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OGH vom 29.08.2002, 8ObA192/01w

OGH vom 29.08.2002, 8ObA192/01w

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer und Dr. Rohrer sowie die fachkundigen Laienrichter Ulrike Kargl und HR Dipl. Ing. Roland Bauer als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Parteien 1. Josef W*****, 2. Doris H*****, 3. Otto S 4. Wilhelmine G*****, und 5. Karl R*****, alle vertreten durch Lansky & Partner, Rechtsanwälte GmbH in Wien, wider die beklagte Partei O***** GmbH, ***** vertreten durch Kunz, Schima Wallentin & Partner, Rechtsanwälte in Wien, wegen zu 1. EUR 10.606,09, zu 2. EUR 1.580,85, zu 3. EUR 2.867,21, zu 4. EUR 3.075,85 und zu 5. EUR 4.913,44 je sA, infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 9 Ra 16/01s-67, womit infolge Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom , GZ 22 Cga 134/96b-62, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Bereits seit den Zwanzigerjahren betrieben die Rechtsvorgängerinnen der Beklagten am Unternehmenssitz in Wien die Röstung, Weiterverarbeitung und Verpackung von Kaffee sowie die Verpackung von Hülsen- und Trockenfrüchten. Bis Anfang der Neunzigerjahre waren die Rechtsvorgängerinnen der Beklagten Teil einer Handelsgenossenschaft. Im Jahr 1990 wurde die Rechtsvorgängerin der Beklagten in der Form einer GesmbH rechtlich selbständig, wobei die Handelsgenossenschaft ihr einziger Gesellschafter war. Im April 1995 wurde über die Rechtsvorgängerin der Beklagten das Ausgleichsverfahren eröffnet, welches nach Ausgleichsbestätigung mit Beschluss vom gemäß § 57 Abs 1 AO aufgehoben wurde. Mit Verschmelzungsvertrag vom übernahm die Beklagte die GmbH.

Seit Aufnahme des Betriebes durch die Rechtsvorgängerinnen der Beklagten änderte sich die ausgeübte Tätigkeit im Wesentlichen nicht. Die Rechtsvorgängerinnen der Beklagten waren von Anbeginn an Inhaber einer Gewerbeberechtigung aus dem Bereich des Handels und demzufolge auch der Sektion Handel der Wirtschaftskammer zugeordnet. Die Rechtsvorgängerinnen der Beklagten beschäftigten sich im Wesentlichen mit der Verarbeitung von Rohkaffee. Im Jahr 1991 verfügte die GmbH über 30 Mitarbeiter, im Jahr 1995 nur noch über 17 Mitarbeiter. Neben der Kaffeeproduktion gab es auch einen Betriebsteil, in dem Hülsen- und Trockenfrüchte verpackt wurden. Dieser Tätigkeitsbereich wurde im Jahr 1992 eingestellt und der im Abpackbetrieb als Betriebsleiter beschäftigte Erstkläger in der Folge als Produktionsleiter für die Kaffeerösterei eingesetzt. Im Jahr 1990/91 hatte die GmbH einen Umsatz von ATS 100 Mio, es wurden rund 2000 Tonnen Kaffee geröstet. Bei Einstellung des Betriebs waren dies nur noch 800 bis 1000 Tonnen im Jahr. Die GmbH beschäftigte sich zu 80 % mit dem Rösten von Kaffee für die Konzernmutter, die Handelsgenossenschaft, der Rest war Lohnrösterei, wobei der Kaffee teilweise auch ins Ausland exportiert wurde.

