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OGH vom 09.05.2007, 9ObA123/06p

OGH vom 09.05.2007, 9ObA123/06p

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling und Dr. Hopf sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Peter Zeitler und Mag. Markus Szelinger als weitere Richter in den verbundenen Arbeitsrechtssachen der klagenden Parteien 1. Edwin L*****, Arbeiter, ***** 2. Mevlüt S*****, Arbeiter, ***** 3. Resul Y*****, Arbeiter, ***** 4. Markus F*****, Arbeiter, ***** 5. Gertrude W*****, Arbeiterin, ***** 6. Erich M*****, Arbeiter, ***** 7. Bela B*****, Arbeiter, ***** 8. Bela B*****, Arbeiter, ***** 9. Peter H*****, Arbeiter, ***** 10. Memet Ö*****, Arbeiter, ***** alle vertreten durch Freimüller/Noll/Obereder/Pilz & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei R***** GmbH, ***** vertreten durch Mag. Ludwig Redtensteiner, Rechtsanwalt in Waidhofen an der Ybbs, wegen 1. EUR 22.997,36 brutto sA, 2. EUR 3.172,37 brutto sA, 3. EUR 517,36 brutto sA, 4. EUR 7.107,62 brutto sA, 5. EUR 6.867,82 brutto sA, 6. EUR 24.623,65 abzüglich EUR 6.063,24 netto sA, 7. EUR 8.611,46 brutto sA, 8. EUR 11.149,77 brutto sA, 9. EUR 9.444,54 brutto sA, 10. EUR 9.135,56 brutto sA, über die Revision der beklagten Partei (Revisionsinteresse EUR 15.291,71) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 7 Ra 85/06f-20, mit dem das Teilurteil des Arbeits- und Sozialgerichts Wien vom , GZ 21 Cga 290/04a-14, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der erstklagenden Partei die mit EUR 273,54 (darin EUR 45,59 USt), der zweitklagenden Partei die mit

EUR 21,88 (darin EUR 3,65 USt), der sechstklagenden Partei die mit

EUR 404,84 (darin EUR 67,47 USt), der neuntklagenden Partei die mit EUR 196,95 (darin EUR 32,83 USt) und der zehntklagenden Partei die mit EUR 196,95 (darin EUR 32,83 USt) bestimmten, jeweils anteiligen Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Im Revisionsverfahren geht es nur um die Frage des Verfalls jener unstrittig auf unterkollektivvertraglicher Entlohnung beruhender Teile der Klagebegehren des Erst-, Zweit-, Sechst-, Neunt- und Zehntklägers, insoweit die erstgerichtliche Klagestattgebung vom Berufungsgericht bestätigt wurde. Der Oberste Gerichtshof kann sich im Hinblick auf das eingeschränkte Thema sowohl bei der Wiedergabe des erstinstanzlichen Parteivorbringens als auch der tatsächlichen Entscheidungsgrundlagen auf das beschränken, was zum Verständnis der Rechtsausführungen erforderlich ist (§ 510 Abs 3 Satz 1 ZPO):

Mit Beschluss vom verband das Erstgericht die zehn Verfahren der im Kopf der Entscheidung genannten Kläger gegen die Beklagte zur gemeinsamen Verhandlung. Führend ist der Akt des Erstklägers. Das Revisionsverfahren betrifft nur den Erst-, Zweit-, Sechst-, Neunt- und Zehntkläger.

Die Kläger - ausgenommen die Fünftklägerin, bei der es sich um die Witwe nach einem früher bei der Beklagten beschäftigten Arbeiter handelt, - sind ehemalige Arbeiter der Beklagten, einem Überlasser von Arbeitskräften zur Arbeitsleitung an Dritte iSd § 3 Abs 2 Arbeitskräfteüberlassungsgesetz (AÜG), BGBl 1988/196. Die Arbeitsverhältnisse der Kläger waren von unterschiedlicher Dauer; so dauerte etwa das Arbeitsverhältnis des Erstklägers vom bis zum . Andere Arbeitsverhältnisse waren auch kürzer; das Arbeitsverhältnis des Zweitklägers dauerte beispielsweise nur vom 22.

