OGH vom 04.03.2013, 8Ob12/13t
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon. Prof. Dr. Kuras, die Hofrätin Dr. Tarmann Prentner und die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Dr. Brenn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei P***** M*****, vertreten durch die DDr. Fürst Rechtsanwalts GmbH in Mödling, gegen die beklagten Parteien 1) F***** S*****, und 2) S***** S*****, ebendort, beide vertreten durch Dr. Erwin Balogh, Rechtsanwalt in Wien, wegen 46.527,64 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Berufungsgericht vom , GZ 18 R 34/12x 96, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Mödling vom , GZ 8 C 252/08d 91, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit 1.925,93 EUR (darin enthalten 320,99 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung:
Mit Vertrag vom nahm der Kläger das Lokal im Erdgeschoss eines Hauses in Mödling von den Beklagten in Bestand. Das Bestandverhältnis wurde mit Räumungsvergleich zum beendet. Die vom Kläger erlegte Kaution wurde nicht zurückgezahlt. Seit August 2007 zahlte der Kläger den Bestandzins nicht mehr. Ein Zimmer im Erdgeschoss sowie die Wohnung im Obergeschoss des Hauses waren nicht vom Bestandverhältnis des Klägers umfasst.
Mit Klage vom begehrte der Kläger die Rückzahlung zu Unrecht gezahlter Betriebskosten, die Kosten für eine Kanalspülung, weiters den Ersatz von Investitionskosten sowie die Rückzahlung der Kaution und von Vertragserrichtungskosten. Er brachte vor, dass es sich beim Bestandverhältnis um eine Geschäftsraummiete gehandelt habe, weil er vornehmlich Räumlichkeiten in Bestand genommen hätte. Da das Objekt dem MRG unterliege, hätten nur anteilige Betriebskosten vorgeschrieben werden dürfen. Die gesamten Betriebskostenzahlungen seien rechtsgrundlos erfolgt, weil die Betriebskosten gesetzwidrig vorgeschrieben worden seien. Ein beschädigter Wasserkanal sei von den Beklagten nicht saniert worden. Die von ihm vorgenommenen Investitionen müssten ihm ersetzt werden. Die Kaution habe er nicht zurückerhalten.
Die Beklagten entgegneten, dass sie dem Kläger ein vollausgestattetes Lokal übergeben hätten. Das MRG sei auf das Bestandverhältnis nicht anzuwenden, weil es sich um einen Pachtvertrag gehandelt habe. Das Pachtobjekt sei in ordnungsgemäßem Zustand mit funktionierenden Geräten übergeben worden. Die Instandhaltungsarbeiten seien vom Kläger vorzunehmen gewesen. Die Wasserkosten hätten sich nur auf den Zähler für das Pachtobjekt bezogen. Die Vorschreibungen der Gemeinde hätten nur die gepachteten Gasträumlichkeiten betroffen. Schäden am Abwasserkanal habe der Kläger nie gerügt. Die Kaution sei wegen entsprechender Forderungen nicht zurückgezahlt worden. Der Kläger habe das Bestandobjekt in einem verwahrlosten Zustand zurückgestellt. Außerdem bestehe ein Pachtzinsrückstand. Die Gegenforderungen würden eine allenfalls zu Recht bestehende Klagsforderung übersteigen.
Das Erstgericht stellte das Klagebegehren mit 4.460,37 EUR (insbesondere Kaution) und die eingewendeten Gegenforderungen bis zu dieser Höhe als zu Recht bestehend fest und wies das Klagebegehren ab. Ausgehend von den festgestellten Kriterien sei das Bestandverhältnis als Pachtvertrag zu qualifizieren. Neben den Räumlichkeiten hätten die Beklagten auch zum Betrieb des Gastlokals essentielle Mittel bereitgestellt. Zudem sei ein bestehender Kundenkreis übernommen und die Betriebspflicht vereinbart worden. Die Erhaltungspflichten hinsichtlich der Räumlichkeiten und des Inventars seien zulässig auf den Kläger überwälzt worden. Dass Wein verdorben sei, hätte nicht festgestellt werden können. Hinsichtlich der Vertragserrichtungskosten sei das Klagebegehren unschlüssig geblieben. Die zurückverlangten Hausbesitzabgaben (Wasser und Abfallentsorgung bzw Kanalbenützungsgebühr und Grundsteuer) seien (mit Ausnahme von 100 EUR) verjährt. Für die verlangte Rückzahlung der Betriebskosten sei eine dreijährige Verjährungsfrist maßgebend. Die Gegenforderungen der Beklagten bestünden bis zur Höhe der Klagsforderung zu Recht.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Nach den Feststellungen sei ein lebendiges und ertragsfähiges Unternehmen Gegenstand des Bestandvertrags gewesen. Das Lokal sei auch unter derselben Bezeichnung fortgeführt worden. Die vereinbarte Betriebspflicht hätte die weitere Nutzung des Unternehmens nach Ablauf der Bestanddauer sicherstellen sollen. Nach den typologischen Merkmalen liege ein „Mehr an Pacht“ vor, weshalb das Erstgericht zutreffend von einer Unternehmenspacht ausgegangen sei. Die Rückforderungsansprüche in Bezug auf die Betriebskosten seien nach § 27 Abs 3 MRG (analog) verjährt. Es wäre nicht einzusehen, dass einem Pächter mehr Rechte als einem Mieter nach dem MRG zustünden. Die Abweisung des Investitionsersatzes und des Schadenersatzes für verdorbenen Wein habe der Kläger in der Berufung nicht bekämpft.