Anfang der Neunzigerjahre sprachen die Angestellten erstmals darüber, dass auf das Dienstverhältnis der Kollektivvertrag der Industrie anzuwenden wäre. Der damalige Betriebsrat zeigte sich nicht sehr engagiert, weshalb vorerst keine weiteren Gespräche stattfanden. Erst als der Fünftkläger Betriebsrat wurde, sprach er den damaligen Geschäftsführer darauf an. Dieser hielt sich für das Problem nicht zuständig, sodass die Gespräche zu keinem Ergebnis führten. Die Zweitklägerin, die bei der GmbH nur von Februar 1995 bis Dezember 1995 tätig war, verrichtete gemeinsam mit dem Fünftkläger Büroarbeiten. Sie nahm Bestellungen entgegen, organisierte den Abtransport des Kaffees, führte Inventuren durch und arbeitete fallweise auch im Labor. Der Drittkläger war für die Wartung und Reparatur der Maschinen verantwortlich. Die Viertklägerin war Alleinsekretärin für den Betrieb und die Produktion. Sie führte die monatliche Kostenkontrolle durch, erstellte Rahmenaufträge für die Verpackung, die Rohkaffeeabrechnung sowie Produktions- und Verkaufsstatistiken. Der Fünftkläger war Betriebsrat und gemeinsam mit der Zweitklägerin im kaufmännischen Bereich des Unternehmens tätig.

Die GmbH beschäftigte sich im Wesentlichen mit der Verarbeitung von Rohkaffee, dessen Bestellung über die Zentrale der Handelsgenossenschaft erfolgte. Der Kaffee wurde zunächst zwischengelagert und dann vom Erstkläger und einem weiteren Mitarbeiter probegeröstet. Diese beiden Mitarbeiter verkosteten den Kaffee und legten die Mischungsverhältnisse fest. Der etwa 20 m2 große Proberaum war mit einem Rüttelsieb, einem Gerät zur Überprüfung der Vakuumdichte sowie einem Gerät zur Überprüfung der Restfeuchte, einer Wanne für die Undichteprüfung und einer Möglichkeit zum Kaffeekochen ausgestattet. Der Röstofen wurde über Lochkarten gesteuert, die die Daten über Mischverhältnis und Röstgrad enthielt. Die eigentliche Röstung wurde von einem bis zwei Mitarbeitern durchgeführt, wobei der Röstofen mittels der Lochkarten die einzelnen Kaffeesorten aus den Silos maschinell anforderte. In der Folge wurde der geröstete Kaffee entweder gleich verpackt oder zunächst gemahlen und in verschiedenen Packungsgrößen abgepackt. Das Betriebsgelände, welches über einen eigenen Gleisanschluss verfügte, erstreckte sich über vier Stockwerke und hatte eine Ausdehnung von 1200 m2. Zwischen den Verpackungsmaschinen für Hülsen- und Trockenfrüchte sowie dem Betrieb der Kaffeeproduktion, zu dem auch die Verpackung zählte, bestand keine räumliche Trennung. Die GmbH verfügte über zwei Mahlmaschinen, einen Röstsilo, mehrere Mahlkaffeesilos, Verpackungsmaschinen für Bohnen- und Mahlkaffee sowie eine Dosenbefüllmaschine. Die Mitarbeiter konnten alle Maschinen bedienen, und wechselten sich regelmäßig ab.

Die Dienstverhältnisse der Kläger endeten durch Dienstgeberkündigung zum .

Mit ihrer am beim Erstgericht eingelangten Klage machten die Kläger die im Einzelnen aufgeschlüsselte Gehaltsdifferenz zu dem ihrer Ansicht nach anzuwendenden Kollektivvertrag der Nahrungs- und Genussmittelindustrie für die Jahre 1993 bis 1995 (die Zweitklägerin für Februar 1995 bis Dezember 1995) geltend und begehrten zuletzt im Hinblick auf den bestätigten Ausgleich 50 % dieser Beträge. Sie brachten vor, die Rechtsvorgängerinnen der Beklagten hätten über eine Gewerbeberechtigung gemäß § 103 Abs 1 lit b Z 25 GewO 1973 verfügt, weshalb auf alle Dienstverhältnisse der Kollektivvertrag der Handelsangestellten angewendet worden sei. In Wahrheit sei Gegenstand des