OGH vom 16.09.2003, 10ObS194/03g
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger und Dr. Neumayr sowie die fachkundigen Laienrichter Friedrich Heim und Dr. Peter Ladislav (beide aus dem Kreis der Arbeitgeber) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Mag. Sandra S*****, vertreten durch Dr. Georg Maxwald, Dr. Georg Bauer, Rechtsanwälte in Linz, gegen die beklagte Partei Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, Wiedner Hauptstraße 84-86, 1051 Wien, vertreten durch Dr. Paul Bachmann und andere, Rechtsanwälte in Wien, wegen Teilzeitbeihilfe, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 11 Rs 39/03i-7, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Linz als Arbeits- und Sozialgericht vom , GZ 31 Cgs 100/02m-4, mit einer Maßgabe bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin ist (zumindest) seit der Geburt ihrer Tochter Elisabeth Viktoria S***** am sowohl bei der beklagten Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft als auch bei der Oberösterreichischen Gebietskrankenkasse krankenversichert. Sie lebt mit ihrem Kind in Hausgemeinschaft und pflegt es überwiegend selbst. Von der Oberösterreichischen Gebietskrankenkasse bezog die Klägerin vom bis Wochengeld. Seit bis voraussichtlich bezieht sie von der Oberösterreichischen Gebietskrankenkasse Karenzgeld, seit in einer Höhe von 14,53 EUR täglich.
Am stellte die Klägerin bei der beklagten Partei einen Antrag auf Teilzeitbeihilfe und am einen Antrag auf Teilzeitbeihilfe in Höhe des Kinderbetreuungsgeldes. Auf den Bezug von Wochengeld bis und von Karenzgeld ab wies sie dabei jeweils hin.
Mit einem als Bescheid anzusehenden Schreiben vom teilte die beklagte Partei der Klägerin mit, dass gemäß § 102c GSVG die Teilzeitbeihilfe bzw die Teilzeitbeihilfe in Höhe des Kinderbetreuungsgeldes ruhe, weil vom bis voraussichtlich ein Anspruch auf Karenzgeld gegenüber der Oberösterreichischen Gebietskrankenkasse bestehe.
Das Erstgericht wies das auf Zuerkennung einer Teilzeitbeihilfe in Höhe von 14,53 EUR täglich gerichtete Klagebegehren ab und führte in seiner rechtlichen Beurteilung zusammenfassend aus, dass die Abschaffung der Ruhensbestimmung des § 102c GSVG in unmittelbarem Zusammenhang mit der Abschaffung der Teilzeitbeihilfe nach § 102b GSVG gestanden sei. Dass es nicht die Absicht des Gesetzgebers gewesen sei, durch die (wegen der Einführung des KBGG notwendig gewordene) Änderung der Rechtslage einen Doppelbezug von Karenzgeld und Teilzeitbeihilfe zu ermöglichen, zeige insbesondere die im Rahmen der 27. GSVG-Novelle eingeführte Bestimmung des § 296 Abs 5 GSVG. Die Aufhebung des § 102c GSVG mit sei daher dahingehend zu interpretieren, dass die Ruhensbestimmung für jene Fälle, in denen ein Anspruch auf Teilzeitbeihilfe grundsätzlich bestehe, weiter gelte; § 102c GSVG sei daher in teleologischer Interpretation für Geburten vor dem weiterhin anzuwenden. Der Anspruch der Klägerin auf Teilzeitbeihilfe ruhe demnach aufgrund ihres Karenzgeldbezuges.
Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil mit der Maßgabe, dass es zum einen aussprach, das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der Klägerin eine Teilzeitbeihilfe in Höhe von 14,53 EUR täglich zu bezahlen, bestehe dem Grunde nach zu Recht, zum anderen, dass der Anspruch auf Teilzeitbeihilfe ruhe, solange die Klägerin Wochengeld oder Karenzgeld beziehe.
