird ausgeführt, dass Ansprüche der in einem Arbeitsverhältnis zum Beschäftigerbetrieb stehenden Arbeitnehmer aus Kollektivverträgen auch den überlassenen Arbeitskräften zugute kommen sollen. In den Erläuternden Bemerkungen zur RV wird weiters beklagt, die Praxis der Überlassung von Arbeitskräften habe gezeigt, dass überlassene Arbeitskräfte vielfach schlechter gestellt seien als ihre Kollegen auf einem festen Arbeitsplatz, dass Beschäftiger die von den Überlassungsunternehmen angebotenen Dienste insbesondere deshalb in Anspruch nähmen, weil sie die Arbeitskräfte nicht als eigene Arbeitnehmer einstellen müssten und dass dadurch die Gefahr der Verdrängung von Stammarbeitern aus Kostengründen durch vielfach billigere überlassene Arbeitskräfte gegeben sei (aaO 12). Absoluter Vorrang der Neuregelung solle daher der arbeits- und sozialrechtlichen Absicherung der überlassenen Arbeitskräfte zukommen (aaO 13). In § 10 AÜG verweisen die Erläuternden Bemerkungen darauf, dass das Prinzip "Gleicher Lohn für gleiche Arbeit" wenigstens annähernd verwirklicht werden solle (aaO 19).

Berücksichtigt man nun, dass das AÜG die Regelfälle der einigermaßen kurzfristigen Arbeitskräfteüberlassung vor Augen hatte, kann angesichts der dargestellten Gesetzeszwecke aus dem Umstand, dass in § 10 AÜG nur vom regelmäßigen Entgelt die Rede ist, zur Frage allfälliger Abfertigungsansprüche hingegen geschwiegen wird, nach Auffassung des erkennenden Senates nicht abgeleitet werden, dass bei einer untypisch lang dauernden Überlassung an einen einzelnen Beschäftiger die vom Gesetzgeber gerade bekämpfte Diskrepanz zwischen der Rechtsstellung der Stammbelegschaft des Beschäftigerbetriebs und jener des überlassenen Arbeitnehmers gebilligt würde. Sollen Entgeltansprüche der überlassenen Arbeitskraft "für die Dauer der Überlassung" den kollektivvertraglichen Ansprüchen der Arbeitnehmer des Beschäftigerbetriebs zumindest entsprechen, so bestehen keine Bedenken dagegen, dies auch auf Abfertigungsanwartschaften zu beziehen, die durch entsprechend lange (ununterbrochene) Beschäftigungszeiten im Beschäftigerbetrieb erworben werden, zumal § 10 Abs 4 AÜG für die Vergleichbarkeit insbesondere auch auf die "Dauer der Beschäftigung im Betrieb des Beschäftigers" verweist.

Wie sich aus dem Kollektivvertrag vom ergibt, wurde allen Mitarbeitern, die zum damaligen Zeitpunkt Dienstnehmer des Beschäftigerbetriebs waren, der Abschluss einer Vereinbarung angeboten, in der unter Aufrechterhaltung der übrigen Bestimmungen des Dienstvertrags für die Zukunft die Geltung des Kollektivvertrags festgelegt wurde. Mangels gegenteiliger Prozessbehauptungen ist davon auszugehen, dass die Mehrzahl der Dienstnehmer von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht hat. Nach § 26 Z 2 KV beträgt die Abfertigung nach 5 Dienstjahren das Vierfache des der Dienstnehmerin für den letzten Monat des Dienstverhältnisses gebührenden Entgelts. Unter dem "für den letzten Monat gebührenden Entgelt" ist ein Zwölftel des Durchschnittsverdienstes des letzten Jahres einschließlich ausbezahlter Remunerationen zu verstehen (§ 26 Z 3 KV); nach § 21 KV gebühren jedem Dienstnehmer im Jahr zwei Remunerationen in Höhe von 150 % des Monatsgehalts, was insgesamt zu einer Auszahlung von 15 Monatsbezügen pro Jahr führt. Der Anspruch auf Abfertigung geht nicht verloren, wenn die Dienstnehmerin - wie im vorliegenden Fall - das Dienstverhältnis wegen Zuerkennung einer Pension nach den Bestimmungen des ASVG löst (§ 26 Z 8 KV).

Ist die Klägerin nun im Hinblick auf die Abfertigung so zu behandeln wie die vergleichbaren Dienstnehmer des Beschäftigerbetriebs, gebührt ihr ausgehend von einem monatlichen Bruttoentgelt von EUR 1.260,44 eine Abfertigung in Höhe des Klagebetrags samt den gesetzlichen Verzugszinsen. Das darüber hinausgehende Zinsenbegehren erweist sich hingegen als unberechtigt, da der beklagten Partei mangels Rechtsprechung zu vergleichbaren Fällen zuzubilligen ist, dass sie die Zahlung der Abfertigung aufgrund einer vertretbaren Rechtsansicht verweigert hat (§ 49a ASGG).

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 Abs 1 und 50 Abs 1 ZPO.