OGH 29.03.2001, 8ObA207/00z
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer und Dr. Rohrer und die fachkundigen Laienrichter Dr. Zeitler und Mag. Dirschmied als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Arbeiterbetriebsrat der P***** GesmbH, Zweigniederlassung Wien, *****, vertreten durch Dr. Georg Grießer ua, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Sch***** GmbH, ***** (vormals P*****GesmbH), vertreten durch Dr. Robert Krepp ua, Rechtsanwälte in Wien, wegen Feststellung (Streitwert S 500.000), infolge Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 7 Ra 73/00g-54, mit dem infolge Berufung (richtig Rekurses) der klagenden Partei das Urteil (richtig der Beschluss) des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom , GZ 6 Cga 331/93a-50, abgeändert wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs der beklagten Partei wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass die erstgerichtliche Entscheidung mit der Maßgabe wiederhergestellt wird, dass sie als Beschluss zu bezeichnen ist.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 17.807,40 (darin S 2.967,30 USt) bestimmten Kosten des Rekurs- sowie die mit S 21.375 (darin S 3.562,50 USt) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung:
Die ehemals beklagte Partei P***** GmbH (in der Folge beklagte Partei) führte geophysikalische Bodenuntersuchungen zur Aufnahme von Erdöl- und Erdgasvorräten in Österreich durch. Die Zentrale befand sich in Hannover, in Österreich bestand nur eine Zweigniederlassung. Es war ein Messtrupp von ca 30 bis 70 Personen beschäftigt, um Aufträge vornehmlich der Rohölaufsuchungsgesellschaft (RAG) zu bearbeiten. Im Jahr 1990 wurde ein weiterer Meßtrupp zusammengestellt, um die vermehrten Aufträge, nunmehr auch von der ÖMV, erledigen zu können. Der Stammtrupp der beklagten Partei war in den streitgegenständlichen Jahren hauptsächlich in Oberösterreich sowie in Salzburg tätig, während der 1990 konstituierte ÖMV-Trupp zuerst in Vorarlberg, dann in Niederösterreich beschäftigt war. Im Jahr 1993 waren somit zwei Bohrtrupps der beklagten Partei in Österreich tätig. Beide Trupps arbeiteten räumlich getrennt, wobei die Zentrale in Hannover entschied, welcher Trupp die jeweiligen Aufträge bearbeiten sollte. Auch die technische Ausrüstung der einzelnen Trupps wurde von der Zentrale in Hannover zur Verfügung gestellt. Jeder Trupp verfügte über ein eigenes Truppbüro und einen eigenen Truppleiter. Der Truppleiter des ÖMV-Trupps war der aus Deutschland stammende Dipl. Ing. B*****, der zur Aufnahme und Kündigung von Mitarbeitern berechtigt war, die Arbeitseinsätze einteilte und koordinierte, und auch Urlaube genehmigte. In Wien befand sich die zentrale Verwaltungsstelle für beide Trupps, in der aber lediglich die Lohnverrechnung durchgeführt, die Dienstverträge und Kündigungen schriftlich ausgefertigt und die Urlaube registriert wurden.
Aufgrund der schlechten Auftragslage im Jahr 1993 entschloss sich die beklagte Partei im Herbst 1993 nach Abschluss eines ÖMV-Auftrages am den ÖMV-Trupp aufzulösen. Das Bestandverhältnis des ÖMV-Truppbüros wurde mit aufgelöst, die Dienstverhältnisse der Arbeitnehmer je nach bestehenden Urlaubsansprüchen mit Ende Oktober 1993 beendet. Tatsächlich gearbeitet wurde nur bis . Auch der Truppleiter Dipl. Ing. B*****, der seit im Trupp tätig war, wurde nach Deutschland zurückbeordert. Die vom Trupp zur Auftragsbearbeitung eingesetzten Geräte und Maschinen wurden Anfang November 1993 an die Zentrale in Hannover zurückgestellt. Ab diesem Zeitpunkt war die Organisationseinheit "ÖMV-Trupp" aufgelöst und wurde von der beklagten Partei nur noch mit einem Mess-Trupp (RAG) in Österreich gearbeitet.