3. bis zum . Seit dem unterlagen die Arbeitsverhältnisse neben dem AÜG auch dem zwischen dem Allgemeinen Fachverband des Gewerbes, Berufsgruppe „Arbeitskräfteüberlasser", und dem Österreichischen Gewerkschaftsbund, Gewerkschaft Metall-Textil, für Arbeiterinnen und Arbeiter abgeschlossenen Kollektivvertrag für das Gewerbe der Arbeitskräfteüberlassung vom (im Folgenden kurz KVAÜ).

Mit den zehn Ende 2004 - im Fall des Viertklägers Anfang 2005 - eingebrachten Klagen machen die Kläger ua gleichförmig geltend, dass sie von der Beklagten unterkollektivvertraglich entlohnt worden seien. Für die daraus resultierenden Ansprüche bis zum gelte für die Ermittlung des Grundlohns der sachnächste Kollektivvertrag. Dies sei der Kollektivvertrag für das eisen- und metallverarbeitende Gewerbe (im Folgenden kurz KV Metallgewerbe), wobei hinsichtlich des Grundlohns die in diesem Kollektivvertrag enthaltenen Verfalls- und Verjährungsfristen nicht heranzuziehen seien. Ab dem sei der KVAÜ anzuwenden.

Die Beklagte anerkannte hinsichtlich einzelner Kläger Teilbeträge, im Übrigen bestritt sie die Klagebegehren und beantragte deren Abweisung. Nach dem KV Metallgewerbe hätten die Forderungen wegen unterkollektivvertraglicher Entlohnung von den Klägern binnen vier Monaten geltend gemacht werden müssen. Mangels rechtzeitiger Geltendmachung seien daher die Ansprüche verfallen. Das Erstgericht erkannte in seinem Teilurteil zunächst nur hinsichtlich des Erst-, Zweit-, Sechst-, Neunt- und Zehntklägers, und auch insoweit nur hinsichtlich jener Teile der Klagebegehren, denen die Beklagte unter grundsätzlicher Einräumung einer unterkollektivvertraglichen Entlohnung lediglich den Einwand des Verfalls entgegengesetzt hatte. Hinsichtlich der fünf übrigen Kläger, nämlich des Dritt-, Viert-, Fünft-, Siebent- und Achtklägers, sowie der restlichen Begehren des Erst-, Zweit-, Sechst-, Neunt- und Zehntklägers wurde in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom Ruhen des Verfahrens vereinbart. Konkret sprach das Erstgericht dem Erstkläger EUR 3.782,32 brutto sA, dem Zweitkläger EUR 1.036,60 brutto sA und dem Sechstkläger EUR 5.711,12 brutto zu. Dem Neuntkläger sprach das Erstgericht EUR 2.751,97 brutto sA zu, wohingegen es einen Teilbetrag von EUR 762,70 brutto sA abwies. Dem Zehntkläger sprach das Erstgericht EUR 2.765,75 brutto sA zu. Die Kostenentscheidung wurde der Endentscheidung vorbehalten. Das Erstgericht unterschied in rechtlicher Hinsicht zwischen jenen Ansprüchen wegen unterkollektivvertraglicher Entlohnung, die vor dem , dem In-Kraft-Treten des KVAÜ, und jenen Ansprüchen, die ab dem entstanden waren. Hinsichtlich der Ansprüche vor dem sei davon auszugehen, dass die Kläger von der Beklagten nach dem KV Metallgewerbe eingestuft worden seien. Da auf die Tätigkeit der Kläger in den Beschäftiger-Betrieben gleichfalls der KV Metallgewerbe anzuwenden sei, könne der Grundlohn nicht unter dem kollektivvertraglichen Mindestlohn liegen. Da der in den Beschäftiger-Betrieben geltende Kollektivvertrag nicht günstiger, sondern derselbe sei, gebühre den Klägern durchgehend der Überlassungslohn als Grundlohn. Es seien daher nur jene Beträge verjährt, die für Lohnansprüche begehrt werden, die bereits mehr als drei Jahre vor dem Einlangen der jeweiligen Klage fällig geworden seien. Davon sei im Teilurteil nur der Neuntkläger betroffen. Die Ansprüche der Kläger ab dem unterlägen dem KVAÜ, der in seinem Abschnitt XIX für alle Ansprüche zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer hinsichtlich des Verfalls und der Verjährung auf die Fristen der gesetzlichen Vorschriften verweise. Die längere, dreijährige Frist gelte daher auch für den Überlassungslohn, der sich nach dem im Beschäftiger-Betrieb geltenden Kollektivvertrag richte. Sie verdränge die kürzere, viermonatige Verfallsfrist nach dem KV Metallgewerbe.