Unternehmens jedoch ausschließlich die Kaffeeproduktion gewesen. Das Unternehmen sei mit einer unrichtigen Gewerbeberechtigung, nämlich jener zum Handel statt einer solchen zur Produktion von Lebensmitteln betrieben worden und aus diesem Grunde von der Wirtschaftskammer der falschen Fachgruppenorganisation, nämlich der Sektion des Lebensmittel- und Genussmittelgroßhandels zugeordnet worden. Die aus der falschen Zuordnung resultierende Anwendung des Kollektivvertrags für die Handelsangestellten habe zum Eintritt des Schadens in der Höhe der geltend gemachten Differenzansprüche geführt. Gemäß § 2 Abs 13 GewO seien die Normen der kollektiven Rechtsgestaltung, die für Arbeitsverhältnisse zu Arbeitgebern gelten, welche ihre Tätigkeiten auf Grund von Gewerbeberechtigungen ausüben, auch auf jene Arbeitsverhältnisse zu Arbeitgebern anzuwenden, welche diesen Tätigkeiten ohne die erforderliche Gewerbeberechtigung nachgingen. Da die Beklagte bzw deren Rechtsvorgängerinnen ein Produktionsunternehmen betrieben, tatsächlich aber nicht über die erforderliche Gewerbeberechtigung verfügt hätten, seien auf die Arbeitsverhältnisse der Kläger die Bestimmungen des Kollektivvertrags der Nahrungs- und Genussmittelindustrie anzuwenden. In eventu werde ausgeführt, dass die Herbeiführung des Schadens absichtlich im Sinn des § 1295 Abs 2 ABGB erfolgt sei. Bereits 1991 habe der Betriebsrat mehrmals bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten interveniert und wiederholt darauf aufmerksam gemacht, dass die gewerberechtlichen und kollektivvertraglichen Grundlagen der Tätigkeit der Beklagten unrichtig gehandhabt würden und dies für die Kläger zu einem Schaden führe. Der Betrieb des Unternehmens mit einer der tatsächlich ausgeübten wirtschaftlichen Tätigkeit nicht entsprechenden Gewerbeberechtigung sei ausschließlich erfolgt, um die Kläger in ihren arbeitsrechtlichen Ansprüchen zu verkürzen. Es liege Rechtsmissbrauch mit Schädigungsabsicht vor. Die Rechtsvorgängerin der Beklagten habe weiters die sie treffende Fürsorgepflicht gegenüber ihren Dienstnehmern verletzt. Die zuständige Behörde hafte aus dem Rechtsgrund der Amtshaftung, die Rechtsvorgängerin der Beklagten habe sich daran durch die falsche Gewerbeanmeldung beteiligt.

Die Beklagte wendete ein, der Kollektivvertrag für die Handelsangestellten sei über mehrere Jahrzehnte weder vom Betriebsrat noch von der Arbeitnehmervertretung der Handelsgenossenschaft zum Thema gemacht worden. Auf Grund der Größe und des Umfangs der Unternehmenstätigkeit sei das Schwergewicht im Handel gelegen. Selbst wenn die Rösterei nur als Produktionsbetrieb auszuüben gewesen wäre, sei dies schon auf Grund des Produktionsumfangs niemals in Form der Industrie geschehen. Ansprüche im Zusammenhang mit der Anwendung eines angeblich falschen Kollektivvertrags bestünden schon deswegen nicht, weil die Arbeitnehmervertretung durch Erhebung einer Aufsichtsbeschwerde gemäß § 68 Abs 3 HKG die Zuordnung zur Fachgruppe jederzeit hätte überprüfen lassen können. Dies sei aber nicht geschehen. Im Übrigen sei die Zuordnung zu den einzelnen Sektionen der Wirtschaftskammer durch das Gericht nicht zu überprüfen. Es sei fraglich, ob durch die Anwendung des Kollektivvertrags für Handelsangestellte einschließlich der 12 %-igen Überzahlung auf Grund des Zusatzkollektivvertrags für die Handelsbetriebe der Genossenschaft und der 5 %-igen Treueprämie überhaupt eine Schlechterstellung im Verhältnis zu einer Einstufung im Industriekollektivvertrag vorgelegen sei. Durch die Anwendung des Handelskollektivvertrags und des Zusatzkollektivvertrags seien umfangreiche Anrechnungen von Vordienstzeiten erfolgt, welche bei Anwendung des Industriekollektivvertrags nicht geschehen wären. Auf Grund der Anrechnung dieser Vordienstzeiten seien die Kläger im monatlichen Einkommen jedenfalls besser gestellt gewesen, als bei Anwendung des von ihnen begehrten Kollektivvertrags. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es traf die eingangs wiedergegebenen Feststellungen, die es rechtlich dahin würdigte, dass es für die Anwendbarkeit eines Kollektivvertrags auf die faktische Kammermitgliedschaft ankomme. Die Zuordnung der einzelnen Mitglieder zu den Kammerorganisationen falle in den Bereich der Selbstverwaltung der Kammern. Die Arbeitnehmer des jeweiligen Betriebes seien nicht Schutzobjekt dieser Bestimmungen des Handelskammergesetzes. Es sei daher auf die faktische Mitgliedschaft der Rechtsvorgängerin der Beklagten bei der Sektion Handel abzustellen und somit der Kollektivvertrag für Handelsangestellte anzuwenden. Das Beweisverfahren habe keinen Hinweis dafür ergeben, dass die Rechtsvorgängerin der Beklagten absichtlich eine falsche Gewerbeberechtigung erworben habe, weshalb Schadenersatz ausscheide. Auch der Einwand, die Rechtsvorgängerin der Beklagten habe ihre Fürsorgepflicht gegenüber den Klägern verletzt, gehe ins Leere, weil diese Pflicht typischerweise personenbezogen sei und nicht auf finanzielle Ansprüche der Kläger abstelle. Amtshaftung wäre gegenüber dem jeweiligen Rechtsträger geltend zu machen, eine Haftung des Arbeitgebers aus diesem Rechtsgrund werde von der Judikatur verneint. Das Gericht zweiter Instanz gab den Klagebegehren Folge. Es sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Auf das Unternehmen der Beklagten träfen die im § 7 GewO genannten Voraussetzungen, bei deren Vorliegen ein Gewerbe als in Form eines Industriebetriebs ausgeübt anzusehen sei, zu. Die Rechtsvorgängerin der Beklagten habe sich im Wesentlichen mit der Verarbeitung von Rohkaffee beschäftigt. Berücksichtige man die Gegebenheiten des Betriebsgeländes, das sogar über einen eigenen Gleisanschluss verfügt habe, sowie die Umsatzzahlen, könne von einer Produktion im Rahmen lediglich eines Gewerbebetriebs jedenfalls nicht mehr ausgegangen werden. Dem stehe der im Vergleich zu einer Industrieproduktion früheren Zuschnitts geringe Personaleinsatz nicht entgegen, weil die Verringerung des Personalaufwands in der Produktion in vielen Bereichen der Industrie im Rahmen der technischen Umrüstung der Produktion zu beobachten sei. Lege man aber die Produktion von Kaffee in Form eines Industriebetriebes zu Grunde, sei § 2 Abs 13 GewO anzuwenden, welcher die Geltung des für das betriebene Gewerbe geltenden Kollektivvertrags fingiere. Die Problematik der von der Judikatur angenommenen Unüberprüfbarkeit der internen Zuordnung zu bestimmten Fachgruppen innerhalb der Wirtschaftskammer im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens stelle sich im gegenständlichen Fall nicht. Ungeachtet der kammerinternen Zuordnung sei die Entlohnung an Hand des für das ausgeübte Gewerbe geltenden Kollektivvertrags zu überprüfen. Danach bestünden aber die geltend gemachten Differenzbeträge dem Grunde nach zu Recht. Deren Höhe sei im Verfahren nicht bestritten worden, weshalb dem Klagebegehren stattzugeben sei.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen erhobene Revision der Beklagten ist zulässig, es kommt ihr auch Berechtigung zu.