Die ursprünglich beklagte Partei P*****-GmbH mit Hauptsitz in Hannover wurde durch Übertragung ihres Vermögens als Ganzes auf die Sch***** Holding GmbH in Ismaning, BRD, mit dieser verschmolzen; der Name der beklagten Partei wurde infolgedessen während des Verfahrens berichtigt. Die Wiener Zweigniederlassung der P***** GmbH wurde wegen dieser Verschmelzung im Firmenbuch des Handelsgerichtes Wien mit Beschluss vom gelöscht.
Im Stammtrupp, dem RAG-Trupp, gab es seit 1968 regelmäßig Betriebsratswahlen.
Am erfolgte im ÖMV-Trupp ebenfalls eine Betriebsratswahl unter den Arbeitern, wobei 31 Arbeiter zur Wahl zugelassen wurden, und Thomas R***** zum Betriebsratsvorsitzenden und Friedrich W***** zu seinem Stellvertreter gewählt wurden, wobei diese Wahl nur den ÖMV-Trupp erfassen sollte. Nach Ausscheiden von Thomas R***** konstituierte sich der Betriebsrat am neu, nunmehr wurde Friedrich W***** Vorsitzender und Gerhard P***** sein Stellvertreter.
Am wurde im RAG-Trupp, der damals in Lambrechtshausen, Oberösterreich, tätig war, unter den dortigen Angestellten ein Betriebsrat gewählt und Hubert B***** zum Betriebsratsvorsitzenden und Karl G***** zu seinem Stellvertreter gewählt. Am fand unter den Arbeitern des RAG-Trupps eine neuerliche Betriebsratswahl statt und wurde Rudolf St***** zum Betriebsratsvorsitzenden und Rudolf G***** zu seinem Stellvertreter gewählt. Friedrich W*****, der Arbeiterbetriebsratsvorsitzende des ÖMV-Trupps, wurde von den Betriebsratswahlen in Lamprechtshausen von der Gewerkschaft informiert, die Wahlen wurden von ihm jedoch nicht angefochten.
Der klagende Arbeiterbetriebsrat "Zweigniederlassung Wien" begehrte mit Klage vom Feststellungen betreffend Entgeltansprüche (diverse Zulagen und Überstundenzuschläge), die den Arbeitern der beklagten Partei für im Rahmen des Auftrages der ÖMV erbrachte Tätigkeiten zustünden.
Die beklagte Partei wandte von Anbeginn an ua mangelnde Parteifähigkeit der klagenden Partei ein und beantragte, die Klage deshalb zurückzuweisen: jener Betrieb, indem Friedrich W***** und Gerhard P***** als Mitglieder des Arbeiterbetriebsrats fungierten und als deren Vertreter die vorliegende Klage einbrachten, sei bereits am endgültig eingestellt worden.
Das Erstgericht wies nunmehr im dritten Rechtsgang - allerdings unrichtig mit Urteil, anstatt mit Beschluss - die Klage wegen mangelnder Partei- und Prozessfähigkeit zurück und erklärte das aufgrund dieser Klage eingeleitete Verfahren für nichtig.
In rechtlicher Hinsicht kam es in einer umfangreichen Begründung zur Ansicht, dass die beiden Trupps als Betriebe iSd § 34 ArbVG zu qualifizieren gewesen seien. Die mangelnde örtliche Fixierung schade nicht, weil es sich bei den Trupps um beständige Organisationseinheiten gehandelt habe, die zwar keine örtliche Fixierung aufgewiesen hätten, die aber aufgrund ihrer stabilen Verbindung von Betriebsinhaber, Betriebszweck und technischen und personellen Betriebsmitteln als Betrieb iSd § 34 ArbVG zu qualifizieren seien. Der Standort als ein wesentliches Merkmal eines eigenständigen Betriebes sei zwar öfters gewechselt worden, jedoch führe insgesamt gesehen die Änderung eines Merkmales des Betriebes nicht zum Verlust der Betriebseigenschaft.