Das Berufungsgericht gab der gegen das Ersturteil erhobenen Berufung der Beklagten nur teilweise hinsichtlich des Zweitklägers Folge; und zwar erachtete es den erstgerichtlichen Zuspruch an den Zweitkläger von EUR 1.036,60 brutto sA im Ausmaß von EUR 756,05 brutto sA als nicht gerechtfertigt und reduzierte ihn daher auf den Betrag von EUR 280,55 brutto sA. Im Übrigen bestätigte es das Ersturteil. Das Erstgericht habe beim Zweitkläger übersehen, dass bezüglich des Teilbetrags von EUR 756,05 brutto sA kein prozessuales Anerkenntnis der Beklagten vorliege, sondern vielmehr Zahlung eingewendet worden sei. Diese sei vom Zweitkläger in der Berufungsverhandlung auch außer Streit gestellt worden. Hinsichtlich der bestätigten Klagebegehren schloss sich das Berufungsgericht der rechtlichen Beurteilung des Erstgerichts an und verneinte gleichfalls den auf den KV Metallgewerbe gestützten Verfall. Die ordentliche Revision ließ das Berufungsgericht mit der Begründung zu, dass zur Frage, ob der Abschnitt XIX/1 des KVAÜ auch auf solche Ansprüche anzuwenden sei, die sich auf Entgeltbestimmungen eines Beschäftiger-Kollektivvertrags stützen, sodass er allfällige kürzere Geltendmachungsfristen des Beschäftiger-Kollektivvertrags verdränge, noch keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs vorliege.

Gegen den das Ersturteil bestätigenden, klagestattgebenden Teil der Berufungsentscheidung richtet sich die Revision der Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung sowohl der Sache nach als auch im Kostenpunkt mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung iSd Abweisung der Klagebegehren abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Des weiteren wird von der Revisionswerberin beantragt, der Oberste Gerichtshof, hilfsweise das Berufungsgericht, möge die vom Berufungsgericht dem Erst-, Sechst-, Neunt- und Zehntkläger zuerkannten Kosten des Berufungsverfahrens auf die in der Kostenrüge näher genannten niedrigeren Beträge „berichtigen".

Der Erst-, Zweit-, Sechst-. Neunt- und Zehntkläger beantragen in ihrer gemeinsamen Revisionsbeantwortung, der Revision der Beklagten nicht Folge zugeben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Beklagten ist in der Sache zulässig; sie ist jedoch nicht berechtigt.

Zutreffend verneinten die Vorinstanzen den von der Beklagten eingewendeten Verfall gemäß KV Metallgewerbe. Zusammenfassend sind den Ausführungen der Revisionswerberin folgende Erwägungen entgegenzuhalten:

Für die Beschäftigung von Arbeitskräften, die zur Arbeitsleistung an Dritte überlassen werden, gilt das Arbeitskräfteüberlassungsgesetz1 Abs 1 iVm § 3 Abs 1 AÜG; Schindler in ZellKomm, AÜG § 1 Rz 1, § 3 Rz 1 ff ua). Dieses Gesetz bezweckt den Schutz der überlassenen Arbeitskräfte ua in arbeitsvertraglichen Angelegenheiten (§ 2 Abs 1 Z 1 AÜG; Schindler in ZellKomm, AÜG § 2 Rz 1 ff ua). Durch den Einsatz überlassener Arbeitskräfte darf für die Arbeitnehmer im Beschäftiger-Betrieb keine Beeinträchtigung der Lohnbedingungen bewirkt werden (§ 2 Abs 3 AÜG). Im AÜG werden arbeitsrechtliche Mindestansprüche für die überlassenen Arbeitskräfte normiert (vgl Schwarz in Sacherer/Schwarz, AÜG² § 10 Erl 1 ua). Die Arbeitskräfte haben nach § 10 Abs 1 AÜG Anspruch auf ein angemessenes, ortsübliches Entgelt, das mindestens einmal monatlich auszuzahlen und schriftlich abzurechnen ist (Satz 1). Normen der kollektiven Rechtsgestaltung, denen der Überlasser unterworfen ist, bleiben unberührt (Satz 2). Bei der Beurteilung der Angemessenheit ist für die Dauer der Überlassung auf das im Beschäftiger-Betrieb vergleichbaren Arbeitnehmern für vergleichbare Tätigkeiten zu zahlende kollektivvertragliche (oder das


