OGH vom 19.12.2007, 9ObA118/07d

OGH vom 19.12.2007, 9ObA118/07d

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling und Dr. Hopf sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Rolf Gleißner und Mag. Gabriele Jarosch als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Anda B*****, Aufräumerin, *****, vertreten durch Dr. Heinz Kallan, Rechtsanwalt in Graz, gegen die beklagte Partei H*****gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Korn Frauenberger Rechtsanwälte OEG in Wien, wegen 273,91 EUR brutto sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 8 Ra 35/07i-21, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom , GZ 37 Cga 197/06b-17, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Berufungsurteil wird dahin abgeändert, dass das Ersturteil einschließlich der Kostenentscheidung wiederhergestellt wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei, die mit 194,88 EUR (darin 32,48 EUR USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit 166,65 EUR (darin 27,77 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Beklagte wird seit 10 Jahren von einer Großdruckerei beauftragt, Prospekte in Zeitungen einzulegen. Sie verfügt in Graz über einen „Mitarbeiterpool" von ca. 80 Arbeitern, die von ihr je nach Auftragslage zum Einsatz gerufen werden. Das Einlegen der Prospekte wird bei der Beklagten in zwei Hallen verrichtet. Die Vereinbarungen mit den Arbeitern werden von der Beklagten nur mündlich getroffen. Es werden keine Dienstzettel ausgestellt. Die Bezahlung erfolgt nach Stückzahl. Die Arbeiter werden gefragt, wann sie grundsätzlich Zeit haben. Sie werden aufgefordert bekanntzugeben, wenn sie zB eine Woche lang nicht kommen können. Krankenstände sind ebenfalls zu melden. Der jeweilige Arbeitsbeginn wird von der Vorarbeiterin der Beklagten bekanntgegeben. Die Arbeiter können Einsätze sanktionslos ablehnen. Diese Möglichkeit wird jedoch kaum genutzt, weil die Arbeiter etwas verdienen wollen und manchmal auch eine ganze Woche ohne Arbeit sind. Die Arbeiter können selbständig entscheiden, wann sie mit der Arbeit aufhören.

Die Klägerin verfügte seit über eine Niederlassungsbewilligung in Österreich bis zum , die am bis zum verlängert wurde. Weiters verfügt sie über einen Befreiungsschein des AMS Graz vom bis . Die Klägerin war im Zeitraum vom 24. 5. bis bei der Beklagten als Prospekteinlegerin beschäftigt. Da sie nur sehr schlecht Deutsch spricht, sprach ihr Ehegatte bei der Aufnahme bei der Beklagten für sie. Die Klägerin strebte eine Fixanstellung an und verfügte über kein anderes Einkommen. Sie bekam bei Arbeitsbeginn einen Kalender, in den sie die geleisteten Stückzahlen eintragen sollte. Es wurde nicht darüber gesprochen, wieviele Stunden die Klägerin zu arbeiten habe. Über ein Recht der Klägerin, sich bei der Leistung der Arbeiten vertreten zu lassen, wurde ebenfalls nicht gesprochen.

Die Klägerin lehnte nie einen Arbeitseinsatz ab. Sie arbeitete an folgenden Tagen für die Beklagte: 24. 5. (8.00 - 15.00 Uhr), 25. 5. (8.00 - 12.00 Uhr), 26. 5. (7.00 - 15.30 Uhr), 29. 5. (ab 7.00 Uhr), 30. 5. (7.00 - 12.30 Uhr), 31. 5. (8.00 - 15.00 Uhr), 1. 6. (7.00 - 17.30 Uhr), 2. 6. (8.00 - 14.30 Uhr), 7. 6. (8.45 - 14.45 Uhr), 12.

6. (8.30 - 17.15 Uhr), 13. 6. (7.00 - 15.45 Uhr), 14. 6. (7.00 - 15.00 Uhr), 16. 6. (8.00 - 10.20 Uhr), 19. 6. (8.00 - 9.30 Uhr; 13.00 - 19.00 Uhr) und (6.00 - 15.00 Uhr). Die Klägerin arbeitete immer so lange, bis alle Prospekte eingelegt waren. Wenn sie mit der Arbeit fertig war, wurde ihr von der Vorarbeiterin der Arbeitsbeginn am nächsten Tag mitgeteilt. Wenn längere Zeit keine Arbeit war, wurde die Klägerin angerufen. Als der Ehegatte der Klägerin am bei der Vorarbeiterin der Beklagten wegen eines Dienstzettels vorsprach, erklärte die Vorarbeiterin, dass die Klägerin nicht mehr zu kommen brauche.