Der Oberste Gerichtshof judiziert in nun bereits als ständig zu bezeichnender Rechtsprechung, dass weder die Bestimmung des § 2 Abs 13 GewO noch jene des § 7 AVRAG eine Außenseiterwirkung für die Arbeitgeberseite im Sinn des § 12 Abs 1 ArbVG begründe. Zur Klärung der Frage, ob für Arbeitnehmer eines Unternehmens der Kollektivvertrag für Angestellte der Industrie oder des Gewerbes anzuwenden sei, sei ausschließlich auf die die Gerichte bindende Zuordnung durch die Kammer der gewerblichen Wirtschaft (nunmehr: Wirtschaftskammer) abzustellen. Die Frage der Mitgliedschaft des Arbeitgebers zu einer bestimmten Fachgruppe im Rahmen seiner Handelskammermitgliedschaft und damit die nach dem anzuwendenden Kollektivvertrag unterliege im Hinblick auf die Ausschließlichkeitskompetenz der Selbstverwaltung der Kammer nicht der Beurteilung durch das Gericht. Die faktische Industrieausübung allein etwa im Sinn des gewerberechtlichen Industriebegriffs könne die Geltung eines Industrie-Kollektivvertrags daher nicht begründen (RIS-Justiz RS0102117; RS0050862). In seiner Entscheidung 8 ObA 210/96 = SZ 69/125 = DRdA 1997/33 (Ch. Klein) hat sich der erkennende Senat insbesondere auch mit den kritischen Literaturstimmen ausführlich auseinandergesetzt und unter anderem ausgeführt, dass die Bestimmung des § 2 Abs 13 GewO, wonach Normen der Rechtsgestaltung, die für Arbeitsverhältnisse zu Arbeitgebern gelten, welche ihre Tätigkeit auf Grund von Gewerbeberechtigungen ausüben, auch für Arbeitsverhältnisse zu jenen Arbeitgebern Geltung haben, welche diese Tätigkeit ohne die erforderliche Gewerbeberechtigung ausüben, keinesfalls dahin verstanden werden könne, sie habe auch jene Fälle erfassen wollen, bei welchen innerhalb ein und derselben Gewerbeausübung die Zugehörigkeit zu Gewerbe oder Industrie fraglich sei. Auch über den Umweg des § 2 Abs 13 GewO bestehe keine dem Gesetzeszweck entsprechende Möglichkeit, die Überprüfbarkeit einer im Verwaltungsweg festgestellten Fachgruppenzugehörigkeit durch die Gerichte zu begründen. Ob und unter welchen Voraussetzungen dem Arbeitnehmer im Falle derart bindender Fachgruppenzuordnung Schadenersatzansprüche zustehen könnten, hatte der erkennende Senat in der zitierten Entscheidung mangels Vorbringens nicht zu beurteilen (vgl zur Möglichkeit von Schadenersatz auch DRdA 1990/36 [Schwarz]; DRdA 1994, 165).

Ein der dargestellten Judikaturlinie zu unterstellender Fall liegt aber hier nicht vor, weshalb sich auch jedes weitere Eingehen auf die von den Klägern ausdrücklich relevierte Schadenersatzproblematik erübrigt. Wie sich aus § 7 GewO und dem hier noch anzuwendenden § 36 Handelskammergesetz (HKG), wonach die Zugehörigkeit zur Sektion Industrie durch Berechtigung zum Betrieb von der Gewerbeordnung unterliegenden Unternehmungen begründet wird, wenn das Gewerbe in der Form eines Industriebetriebes ausgeübt wird, ergibt, ist die Qualifikation als Industriebetrieb nicht von der Erteilung einer darauf bezüglichen Gewerbeberechtigung - die lediglich den Gewerbeantritt erleichtert - abhängig. Auch eine "normale Gewerbeberechtigung" erfasst und erlaubt die Ausübung des Gewerbes in Form eines Industriebetriebs (Rebhan, Amtshaftung wegen falscher Kollektivvertragsangehörigkeit, DRdA 1994, 124). Der dargestellten Rechtsprechung zur Bindung der Gerichte an die Fachgruppenzuordnung lagen jeweils Sachverhalte zu Grunde, bei welchen die der ausgeübten Tätigkeit entsprechende Gewerbeberechtigung vorlag und lediglich strittig war, ob die Ausübung dieses Gewerbes in Form eines Industriebetriebs erfolgte, somit die Kammer eine bindende Prüfungstätigkeit ausüben konnte.