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seit der Novelle BGBl I 2005/104, hier aber nicht weiter relevante
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gesetzlich festgelegte) Entgelt Bedacht zu nehmen (Satz 3). Wesentliche Zäsur für die Beurteilung des auf den KV Metallgewerbe gestützten Verfalls der Forderungen der Kläger wegen unterkollektivvertraglicher Entlohnung ist das In-Kraft-Treten des Kollektivvertrags für das Gewerbe der Arbeitskräfteüberlassung (KVAÜ) per (vgl zur Geschichte des Zustandekommens dieses Kollektivvertrags Schindler, Arbeitskräfteüberlassungs-KollV 25 f; Adametz, Kollektivvertrag für das Gewerbe der Arbeitskräfteüberlassung, ASoK 2002, 66 ua). Bis zum unterlag die Beklagte als Arbeitskräfteüberlasser keinem Kollektivvertrag. Es ist daher, wie schon die Vorinstanzen zutreffend erkannten, zwischen zwei Zeitabschnitten zu unterscheiden.
1. Zur unterkollektivvertraglichen Entlohnung bis zum :
Dieser zeitliche Bereich betrifft nur den Erst-, Sechst- und Neuntkläger. Der Zweit- und Zehntkläger machen keine unterkollektivvertragliche Entlohnung vor dem geltend. Es entspricht der herrschenden Rechtsprechung, dass mit den Sätzen 1 und 2 des § 10 Abs 1 AÜG das der Arbeitskraft unabhängig von der einzelnen Überlassung gebührende Entgelt (Grundlohn) inhaltlich geregelt wird. In Ermangelung eines Kollektivvertrags für Arbeitskräfteüberlassungsbetriebe im Sinne von Satz 2 vor dem In-Kraft-Treten des KVAÜ per ist zur Ermittlung dieses Grundlohns allein Satz 1 heranzuziehen. Danach hat die Arbeitskraft Anspruch auf ein angemessenes, ortsübliches Entgelt. Dabei ist auf einen möglichst sacheinschlägigen Kollektivvertrag (sowie die - hier jedoch mangels Geltendmachung nicht relevante - ortsübliche Überzahlung des kollektivvertraglichen Mindestentgelts [vgl RIS-Justiz RS0050683 ua]) abzustellen (8 ObA 226/01w; RIS-Justiz RS0050786 ua). Der nach Satz 1 zu ermittelnde Grundlohnanspruch ist dem Arbeitnehmer jedenfalls gesichert, und zwar auch dann, wenn er in einem Beschäftiger-Betrieb eingesetzt werden sollte, für den ein Kollektivvertrag ein niedrigeres Mindestentgelt vorsieht (8 ObA 332/99b, DRdA 2001/4 [Schindler]; 9 ObA 50/02x; 8 ObA 53/02f; 9 ObA 58/02y, SZ 2002/40 ua). Der Arbeitnehmer kann daher im Fall der Verwendung in einem Beschäftiger-Betrieb zwischen dem Grundlohn nach Satz 1 und dem Kollektivvertragslohn des Beschäftiger-Betriebs nach Satz 3 des § 10 Abs 1 AÜG frei wählen, was auch die Revisionswerberin einräumt. Er kann nicht gezwungen werden, sich mit dem in concreto niedrigeren Mindestkollektivvertragslohn des Beschäftiger-Betriebs zufrieden zu geben. Der Arbeitnehmer kann also abwägen, was für ihn günstiger ist (8 ObA 53/02f ua).
Wenn es um die Bezahlung des Grundlohns nach § 10 Abs 1 Satz 1 AÜG geht, also mangels Vorliegens eines Überlasser-Kollektivvertrags das angemessene, ortsübliche Entgelt zu bezahlen ist, sind Kollektivverträge nie direkt („normativ") anwendbar, sodass die Anwendung allfälliger im Beschäftiger-Kollektivvertrag enthaltener Verjährungs- und Verfallsfristen nicht in Betracht kommen kann. In einem solchen Fall sind - spiegelverkehrt zum Entgeltanspruch nach Satz 3 AÜG - nur die Entgeltbestimmungen des Satzes 1 anzuwenden, die der allgemeinen dreijährigen Verjährungsfrist