Am sei somit wirksam ein Arbeiterbetriebsrat für den ÖMV-Trupp gewählt worden und hätten nach seiner Neukonstituierung im März 1992 Friedrich W***** als Betriebsratsvorsitzender und Gerhard P***** als sein Stellvertreter "agiert". § 53 Abs 1 ASGG normiere die Partei- und Prozessfähigkeit des Betriebsrates. § 62 Z 1 ArbVG regle die Beendigung der Tätigkeit des Betriebsrates mit dauernder Einstellung des Betriebes. Sie könne sich gemäß § 62a ArbVG nur dann verlängern, wenn bereits vor Einstellung des Betriebes vom Betriebsrat ein Verfahren vor Gericht oder einer Verwaltungsbehörde anhängig gemacht worden sei, und zwar bis zur Beendigung dieses Verfahrens. Dies sei hier nicht der Fall gewesen, weil der Betrieb ÖMV-Trupp zumindestens seit Anfang November 1993 vollständig und dauernd eingestellt gewesen sei, die Feststellungsklage des Arbeiterbetriebsrats dieses Betriebes aber erst am eingebracht worden sei. Bei der mangelnden Partei- und Prozessfähigkeit der klagenden Partei handle es sich um Prozesshindernisse, die eine Nichtigerklärung des Verfahrens und die Klagszurückweisung bedingten.
Gegen dieses Urteil (richtig: diesen Beschluss) richtete sich die Berufung (richtig Rekurs) der klagenden Partei mit dem Antrag, die Entscheidung "im klagsstattgebenden Sinn abzuändern", hilfsweise sie aufzuheben und zur Verfahrensergänzung zurückzuverweisen.
Die zweite Instanz, die das Vergreifen in der Entscheidungsform richtig erkannte, hielt den Eventualantrag für berechtigt, hob den angefochtenen Beschluss auf, wies die Rechtssache zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück und erklärte den Revisionsrekurs für zulässig.
Es sei von dem vom Erstgericht in einem mangelfreien Verfahren festgestellten Sachverhalt auszugehen, weil die Beweiswürdigung, die von der klagenden Partei in vielen Punkten bekämpft worden sei, im Rekursverfahren nicht angefochten werden könne. Das erstgerichtliche Verfahren sei aber aus anderen rechtlichen Gründen ergänzungsbedürftig: Das Rekursgericht habe bereits in seinem Aufhebungsbeschluss vom (ON 28) ausgesprochen, dass dem ArbVG ein sogenannter "vazierender Betrieb" fremd sei, ein solcher Betriebsbegriff gegen das Verständnis des § 34 ArbVG verstoße, weil es sich bei den "ÖMV und RAG-Trupps" im Grunde um Arbeitspartien gehandelt habe, die an verschiedenen Orten tätig geworden seien und solche Arbeitspartien nicht die Betriebsvoraussetzungen des § 34 ArbVG besäßen, weshalb von der Partei- und Prozessfähigkeit der klagenden Partei grundsätzlich auszugehen sei. Es sei nach dem genannten Beschluss ON 28 zu prüfen gewesen, ob und welcher Betrieb stillgelegt worden sei und welcher gültig im Amt befindliche Betriebsrat allenfalls seine Vertretungsbefugnis verloren habe. Es sei daher dem Erstgericht ohne Änderung des Sachverhaltes verwehrt, die Partei- und Prozessfähigkeit nur deshalb zu verneinen, weil "der Betrieb ÖMV-Trupp bereits zum Zeitpunkt der Klageeinbringung eingestellt gewesen sei." Die beklagte Partei wäre dafür beweispflichtig gewesen, dass die Voraussetzungen für eine Betriebseinstellung im aufgezeigten Umfang bereits bei Klagseinbringung am vorgelegen seien, was auch das Erstgericht, allerdings bezogen auf den "ÖMV-Trupp" als richtig erkannt habe; dies habe jedoch nicht zu einer Beendigung der Tätigkeit der beklagten (richtig klagenden) Partei führen können, weil zum Zeitpunkt der Klageeinbringung am festgestellter Maßen in Österreich zumindestens noch mit einem Mess-Trupp gearbeitet worden sei.
