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OGH 27.04.2016, 8Ob13/16v

OGH 27.04.2016, 8Ob13/16v

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten Prof. Dr. Spenling als Vorsitzenden, die Hofrätin Dr. Tarmann-Prentner, den Hofrat Dr. Brenn sowie die Hofrätinnen Mag. Korn und Dr. Weixelbraun-Mohr als weitere Richter in der Sachwalterschaftssache der Antragstellerin A* S*, vertreten durch Mag. Sebastian Krumpel, Rechtsanwalt in Wien, wegen Umbestellung des Sachwalters, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Betroffenen gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , GZ 42 R 464/15v-104, mit dem über Rekurs der Betroffenen der Beschluss des Bezirksgerichts Donaustadt vom , GZ 46 P 122/13a-97, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Für die derzeit 53-jährige Betroffene wurde mit den Beschlüssen des Erstgerichts vom und eine Rechtsanwältin zur Sachwalterin zur Vertretung vor Gerichten, Behörden und Sozialversicherungsträgern, zur Verwaltung von Einkünften, Vermögen und Verbindlichkeiten, zur Vertretung bei Rechtsgeschäften, die über Geschäfte des täglichen Lebens hinausgehen, sowie zur Vertretung bei medizinischen Heilbehandlungen bestellt. Die Betroffene leidet an einem organischen Psychosyndrom, das auf ein im Februar 2009 erlittenes Schädel-Hirn-Trauma und einen chronischen Alkoholmissbrauch zurückzuführen ist.

Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Erstgericht insgesamt acht Anträge der Betroffenen auf Beendigung der Sachwalterschaft, in eventu auf Umbestellung der Sachwalterin wegen mangelnder Transparenz ihrer wirtschaftlichen Gebarung, ab.

Nach den Ergebnissen des am eingeholten Sachverständigengutachtens und aufgrund des persönlichen Eindrucks, den die Betroffene bei ihren teilweise fast wöchentlichen persönlichen Vorsprachen bei Gericht hinterlassen habe, sei sie nach wie vor nicht in der Lage, die im Bestellungsbeschluss angeführten komplexen Angelegenheiten zu regeln. Der Zustand der Betroffenen habe sich eher noch verschlechtert. Die Verwaltungsrechnung der Sachwalterin sei vom Gericht geprüft und von der Betroffenen nicht bestritten worden. Da die bestellte Sachwalterin über die persönlichen Voraussetzungen der Betroffenen umfassende Kenntnis habe und ein anderer Sachwalter mit den gleichen Ablehnungsargumenten konfrontiert wäre, lägen Gründe für eine Umbestellung nicht vor.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Betroffenen keine Folge. Es bestünden angesichts der Verfahrensergebnisse keine Bedenken gegen die vom Erstgericht angenommene Notwendigkeit, die Sachwalterschaft aufrecht zu erhalten. Gegen die Person der Sachwalterin habe die Betroffene vorgebracht, dass diese ihr zu wenig Geld für Ausgaben des täglichen Lebens zur Verfügung stelle, sowie dass ein Sparguthaben verschwunden sei. Dem sei entgegenzuhalten, dass in den Abrechnungen der Sachwalterin für die Jahre 2011 bis 2013 ein den behaupteten Fehlbetrag sogar übersteigendes Anfangsguthaben ausgewiesen sei, und die Betroffene gegen diese Abrechnungen keine Einwände erhoben habe. Die geringe Höhe des laufenden Wirtschaftsgeldes resultiere zwangsläufig aus dem niedrigen Pensionseinkommen der Betroffenen. Dem Erstgericht sei beizupflichten, dass sich an den stereotypen Klagen der Betroffenen, sie bekomme zu wenig Geld und wisse nicht, wo dieses hingekommen sei, durch einen Wechsel in der Person des Sachwalters kaum etwas ändern würde.

Rechtliche Beurteilung

Der außerordentliche Revisionsrekurs der Betroffenen richtet sich inhaltlich nur mehr gegen die Abweisung der Anträge auf Umbestellung des Sachwalters, zeigt aber keine die Zulässigkeit des Rechtsmittels begründende Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG auf.

Ob ein Wechsel in der Person des Sachwalters zu erfolgen hat, ist immer von den Umständen des Einzelfalls abhängig und hat keine über diesen hinausgehende Bedeutung (RIS-Justiz RS0117813 [T2]). Ein - ungeachtet dieser Grundsätze - vom Obersten Gerichtshof im Interesse der Rechtssicherheit zu korrigierender Fehler der angefochtenen Entscheidung liegt nicht vor.

Gemäß § 278 Abs 1 ABGB hat das Gericht die Sachwalterschaft auf Antrag oder von Amts wegen einer anderen Person unter anderem dann zu übertragen, wenn der Sachwalter nicht bzw nicht mehr die erforderliche Eignung aufweist, ihm die Ausübung des Amtes nicht zugemutet werden kann, etwa wegen einer strafgerichtlichen Verurteilung eine dem Wohl des Pflegebefohlenen förderliche Ausübung der Sachwalterschaft nicht mehr zu erwarten ist oder das Wohl des Pflegebefohlenen dies aus anderen Gründen erfordert (vgl RIS-Justiz RS0117813).