unterliegen. Auf allfällige kürzere Verjährungs- und Verfallsfristen in Beschäftiger-Kollektivverträgen ist nicht Bedacht zu nehmen (RIS-Justiz RS0116347 ua). Die Auffassung, dass Verfallsklauseln stets, also sowohl bei Ansprüchen nach Satz 1 als auch nach Satz 3 zu berücksichtigen seien, wäre nicht nur in sich inkonsequent; sie würde auch dazu führen, dass ein Arbeitnehmer, der nur den Grundlohn begehren kann, weil er in der strittigen Zeit in keinem Beschäftiger-Betrieb tätig war, jedenfalls den Grundlohn innerhalb der allgemeinen dreijährigen Verjährungsfrist begehren könnte, während ein Arbeitnehmer, der arbeitet, zwar den Grundlohn begehren, seine Ansprüche aber allenfalls wesentlich früher verlieren könnte (8 ObA 53/02f ua). Die Nichtanwendung kollektivvertraglicher Verfalls- und Verjährungsfristen beruht in einem derartigen Fall nicht auf der „Rosinentheorie", sondern vielmehr auf der Entscheidung des Gesetzgebers, der der Arbeitskraft zumindest das für ihre Tätigkeit ortsübliche und angemessene Entgelt zukommen lassen will (9 ObA 50/02x; 9 ObA 58/02y, SZ 2000/40; 9 ObA 69/02s ua). Die Revisionswerberin bezweifelt die vorstehende Rechtsprechung nicht, meint jedoch, dass sich die Ansprüche des Erst-, Sechst- und Neuntklägers wegen unterkollektivvertraglicher Entlohnung bis zum nicht auf den Satz 1, sondern auf den Satz 3 des § 10 Abs 1 AÜG gestützt haben. Dabei lässt die Revisionswerberin jedoch das in der Tagsatzung vom erstattete Klagevorbringen außer Acht. Darin beriefen sich die Kläger ausdrücklich darauf, dass für die Ermittlung des Grundlohns der sachnächste Kollektivvertrag, nämlich der KV Metallgewerbe, ohne die darin enthaltenen Verfalls- und Verjährungsfristen gelte (ON 13). Dieses Vorbringen korrespondiert mit dem Vorbringen der Beklagten, die ebenfalls in erster Instanz davon ausging, dass die gegenständlichen Arbeitsverhältnisse schon „im Allgemeinen" dem KV Metallgewerbe unterlagen. Die Kläger zielten mit ihrem Vorbringen erkennbar auf § 10 Abs 1 Satz 1 AÜG ab, weshalb die Auffassung der Vorinstanzen, dass sich die Kläger auf den Grundlohn nach dieser Bestimmung gestützt haben, nicht zu beanstanden ist.
Wenn die Revisionswerberin in diesem Zusammenhang als vermeintliche Voraussetzung der Geltendmachung des Satzes 1 leg cit das Fehlen „hoch komplizierter" Berechnungen der Kläger moniert, dann lässt sie unbeachtet, dass sich die Kläger zur Ermittlung des Grundlohns, wie schon erwähnt, nur auf den sacheinschlägigen Kollektivvertrag ohne weitere „ortsübliche Überzahlung" (vgl 8 ObA 226/01w ua) gestützt haben. Es bedurfte daher keiner komplizierten Berechnungen zur Ableitung einer ortsüblichen Überzahlung. Zutreffend hoben die Vorinstanzen hervor, dass der KV Metallgewerbe als möglichst sacheinschlägiger Kollektivvertrag in den vorliegenden Fällen dem Beschäftiger-Kollektivvertrag entspricht. Das Mindestentgelt nach dem Beschäftiger-Kollektivvertrag kann daher bei dieser Konstellation nicht günstiger als der Grundlohn nach Satz 1 sein (vgl RIS-Justiz RS0050789 ua).