Das erstgerichtliche Verfahren sei aber ergänzungsbedürftig, weil geklärt werden müsse, wieviele Arbeitnehmer im Zeitpunkt der Klageeinbringung sowie auch noch bei Schluss der mündlichen Verhandlung ein rechtliches Interesse an den in der Klage begehrten Feststellungen gehabt hätten, bzw ob überhaupt das Klagebegehren in materiellrechtlicher Hinsicht berechtigt sei. Die klagende Partei hätte auch näher zu präzisieren, warum die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs 9 ObA 51/98k für das vorliegende Verfahren nicht maßgeblich sei.
Der Revisionsrekurs sei zulässig, weil es sich einerseits um eine Entscheidung in einem privilegierten Verfahren gemäß § 46 Abs 3 Z 2 ASGG handle und es andererseits zu der im vorliegenden Fall zu lösenden Rechtsfrage, ob der "ÖMV-Trupp" einen selbstständigen Betrieb darstellen könne und die Auflösung desselben zwingend zu einer Beendigung der klagenden Partei führen müsse, keine unmittelbar verwertbare Rechtsprechung gebe. Außerdem habe die beklagte Partei bisher keine Möglichkeit gehabt, die für sie nachteilige bindende Rechtsansicht des Rekursgerichtes in seinem Aufhebungsbeschluss vom (ON 28) zu bekämpfen.
Gegen diesen Aufhebungsbeschluss richtet sich der Revisionsrekurs der beklagten Partei wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss dahin abzuändern, dass die Entscheidung des Erstgerichtes als Beschluss wiederhergestellt werde.
Die klagende Partei beantragt, dem Revisionsrekurs der beklagten Partei nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs der beklagten Partei ist im Sinne ihres Revisionsrekursantrages auf Wiederherstellung der erstgerichtlichen Entscheidung als Beschluss in der Hauptsache berechtigt.
Vorweg ist folgendes zu bemerken: Die klagende Partei hat selbst kein Rechtsmittel ergriffen, sondern hat lediglich in ihrer Revisionsrekursbeantwortung ersucht, der Oberste Gerichtshof möge für den Fall, dass er das Beweisverfahren über die mangelnde Parteifähigkeit der klagenden Partei für ergänzungsbedürftig halte - was allerdings nach ihrer Meinung zu verneinen sei -, wegen der langen Dauer des bisherigen Verfahrens ausnahmsweise ihm erforderlich erscheinende Beweisaufnahmen durch einen ersuchten Richter selbst vornehmen lassen, was in derartigen Verfahren über eine auch von Amts wegen wahrzunehmende Nichtigkeit zulässig sei. In Wahrheit versucht die klagende Partei mit ihren diesbezüglichen Ausführungen in ihrer Revisionsrekursbeantwortung unzulässigerweise indirekt die Feststellungen des Erstgerichts zu bekämpfen, indem sie neuerlich unterstellen will, dass die Betriebsratswahl, in der ihre Vertreter gewählt worden seien, nicht auf den "Arbeitstrupp-ÖMV" beschränkt gewesen sei, auch wenn sich die Arbeitnehmer des RAG-Arbeitstrupps an der Wahl nicht beteiligt hätten, und will aus ihrem früheren Wahlzeitpunkt ableiten, dass die Betriebsratswahl im RAG-Arbeitstrupp deshalb ohne rechtliche Wirkung sei, auch wenn sie diese nicht angefochten habe. Dass auf diese in Wahrheit eine Beweisrüge bezüglich der erstinstanzlichen Feststellungen darstellenden Ausführungen in der Revisionsrekursbeantwortung nicht einzugehen ist, bedarf keiner näheren Begründung.