Die ordentliche Revision sei zulässig, weil zur Frage der Verjährung von Bereicherungsansprüchen aufgrund wiederkehrender Zahlungen bei nicht dem MRG unterliegenden Bestandverhältnissen höchstgerichtliche Rechtsprechung fehle.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision des Klägers, die auf die Stattgebung des Klagebegehrens abzielt.
Mit ihrer Revisionsbeantwortung beantragen die Beklagten, das Rechtsmittel der Gegenseite zurückzuweisen, in eventu, diesem den Erfolg zu versagen.
Rechtliche Beurteilung
Entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts ist die Revision mangels Vorliegens einer entscheidungsrelevanten erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig.
1. Die zur Beurteilung der vom Berufungsgericht als erheblich bezeichneten Rechtsfrage maßgebenden Grundsätze sind in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs geklärt. Die Voraussetzungen iSd § 502 Abs 1 ZPO sind damit nicht gegeben.
2.1 Gemäß § 1479 ABGB verjähren Rechte in der Regel erst innerhalb der langen Verjährungsfrist von 30 Jahren. Nach herrschender Meinung gilt dies grundsätzlich auch für Bereicherungsansprüche nach den §§ 1431, 1435 ABGB (RIS Justiz RS0033819; RS0020167). Die lange Verjährungsfrist gilt als Auffangtatbestand. Wenn keine jener Bestimmungen heranzuziehen ist, die sei es unmittelbar oder kraft Analogieschlusses eine kurze Verjährungsfrist vorsehen, bleibt es bei der Verjährungszeit von 30 Jahren.
2.2 Für die Rückforderung rechtsgrundlos gezahlter Kreditzinsen hat die Rechtsprechung wiederholt die dreijährige Frist iSd § 1480 ABGB herangezogen (RIS Justiz RS0117773; 4 Ob 73/03v; 10 Ob 35/11m; 8 Ob 31/12k).
Nach dieser Bestimmung verjähren Forderungen von rückständigen jährlichen Leistungen, insbesondere von Zinsen, Renten, Unterhaltsbeiträgen, Ausgedingsleistungen und zur Kapitalstilgung vereinbarten Annuitäten in drei Jahren. Unter „rückständigen jährlichen Leistungen“ sind periodisch , das heißt jährlich oder in kürzeren Zeiträumen wiederkehrende Leistungen zu verstehen. Auf eine gleichbleibende Höhe kommt es nicht an (RIS Justiz RS0034320; RS0109640). Die Anwendung dieser Bestimmung auf entsprechende Rückforderungsansprüche wird vor allem auf eine Rechtsanalogie zu § 27 Abs 3 MRG und § 5 Abs 4 KlGG gestützt. Diese Rechtsprechung zur dreijährigen Verjährungsfrist für Bereicherungsansprüche auf Rückforderung zu Unrecht eingehobener periodisch wiederkehrender Zahlungen ist ungeachtet teilweiser Kritik in der Lehre (vgl Vonkilch , Wann verjähren bei Langzeitverträgen Rückforderungsansprüche wegen überhöhten Entgelts? wobl 2003, 161) als gefestigt anzusehen. Dementsprechend wurde etwa in der Entscheidung 7 Ob 269/08x ausgesprochen, dass die von einem Netzbetreiber zu Unrecht eingehobenen Gebrauchsabgaben der kurzen dreijährigen Verjährungsfrist unterliegen. Auch dieser Beurteilung liegt die Wertung zu Grunde, dass es sich um periodische Zahlungen handelte.
2.3 § 27 Abs 3 MRG normiert ausdrücklich eine dreijährige Verjährungsfrist für die Rückforderung zu Unrecht vorgeschriebener und eingehobener Beträge nach den §§ 15 bis 26 MRG. Dies gilt also vor allem für unzulässig überwälzte bzw überhöhte Hauptmietzinse, Betriebskosten und laufend öffentliche Abgaben, weiters für solche Auslagen für die Verwaltung und Hausbetreuung oder Entgelte für mitvermietete Einrichtungsgegenstände. Bei dieser Bestimmung handelt es sich um eine spezielle Verjährungsregelung für die Kondizierung einer Nichtschuld im Mietverhältnis. Davon sind nach der Rechtsprechung alle Kondiktionsansprüche des Mieters gegen den Vermieter erfasst (vgl 5 Ob 160/07a; vgl auch 5 Ob 2122/96m). Die dreijährige Verjährungsfrist des § 27 Abs 3 MRG gilt auch für die Rückforderung von gegen das WGG verstoßenden Entgelten (RIS Justiz RS0070334).