Im hier zu entscheidenden Fall haben aber die Kläger vorgebracht, die Rechtsvorgängerinnen der Beklagten hätten nur über eine dem Unternehmensgegenstand nicht entsprechende Gewerbeberechtigung, nämlich jene des Handels, verfügt. Damit kommt es primär nicht auf die Zuordnung zu Gewerbe oder Industrie an, sondern auf das Auffinden der fachlich richtigen Gewerbeberechtigung. Es ist daher ein Fall des § 2 Abs 13 GewO gegeben, der auch dann zur Anwendung kommt, wenn der Betriebsinhaber eine Gewerbeberechtigung besitzt, die aber mit der ausgeübten Tätigkeit nichts zu tun hat. In diesem Fall ist die zitierte Bestimmung der Gewerbeordnung als weiterer Tatbestand und besonderer Fall der Kollektivvertragsangehörigkeit zu sehen, weil § 8 ArbVG nur zur Anwendbarkeit jenes Kollektivvertrags führen kann, der der vorhandenen Berechtigung entspricht. Auf jenen Kollektivvertrag, dessen Anwendbarkeit aus der fehlenden Gewerbeberechtigung folgen würde, wird vom § 8 ArbVG nicht verwiesen (Rebhan aaO; 9 ObA 131/97y = DRdA 1998/9 [Resch]; 9 ObA 130/97a; 9 ObA 188/00p). In einem derartigen Fall, in dem die Gewerbeberechtigung mit der ausgeübten Tätigkeit ganz offensichtlich nichts zu tun hat, hat das Gericht die Anwendung des "richtigen" Kollektivvertrags selbst zu beurteilen und auch darüber zu entscheiden, ob das Unternehmen nach der Art der Ausübung seiner Tätigkeit dem Gewerbe oder der Industrie zuzuordnen ist. Eine Bindung des Gerichts an die durch die Kammer getroffene Zuordnung kann notwendigerweise nicht bestehen, weil eine derartige Zuordnung für die vom Gericht auf Grund der Norm des § 2 Abs 13 GewO zu ermittelnde "richtige" Gewerbeberechtigung nicht besteht. Der Verwaltungsgerichtshof hat zur Erzeugung von Speisefetten und -ölen bereits ausgesprochen, dass der Absatz bzw die Verteilung selbst erzeugter Güter an die Verbraucher keine Handelstätigkeit sei (VwGHSlg 7468/A). Der Oberste Gerichtshof hat dargelegt, dass ein Unternehmen, dessen eigentlicher Gegenstand die Erzeugung von Wurst und Selchwaren und der Verkauf dieser Produkte ist, selbst wenn es sich in wesentlich geringerem Umfang auch mit dem Vertrieb branchenfremder Handelswaren befasst, nicht als Handels-, sondern als Erzeugungsbetrieb anzusehen sei. Dass ein Gewerbetreibender, der zur Erzeugung berechtigt ist, nach den Bestimmungen des Gewerberechts auch die Befugnis zum Verkauf der von ihm selbst erzeugten Waren besitze, ergebe sich aus § 33 Abs 1 Z 6 GewO 1973, welcher dem Erzeuger das Recht einräume, neben den Waren eigener Erzeugung auch fremde Erzeugnisse gleicher Art sowie entsprechendes Zubehör zu verkaufen, sofern dadurch der Charakter des Betriebs als Erzeugungsbetrieb nicht berührt werde (ArbSlg 9597). An dieser Rechtsansicht ist festzuhalten. Für den hier zu beurteilenden Fall bedeutet das, dass das Rösten von Kaffee keinesfalls als Handelsgewerbe angesehen werden kann.

Welcher Kollektivvertrag auf das konkrete Arbeitsverhältnis anzuwenden ist, regelt § 9 ArbVG (RIS-Justiz RS0108232). Nach dessen Absatz 3 findet dann, wenn eine organisatorische Trennung in Haupt- und Nebenbetriebe oder eine organisatorische Abgrenzung in Betriebsabteilungen nicht vorliegt, jener Kollektivvertrag Anwendung, welcher für den fachlichen Wirtschaftsbereich gilt, der für den Betrieb die maßgebliche wirtschaftliche Bedeutung hat. Kann dieses Kriterium nicht ermittelt werden, so findet gemäß Abs 4 der genannten Gesetzesstelle der Kollektivvertrag jenes fachlichen Wirtschaftsbereichs Anwendung, dessen Geltungsbereich unbeschadet der Verhältnisse im Betrieb die größte Anzahl von Arbeitnehmern erfasst. Produktion und Vertrieb bilden auch dann, wenn sie in organisatorisch voneinander getrennten Betrieben oder Betriebsabteilungen durchgeführt werden, eine fachliche Einheit im Sinn des § 9 ArbVG (ArbSlg 9597). Nach den derzeit vorliegenden Feststellungen kann wohl nicht fraglich sein, dass dem Kaffeerösten die für den Betrieb maßgebliche wirtschaftliche Bedeutung zukam.