Ausgehend von den oben wiedergegebenen Feststellungen ergibt sich, dass die daraus vom Erstgericht gezogene Schlussfolgerung, die klagende Partei sei bereits vor Klagseinbringung infolge gänzlicher Betriebseinstellung erloschen und deshalb nicht mehr partei- und prozessfähig, sodass das Verfahren für nichtig zu erklären und die Klage zurückzuweisen ist, zutreffend ist:
§ 53 Abs 1 ASGG normiert die Partei- und Prozessfähigkeit des Betriebsrates. Die Funktionsdauer eines Betriebsrates endet allerdings ua gemäß § 62 Z 1 ArbVG von Gesetzes wegen, wenn der Betrieb dauernd eingestellt wird. Damit endet auch seine Partei- und Prozessfähigkeit. Nur dann, wenn zu dieser Zeit bereits ein Verfahren vor Gericht oder einer Verwaltungsbehörde anhängig ist, besteht die Partei- und Prozessfähigkeit gemäß § 62a ArbVG in Bezug auf dieses Verfahren bis zu dessen Abschluss weiter.
Voraussetzung für die Anwendung des § 62 und § 62a ArbVG ist allerdings, dass die Arbeitsstätte, die dauernd eingestellt wird, ein Betrieb iSd § 34 ArbVG ist, weil dieser die Organisationseinheit ist, in der Betriebsräte als Organe der Arbeitnehmerschaft gebildet werden können (Gahleitner in Cerny ua, Arbeitsverfassungsrecht2 209; Marhold/Mayer-Maly, Österreichisches Arbeitsrecht II2 133), und für ihn auch ein solcher gebildet wurde. § 34 Abs 1 ArbVG definiert einen Betrieb als eine Arbeitsstätte, die eine organisatorische Einheit bildet, innerhalb der eine physische oder juristische Person oder eine Personengemeinschaft mit technischen oder immateriellen Mitteln die Erzielung bestimmter Arbeitsergebnisse fortgesetzt verfolgt.
Nach herrschender Rechtsprechung und Lehre (4 Ob 51/85 = Arb 10.525;
9 ObA 143/95 = DRdA 1996/22 [Runggaldier]; Gahleitner aaO 208 ff;
Marhold/Mayer-Maly aaO 135 ff) sind Hauptelemente eines Betriebes neben dem Betriebsinhaber der Betriebsstandort, die Beschäftigten, die Betriebsmittel, der Betriebszweck und der Betriebsgegenstand sowie der Dauercharakter und die einheitliche Betriebsorganisation. Für den Betriebsbegriff kommt es in erster Linie auf die einheitliche Organisation zur Hervorbringung von Arbeitsergebnissen an. Der Begriff der organisatorischen Einheit ist primär technischer, nicht rechtlicher Natur. Das Vorliegen einer gewissen Entscheidungsfreiheit vor allen in Personalangelegenheiten bildet ein wichtiges Indiz für das Vorliegen eines Betriebes. Für den Charakter selbstständiger Betriebe ist es allerdings ohne Einfluss, wenn aus ökonomischen Gründen gewisse Tätigkeiten, wie Buchhaltung sowie sonstige Verwaltungsaufgaben, insbesondere Personalangelegenheiten nicht in den einzelnen Betrieben, sondern in einer zentralen Verwaltungsstelle geführt werden.
Im vorliegenden Fall arbeiteten die beiden Trupps unabhängig und an völlig getrennten Orten; es bestand kein technischer Zusammenhang zwischen den Arbeitsergebnissen, insbesondere auch deshalb nicht, weil vorliegendenfalls aufgrund der konkurrierenden Auftraggeber zudem Geheimhaltungspflichten bestanden. Jeder Trupp stellte produktionstechnisch eine organisatorische Einheit dar, die unter der Leitung eines eigenen Truppleiters mit von diesem rekrutierten Mitarbeitern Aufträge erfüllte. Dem vor Ort tätigen, qualifizierten Truppleiter kam dabei die Weisungs- und Disziplinargewalt zu. Die Wiener Verwaltungsstelle hatte nur buchhalterische und kaufmännische Belange, wie die Lohnverrechnung und die schriftliche Ausstellung von Dienstverträgen und Kündigungen durchzuführen. Sie hatte nicht die Kompetenz, die Abläufe im jeweiligen Betrieb zu bestimmen.