Die Klägerin begehrt mit der vorliegenden Klage die Zahlung des Betrags von 273,91 EUR brutto sA für Kündigungsentschädigung und Urlaubsersatzleistung. Sie sei bei der Beklagten in einem echten Arbeitsverhältnis gestanden. Ihre Aufgabe sei es gewesen, Reklamematerial in Zeitungen einzuordnen. Es sei eine Arbeitszeit von Montag bis Freitag, 7.00 bis 15.00 Uhr, vereinbart worden. Am sei das Arbeitsverhältnis von der Beklagten mit sofortiger Wirkung ohne Einhaltung der Kündigungsfrist beendet worden. Der Aufenthaltstitel der Klägerin in Österreich sei bereits am verlängert worden und sei derzeit bis gültig. Die Beklagte wendete ein, dass die Klägerin auf Werkvertragsbasis tätig gewesen sei. Eine andere Form der Beschäftigung sei gar nicht möglich gewesen, weil keine gültige Beschäftigungsbewilligung vorgelegen sei. Die Klägerin hätte einen freien Dienstvertrag bekommen sollen; sie sei aber nicht in der Lage gewesen, die erforderlichen Papiere nachzureichen. Am sei die Niederlassungsbewilligung der Klägerin abgelaufen. Es sei vereinbart gewesen, dass die Klägerin die Niederlassungsbewilligung bringe. Wenn die Klägerin der Vereinbarung nachgekommen wäre, hätte sie als freie Dienstnehmerin angemeldet werden können. Dies sei jedoch nicht der Fall gewesen. In der Praxis laufe es so ab, dass die Beklagte Aufträge einer Großdruckerei erhalte, Prospekte in verschiedene Druckwerke einzulegen. Es gebe dann eine bestimmte Stückzahl, die bis zu einem bestimmten Zeitpunkt erledigt werden müsse. Die Beklagte setze die Leute in Abhängigkeit von der einzulegenden Stückzahl ein. Die Arbeit sei in den Räumlichkeiten der Beklagten verrichtet worden. Diejenigen Personen, die auf einer Warteliste stehen, würden angerufen und gefragt, ob und wie lange sie Zeit haben, um die Arbeit zu verrichten. Die Klägerin hätte einen Einsatz ablehnen können. Das Erstgericht gab dem Klagebegehren unter Zugrundelegung der getroffenen Feststellungen statt. In rechtlicher Hinsicht gelangte es zur Beurteilung, dass zwischen den Parteien kein Werkvertrag, sondern ein echter Arbeitsvertrag vorgelegen sei. Die Klägerin habe über keine Betriebsmittel und auch keine unternehmerisch-betriebliche Organisation verfügt. Zwischen den Parteien sei die fortgesetzte Erbringung und Entgegennahme von Arbeitsleistungen beabsichtigt gewesen. Bei den jeweiligen Arbeitseinsätzen sei die für ein echtes Arbeitsverhältnis typische Integration der Klägerin in den Betrieb erfolgt. Ein Vertretungsrecht sei nicht vereinbart worden. Das der Klägerin eingeräumte Ablehnungsrecht sei von ihr nicht in Anspruch genommen worden. Die Beklagte beschäftige vorwiegend Personen, die an der Erzielung eines dauerhaften Einkommens interessiert seien und daher von ihrem Ablehnungsrecht nicht Gebrauch machen. Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil über Berufung der Beklagten, die auf den Berufungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützt worden war, im Sinne der Abweisung des Klagebegehrens ab. Es sprach aus, dass die ordentliche Revision wegen Einzelfallabhängigkeit gemäß § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig sei. Die Klägerin habe Einsätze gleich ablehnen bzw auch bereits angenommene Einsätze vorzeitig beenden können. Sie habe auch grundsätzlich bekanntgeben können, wann sie arbeiten wolle. Sie habe daher hinsichtlich der Gestaltung der Arbeitszeit einen großen Spielraum gehabt. Es treffe zwar zu, dass die von der Klägerin ausgeübte Tätigkeit so „eindimensional" gewesen sei, dass eine Möglichkeit, die tatsächliche Ausübung der Tätigkeit selbständig zu gestalten, nicht bestanden habe; gleichzeitig hätten sich aber auch diesbezügliche Weisungen erübrigt. Aus der Natur der Tätigkeit ergebe sich, dass keine Betriebsmittel erforderlich seien. Insgesamt sei das Verhältnis zwischen den Parteien als freier Dienstvertrag zu qualifizieren. Gegen das Berufungsurteil richtet sich die außerordentliche Revision der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinne der Wiederherstellung des Ersturteils abzuändern; (erkennbar) hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig; sie ist auch im Sinne des gestellten Abänderungsantrags berechtigt.