Bei Ermittlung des Kollektivvertrags darf allerdings nicht unbeachtet bleiben, dass die Erzeugung von Nahrungs- und Genussmitteln auch in Form des Gewerbes erfolgen kann. Nach dem hier noch anzuwendenden (siehe BGBl II Nr 365/1999) Anhang zur Fachgruppenordnung (abgedruckt in Mache/Kinscher GewO5, 1328 ff) gehört gemäß § 1 Abs 2 Z 39 der Sektion Gewerbe auch die Bundesinnung der Nahrungs- und Genussmittelgewerbe an, welche Erzeuger von Nahrungs- und Genussmitteln im Sinn des § 35 HKG umfasst, soweit sie nicht ausdrücklich unter eine andere Bundesinnung fallen. Gemäß § 2 Abs 1 Z 11 ist für den Bereich der Sektion Industrie unter anderem der Fachverband der Nahrungs- und Genussmittelindustrie errichtet, zu dem auch Unternehmungen der Kaffeeröstindustrie zählen. Wie bereits dargestellt, ist die Frage, ob ein Gewerbe industriemäßig oder nicht betrieben wird, eine solche der Ausübungsform. Maßgebliches Kriterium für die Zuordnung als Industriebetrieb ist das zumindest überwiegende Vorliegen der im § 7 GewO in den hier anzuwendenden Fassungen BGBl 50/1974 und BGBl 194/1994 aufgezählten Merkmale. Diese sind: Hoher Einsatz von Anlage- und Betriebskapital (Z 1); Verwendung andersartiger als der dem Handwerk und den gebundenen Gewerben gemäßen Maschinen und technischen Einrichtungen oder Verwendung einer Vielzahl von Maschinen und technischen Einrichtungen gleichen Verwendungszwecks (Z 2); Einsatz von Maschinen und technischen Einrichtungen überwiegend in räumlich oder organisatorisch zusammenhängenden Betriebsstätten (Z 3); serienmäßige Erzeugung, typisierte Verrichtungen (Z 4); weitgehende Arbeitsteilung im Rahmen eines vorbestimmten Arbeitsablaufes (Z 5); größere Zahl von ständig beschäftigten Arbeitnehmern und Überwiegen der nur mit bestimmten regelmäßig wiederkehrenden Teilverrichtungen beschäftigten Arbeitskräfte oder automatisierte Betriebsweise (Z 6) und organisatorische Trennung in eine technische und eine kaufmännische Führung, wobei sich die Mitarbeit des Gewerbetreibenden im Wesentlichen auf leitende Tätigkeiten beschränkt (Z 7). Wie Rill ("Die Grenzziehung zwischen Gewerbe und Industrie im Bereich der Erstellung von sogenannten immateriellen Leistungen; eine Untersuchung von Gewerberecht und Handelskammerrecht", JBl 1991, 221) zutreffend darstellt, lässt sich der Merkmalekatalog des § 7 Abs 1 GewO in zwei Gruppen einteilen. Es gibt die Merkmale, die auf die Herstellung von Gütern und die Erstellung von Dienstleistungen Bezug haben (Z 2 bis Z 6), denen jene gegenüberstehen, die die Unternehmensstruktur, nämlich den Kapitaleinsatz und die Führungsorganisation betreffen (Z 1 und Z 7). Diese beiden Gruppen hängen insofern eng zusammen, als der Einsatz von hohem Anlage- und Betriebskapital conditio sine qua non für die Erfüllung der übrigen Merkmale ist, und eine Gestaltung der Produktion nach den Merkmalen von Z 2 bis 6 nicht denkbar ist, wenn nicht kaufmännische und technische Führung getrennt sind und sich die Mitarbeit des Gewerbetreibenden nicht auf leitende Tätigkeiten beschränkt. Der in den Z 2 und 3 ausgesprochene Maschineneinsatz, die Serienproduktion bzw die typisierten Dienstleistungen (Z 4), die in den Z 5 und 6 beschriebene Arbeitsteilung bzw die Automation sind Charakteristika eines Großbetriebes. Dies wieder bedeutet, dass kaufmännische und technische Führung getrennt sind und der