Als Arbeitsstätte iSd § 34 Abs 1 ArbVG ist eine im weitesten Sinne örtlich abgrenzbare Einrichtung zu verstehen. Bei den beiden Trupps handelte es sich um beständige Organisationseinheiten, die lediglich keine ständige örtliche Fixierung aufwiesen, weil sich der jeweilige Einsatzort nach den Aufträgen der Auftraggeber richtete. Im jeweiligen Einsatzgebiet wurde das Truppbüro eingerichtet und von dort aus lenkte der Truppleiter die Geschicke des Trupps. Der Standort als eines der wesentlichen Merkmale eines eigenständigen Betriebes wurde zwar vorliegendenfalls aufgrund der Besonderheiten der von der beklagten Partei zu verrichtenden Aufträge öfters gewechselt; das schadet jedoch nicht, weil alle übrigen Merkmale eines Betriebes unverändert blieben und insgesamt gesehen die Änderung eines Merkmales des Betriebes nicht zum Verlust der Betriebseigenschaft führt (Jabornegg, DRdA 1991, 115 ff [117]; Gahleitner aaO 218). Es liegen daher keine "vazierenden" Betriebe vor, wie das Rekursgericht, der Terminologie der klagenden Partei folgend, meint, denen die Betriebseigenschaft nur deshalb versagt werden müsste, weil aus ökonomischen Gründen die jeweiligen Betriebsstandorte dorthin verlegt wurden, an denen die Trupps die geophysikalischen Untersuchungen durchzuführen hatten. Die beiden Trupps sind Bauleitungen bei Großbaufirmen vergleichbar, die zwischen den einzelnen Baustellen und der Unternehmensleitung eingeschaltet sind, und bei Vorliegen der oben geschilderten Kriterien als Betriebe iSd § 34 Art 1 ArbVG anerkannt werden (siehe Marhold/Mayer-Maly aaO 135; Gahleitner aaO 222).
Der ÖMV-Trupp war somit ein Betrieb iSd § 34 ArbVG und konnte daher
einen Betriebsrat wählen. Ein solcher wurde auch am
erstmals gewählt und konstituierte sich am nach
personellen Veränderungen neu, und zwar nur für die Arbeiter des
ÖMV-Trupps; der RAG-Trupp hatte seit Jahrzehnten einen eigenen
Arbeiterbetriebsrat, den er in der kritischen Zeit ebenfalls neu
wählte. Beide Betriebsratswahlen wurden nicht angefochten, sodass
eine allenfalls fehlende Betriebseigenschaft einer Arbeitsstätte auf
die Bestanddauer und Tätigkeitsdauer des Betriebsrates keinen
Einfluss hätte (9 ObA 311-318/93 = ZAS 1994/15 [dazu Tomandl aaO 149
ff] = DRdA 1995/7 [Gahleitner DRdA 1995, 18 ff]; 8 ObA 224/94 = Arb
11.146 = DRdA 1995/9 [Marhold]).
Zutreffend ist das Erstgericht auch davon ausgegangen, dass der Betrieb ÖMV-Trupp zur Zeit der Klagseinbringung bereits dauernd eingestellt und daher damals die Betriebsratseigenschaft bereits erloschen und somit der Betriebsrat nicht mehr partei- und prozessfähig war.