In seiner rechtlichen Beurteilung schloss sich das Berufungsgericht der Rechtsansicht des Erstgerichts an und hob hervor, dass der Gesetzgeber mit den zum (im Zusammenhang mit dem Inkrafttreten des Kinderbetreuungsgeldgesetzes) in Kraft getretenen Gesetzesänderungen auch die im Bereich der Sozialversicherung der Selbständigen bestandene Teilzeitbeihilfe durch das Kinderbetreuungsgeld ersetzen habe wolle. Der Neuregelung sei durch die Aufhebung der Bestimmungen der §§ 102b GSVG und 99 BSVG (Teilzeitbeihilfe) sowie der §§ 102c GSVG und 99a BSVG (Ruhen der Teilzeitbeihilfe) Rechnung getragen worden. Der Gesetzgeber habe es aber unterlassen, für die neu geschaffene Übergangsregelung des § 292 Abs 3 und 4 GSVG eine dem § 102c GSVG entsprechende Ruhensregelung vorzusehen. Da der Gesetzgeber deutlich zum Ausdruck gebracht habe, dass im Bereich der Sozialversicherung der Selbständigen die Teilzeitbeihilfe durch das Kinderbetreuungsgeld ersetzt werden sollte, sei zur Schließung der planwidrigen Gesetzeslücke ein Ruhen des Anspruchs auf Teilzeitbeihilfe anzunehmen, solange Karenzgeld bezogen werde. Dem Argument der Klägerin, die Aufhebung des Ruhensgrundes des § 102c GSVG für den Fall eines Leistungsbezuges nach dem Karenzgeldgesetz sei eine logische Folge der mit wirksam gewordenen Mehrfachversicherung in der Krankenversicherung, sei entgegenzuhalten, dass dem Gesetzgeber diese Intention schon deshalb nicht unterstellt werden könne, weil dann die Teilzeitbeihilfe nach § 102b GSVG mit der Einführung des KBGG nicht aufgehoben werden hätte müssen. Im Übrigen habe der Gesetzgeber mit der 27. GSVG-Novelle (BGBl I 2002/141) in § 296 Abs 5 GSVG normiert, dass § 102c GSVG idF des BGBl I 2001/100 für Geburten ab dem bis einschließlich mit der Maßgabe anzuwenden sei, dass der Bezug von Kinderbetreuungsgeld eines Elternteils nach dem KBGG ab dem das Ruhen der Teilzeitbeihilfe dieses Elternteiles zur Folge habe. Mit dieser Änderung sei festgelegt worden, dass § 102c GSVG idF BGBl I 2001/100 ab auch für Geburten zwischen und im Falle des Bezuges von Kinderbetreuungsgeld weiterhin zur Anwendung komme; dadurch sei ein Parallelbezug von Kinderbetreuungsgeld und Teilzeitbeihilfe durch ein und denselben Elternteil ausgeschlossen worden. Auch damit habe der Gesetzgeber klar zum Ausdruck gebracht, dass ein Doppelbezug von gleichartigen Leistungen durch die Einführung des Kinderbetreuungsgeldes nicht geschaffen werden hätte sollen. Die Worte "mit der Maßgabe anzuwenden" ließen ebenfalls klar erkennen, dass § 102c GSVG idF BGBl I 2001/100 auch auf die Fälle des § 292 Abs 3 und 4 GSVG nach wie vor - zumindest aber analog - anzuwenden sei.
Die ordentliche Revision nach § 502 Abs 1 ZPO sei zulässig, weil zur Frage der analogen Anwendung des § 102c GSVG idF BGBl I 2001/100 auf die Fälle des § 292 Abs 3 und 4 GSVG keine oberstgerichtliche Rechtsprechung vorliege.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Klägerin aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im klagsstattgebenden Sinn. Hilfsweise wird der Antrag gestellt festzustellen, dass der Anspruch auf Teilzeitbeihilfe während des Bezuges von Wochen- oder Karenzgeld nicht ruhe.
Die beklagte Partei beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Für Kinder, die ab dem geboren werden, wurde mit dem Kinderbetreuungsgeld als Ergänzung der Familienbeihilfe eine neue Sozialleistung geschaffen, die - anders als die Vorgängerleistungen Karenzgeld und Teilzeitbeihilfe - nicht auf einer Versicherung aufbaut, sondern als Versorgungsleistung konzipiert ist (Tomandl, Sozialrecht5 Rz 389; Mayr, ASoK 2001, 276; Burger-Ehrnhofer, RdW 2002/27).
Mit dem Bundesgesetz, mit dem ein Kinderbetreuungsgeldgesetz erlassen wurde (BGBl I 2001/103), wurden auch zahlreiche flankierende Maßnahmen getroffen. So wurde in § 7 KGG die Höhe des Karenzgeldes an die des Kinderbetreuungsgeldes angepasst und in § 9 Abs 1 Z 7 KGG vorgesehen, dass der Anspruch auf Karenzgeld während des Bezuges von Kinderbetreuungsgeld ruht. Weiters wurde bei Geburten ab die Bezugsdauer des Karenzgeldes auf die des Kinderbetreuungsgeldes angehoben (§ 11 Abs 3 KGG). Im GSVG traten die §§ 102b und 102c GSVG mit Ablauf des außer Kraft (§ 292 Abs 1 Z 2 GSVG). § 102b GSVG hatte die Teilzeitbeihilfe und § 102c GSVG das Ruhen des Leistungsanspruchs auf Teilzeitbeihilfe geregelt. In § 102c Z 2 GSVG war vorgesehen gewesen, dass der Anspruch auf Teilzeitbeihilfe unter anderem während des Bezugs von Karenzgeld oder Teilzeitbeihilfe nach dem KGG ruht.
Nach der Übergangsbestimmung des § 292 Abs 3 GSVG gebührt weiblichen Versicherten, die Anspruch auf Teilzeitbeihilfe haben und deren Kind nach dem und vor dem geboren wird, bis zur Vollendung des 30. Lebensmonats des Kindes zusätzlich zur Teilzeitbeihilfe nach § 102b Abs 4 GSVG idF der 25. GSVG-Novelle, BGBl I 2001/100 (die zuvor unrichtige Zitierung wurde mit der 27. GSVG-Novelle BGBl I 2002/141 berichtigt) ab jener Betrag, der sich aus der Differenz dieser Teilzeitbeihilfe und der Hälfte des in § 3 Abs 1 KBGG (idF BGBl I 2001/103) festgesetzten Kinderbetreuungsgeldes ergibt. Ab sollte die Teilzeitbeihilfe auf Antrag in der Höhe des Kinderbetreuungsgeldes zustehen, sofern kein den Grenzbetrag übersteigendes Einkommen erzielt wird (§ 292 Abs 5 GSVG).
Außer Acht gelassen wurde vom Gesetzgeber, dass mit der Aufhebung der Ruhensbestimmung des § 102c GSVG (mit Ablauf des ) für Geburten ab bis die Möglichkeit eines Parallelbezuges von Karenzgeld (§§ 2, 60 KGG) und Teilzeitbeihilfe (§ 292 Abs 3 GSVG) in Betracht kam.
Diese vom Gesetz eröffnete Möglichkeit ist jedoch im Hinblick auf die eindeutigen gesetzgeberischen Ziele teleologisch dahin zu reduzieren, dass bei Bestehen eines Doppelanspruchs einer der beiden Ansprüche ruht, so wie dies auch bis vorgesehen war und in das KBGG übernommen wurde. Während der Analogie der Charakter einer Anwendungsausweitung eines Gesetzes zukommt, wird bei der teleologischen Reduktion ein vom Gesetzgeber zu weit gefasstes Gesetz unter Berufung auf den Gesetzeszweck auf einen engeren Anwendungsbereich eingeschränkt (Posch in Schwimann I2 §§ 7, 8 Rz 20; zum gleichen Ergebnis würde im Übrigen die analoge Anwendung einer Ruhensnorm führen). Der Gesetzgeber wollte offensichtlich - wie auch schon die Vorinstanzen zutreffend dargelegt haben - die Ansprüche von Karenzgeld- und Teilzeitbeihilfenbeziehern im Übergangsrecht auf die ab durch das KBGG gewährten Ansprüche abstimmen. Es ist daher auf die mit dem KBGG angestrebten Ziele Rücksicht zu nehmen, wonach die Betreuungsleistung der Eltern anerkannt und teilweise abgegolten wird; bei außerhäuslicher Betreuung wird die damit verbundene finanzielle Belastung teilweise abgegolten (vgl RV 620 BlgNR 21. GP). Das Kinderbetreuungsgeld ist von einer Beschäftigung oder Versicherung völlig abgekoppelt. Dass die Leistung nur einmal gebühren soll, kommt in einkommensunabhängigen festen Beträgen (§ 3 Abs 1 KBGG) und darin zum Ausdruck, dass nach § 2 Abs 4 KBGG der gleichzeitige Bezug durch beide Elternteile ausgeschlossen ist (siehe dazu auch Mayr, ASoK 2001, 276 ff). Eine Zugehörigkeit zu zwei Sozialversicherungssystemen kann nichts daran ändern, dass eben ein Kind nur "einmal" betreut wird und daher die zur Abgeltung der Betreuung vorgesehene Leistung, die auch gar nicht als Versicherungsleistung konzipiert ist, nur im einfachen Ausmaß gebührt. Die finanzielle Bedeckung erfolgt sowohl bei Karenzgeld bzw Teilzeitbeihilfe als auch beim Kinderbetreuungsgeld aus den Mitteln des Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen (§ 49 KGG,§§ 102d und 292 Abs 6 GSVG,§ 38 Abs 1 KBGG), sodass der Umstand, dass die Auszahlung über den Krankenversicherungsträger erfolgt, keine Doppelleistung zu rechtfertigen vermag.
Von diesen Grundsätzen ging der Gesetzgeber erkennbar auch im Übergangsrecht aus. Dass mit dem Übergangsrecht plötzlich für eine kleine Gruppe von Anspruchsberechtigten die Möglichkeit des Bezugs der verdoppelten Leistung geschaffen werden sollte, ist den gesetzgeberischen Intentionen völlig fremd, sollte doch im Gegenteil die Gleichbehandlung betreuender Elternteile verbessert werden. Dies gebietet die schon eingangs dargelegte teleologische Reduktion in die Richtung, dass beim Zusammentreffen der Ansprüche, die exakt das gleiche Ziel verfolgen (Karenzgeld und Teilzeitbeihilfe), einer der beiden Ansprüche ruht. Entsprechend dem bis geltenden Zusammenspiel von § 102b GSVG und § 102c GSVG ist auch für das Übergangsrecht davon auszugehen, dass mit der Beibehaltung des (inhaltlich veränderten Anspruchs auf Teilzeitbeihilfe gemäß § 292 Abs 3 GSVG auch die Ruhensregelung des § 102c GSVG weiter anzuwenden ist.
Der Revision ist daher ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.