Während es im vorprozessualen Antwortschreiben der Beklagten an die für die Klägerin einschreitende Arbeiterkammer Steiermark vom noch hieß, dass ihre Mitarbeiter auf „Werkvertragsbasis" arbeiten, brachte die Beklagte in erster Instanz vor, dass sie mit rund 500 Personen „derartige Arbeitsverhältnisse" habe, womit sie nun nicht mehr Werkverträge, sondern freie Dienstverhältnisse meinte. Davon sei jedoch die Klägerin ausgenommen gewesen. Sie habe für die Beklagte auf Werkvertragsbasis gearbeitet. Eine andere Form der Beschäftigung sei im Fall der Klägerin gar nicht möglich gewesen, weil sie keine gültige Beschäftigungsbewilligung beigebracht habe. Nachdem die Klägerin in erster Instanz durch Vorlage entsprechender Urkunden dargetan hatte, dass sie während ihrer Tätigkeit für die Beklagte sowohl über eine aufrechte Niederlassungsbewilligung als auch einen Befreiungsschein verfügte, wurden die Behauptungen, dass und weshalb zwischen den Parteien nur ein Werkvertrag „möglich" gewesen sei, von der Beklagten nicht mehr weiter verfolgt. Sie argumentierte in der Folge auch nicht mehr damit, dass die Klägerin die seinerzeit bedungenen Urkunden nicht vorgelegt habe. Im Berufungsverfahren machte die Beklagte auch keinen Werkvertrag mehr geltend, sondern pochte nur mehr auf das Vorliegen eines freien Dienstverhältnisses. Daran hat sich auch im Revisionsverfahren nichts geändert. Es geht daher im vorliegenden Fall nur darum, ob das Vertragsverhältnis zwischen den Parteien als echter Arbeitsvertrag oder als freier Dienstvertrag zu qualifizieren ist. Der echte Arbeitsvertrag unterscheidet sich nach herrschender Lehre und Rechtsprechung sowohl vom freien Dienstvertrag als auch vom Werkvertrag durch die persönliche Abhängigkeit des Arbeitnehmers vom Arbeitgeber (RIS-Justiz RS0021332 ua). Für die Qualifikation kommt es nicht auf die Bezeichnung durch die Parteien an. Maßgeblich ist die tatsächliche Ausgestaltung der gegenseitigen Rechtsbeziehungen im Einzelfall (RIS-Justiz RS0111914 ua). Dabei wurden insbesondere von der Rechtsprechung verschiedene Kriterien erarbeitet, deren Vorhandensein und deren Bedeutung im konkreten Fall zu prüfen sind, und die dann zusammenfassend in einem Gesamtbild darauf zu bewerten sind, ob die für das Vorliegen eines Arbeitsvertrags geforderte persönliche Abhängigkeit ausreichend begründet ist oder nicht. Die für das Vorliegen einer persönlichen Abhängigkeit sprechenden Merkmale sind vor allem die Weisungsgebundenheit, die persönliche, auf Zeit abgestellte Arbeitspflicht des Arbeitnehmers, die Fremdbestimmtheit der Arbeit, deren wirtschaftlicher Erfolg dem Arbeitgeber zukommt, die funktionelle Autorität des Arbeitgebers, die sich in organisatorischer Gebundenheit, insbesondere hinsichtlich Arbeitszeit, Arbeitsort und Kontrolle auswirkt, die Beistellung des Arbeitsgeräts durch den Dienstgeber sowie die organisatorische Eingliederung des Arbeitnehmers in den Betrieb des Arbeitgebers (RIS-Justiz RS0021284 ua). Dabei ist in Lehre und Rechtsprechung ebenfalls unbestritten, dass nicht alle Bestimmungsmerkmale der persönlichen Abhängigkeit gemeinsam vorliegen müssen und in unterschiedlich starker Ausprägung bestehen können. Entscheidend ist, ob bei einer Gesamtbetrachtung nach der Methodik des beweglichen Systems die Merkmale der persönlichen Abhängigkeit ihrem Gewicht und ihrer Bedeutung nach überwiegen (Spenling in KBB, § 1151 Rz 12; Kuras/Strohmayer, Der „freie" Dienstvertrag - Anthologie aus einer Schaffensperiode, in FS Bauer/Maier/Petrag 37 [39 f]; 8 ObA 86/03k; 8 ObA 35/05p; 9 ObA 96/06t ua).