Eine dauernde Betriebseinstellung (8 Ob 2092/96x = SZ 69/207; 9 ObA
2309/96s = Arb 11.600 9 ObA 408/97h = RdW 1998, 763) liegt nämlich
dann vor, wenn jede Tätigkeit im Rahmen der bisherigen Organisationseinheit beendet ist. Es müssen alle subjektiven und objektiven Vorkehrungen getroffen sein, die für eine Einstellung des Betriebes auf nicht absehbare Zeit sprechen. Neben der Absicht des Betriebsinhabers, den ÖMV-Trupp endgültig aufzulösen, wurden auch alle tatsächlichen Schritte zur Betriebsauflösung gesetzt, indem das Truppbüro aufgelassen, das für den Trupp bestehende Anlagevermögen aufgelöst und nach Deutschland zurückgestellt wurde, die bestehenden Dienstverhältnisse mit Ende Oktober beendet wurden und der Truppleiter, ohne dass er ersetzt worden wäre, nach Deutschland in die Zentrale zurückkehrte. Wenn auch eine Betriebsstilllegung ein äußerst komplexer Vorgang ist, der sich auch zeitlich meist länger hinzieht, und jeweils nur von Fall zu Fall beurteilt werden kann, sind doch vorliegendenfalls spätestens Anfang November 1993 alle hiezu vorgesehenen Maßnahmen bereits beendet gewesen.
Davon ist auch das Rekursgericht hinsichtlich des ÖMV-Trupps ausgegangen. Es kam nur deshalb zu der unrichtigen Schlussfolgerung, dass die Partei- und Prozessfähigkeit der klagenden Partei im Zeitpunkt der Klagseinbringung nicht erloschen war, weil zur Zeit der Klagseinbringung noch ein weiterer Messtrupp (RAG-Trupp) in Österreich gearbeitet hat, und es einerseits von der - wie oben dargelegt - unrichtigen (und auch im dritten Rechtsgang nicht näher begründeten) Prämisse ausging, der ÖMV-Trupp sei kein Betrieb iSd § 34 ArbVG gewesen und es sich andererseits offenbar die überhaupt nicht nachvollziehbare Schlussfolgerung der klagenden Partei zu eigen machte, dass der nur für den ÖMV-Trupp gewählte Betriebsrat seine Agenden auf den noch weiter bestehenden RAG-Trupp ausgedehnt und den dort schon seit Jahrzehnten bestehenden Arbeiter - Betriebsrat verdrängt hätte.
Zutreffend ist vielmehr, wie das Erstgericht richtig erkannt hat, dass infolge dauernder Einstellung des Betriebes des ÖMV-Trupps die Funktion von dessen Arbeiterbetriebsrat gemäß § 62 Z 1 ArbVG vorzeitig beendet wurde, und auch kein Fall des § 62a ArbVG vorliegt, weil die Klage erst nach diesem Zeitpunkt eingebracht wurde und somit der klagenden Partei auch nicht bis zur rechtskräftigen Beendigung des vorliegenden Verfahrens für dieses Verfahren Partei- und Prozessfähigkeit zuerkannt werden kann.
Die erstgerichtliche Entscheidung ist daher in der Hauptsache mit der Maßgabe wiederherzustellen, dass es sich um einen Beschluss handelt.
Im Übrigen wird auf die Entscheidung 9 ObA 51/98k im Verfahren 20 Cga 296/93g des Erstgerichts verwiesen, in dem über Leistungsbegehren zahlreicher Arbeitnehmer des ÖMV-Trupps betreffend weitgehend idente Forderungen wie im hier streitgegenständlichen Feststellungsbegehren bereits entschieden wurde.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 51 Abs 1 ZPO.