Der Gesetzgeber erachtete stabile Betreuungssituationen für wünschenswert, es soll nur aus besonderen Gründen zu einer Sachwalterumbestellung kommen (10 Ob 72/14g mwN). Das „Wohl“ des Betroffenen ist zwar nach der Rechtsprechung nicht allein von einem materiellen Gesichtspunkt aus zu beurteilen, sondern es ist auch auf die Befindlichkeit und den psychischen Zustand des Betroffenen abzustellen (3 Ob 75/02d; 8 Ob 43/14b), die Gründe müssen aber auch in dieser Hinsicht objektivierbar sein.

Die Betroffene hat lediglich diffuse, mit dem Akteninhalt nicht vereinbare Anschuldigungen gegen ihre Sachwalterin erhoben. Die Beurteilung der Vorinstanzen, dass daraus keine objektive Gefährdung ihres Wohls abzuleiten ist, ist nicht korrekturbedürftig. Erstmals mit Schreiben vom , nach der in erster Instanz durchgeführten Tagsatzung, hat die Beklagte ihren neuen Verlobten bzw Lebensgefährten sowie dessen Sohn, Tochter und Schwiegersohn als von ihr gewünschte Sachwalter ins Spiel gebracht. Inwiefern eine dieser Personen bereit und geeignet wäre, die Sachwalterschaft weiterzuführen und die rechtlichen und wirtschaftlichen Interessen der Betroffenen (insbesondere gegenüber Sozialversicherungsträgern, Behörden, Gerichten und den aktenkundig andrängenden Gläubigern) zu wahren, sodass ihrem Wohl mit einer solchen Umbestellung nicht nur in emotionaler Hinsicht entsprochen wäre, ließ dieser Antrag nicht erkennen.

Im Revisionsrekurs führt die Betroffene nun aus, sie lebe in einer Beziehung mit ihrem Lebensgefährten und dieser sowie seine Familienmitglieder würden sich sorgfältig um die Betroffene kümmern. Sie fühle sich durch den Lebensgefährten, der ihr versichert habe, die Sachwalterschaft übernehmen zu wollen, umfassender und individueller betreut als durch die bisherige Sachwalterin, zu der sie kein Vertrauensverhältnis aufbauen habe können.

Diese Ausführungen stellen - abgesehen davon, dass auch sie keine Anhaltspunkte für die persönliche Eignung des Lebensgefährten enthalten - unzulässige Neuerungen dar. Zwar sind nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs im Außerstreitverfahren auch Sachverhaltsänderungen nach dem erstgerichtlichen Beschluss von der Rechtsmittelinstanz zu berücksichtigen, wenn dies das Interesse eines Minderjährigen oder Pflegebefohlenen erfordert (RIS-Justiz RS0006893 [T12] = 3 Ob 250/06w), das grundsätzlich geltende Neuerungsverbot ist aber nur insofern durchbrochen, als der Oberste Gerichtshof lediglich solche nach der Beschlussfassung der Vorinstanzen eingetretene Entwicklungen berücksichtigen muss, die aktenkundig sind und die bisherige Tatsachengrundlage wesentlich verändern (RIS-Justiz RS0006893 [T16]).

Allein das neue Vorbringen im Rechtsmittel macht die betreffende Behauptung nicht schon zu aktenkundigen und deshalb zu berücksichtigenden Tatsachengrundlagen (5 Ob 188/11z mwN; 7 Ob 183/12f). Die erstmals im Revisionsrekurs enthaltenen Ausführungen über eine praktische Betreuung der Betroffenen durch die genannten Personen sind daher für die vorliegende Entscheidung nicht maßgeblich.

Soweit im Rechtsmittel auch behauptet wird, dass die Betroffene in der Lage sei, mit ihrem Einkommen ohne Nachteil selbst zu wirtschaften, steht dies nicht nur im Widerspruch zum Gutachtensergebnis, sondern auch zu den von ihr dem Gericht übermittelten Inkassoschreiben, denen zufolge die Betroffene Schulden eingegangen ist, die ihre sehr bescheidenen finanziellen Verhältnisse übersteigen.

Festzuhalten ist auch, dass es sich nach dem Akteninhalt bei dem gegenwärtigen Lebensgefährten der Betroffenen um den dritten innerhalb der letzten sechs Jahre handelt. Abgesehen von den sonstigen Voraussetzungen wäre die Bestellung eines Lebensgefährten zum Sachwalter nur dann mit dem Wohl der Betroffenen vereinbar, wenn diese Beziehung auch langfristig als stabil und verlässlich einzuschätzen wäre.

Ob alle diese Voraussetzungen erfüllt werden können, ist aber nicht in der Revisionsentscheidung zu klären, sondern wird sich das Erstgericht bei der Behandlung der bereits aktenkundigen Folgeanträge der Betroffenen auch damit zu befassen haben.

Zusatzinformationen


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Rechtsgebiet
Zivilrecht
Schlagworte
1 Generalabonnement
ECLI
ECLI:AT:OGH0002:2016:E114489
Datenquelle

Fundstelle(n):
IAAAD-91467