Die Behauptung der Revisionswerberin, dass das vorgenannte Klagevorbringen nicht zu berücksichtigen sei, weil es „offenbar" erst nach der Fällung des erstgerichtlichen Teilurteils (ON 14) erstattet worden sei, ist verfehlt. Es ist offenkundig, dass das Datum des Ersturteils „" (auf Seite 3 der Revision fälschlich mit angegeben) nicht richtig sein kann, sondern auf einem Schreibfehler des Erstgerichts beruhen muss. Die Unrichtigkeit dieses Datums ist insb schon daran leicht zu erkennen, dass die Verhandlung laut unwidersprochen gebliebenem Protokoll „zur Fällung eines Teilurteils über die unstrittigen Lohndifferenzen" erst am geschlossen wurde (ON 13), was der Annahme der Revisionswerberin, das - der Beklagten übrigens erst am zugestellte - Teilurteil des Erstgerichts stamme bereits vom , entgegensteht. Für die im Revisionsverfahren interessierende Frage des Verfalls ist das erstgerichtliche Versehen bei der Datierung des Teilurteils ohne Belang.
Da die für die zuerkannten Ansprüche vor dem relevanten Entgeltbestimmungen des § 10 Abs 1 Satz 1 AÜG der allgemeinen dreijährigen Verjährungsfrist unterliegen (§ 1486 Z 5 ABGB), wurde der von der Beklagten auf den KV Metallgewerbe gestützte Verfall der Ansprüche des Erst-, Sechst- und Neuntklägers wegen unterkollektivvertraglicher Entlohnung von den Vorinstanzen zutreffend verneint.
2. Zur unterkollektivvertraglichen Entlohnung ab dem :
Dieser zeitliche Bereich betrifft alle fünf Kläger, also den Erst-, Zweit-, Sechst-, Neunt- und Zehntkläger.
Wie bereits ausgeführt, bleiben nach § 10 Abs 1 Satz 2 AÜG Normen der kollektiven Rechtsgestaltung, denen der Überlasser unterworfen ist, „unberührt". Damit wird der Vorrang eines auf den Überlasser-Betrieb anzuwendenden Kollektivvertrags normiert (vgl Marhold/Friedrich, Arbeitsrecht 68; RIS-Justiz RS0050699 ua). Ein solcher Kollektivvertrag besteht für Arbeiter eines Arbeitskräfteüberlassers seit dem ; es handelt sich um den KVAÜ. Der Grundlohnanspruch ist in diesem Fall nicht nach § 10 Abs 1 Satz 1 AÜG zu bestimmen, vielmehr konkretisiert nach Satz 2 der für den Überlasser-Betrieb normativ geltende KVAÜ die Angemessenheit des überlassungsunabhängigen Grundlohnanspruchs der Arbeitskraft (vgl Schindler, Arbeitskräfteüberlassungs-KollV 206; Schwarz aaO § 10 Erl 4; 9 ObA 196/91 ua).
Der KVAÜ regelt im Abschnitt IX die „Mindestlöhne" (vgl dazu ausführlich Schindler, Arbeitskräfteüberlassungs-KollV 179 ff, 184 ff ua). Nach Pkt 1 („Mindestlohn/Grundlohn [Mindeststundenlöhne]") dieses Abschnitts darf der Stundenlohn sowohl während der Dauer einer Überlassung als auch in überlassungsfreien Zeiten (Stehzeiten) keinesfalls geringer sein als der nach den folgenden Bestimmungen zu zahlende Mindestlohn. Im Folgenden unterscheidet Pkt 1 sechs Lohngruppen, deren Merkmale in Pkt 2 näher beschrieben werden. Nach Pkt 3 Satz 1 des Abschnitts IX besteht für die Dauer der Überlassung Anspruch auf den im Beschäftiger-Betrieb vergleichbaren Arbeitnehmern für vergleichbare Tätigkeiten zu zahlenden kollektivvertraglichen Lohn, wenn dieser höher ist als der in den Pkt 1 und 2 geregelte Mindestlohn/Grundlohn. Im Abschnitt IX/5 KVAÜ wird schließlich festgelegt, dass durch die vollständige Bezahlung des Mindestlohns/Grundlohns (Pkt 1 und 2), unter Beachtung der Bestimmungen des Überlassungsentgelts, der überlassene Arbeitnehmer das ortsübliche und angemessene Entgelt erhält.