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer und Dr. Rohrer und die fachkundigen Laienrichter Dr. Eberhard Piso und Walter Darmstädter als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Arbeiterbetriebsrat der ***** GesmbH, Zweigniederlassung Wien, *****, vertreten durch Dr. Georg Grießer ua, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Sch***** GmbH, ***** (vormals P***** GesmbH), vertreten durch Dr. Robert Krepp ua, Rechtsanwälte in Wien, wegen Feststellung (Streitwert S 500.000), infolge Berichtigungsantrages der beklagten Partei den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Berichtigungsantrag der beklagten Partei und die Äußerung der klagenden Partei werden zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Der erkennende Senat hat mit der das Verfahren beendenden Entscheidung vom , 8 ObA 207/00z, dem Revisionsrekurs der beklagten Partei Folge gegeben und die erstinstanzliche Entscheidung mit der Maßgabe wiederhergestellt, dass sie als Beschluss zu bezeichnen ist, und der beklagten Partei die Kosten ihres Rekurses und des Revisionsrekursverfahrens zugesprochen. In der erstgerichtlichen Entscheidung, die der erkennende Senat wiederhergestellt hat, wurde die Klage wegen mangelnder Partei- und Prozessfähigkeit zurückgewiesen und das aufgrund der Klage eingeleitete Verfahren für nichtig erklärt.
Die beklagte Partei beantragt nunmehr die Kostenentscheidungen dahingehend zu berichtigen, dass anstelle der klagenden Partei jeweils Fritz W***** und Gerhard P***** als Repräsentanten der klagenden Partei zur ungeteilten Hand zum Kostenersatz verpflichtet werden. Sie meint, sie habe auf die Nichtexistenz der klagenden Partei wiederholt hingewiesen und die ihr durch das Verfahren entstandenen Kosten erkennbar nicht gegen das nicht parteifähige Gebilde, sondern gegen jene Repräsentanten geltend gemacht, die das Verfahren initiiert und fortgeführt hätten. In diesem Sinn müsse auch die Entscheidung des erkennenden Senates verstanden werden. Es könne ihm nicht unterstellt werden, dass er der beklagten Partei zwar die Verfahrenskosten zugesprochen, zu deren Ersatz aber ein Gebilde verpflichtet habe, das als nicht partei- und prozessfähig qualifiziert wurde. Der Oberste Gerichtshof habe bereits in Entscheidungen auch Dritte (einen nichtalleinvertretungsbefugten Gesellschafter bzw einen Gemeinschuldner), die das nichtige Verfahren veranlasst hätten, als Partei iSd § 51 Abs 1 ZPO angesehen und ihnen die Verfahrenskosten auferlegt.
Rechtliche Beurteilung
Der Berichtigungsantrag wird zurückgewiesen.
Davon abgesehen, dass der Antrag der beklagten Partei die Möglichkeiten eines Berichtigungsbeschlusses weit überschreitet - von einem Schreib- oder Rechenfehler oder anderen offenbaren Unrichtigkeiten kann nicht gesprochen werden -, hat der erkennende Senat seine auf § 51 Abs 1 ZPO gestützte Kostenentscheidung bewusst getroffen. Er ging - im Übrigen den Anträgen der beklagten Partei folgend - davon aus, dass der klagende Betriebsrat zum Ersatz der Kosten der beklagten Partei zu verurteilen ist, weil es ihm zum Verschulden zugerechnet werden muss, dass er das Verfahren trotz des Nichtigkeitsgrundes seiner mangelnden Partei- und Prozessfähigkeit eingeleitet und trotz Hinweises der beklagten Partei darauf beharrlich fortgeführt habe. Dass gerade den genannten "Repräsentanten" des Betriebsrates ein Verschulden an der Einleitung und Fortführung des nichtigen Verfahrens anzulasten wäre, wurde weder behauptet noch festgestellt, noch wurde deren Kostenersatzpflicht beantragt, sodass nicht geprüft werden muss, ob Betriebsräte bei einem allfälligen Verschulden ihrerseits an der nichtigen Prozessführung überhaupt zum Kostenersatz verhalten werden könnten.
Die Äußerung der klagenden Partei zum Berichtigungsantrag ist ebenfalls zurückzuweisen; das Urteilsberichtigungsverfahren ist ein einseitiges Verfahren; eine Gegenäußerung zum Urteilsberichtigungsantrag ist nicht vorgesehen.
Zusatzinformationen
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Rechtsgebiet | Zivilrecht |
ECLI | ECLI:AT:OGH0002:2001:008OBA00207.00Z.0329.000 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
IAAAD-91480