Die Parteien haben im vorliegenden Fall eine unbefristete Vereinbarung über das Einlegen von Prospekten in Zeitungen geschlossen. Auf Grund der Feststellungen des Erstgerichts über das „gelebte" Vertragsverhältnis ist davon auszugehen, dass die Parteien ein durchgehendes Dauerschuldverhältnis anstrebten. Dieses Vorhaben manifestierte sich in der fortgesetzten Erbringung und Entgegennahme von Arbeitsleistungen. Die Dichte der Einsätze der Klägerin während ihrer Beschäftigung durch die Beklagte unterstreicht, dass es den Parteien nicht um bloß gelegentliche Arbeitseinsätze ging (vgl Mosler, Beschäftigung nach Bedarf - arbeitsrechtliche Grenzen der flexiblen Teilzeitarbeit, DRdA 2002, 461 [464]). Die Klägerin unterlag während ihrer Einsätze der Kontrolle der Beklagten und war in den Betrieb integriert. An dieser Beurteilung ändert auch die von der Beklagten erstmals in der Berufung, gestützt auf § 63 Abs 1 ASGG, aufgestellte Behauptung nichts, dass es der Klägerin freigestanden wäre, die Arbeitsleistung an einem Ort ihrer Wahl zu verrichten. Der weitere Hinweis der Beklagten, dass von dieser Möglichkeit (nur) bei „manchen" Einlegearbeiten Gebrauch gemacht werde, unterstreicht nämlich ihren völligen Ausnahmecharakter. Die Annahme, dass die Klägerin bei den Arbeitszeiten einen „großen Spielraum" hatte, ist rein illusorisch. Die Klägerin konnte die Arbeiten nicht zu einer ihr genehmen Zeit verrichten; vielmehr wurde ihr der Arbeitsbeginn jeweils von der Beklagten exakt vorgegeben. Die Klägerin hatte auch bekanntzugeben, wenn sie zB eine Woche lang nicht kommen konnte; sie musste auch Krankenstände melden. Sie hatte auch den Arbeitsablauf weder selbst zu regeln, noch konnte sie ihn abändern. Von der Klägerin wurde keine besondere Eigeninitiative und Gestaltung erwartet. Laut Beklagtenvorbringen ging es stets nur darum, dass bestimmte Stückzahlen bis zu einem bestimmten Zeitpunkt erledigt werden mussten.

Nach Auffassung der Beklagten soll nun entscheidend gegen das Vorliegen eines echten Arbeitsvertrags sprechen, dass es der Klägerin möglich gewesen wäre, Einsätze überhaupt abzulehnen. Dieses „Ablehnungsrecht" kann aber nur dann die Eigenschaft des echten Arbeitnehmers ausschließen, wenn seinetwegen nicht mehr von Arbeitsleistungen in persönlicher Abhängigkeit gesprochen werden kann. Diese Beurteilung käme unter Umständen dann in Betracht, wenn das Ablehnungsrecht tatsächlich wiederholt ausgeübt wird oder bei objektiver Betrachtung zu erwarten ist, dass eine solche Nutzung erfolgt (vgl Rebhahn, Dienstnehmerbegriff und persönliche Abhängigkeit bei Vertretungsbefugnis, wbl 1998, 277 [288]; Kuras/Strohmayer aaO 37 [45 f]; Höfle, Praxis-News, ASoK 2004, 138 [140]; Naderhirn, Arbeitnehmerbegriff und Vertretungsbefugnis, RdW 2004, 422; 8 ObA 35/05p; 8 ObA 86/03k; 9 ObA 96/06t ua; krit Schrammel, Arbeitsvertrag versus freier Dienstvertrag, in FS Bauer/Maier/Petrag 25; Korn, Der „selbst ernannte" Arbeitnehmer, ASoK 2005, 2; Tomandl, Der rätselhafte freie Dienstnehmer, ZAS 2006, 248 ua). Dies war jedoch hier nicht der Fall. Wenn etwa betont wird, dass die Klägerin die Arbeit „jederzeit" vorzeitig hätte beenden können, so wirkt diese „Freiheit" mehr als gekünstelt, brachte doch die Beklagte ebenfalls vor, dass sie die Leute stets in Abhängigkeit von der bis zu einem bestimmten Zeitpunkt einzulegenden Stückzahl abrufe und einsetze. Die angebliche Freiheit des „Kommens und Gehens" ist damit unvereinbar.

Am Fehlen der persönlichen Abhängigkeit ändert auch die von der Beklagten erstmals in der Berufung, gestützt auf § 63 Abs 1 ASGG, aufgestellte Behauptung nichts, dass das Einlegen von Beilagen keine Vorkenntnisse erfordere. Daran wird ohnehin nicht gezweifelt. Die Schlussfolgerung der Beklagten, dass es der Klägerin jederzeit freigestanden sei, sich durch eine beliebige Person vertreten zu lassen, weil mit ihrer Tätigkeit keine besondere Vertrauensstellung verbunden gewesen sei, ist fragwürdig. Die erstgerichtliche Feststellung, dass über ein Recht der Klägerin, sich bei der Leistung der Arbeiten vertreten zu lassen, nicht einmal gesprochen wurde, blieb unbekämpft. Im Übrigen gilt auch hier das bereits zum Ablehnungsrecht ausgeführte. Die Vereinbarung einer generellen Vertretungsbefugnis kann die persönliche Abhängigkeit und damit die Arbeitnehmereigenschaft unter Umständen dann ausschließen, wenn das Vertretungsrecht tatsächlich genutzt wird oder bei objektiver Betrachtung zu erwarten ist, dass eine solche Nutzung erfolgt (vgl Rebhahn aaO wbl 1998, 277; Kuras/Strohmayer aaO 37 [45]; Höfle, ASoK 2004, 138 [140]; Naderhirn, RdW 2004, 422; 8 ObA 86/03k; 8 ObA 35/05p; 9 ObA 96/06t; krit hingegen Schrammel aaO 25 ff; Korn, ASoK 2005, 2; Tomandl, ZAS 2006, 248 ua). Beides war hier aber nicht der Fall. Es mag im Einzelfall auch eine Elite „hoch bezahlter" Expeditaushelfer geben, die ein Einkommen ins Verdienen bringen, von dem „mancher Jungakademiker nur träumen könne", und deshalb von einer eingeräumten Vertretungsmöglichkeit keinen Gebrauch machen (vgl Korn, ASoK 2005, 2 [4]). Dies hat allerdings mit der vorliegenden Konstellation nichts zu tun, wie schon an der Höhe des Klagebetrags unschwer zu erkennen ist. Die Gesamtbetrachtung der Arbeitsbedingungen der Klägerin lässt die Annahme der Revisionsgegnerin, die Klägerin hätte für die Beklagte in „persönlicher Unabhängigkeit" gearbeitet, als realitätsfern erscheinen.

Zusammenfassend wurde das Rechtsverhältnis zwischen den Parteien vom Erstgericht zutreffend als echter Arbeitsvertrag qualifiziert. Die Höhe des Klagebetrags wurde von der Beklagten in erster Instanz nicht bestritten. Auf das von der Klägerin in der Revision angeschnittene Problem der Unzulässigkeit der „Beschäftigung nach beiderseitigem Bedarf - Konsensprinzip" (vgl 8 ObA 277/01w; 8 ObA 116/04y; 8 ObA 35/05p ua) braucht daher nicht eingegangen werden. Soweit die Beklagte in der Berufung und in der Revisionsbeantwortung Zweifel am Zinsenbegehren nach § 49a erster Satz ASGG anmeldete, ist darauf hinzuweisen, dass die Begründung der Zahlungsverzögerung durch die Beklagte (Werkvertrag wegen Fehlens einer Beschäftigungsbewilligung) jeder Grundlage entbehrte und daher unvertretbar war (§ 49a zweiter Satz ASGG). Das Ersturteil war sohin einschließlich der Kostenentscheidung wiederherzustellen.

Die Entscheidung über die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.