Im Abschnitt XIX enthält der KVAÜ eine Regelung über den „Verfall von Ansprüchen" wegen nicht rechtzeitiger Geltendmachung (vgl Schindler, Arbeitskräfteüberlassungs-KollV 263 ff ua). Nach Pkt 1 dieses Abschnitts gelten für die Verjährung und den Verfall aller Ansprüche zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer ausschließlich die gesetzlichen Vorschriften. Auch für die Rückforderung zu Unrecht geleisteter Entgelte gilt die dreijährige Verjährungsfrist. Nach Pkt 2 dieses Abschnitts müssen davon abweichend Überstunden-, Sonn- und Feiertagszuschläge, Schmutz-, Erschwernis- und Gefahrenzulagen sowie Reiseaufwandsentschädigungen und Wegzeitvergütungen bei sonstigem Verfall binnen vier Monaten nach ihrer Fälligkeit bzw Bekanntwerden schriftlich geltend gemacht werden.
Die in Abschnitt XIX/2 genannten Ansprüche haben gemeinsam, dass sie typischerweise einzeln verrechnet werden. Ob zB Überstunden, und wenn, in genau welchem Ausmaß, geleistet wurden und ob sie angeordnet waren, welche Arbeiten mit besonderem Schmutz, mit Erschwernis oder Gefahr verbunden waren, kann schon nach relativ kurzen Zeiträumen nur sehr schwer mit Sicherheit festgestellt und nötigenfalls unter Beweis gestellt werden. Gleiches gilt für Reiserechnungen. In diesen Fällen soll daher der Anspruch gegebenenfalls kurzfristig und schriftlich erhoben werden (vgl Schindler, Arbeitskräfteüberlassungs-KollV 264 f). Eine ebenfalls in Pkt 2 des Abschnitts XIX KVAÜ normierte Ausnahme von der Ausnahme, wenn die vorgenannten Zuschläge, Zulagen etc Teil von Gleichbehandlungsansprüchen nach dem Gleichbehandlungsgesetz sind, spielt im vorliegenden Verfahren keine Rolle.
Der normative Teil eines Kollektivvertrags ist nach herrschender Auffassung wie ein Gesetz nach den §§ 6, 7 ABGB auszulegen (RIS-Justiz RS0008807 ua). In erster Linie ist der Wortsinn - auch im Zusammenhang mit den übrigen Regelungen - maßgeblich (9 ObA 126/01x, DRdA 2002/34 [Schwarz]; RIS-Justiz RS0010089 ua). Bei der Auslegung einer kollektivvertraglichen Norm darf den Kollektivvertragsparteien zumindest im Zweifel unterstellt werden, dass sie eine vernünftige, zweckentsprechende und praktisch durchführbare Regelung treffen sowie einen gerechten Ausgleich der sozialen und wirtschaftlichen Interessen herbeiführen und daher eine Ungleichbehandlung der Normadressaten vermeiden wollten (RIS-Justiz RS0008897 ua). Wendet man diese Grundsätze bei der Auslegung der Verfallsregelung nach Abschnitt XIX/1 und 2 KVAÜ an, dann besteht für die Annahme der Revisionswerberin, dass bei Anwendung des KVAÜ Ansprüche der Arbeitskräfte eines Überlassers wegen unterkollektivvertraglicher Entlohnung ab dem der Verfallsregelung eines Beschäftiger-Kollektivvertrags, konkret des KV Metallgewerbe, unterliegen, kein Raum. Die Regelung in Abschnitt XIX KVAÜ ist insoweit eindeutig. Wie bereits dargelegt, gelten nach Pkt 1 für die Verjährung und den Verfall „aller" Ansprüche zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer „ausschließlich" die gesetzlichen Vorschriften. Der KVAÜ trifft damit für überlassene Arbeiter eine Verfallsreglung mit genereller Geltung, schon weil der KVAÜ selbst (auch) die Beachtung der Mindestentgeltregeln des Beschäftiger-Kollektivvertrags anordnet, sodass dieselbe Rechtsquelle den materiellen Anspruch und dessen Verfall regelt (Schindler in ZellKomm, AÜG § 10 Rz 14). Der gegenteiligen Annahme der Revisionswerberin, es habe sich gegenüber der Rechtslage vor dem KVAÜ nichts geändert, wird daher vom Senat nicht beigetreten. Die im Abschnitt XIX/1 KVAÜ normierte „ausschließliche" Geltung der gesetzlichen Vorschriften schließt Verfalls- oder Verjährungsvorschriften in einem anderen Kollektivvertrag aus.