Gewerbetreibende seine Mitarbeit im Wesentlichen auf leitende Tätigkeiten beschränkt. Für die Abgrenzung der Industrieförmigkeit kommen somit zwei Schwerpunktsetzungen in Betracht. Nach der einen liegt das Hauptgewicht auf der Organisation der Produktion, d.h, dass die Merkmale nach Z 2 bis 6 sehr stark ausgeprägt sind und als Folge davon auch ein hoher Kapitaleinsatz und die in Z 7 angesprochene Führungsorganisation vorliegen. Die zweite Schwerpunktsetzung besteht darin, dass die zuletzt erwähnten Merkmale eine eigene und nicht eine mit der Erfüllung anderer Merkmale notwendig verbundene Bedeutung erlangen, dass also hoher Kapitaleinsatz und eine großbetriebliche Führungsorganisation gegeben sind und trotz schwächerer Ausbildung der dem Produktionsbereich betreffende Merkmale daher Industrieförmigkeit anzuerkennen ist. Die Industrieförmigkeit kann daher durch starke Ausprägung der die Produktion betreffenden Merkmale ebenso begründet sein wie durch eine starke Ausprägung der Großbetriebscharakteristka bei zugleich schwächerer Ausprägung der die Organisation der Produktion betreffenden Merkmale. Entgegen der von der Revisionswerberin vertretenen Ansicht ist den Feststellungen des Erstgerichts ein hoher Einsatz von Anlage- und Betriebskapital durchaus zu entnehmen, wobei dem Alter der eingesetzten Maschinen allein keine entscheidende Bedeutung zukommt. Allein die für die Produktion von auch nur 1000 Tonnen Kaffee pro Jahr erforderlichen Lagerkapazitäten für Rohkaffee, gerösteten Kaffee und gemahlenen Kaffee sprechen für das Vorliegen einer Großbetriebsstruktur, welche durch die unstrittig gegebene organisatorische Trennung zwischen kaufmännischer Betriebsleitung und Produktion unterstrichen wird. Der im Mittelpunkt stehende Röstvorgang war weitgehend durch das verwendete Lochkartensystem, das die einzelnen Kaffeesorten aus den Silos maschinell anforderte, automatisiert, sodass im Sinne der durch § 7 Abs 1 Z 6 GewO gestellten Anforderungen die relativ geringe Anzahl der Beschäftigten aufgewogen wurde. Auch lag eine weitgehende Arbeitsteilung vor, deren Annahme nicht dadurch verhindert wird, dass die einzelnen Arbeitnehmer abwechselnd für die einzelnen Arbeitsschritte verwendet wurden. Wie sich bereits aus der Beschreibung des Röstvorgangs ergibt, erfolgte die serienmäßige Erzeugung durch typisierte Verrichtungen mittels technischer Einrichtungen, die überwiegend räumlich und organisatorisch zusammenhingen. Insgesamt ergibt sich daher das Bild einer industriellen Fertigung, sodass den Klägern darin beizupflichten ist, es sei auf sie der Kollektivvertrag der Nahrungs- und Genussmittelindustrie anzuwenden.

Der Revisionswerberin ist allerdings insoweit beizupflichten, als die Vorinstanzen zu Unrecht davon ausgegangen sind, das Klagebegehren sei der Höhe nach nicht bestritten worden. Die Beklagte hat vielmehr mehrfach im Verfahren eingewendet (AS 69, 138, ON 47), dass die Kläger auf Grund von Überzahlungen und höherer Anrechnung von Vordienstzeiten finanziell besser gestellt waren als nach den Ansätzen des Industrie-Kollektivvertrags. Mangels entsprechender Feststellungen kann somit derzeit nicht beurteilt werden, ob das Begehren der Kläger der Höhe nach zu Recht besteht. Der Revision ist im Sinne des gestellten Aufhebungsantrags Folge zu geben.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO.