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OGH vom 21.04.2009, 10Ob7/09s

OGH vom 21.04.2009, 10Ob7/09s

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Schinko als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Fellinger, Dr. Hoch, Hon.-Prof. Dr. Neumayr und Dr. Schramm als weitere Richter in der Pflegschaftssache des minderjährigen Esteban-Sebastian R*****, geboren am , *****, vertreten durch das Land Wien als Jugendwohlfahrtsträger (Amt für Jugend und Familie, Rechtsvertretung Bezirke 3, 11, Karl Borromäus-Platz 3, 1030 Wien), über den Revisionsrekurs des Kindes gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , GZ 43 R 527/08f-U45, womit infolge Rekurses des Kindes der Beschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom , GZ 7 P 76/03h-U32, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass sie ersatzlos aufgehoben werden.

Text

Begründung:

Die Obsorge für den am geborenen Esteban-Sebastian R***** steht der mütterlichen Tante Analia Noelia R***** zu (ON 28). Die Mutter Veronika R***** ist aufgrund des Beschlusses des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom zu einem monatlichen Unterhaltsbeitrag von 161 EUR verpflichtet (ON 59). Mit Beschluss vom wurden dem Kind auf die Geldunterhaltspflicht der Mutter Unterhaltsvorschüsse nach §§ 3, 4 Z 1 UVG in Titelhöhe für den Zeitraum von bis gewährt (ON U3). Aufgrund einer Mitteilung des Jugendwohlfahrtsträgers, wonach die Mutter seit Kinderbetreuungsgeld bezieht, hat das Bezirksgericht Innere Stadt Wien mit Beschluss vom (ON U8) die Unterhaltsvorschüsse wegen begründeter Bedenken hinsichtlich der Leistungsfähigkeit der Mutter (§ 7 UVG) mit Wirksamkeit ab von Amts wegen auf 70 EUR herabgesetzt.

Die Mutter bezieht seit Kinderbetreuungsgeld in Höhe von 14,53 EUR täglich sowie einen Zuschuss zum Kinderbetreuungsgeld von 6,06 EUR täglich.

Nach Einholung eines Versicherungsdatenauszugs (ON U31) stellte das Erstgericht mit Beschluss vom die Vorschüsse mit Ablauf des ein und sprach aus, dass ein Anspruch des Bundes auf Ersatz der zu Unrecht ausbezahlten Vorschüsse nicht bestehe (ON U32). Gemäß § 42 KBGG gelte ab das Kinderbetreuungsgeld weder als eigenes Einkommen des Kindes noch des beziehenden Elternteils. Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Kindes nicht Folge. Nach der Novellierung des § 42 KBGG sei die Mutter als einkommenslos anzusehen; es gebe keine Hinweise für eine Anwendbarkeit des Anspannungsgrundsatzes.

Der Revisionsrekurs sei zulässig, weil zur Frage, ob Kinderbetreuungsgeld als Einkommen des geldunterhaltspflichtigen Elternteils in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzubeziehen sei, höchstgerichtliche Rechtsprechung fehle.

Gegen die Entscheidung des Rekursgerichts richtet sich der Revisionsrekurs des Kindes mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne einer ersatzlosen Aufhebung des Einstellungsbeschlusses. Der Bund beantragt in seiner Revisionsrekursbeantwortung, dem Rekurs des Kindes nicht Folge zu geben. Die Mutter und die Zahlungsempfängerin haben sich am Revisionsrekursverfahren nicht beteiligt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil der Beschluss des Rekursgerichts von der zwischenzeitig ergangenen Entscheidung vom , 10 Ob 112/08f, abweicht; er ist auch berechtigt. In seinem Revisionsrekurs führt das Kind aus, dass das von der unterhaltspflichtigen Mutter bezogene Kinderbetreuungsgeld so wie andere Sozialleistungen, die nicht dem Ausgleich eines bestimmten Mehraufwands für einen Sonderbedarf dienten (zB die Ausgleichszulage und die Notstandshilfe), als Einkommen zu qualifizieren und in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzubeziehen sei. Bei Nichtanrechnung des Kinderbetreuungsgeldes würde im Übrigen das geldunterhaltsberechtigte Kind im Vergleich zum naturalunterhaltsberechtigten Kind benachteiligt.

Dazu wurde erwogen:

Der Oberste Gerichtshof hat in der erwähnten Entscheidung vom , 10 Ob 112/08f (ebenso in der Entscheidung vom , 10 Ob 8/09p), mit ausführlicher Begründung dargelegt, dass § 42 KBGG keine Aussage zur Frage der Einbeziehung des Kinderbetreuungsgeldes in die Unterhaltsbemessungsgrundlage für die Beurteilung einer Unterhaltspflicht des Kinderbetreuungsgeldbeziehers trifft und daher die allgemeinen unterhaltsrechtlichen Grundsätze über die entsprechende Behandlung des Kinderbetreuungsgeldes entscheiden. Sozialleistungen, die für den Allgemeinbedarf des Empfängers zur Verfügung stehen, fallen nach ständiger Rechtsprechung unabhängig von einer Zweckbestimmung in die Unterhaltsbemessungsgrundlage (RIS-Justiz RS0047456, RS0080395). Dies gilt auch für das Kinderbetreuungsgeld, zumindest, wenn ihm Einkommensersatzfunktion zukommt: Auch im hier gegebenen Fall wird von der Mutter „langes" und damit unter dem Existenzminimum liegendes Kinderbetreuungsgeld bezogen, das für die Betreuung eines Kindes im eigenen Haushalt verwendet wird.

Eine der Entscheidung 7 Ob 223/08g entsprechende Anrufung des Verfassungsgerichtshofs ist im Hinblick auf den eindeutigen Wortlaut des § 42 KBGG, der verfassungskonform eine unterschiedliche Behandlung des Kinderbetreuungsgeldbezugs einerseits bei Unterhaltsansprüchen und andererseits bei Unterhaltspflichten vorsieht, entbehrlich. Ein Gesetzesprüfungsantrag stünde im Übrigen dem gerade in Unterhaltsvorschusssachen bedeutsamen Ziel, im Interesse des Kindeswohls den Vorschussanspruch möglichst rasch zu effektuieren (vgl Neumayr in Schwimann, ABGB3 I § 12 UVG Rz 9), entgegen.

Insgesamt besteht daher kein Anlass zur Einstellung des Unterhaltsvorschusses, weshalb die gegenteiligen, auf ein amtswegiges Vorgehen zurückzuführenden Entscheidungen der Vorinstanzen ersatzlos aufzuheben sind.