Ausnahmen von einer generellen Anordnung in einem Kollektivvertrag müssen ausdrücklich gekennzeichnet sein (vgl 9 ObA 126/01x, DRdA 2002/34 [Schwarz] ua). Eine von Pkt 1 (arg „davon") „abweichende" Regelung findet sich, wie bereits ausgeführt, in Pkt 2 für bestimmte, dort im Einzelnen genannte Zuschläge, Zulagen, Entschädigungen und Vergütungen, die jedoch - namentlich - im Revisionsverfahren keine Rolle spielen. Dass die mit erstgerichtlichem Teilurteil beurteilten Ansprüche der Kläger wegen unterkollektivvertraglicher Entlohnung unter den taxativen (arg „aller" bzw „abweichend davon") Ausnahmekatalog des Abschnitts XIX/2 KVAÜ fallen, behauptet auch die Revisionswerberin nicht. Daraus folgt aber, dass die gegenständlichen Ansprüche des Erst-, Zweit-, Sechst-, Neunt- und Zehntklägers wegen unterkollektivvertraglicher Entlohnung nach dem , die spätestens mit den Ende 2004 eingebrachten Klagen geltend gemacht wurden, nicht verfallen (oder verjährt) sein können. Dass Kollektivverträge in ihren jeweiligen Verjährungs- und Verfallsregelungen voneinander abweichen und für Arbeitnehmer ungünstiger als der KVAÜ sein können, liegt in der Natur der Vertragsfreiheit der Kollektivvertragsparteien. Hieraus folgt entgegen der Auffassung der Revisionswerberin nichts für eine andere Auslegung des KVAÜ. Auf einen gesetzlichen Verfall bzw eine gesetzliche Verjährung der gegenständlichen Ansprüche hat sich die Beklagte (zutreffend) nicht gestützt. Der unbegründeten Revision der Beklagten muss sohin ein Erfolg versagt bleiben.
Die Entscheidung des Berufungsgerichts über die Kosten des Berufungsverfahrens ist unanfechtbar (§ 519 Abs 1, § 528 Abs 2 Z 3 ZPO; Fucik in Rechberger, ZPO³ § 55 Rz 8 mwN; Kodek in Rechberger, ZPO³ § 528 Rz 37 mwN; RIS-Justiz RS0044233 ua). Sie ist daher der von der Revisionswerberin begehrten Abänderung durch den Obersten Gerichtshof entzogen. Sollte der Revisionswerberin eine Berichtigung des Berufungsurteils nach § 419 ZPO vorschweben, dann ist sie darauf zu verweisen, dass die Berichtigung nach dieser Bestimmung dem Gericht vorbehalten ist, das die Entscheidung gefällt hat (vgl Rechberger in Rechberger, ZPO³ § 419 Rz 1 mwN ua).
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 Abs 1 ZPO. Die Kläger wurden durch die bloße Verbindung der Rechtssachen nach § 187 ZPO nicht zu Streitgenossen, sie waren jedoch durch einen gemeinsamen Rechtsanwalt vertreten. Die Aufteilung der den Klägern gebührenden Kosten der gemeinsamen Revisionsbeantwortung entspricht dem Verhältnis der Streitwerte der verbundenen Rechtssachen zum Gesamtstreitwert (vgl Schragel in Fasching/Konecny² II/2 § 187 Rz 8; 7 Ob 661-665/88; RIS-Justiz RS0035947 ua). Da der Klagevertreter in der gemeinsamen Revisionsbeantwortung mehrere (fünf) Personen iSd § 15 RATG vertritt, gebührt nach dieser Bestimmung ein Streitgenossenzuschlag, und zwar, wie von den Revisionsgegnern zutreffend verzeichnet, in der Höhe von 25 % (vgl Feil/Wennig, Anwaltsrecht4 § 15 RATG Rz 2; EvBl 1936/1099; AnwBl 1964, 126; 6 Ob 189/98g ua).