Für die Rückforderung von zu Unrecht eingehobenen Mietbetreffnissen für Objekte, die dem MRG unterliegen, gilt somit jedenfalls die dreijährige Verjährungsfrist. Der Lauf der Verjährung beginnt mit der Zahlung und nicht schon mit der Vorschreibung oder Fälligkeit (5 Ob 227/00v; 5 Ob 160/07a).
2.4 Der Analogieschluss in Bezug auf zu Unrecht eingehobene Bestandentgelte außerhalb des MRG ist schon deshalb gerechtfertigt, weil Mieter, die dem MRG unterliegen, nach den Wertungen des Gesetzes besonders schutzwürdig sind und nicht schlechter gestellt sein können als Bestandnehmer, für die das MRG nicht gilt. Dieses Ergebnis wird dadurch bestätigt, dass der Gesetzgeber nach § 1486 Z 4 ABGB Miet- und Pachtzinse gleich behandelt.
3.1 Der vom Kläger weiterhin vertretenen Ansicht, dass im Anlassfall keine Unternehmenspacht, sondern eine Geschäftsraummiete vorliege, kommt schon deshalb keine Bedeutung zu, weil die geltend gemachten Rückforderungsansprüche in diesem Fall zufolge direkter Anwendbarkeit des § 27 Abs 3 MRG verjährt wären. Die Argumentation des Klägers, dass § 27 Abs 3 MRG auf den Anlassfall wohl abstrakt, nicht aber konkret anwendbar sei, weil sich sein Anspruch nicht auf zu viel gezahlte Betriebskosten, sondern auf die Rückforderung rechtsgrundloser Zahlungen richte, ist nicht verständlich. Entgegen gesetzlicher Bestimmungen überhöht vorgeschriebene Bestandentgelte bedingen gerade die Zahlung einer Nichtschuld und damit einen bereicherungsrechtlichen Rückforderungsanspruch.
3.2 Davon abgesehen haben die Vorinstanzen die Grundsätze für die Abgrenzung zwischen Geschäftsraummiete und Unternehmenspacht unter Darstellung der einschlägigen Rechtsprechung zutreffend wiedergegeben. In dieser Hinsicht haben sie vor allem darauf hingewiesen, dass Unternehmenspacht im Allgemeinen dann vorliegt, wenn ein lebendes Unternehmen Gegenstand des Bestandvertrags ist. Grundsätzlich ist die Vereinbarung einer Betriebspflicht das wesentlichste Kriterium für die Qualifikation als Pachtvertrag, sofern diese Pflicht auf einem wirtschaftlichen Interesse des Bestandgebers an der Art des Betriebs und an seinem Bestehen sowie seiner Weiterführung beruht (RIS Justiz RS0020398; RS0020351; 3 Ob 115/11z).
Entgegen den Überlegungen des Klägers weicht die Entscheidung 3 Ob 74/12x von diesen Grundsätzen nicht ab. Darin hat der Oberste Gerichtshof ausgesprochen, dass die Betriebspflicht keine Leerformel sein dürfe, sondern auf einem wirtschaftlichen Interesse des Bestandgebers beruhen müsse. Bestehe keine Betriebspflicht, so werde in der Regel Miete vorliegen, soweit der Vertrag nicht schon wegen der Bedeutung anderer Merkmale als Pachtvertrag anzusehen sei. Anders als im hier vorliegenden Fall hat im Vergleichsfall eine Betriebspflicht nicht bestanden.
Für die Unterscheidung zwischen Geschäftsraummiete und Unternehmenspacht wurden in der Rechtsprechung zwar gewisse Kriterien entwickelt. Entgegen den Ausführungen des Klägers lassen sich aber keine festen, allgemein anwendbaren Regeln aufstellen. Vielmehr kommt es immer auf die Gesamtheit der Umstände des Einzelfalls an (RIS Justiz RS0031183). Verträge, die keine reine Miet- oder Pachtverträge sind, müssen im Rahmen eines Vergleichs der typischen Merkmale der Vertragstypen danach untersucht werden, welche Elemente in einer Gesamtbetrachtung überwiegen (1 Ob 25/08w; 3 Ob 74/12x).
3.3 Die Beurteilung der Vorinstanzen, dass ausgehend von den ermittelten „typologischen“ Merkmalen ein „Mehr an Pachtelementen“ vorliege und daher Unternehmenspacht anzunehmen sei, stellt jedenfalls keine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung dar.
4. Insgesamt gelingt es dem Kläger nicht, mit seinen Ausführungen eine erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagten haben auf die Unzulässigkeit der Revision in ihrer Revisionsbeantwortung hingewiesen.