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OGH vom 19.12.2007, 9ObA106/06p

OGH vom 19.12.2007, 9ObA106/06p

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Rohrer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Dr. Hradil sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Rolf Gleißner und Mag. Gabriele Jarosch als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Dr. Alois B*****, Pensionist, *****, vertreten durch Brandstätter Rechtsanwalt GmbH, Wien, gegen die beklagte Partei A***** P***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Alexandra Knell, Rechtsanwältin in Wien, wegen EUR 8.630,02 brutto abzüglich EUR 3.319,02 netto sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 8 Ra 43/05k-49, womit das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom , GZ 12 Cga 124/03x-32, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 399,74 (darin EUR 66,62 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war vom bis bei der D***** N***** W***** GmbH (im Folgenden „D*****" genannt) beschäftigt. Mit Wirkung vom wurde er zum Geschäftsführer bestellt und übte diese Tätigkeit bis zum Übertritt in die Pension am aus. Mit Einzelvertrag vom wurde dem Kläger durch die D***** ein monatlicher Pensionszuschuss, zuletzt in Höhe von EUR 4.091,12 brutto, zugesichert, wobei im Mai und Oktober eines jeden Jahres auch eine Sonderzahlung in Höhe des monatlichen Pensionszuschusses fällig wurde. Nach der Pensionierung des Klägers wurde dieser Zuschuss auch bis einschließlich September 2002 geleistet. Ab Oktober 2002 erfolgten keine Pensionszahlungen mehr. Mit Beschluss vom eröffnete das Handelsgericht Wien zu ***** S***** das Konkursverfahren über das Vermögen der D*****. Das Unternehmen der Gemeinschuldnerin (Erzeugung und Handel mit Sprengmitteln) wurde im Konkurs fortgeführt. Im Wege der Versteigerung gingen wesentliche Unternehmensteile (insbesondere der Erzeugerbetrieb und eine wesentliche Anzahl der Dienstnehmer) auf die eigens dafür gegründete Beklagte über, deren Geschäftsführer zunächst der Masseverwalter war. Die Geschäftsanteile an dieser „D***** N***** S*****erzeugungs- und Vertriebs GmbH" hielt zunächst ein Kanzleikollege des Masseverwalters, in der Folge gingen diese auf die A***** A***** H***** GmbH über. Die Firma der Beklagten wurde sodann auf „A***** P***** GmbH" geändert.

Der Kläger begehrte den Zuspruch von EUR 8.630,02 brutto (Zuschusspension und Sonderzahlung für Oktober 2002, der Höhe nach unstrittig) abzüglich der Konkursquote von EUR 3.319,02 netto. Er stützte sein Klagebegehren primär (AS 31 in Band I) auf die Bestimmung des § 6 AVRAG. Da die Beklagte - wenn auch mit Fremdmitteln des „A***** Konzerns" - das Unternehmen der Gemeinschuldnerin gekauft habe, liege ein Betriebsübergang im Sinn des § 1 AVRAG vor, sodass die Beklagte für die Ansprüche auch ehemaliger Dienstnehmer der Gemeinschuldnerin hafte. Die Ausnahme des § 3 Abs 2 AVRAG komme bei richtlinienkonformer Auslegung (früher: Art 4a Abs 1 RL 98/50/EG, jetzt: Art 5 Abs 1 RL 2001/23/EG) nicht zur Anwendung. Die Richtlinie sehe nämlich eine Ausnahme von Art 3 nur für den Fall vor, dass ein Konkursverfahren mit dem Ziel der Auflösung des Vermögens des Veräußerers eröffnet worden sei. Gerade dies liege aber nicht vor, weil das Gesamtunternehmen ohne Zerschlagung auf einen Dritten übergegangen sei. Darüber hinaus erklärte der Kläger, seine Ansprüche auch noch auf alle anderen in Frage kommenden Rechtsgründe zu stützen, insbesondere „das rechtswidrige Zusammenwirken der Beklagten mit der Gesellschafterin der Gemeinschuldnerin, S*****", bei der Initiierung des Konkursverfahrens der D***** (AS 37 im Band I). Zu diesem angeblichen „Konzept der Insolvenz" führte der Kläger aus, dass die „A*****-Gruppe" in einem „Naheverhältnis zu S*****" gestanden sei, welche eine Gesellschafterin der späteren Gemeinschuldnerin gewesen sei (AS 29). Näheres Vorbringen dazu, wer die handelnden Personen gewesen sind, wann und unter welchen Umständen eine solche Abrede erfolgt ist, welche Gesellschafterin (von mehreren) der späteren Gemeinschuldnerin beteiligt gewesen sein soll, unterblieb. Darüber hinaus führte der Kläger auch aus, dass die Insolvenz zumindest grob fahrlässig herbeigeführt worden sei, weil die spätere Gemeinschuldnerin weder zahlungsunfähig noch überschuldet gewesen sei.

Die Beklagte bestritt das Klagebegehren. Die Bestimmungen des AVRAG seien schon deshalb nicht anwendbar, weil der Kläger nicht Arbeitnehmer, sondern „vorstandsähnlicher Geschäftsführer" gewesen sei. Auch könne keine Rede von einem Unternehmensübergang sein, weil sowohl wesentliche Betriebsteile und Liegenschaften als auch die wesentlichen Arbeitnehmer nicht auf die Beklagte übergegangen seien. Im Übrigen komme die - richtlinienkonforme - Ausnahme des § 3 Abs 2 AVRAG zur Anwendung, wonach im Falle eines Erwerbes im Zuge eines Konkursverfahrens § 3 Abs 1 AVRAG und somit auch § 6 AVRAG keine Anwendung finden.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren auf Grundlage des unstrittigen Sachverhaltes ab und traf keine darüber hinausgehenden Feststellungen. Es vertrat die Rechtsauffassung, dass die Klageforderung selbst dann nicht zu Recht bestehe, wenn man von einer Arbeitnehmereigenschaft des Klägers und dem Übergang des Gesamtunternehmens ausgehe. Auch die Erwerber-(Mit-)Haftung nach § 6 Abs 1 AVRAG stelle darauf ab, dass ein Betriebsübergang im Sinn des § 3 Abs 1 AVRAG stattgefunden habe. Da die Beklagte das Unternehmen aber aus einem Konkurs erworben habe, sei die Ausnahme des § 3 Abs 2 AVRAG betreffend Geltung des § 3 Abs 1 AVRAG anzuwenden. Damit scheide eine Haftung der Beklagten aus.

Das Berufungsgericht schloss sich der Rechtsauffassung des Erstgerichtes an, wobei es auch von einer Richtlinienkonformität der Regelung des § 3 Abs 2 AVRAG ausging. Der Erwerb eines Betriebes aus einer Konkursmasse führe daher nicht zum Eintritt des Erwerbers in die bestehenden Arbeitsverhältnisse gemäß § 3 Abs 1 AVRAG. Selbst wenn man das Insolvenzprivileg außer Acht lassen wollte, entfalle die Haftung der Beklagten. Auf die Haftung des Erwerbers gemäß § 6 AVRAG sei § 1409 ABGB anzuwenden. Diese sei daher der Höhe nach mit dem Wert des übernommenen Unternehmens beschränkt. Die Haftung des Erwerbers entfalle nach der Rechtsprechung aber dann, wenn der Veräußerer mit dem Erlös Kaufpreisverbindlichkeiten tilge. Im Übrigen schließe aber § 1409a ABGB die Haftung eines Erwerbers aus, welcher ein Vermögen oder Unternehmen im Weg des Konkurses erwerbe.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die Revision zulässig sei, weil die Tragweite der Entscheidung über den Einzelfall hinausgehe.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision des Klägers mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass dem Klagebegehren - allenfalls in der Besetzung eine verstärkten Senates - stattgegeben werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, sie ist aber nicht berechtigt.

Die geltend gemachten Mängel des Berufungsverfahrens wurden geprüft, sie liegen nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO). Was den Fragenkomplex zu den Bestimmungen des AVRAG (insb §§ 3, 6) anlangt, kann von einer „Überraschungsentscheidung" keine Rede sein, zumal die Beklagte ausdrücklich (S 7 in ON 8) darauf hingewiesen hat, dass die hier anzuwendende Ausnahmebestimmung des § 3 Abs 2 AVRAG die Übernehmerhaftung ausschließe. Ein dem Berufungsgericht unterlaufener Verfahrensverstoß bildet zudem nur dann den Revisionsgrund des § 503 Z 2 ZPO, wenn er zumindest abstrakt geeignet war, eine unrichtige Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz herbeizuführen (RIS-Justiz RS0043027; Zechner in Fasching/Konecny2 IV/1 Rz 123 zu § 503 ZPO). Diese abstrakte Eignung gerügter Mängel ist zu verneinen. In der Berufung hat der Kläger nämlich lediglich vorgebracht (AS 305 in Band I), er hätte im Fall einer Anleitung „noch zusätzliches Vorbringen zu diesen Fragen" erstattet. Einem solchen unbestimmten Vorbringen muss aber die Eignung für eine erfolgreiche Mängelrüge abgesprochen werden. Was angeblich fehlende Feststellungen zu einem Zusammenspiel zwischen den seinerzeitigen Gesellschaftern der Gemeinschuldnerin und dem hinter der Beklagten stehenden Konzern anlangt, übersieht der Kläger, dass die Berufung diesbezüglich keine konkreten Ausführungen mehr enthält, sondern sich auf das Thema einer angeblich grob fahrlässigen Herbeiführung der Insolvenz beschränkt, worauf noch einzugehen sein wird.

Zur Rechtsrüge:

Dieser kann, wie noch auszuführen sein wird, selbst dann kein Erfolg beschieden sein, wenn man dem Vorbringen des Klägers folgend davon ausgeht, dass dieser Arbeitnehmer im Sinn des § 1 Abs 1 AVRAG war und das Unternehmen der Gemeinschuldnerin, deren Geschäftsführer der Kläger war, auf die Beklagte übergegangen ist.

Sofern andere gesetzliche Regelungen oder Gläubigerschutzbestimmungen für den Arbeitnehmer nichts günstigeres bestimmen, haften gemäß § 6 Abs 1 AVRAG für Verpflichtungen aus einem Arbeitsverhältnis zum Veräußerer, die vor dem Zeitpunkt des Überganges begründet wurden, der Veräußerer und der Erwerber zur ungeteilten Hand, wobei hinsichtlich der Haftung des Erwerbers § 1409 ABGB anzuwenden ist. Dies gilt insbesondere für Leistungen aus betrieblichen Pensionszusagen des Veräußerers, die im Zeitpunkt des Betriebsüberganges bereits erbracht werden. Die Voraussetzung für die Anwendung einer solchen Erwerberhaftung ist, dass ein Betriebsübergang im Sinn des § 3 Abs 1 AVRAG vorliegt (Konecny „Unternehmenserwerb im Insolvenzverfahren und Arbeitsverhältnisse" in ecolex 1993, 836, 838; Holzer/Reissner AVRAG2 Rz 19 zu § 6). Die Rechtsprechung (SZ 72/180; RIS-Justiz RS0112978) hat mittlerweile geklärt, dass die Begrenzung der Haftung eines Erwerbers nach § 1409 ABGB auf solche Verpflichtungen zu beziehen ist, welche aus zum Zeitpunkt des Überganges nicht mehr bestehenden Arbeitsverhältnissen herrühren.

Geht gemäß § 3 Abs 1 AVRAG ein Unternehmen, Betrieb oder Betriebsteil auf einen anderen Inhaber über (Betriebsübergang), so tritt dieser als Arbeitgeber mit allen Rechten und Pflichten in die im Zeitpunkt des Überganges bestehenden Arbeitsverhältnisse ein. Gemäß Abs 2 gilt Abs 1 nicht im Fall des Konkurses des Veräußerers. Ausgehend vom Klagevorbringen könnte zunächst kein Zweifel daran bestehen, dass ein Übergang im Sinn des § 3 Abs 1 AVRAG stattgefunden hat. Die weiteren Erörterungen haben sich daher darauf zu konzentrieren, ob hier der Ausnahmefall des § 3 Abs 2 AVRAG vorliegt. In diesem Zusammenhang sei der Blick auf die hier wesentliche Betriebsübergangsrichtlinie gerichtet, deren Umsetzung das AVRAG - ua auch - bezweckt. Die ursprüngliche Richtlinie 77/187/EWG kannte keine Ausnahme für in der Insolvenz erfolgte Betriebsübergänge. Dieser Umstand wurde in der Folge als korrekturbedürftig erkannt. So heißt es in den Erwägungen zur Änderungsrichtlinie RL 98/50/EG:

„Abs 3: Ziel der vorliegenden Richtlinie ist die Überarbeitung der Richtlinie 77/187/EWG unter Berücksichtigung der Auswirkungen des Binnenmarktes, der Tendenzen in der Gesetzgebung der Mitgliedstaaten hinsichtlich der Sanierung von Unternehmen in wirtschaftlichen Schwierigkeiten, der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften ...... .

Abs 7: Im Hinblick auf die Sicherstellung des Überlebens zahlungsunfähiger Unternehmen ist den Mitgliedstaaten ausdrücklich zu gestatten, bei Übergängen im Rahmen eines Liquidationsverfahrens die Artikel 3 und 4 der Richtlinie 77/187/EWG nicht anzuwenden."

Konkret wurde daher mit Artikel 4a der RL 98/50/EG eine Ausnahmebestimmung für Insolvenzfälle geschaffen. Artikel 4a Absatz 1 lautet, uzw wortgleich mit Art 5 Abs 1 der nunmehr geltenden Betriebsübergangsrichtlinie RL 2001/23/EG:

„Sofern die Mitgliedstaaten nichts anderes vorsehen, gelten die Artikel 3 und 4 nicht für Übergänge von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens- bzw Betriebsteilen, bei denen gegen den Veräußerer unter der Aufsicht einer zuständigen öffentlichen Stelle (worunter auch ein von einer zuständigen Behörde ermächtigter Insolvenzverwalter verstanden werden kann) ein Konkursverfahren oder ein entsprechendes Verfahren mit dem Ziel der Auflösung des Vermögens des Veräußerers eröffnet wurde."

Den weiteren Erörterungen ist auch voranzustellen, dass nach der Rechtsprechung des EuGH nicht fristgerecht umgesetzte Richtlinien unter bestimmten Umständen zwar als Anspruchsgrundlage gegen den Staat bzw staatlichen Einrichtungen oder Organisationen herangezogen werden können (RIS-Justiz RS0111915, RS0111918); da Richtlinien aber sonst grundsätzlich nicht unmittelbar anwendbar sind, sondern der Umsetzung durch das nationale Recht bedürfen, kann der Einzelne durch die Richtlinie nicht unmittelbar verpflichtet werden, es besteht keine direkte horizontale Wirkung im Verhältnis zwischen Privatpersonen (RIS-Justiz RS0111214; 4 Ob 266/98s). Die innerstaatlichen Behörden haben aber die inhaltlich von der Richtlinie berührten Normen soweit wie möglich im Einklang mit der Richtlinie („richtlinienkonform") auszulegen (RIS-Justiz RS0111214 [T13]).

Die Richtlinienkonformität des § 3 Abs 2 AVRAG ist in der österreichischen Lehre umstritten; so wird von einem Teil aus den Entscheidungen („d 'Urso' C-362/89 und „Dethier" C-319/94) die Tendenz abgeleitet, eine Ausnahme von der Erwerberhaftung sei dann nicht anzuerkennen, wenn das Unternehmen als solches erhalten bleibt, sodass auch § 3 Abs 2 AVRAG entsprechend restriktiv auszulegen sei. § 3 AVRAG ist grundsätzlich richtlinienkonform unter Heranziehung der Rechtsprechung des EuGH auszulegen (stellvertretend für viele: 9 ObA 140/99z). Eine richtlinienkonforme Interpretation kann jedoch nur dann zur Anwendung kommen, wenn das nationale Recht dem Rechtsanwender einen Spielraum einräumt. Sie wird durch die nationalen Auslegungsregeln begrenzt. Daraus folgt, dass einer nach Wortlaut und Sinn eindeutigen nationalen Regelung im Wege der richtlinienkonformen Interpretation kein entgegengesetzter Sinn verliehen werden darf. Richtlinienkonforme Interpretation darf somit den normativen Gehalt der nationalen Regelung nicht grundlegend neu bestimmen (SZ 73/131; 8 ObS 13/05b; RIS-Justiz RS0114158). Der klare Wortlaut des § 3 Abs 2 AVRAG (Nadler „Unternehmensverkauf durch den Masseverwalter; Der Asset-Deal im Konkursverfahren", 177), der „im Falle des Konkurses des Veräußerers" sämtliche Übergangsarten des § 3 Abs 1 AVRAG einschließt, gibt keinen Spielraum zu einer flexiblen Auslegung (Grießer „Insolvenzsicherung und Haftung des Unternehmenserwerbers gemäß § 6 AVRAG" in RdW 1998, 617 f). Das Fehlen eines solchen Interpretationsspielraumes erkennen auch jene Autoren, die meinen, dass die Richtlinienkonformität des § 3 Abs 2 AVRAG durch eine teleologische Reduktion herbeigeführt werden müsse. Diese Lehre (zB Binder AVRAG Rz 71 zu § 3, Rz 30 zu § 6; Jöst in Mazal/Risak, Arbeitsrecht II, XIV. „Der Betriebsübergang" Rz 33) will den Anwendungsbereich des § 3 Abs 2 AVRAG auf unternehmensauflösende Konkursverfahren einengen, sodass die Betriebsübernahme durch eine Auffanggesellschaft zum Arbeitsvertragseintritt nach § 3 Abs 1 AVRAG bzw zum Haftungsbeitritt nach § 6 Abs 1 AVRAG führen würde. Andere (Weber „Betriebsübergang im Insolvenzverfahren - Auffanggesellschaften durch automatischen Arbeitsvertragsübergang gefährdet?" in wbl 1998, 518 f; dieselbe „Arbeitnehmerschutz contra Sanierung?" in EuZW 1998, 583 f; Chalupsky-Duursma-Kepplinger „Die Fortführung des Unternehmens über Nachfolgegesellschaften im Konkurs" in „Krisenmanagement-Sanierung-Insolvenz" 406; Rebhahn „Arbeitsrecht beim Betriebsübergang: Eintrittspflicht bei Insolvenz und Haftungsfragen" in JBl 1999, 621 f, 710 f) vertreten die Auffassung, dass die Ausnahme des § 3 Abs 2 AVRAG auch ohne Zerschlagung, ja sogar bei Sanierung des Unternehmens, anzuwenden sei. Holzer/Reissner (aaO Rz 40 zu § 3 AVRAG) lehren, dass die eigentliche Motivation für die Ausnahmebestimmung des § 3 Abs 2 AVRAG jedenfalls darin gesehen werden muss, dass das hohe Schutzniveau der Eintrittsautomatik im Insolvenzverfahren zu kontraproduktiven Auswirkungen führt, wenn eine Fortführung und Weiterbeschäftigung von Arbeitnehmern so kostspielig gemacht wird, dass als Ausweg nur mehr die Liquidation bzw Zerstörung sanierbarer wirtschaftlicher Substanz möglich erscheint, wodurch dem Schutzbedürfnis der Arbeitnehmerseite erst recht nicht entsprochen wird.

Die teleologische Reduktion einer gesetzlichen Regelung erfordert den klaren Nachweis des Gesetzeszweckes, an dem sich die (letztlich den Gesetzeswortlaut korrigierende) Auslegung orientieren soll (RIS-Justiz RS0106113 [T3]). Wie in der Literatur mehrfach aufgezeigt wurde, ist aus der „nicht ganz zufriedenstellenden" (so Gahleitner/Leitsmüller „Umstrukturierung und AVRAG" 194), „in sich höchst unstimmigen" (Rechberger „Insolvenzrechtliche Probleme des Betriebsteilübergangs; zum Einfluss des Arbeitsvertragsrechts - Anpassungsgesetzes auf die Unternehmenssanierung" in Tomandl „Der Betriebs-(Teil-)übergang im Arbeitsrecht" 58) und „missverständlichen" (Weber „Arbeitsverhältnisse im Insolvenzverfahren" 189) Begründung in den Materialien zu § 3 Abs 2 AVRAG (1077 der BlgNR XVIII. GP) nicht der Schluss zu ziehen, dass der Gesetzgeber im Rahmen einer „Überregelung" mit der genannten Vorschrift Fälle erfasst und Folgen herbeigeführt hätte, die von ihm nicht erkannt oder bedacht worden wären und dass er trotz des weitergehenden Wortlautes nur die Zerschlagung des Unternehmens bzw die Auflösung des überschuldeten Unternehmens oder Betriebes im Auge gehabt hätte. Nicht erst mit dem IRÄG 1997 (insb § 114a KO; s hiezu Riel „Die Neuregelung der Unternehmensfortführung im Konkurs durch das IRÄG 1997" in AnwBl 1997, 891), sondern schon mit dem Insolvenzrechtsänderungsgesetz 1982 verfolgte der Gesetzgeber vornehmlich das Ziel einer Unternehmenssanierung und -fortführung (Gahleitner „Der praktische Fall: Betriebsübernahme in der Insolvenz" in DRdA 2003, 583 f; Weinhäupl „Betriebs-, Betriebsteil- bzw Unternehmensübergang und Insolvenz", 78; Rechberger in Tomandl aaO; Konecny aaO auch 36; Riel in Konecny/Schubert, Komm zu den Insolvenzgesetzen Rz 2 f zu § 114a KO). Es ist somit dem Gesetzgeber, der trotz Insolvenz des Inhabers eine klare Präferenz für die Fortführung des Unternehmens zum Ausdruck gebracht hat, nicht zu unterstellen, dass er diese Absicht durch eine Einschränkung der Anwendung des § 3 Abs 2 AVRAG auf unternehmenszerschlagende Insolvenzen wieder zunichte machen wollte. Eine derartige teleologische Reduktion des § 3 Abs 2 AVRAG ist daher nicht zulässig. Vielmehr ist davon auszugehen, dass der österreichische Gesetzgeber in § 3 Abs 2 AVRAG festgelegt hat, dass im Fall der Veräußerung auch eines ganzen Unternehmens im Konkurs § 3 Abs 1 AVRAG nicht zur Anwendung gelangt (Grillberger „Betriebsübergang und Arbeitsverhältnis - Neuregelungen durch das AVRAG" in wbl 1993, 305 f; Konecny aaO; Rechberger aaO 59; Gahleitner/Leitsmüller aaO 194; Baumgartner „Unternehmensschließung oder -fortführung; zur Beurteilung der Fortführbarkeit im Konkurs befindlicher Unternehmen und zur Haftung des Masseverwalters" 59; Nadler aaO 178 f ua). Selbst unter der vom Kläger angenommenen Hypothese der Richtlinienwidrigkeit ist § 3 Abs 2 AVRAG daher auf den vorliegenden Fall anzuwenden. Auch aus neuerer Judikatur, auf welche sich der Kläger stützt, ist nichts Gegenteiliges zu gewinnen: Die Entscheidung 8 ObA 63/04d betraf keine Übernahme im Konkurs, sondern eine vor Konkurseröffnung erfolgte Übernahme; in 8 ObA 7/05w wurde ausgeführt, dass die Kündigungsschutzbestimmungen des ArbVG zu Gunsten der Belegschaftsvertreter (§§ 120 f ArbVG) unabhängig von § 3 Abs 2 AVRAG und dessen Auslegung erhalten bleiben.

Liegt somit infolge Konkurserwerbs kein Betriebsübergang mit den Folgen des § 3 Abs 1 AVRAG vor (s 8 ObS 22/01w), fehlt es auch an der Anwendungsvoraussetzung für § 6 AVRAG (Konecny aaO 838 ua).

Der Kläger beruft sich zur Stützung seines Anspruches auch auf Art 5 Abs 4 der Richtlinie 2001/23/EG („Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, damit Insolvenzverfahren nicht in missbräuchlicher Weise in Anspruch genommen werden, um Arbeitnehmern die in dieser Richtlinie vorgesehenen Rechte vorzuenthalten"). Dem Kläger ist grundsätzlich dahin beizupflichten, dass dem Gesetzgeber nicht zugesonnen werden kann, mit der Bestimmung des § 3 Abs 2 AVRAG die missbräuchliche Inanspruchnahme eines Insolvenzverfahrens sanktionieren und damit Arbeitnehmeransprüche, die sonst bei einem Betriebsübergang bestanden hätten, abschneiden zu wollen. Nicht zuletzt die Tatbestände des § 156 StGB („Betrügerische Krida") und des § 159 StGB („Grob fahrlässige Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen") lassen erkennen, dass der Staat vorsätzliches und grob fahrlässiges Herbeiführen einer Insolvenz als verpönt ansieht. Abgesehen davon, ob nicht schon die Prüfung der Insolvenzlage durch das Konkursgericht, die vorgenannten Sanktionen und daran anknüpfend die Möglichkeit der Erhebung von Schadenersatzansprüchen eine ausreichende Abhilfe iSd Art 5 Abs 4 der RL darstellen, kann dem Vorbringen des Klägers im vorliegenden Fall kein Erfolg beschieden sein: Der Vorwurf eines sittenwidrigen Zusammenspiels zwischen der Hauptgesellschafterin der späteren Gemeinschuldnerin und der Gesellschafterin der Beklagten bzw deren Konzernmutter wurde nämlich in der Berufung nicht mehr aufrechterhalten. Vielmehr stützte sich der Kläger dort nur mehr (AS 311 f in Band I) auf eine „zumindest grob fahrlässige Herbeiführung der Insolvenz". Diese Erkenntnis hätte sich ergeben, wenn auf Grund eines vorgelegten Gutachtens festgestellt worden wäre, dass die Gemeinschuldnerin weder zahlungsunfähig noch überschuldet gewesen sei.

Entgegen der Auffassung des Klägers ließe sich zum einen aus diesen vom Kläger begehrten Feststellungen aber weder eine die positive Kenntnis noch eine vorwerfbare Unkenntnis der für die Beklagte handelnden Personen über Malversationen vor der Insolvenz, geschweige denn eine Kollusion, erschließen.

Abgesehen davon, dass ein „Missbrauch" auf die Notwendigkeit des Vorsatzes hindeutet, der aus den begehrten Alternativ- bzw ergänzenden Feststellungen ebenfalls nicht ableitbar wäre, ließe sich diesen auch die den Organen bzw Gesellschaftern der D***** unterstellte grobe Fahrlässigkeit nicht entnehmen. Selbst wenn man nämlich hypothetisch das objektive Fehlen der Zahlungsunfähigkeit oder der Überschuldung unterstellen wollte, ergäbe sich allein daraus noch nicht, dass die Insolvenz (gemeint: die Einleitung des Insolvenzverfahrens durch die Vertreter der späteren Gemeinschuldnerin) „grob fahrlässig" erfolgt wäre.

Zusammenfassend konnte der Revision des Klägers daher kein Erfolg beschieden sein.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.