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OGH vom 30.01.2018, 9Ob69/17p

OGH vom 30.01.2018, 9Ob69/17p

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Dehn, Dr. Hargassner, Mag. Korn und Dr. Stefula in der Rechtssache der klagenden Partei Z***** F*****, vertreten durch Dr. Sebastian Lenz, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei M***** B*****, vertreten durch Lederer Rechtsanwalt GmbH in Wien, wegen 5.580 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom , GZ 35 R 109/17i-49, mit dem der Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Bezirksgerichts Floridsdorf vom , GZ 5 C 148/15x-45, Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 626,52 EUR (darin 104,42 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.

Text

Begründung:

Die Revision der Klägerin ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Zulassungsausspruch unzulässig. Die Begründung kann sich auf die Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO).

Die Klägerin ist Mieterin einer Wohnung einer Gemeinnützigen Bau- und Wohnungsgenossenschaft. Diese hatte den Beklagten mit dem Winterdienst beauftragt. Der Auftrag umfasste die Schneeräumung, Bestreuung und Eisfreimachung der Zugangs- und Innenwege und der Stufen der Liegenschaft „entsprechend § 93 StVO“. Im Auftrag war weiter festgehalten: „Der Auftragnehmer haftet für Schäden, die durch ihn oder seine Mitarbeiter dem Dritten gegenüber bei der Ausführung der vereinbarten Leistungen entstehen.“ Am Unfalltag setzte in den frühen Morgenstunden leichtes gefrierendes Nieseln ein, am Boden bildete sich Glatteis. Das Nieseln dauerte bis zum frühen Nachmittag an. Der Beklagte verrichtete die Winterdienstarbeiten nicht selbst, sondern setzte im Zeitraum des Unfalls einen Mitarbeiter ein, der erst einige Tage beim Beklagten beschäftigt war und zuvor auch noch bei keinem anderen Winterdienstunternehmen gearbeitet hatte. Der Mitarbeiter war zwischen 5:00 und 8:00 Uhr bei dem Objekt, streute jedoch nur vor, nicht aber im Bereich der hinteren Ausgänge und Wege der Liegenschaft, sodass sich dort eine glatte Eisfläche bildete. Die Klägerin kam beim Verlassen des hinteren Ausgangs des Hauses auf der Eisfläche zu Sturz und verletzte sich. Im Revisionsverfahren ist nicht weiter strittig, dass auch die Unfallstelle, bei der es sich um keinen dem öffentlichen Verkehr dienenden Gehsteig oder Gehweg iSd § 93 Abs 1 StVO handelt, von dem Beklagten erteilten Auftrag umfasst war.

Das Erstgericht gab der auf Zahlung von 5.580 EUR sA (Schmerzengeld ua) gerichteten Klage der Klägerin statt. Der Winterdienstvertrag zwischen der Vermieterin und dem Beklagten entfalte Schutzwirkungen zugunsten der Klägerin. Der Beklagte habe die Haftung für den eingetretenen Fall ausdrücklich übernommen, sodass es unbillig wäre, einen direkten Anspruch der Klägerin gegen ihn zu verneinen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten Folge und wies die Klage ab. Die Klägerin habe aufgrund ihres Mietvertrags deckungsgleiche Ansprüche auf Schadenersatz gegen ihre Vermieterin, wodurch auf vertragliche Schutzwirkungen gestützte Ansprüche Dritter nach der Judikatur zu verneinen seien. Die Revision sei aufgrund des obiter dictum in 1 Ob 150/13k im Zusammenhang mit der jüngst geäußerten Kritik am Grundsatz der Subsidiarität der Ansprüche aus einem Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter (Burtscher, JBl 2015, 631 f) zulässig.

In ihrer dagegen gerichteten Revision beantragt die Klägerin die Abänderung des Berufungsurteils im Sinn einer Klagsstattgabe.

Der Beklagte beantragt, die Revision zurück-, in eventu abzuweisen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision zeigt zur hier maßgeblichen Frage der Passivlegitimation der Beklagten keine Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO auf:

1. Die Klägerin beruft sich zunächst auf das Vorliegen eines echten Vertrags zugunsten Dritter iSd § 881 ABGB, weil der Beklagte die Haftung für Schäden, die durch ihn oder seine Mitarbeiter dem Auftraggeber oder Dritten gegenüber bei der Ausführung der vereinbarten Leistungen entstehen, ausdrücklich vertraglich übernommen habe.

Ein echter Vertrag zugunsten Dritter liegt vor, wenn aufgrund einer Vereinbarung ein an dieser nicht beteiligter Dritter nicht nur Leistungsempfänger – in diesem Fall liegt ein sogenannter unechter Vertrag zugunsten Dritter vor –, sondern Forderungsberechtigter sein soll (RIS-Justiz RS0017149). Ob ein Forderungsrecht des Dritten entsteht, ist zufolge § 881 Abs 2 S 1 ABGB aus der Vereinbarung und der Natur und dem Zweck des Vertrags zu beurteilen. Nach der Zweifelsregel von S 2 leg cit liegt ein Vertrag zugunsten Dritter dann vor, wenn die Leistung hauptsächlich ihm zum Vorteil gereichen soll (RIS-Justiz RS0017145, zuletzt 5 Ob 53/16d). Bei einem Eigeninteresse eines Vertragspartners an der Leistung ist hingegen ein unechter Vertrag zugunsten Dritter anzunehmen (RIS-Justiz RS0017145), so zB bei einer Erfüllungsübernahme, wenn ein Eigeninteresse des Vertragspartners an der Leistung besteht (RIS-Justiz RS0017119; Riedler in Schwimann/Kodek, ABGB4§§ 881–882 Rz 5). Ein gegenüber einem Vertragspartner abgegebenes Versprechen auf Schad- und Klagloshaltung gegenüber Dritten ist als Erfüllungsübernahme iSd § 1404 ABGB zu qualifizieren. Dabei trifft den Erfüllungsübernehmer gegenüber dem Gläubiger keine Pflicht (7 Ob 207/15i mwN); dem Gläubiger erwächst daraus kein Klagerecht (RIS-Justiz RS0017119 [T2]).

Aus der im Auftrag enthaltenen Regelung zur Haftung des Auftragnehmers „für Schäden, die durch ihn oder seine Mitarbeiter dem Auftraggeber oder Dritten gegenüber bei der Ausführung der vereinbarten Leistung entstehen,“ geht nicht hervor, dass die Klägerin selbst Forderungsberechtigte der von der Vermieterin beauftragten Winterdienstleistung sein sollte. Diese Leistung liegt vielmehr (auch) in deren Eigeninteresse, trifft doch den Vermieter gegenüber dem Mieter nach § 1096 ABGB eine Vertragspflicht zur Säuberung und Streuung (s RIS-Justiz RS0021318). Dies wird in der Revision auch nicht in Frage gestellt. Danach besteht auch kein zwingender Grund, der Haftungserklärung eine weiterreichende Bedeutung beizumessen als einem Versprechen auf Schad- und Klagloshaltung im Sinn der dargelegten Rechtsprechung. Wenn das Berufungsgericht einen echten Vertrag zugunsten Dritter daher verneint hat, ist dies nicht weiter korrekturbedürftig.

2. Die Klägerin richtet sich weiter gegen die Annahme der Subsidiarität eines Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter, die mit „beachtlichen Argumenten“ (1 Ob 150/13k) in der Lehre kritisiert worden sei. In diesem Zusammenhang stützt sie sich erneut auf die vereinbarte Haftungsregelung.

Soll die vom Gesetzgeber getroffene unterschiedliche Ausgestaltung von Deliktsrecht und Vertragsrecht nicht aufgehoben oder verwischt werden, hat der Kreis der geschützten Personen, denen statt deliktsrechtlicher auch vertragsrechtliche Schadenersatz-ansprüche zugebilligt werden, eng gezogen zu werden. Grundvoraussetzung für die Einbeziehung in den Schutzbereich des Vertrags ist ein schutzwürdiges Interesse des Gläubigers. Ein solches ist zu verneinen, wenn er kraft eigener rechtlicher Sonderverbindung mit seinem Vertragspartner, der seinerseits den späteren Schädiger vertraglich als Erfüllungsgehilfen beizog, einen deckungsgleichen Anspruch auf Schadenersatz hat (RIS-Justiz RS0022814; RS0129705). Dass der Klägerin ein deckungsgleicher Anspruch gegenüber ihrer Vermieterin zusteht, stellt sie nicht in Frage.

Richtig ist, dass in der Lehre seit längerem Abweichungen vom Prinzip der Subsidiarität erwogen werden (Koziol, Anm zu 2 Ob 133/78, JBl 1980, 39; Stefula, Haftung des Erfüllungsgehilfen nach vertraglichen Grundsätzen?, RZ 2001, 216; Schmaranzer, Ausschluss des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter durch unmittelbare vertragliche Ansprüche? JBl 2005, 267; ders, Der Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter [2006], 98 ff; Burtscher, Die Subsidiarität des Schutzwirkungsvertrags im Zivilprozess, JBl 2015, 631; aA etwa Parapatits, Der Vertrag zugunsten Dritter [2011] 50 ff). Der Oberste Gerichtshof gestand der Kritik in der Entscheidung 1 Ob 150/13k auch „beachtliche Argumente“ zu, hatte in jenem Fall aber keinen Anlass zu einer näheren Auseinandersetzung damit. In der Folge wurde in zahlreichen Entscheidungen (s etwa 2 Ob 129/15g, 4 Ob 122/16v, 7 Ob 96/16t, 3 Ob 105/17p, 8 Ob 46/17y) explizit am Subsidiaritätsprinzip festgehalten, sodass diesbezüglich von einer gesicherten ständigen Rechtsprechung ausgegangen werden kann. Die vertragliche Haftungsregelung ändert daran nichts, hat sich der Beklagte darin doch nur gegenüber dem Vertragspartner (Vermieterin) zum Ersatz von Schäden des Auftraggebers oder Dritten verpflichtet. Eine Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO liegt auch unter diesem Aspekt nicht vor.

3. Die Klägerin meint auch, der Beklagte hafte auch deliktisch „bzw vertragsähnlich“. Er habe durch den Abschluss eines Winterdienstvertrags mit der Vermieterin verhindert, dass diese auf andere Art für einen Winterdienst gesorgt habe. Tatsächlich habe er einen untüchtigen, nämlich nicht ausgebildeten und erst wenige Tage beim Beklagten tätigen Mitarbeiter ohne Kontrolle für Winterdienstleistungen eingesetzt, der trotz Notwendigkeit keine Winterdienstleistungen am Zugangsweg erbracht habe.

Den Beklagten trifft als Erfüllungsgehilfen gegenüber einem Dritten eine deliktische Haftung, wenn sein Verhalten unabhängig von der Existenz des Schuldverhältnisses rechtswidrig ist (RIS-Justiz RS0022801; RS0022481). Dies gilt auch dann, wenn der Gehilfe selbständiger Unternehmer ist (RIS-Justiz RS0022481 [T5]). Die Gefährdung absolut geschützter Rechte, wie die körperliche Unversehrtheit, ist grundsätzlich verboten (RIS-Justiz RS0022946).

Nach den Feststellungen hat der Beklagte am Unfalltag den Dienst nicht selbst verrichtet, sondern einen Mitarbeiter eingesetzt. Für das Verschulden des Gehilfen wird lediglich im Rahmen des § 1315 ABGB gehaftet (RIS-Justiz RS0023377 [T2, T 5]). Für das Verhalten eines Besorgungsgehilfen muss nach dieser Bestimmung einstehen, wer sich einer untüchtigen oder wissentlich einer gefährlichen Person bedient. Aus einem Verhalten eines Besorgungsgehilfen ergibt sich dann eine habituelle Untüchtigkeit, wenn es ihm an den für seine Tätigkeit notwendigen Kenntnissen überhaupt fehlt und auch ein auffallender Mangel an Gewissenhaftigkeit vorliegt, der Besorgungsgehilfe also nicht geeignet ist, entsprechend den fundamentalen Kenntnissen seines Tätigkeitsbereichs zu arbeiten oder wenn er infolge persönlicher Eigenschaften, etwa aus Hang zur Nachlässigkeit oder Nichtbeachtung der Vorschriften über die Ausübung seines Berufs nicht geeignet ist (RIS-Justiz RS0107261; RS0028885).

Derartiges geht aus dem festgestellten Sachverhalt nicht hervor. Allein der Umstand, dass der Mitarbeiter des Beklagten erst einige Tage beim Beklagten beschäftigt war und davor bei keinem anderen Winterdienstunternehmen gearbeitet hatte, lässt noch nicht auf dessen Untüchtigkeit oder Gefährlichkeit schließen. Für die Besorgung des Winterdienstes (Schneeräumen, Streuen) ist auch keine solche spezielle Sach- oder Fachkenntnis zu verlangen, dass dem Beklagten der Einsatz eines „nicht ausgebildeten“ Mitarbeiters zum Vorwurf gemacht werden könnte. Eine Deliktshaftung des Beklagten wird hier nicht begründet.

4. Die Klägerin stützt sich schließlich auf eine Haftung nach der StVO, weil der Beklagte nach dem Vertragsinhalt die Räum- und Streupflicht in (analoger) Anwendung des § 93 Abs 5 StVO übernommen habe. Die Klausel, dass der Winterdienst die Schneeräumung, Bestreuung und Eisfreimachung der Zugangs- und Innenwege und der Stufen der Liegenschaft „entsprechend § 93 StVO“ umfasse (Beil ./2), beruht jedoch alleine auf dem Parteiwillen. Zur Frage eines aus dem Verständnis der Vereinbarung resultierenden Direktanspruchs eines Drittgeschädigten ist auf Punkt 2. zu verweisen.

5. Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision danach zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO. Der Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2018:0090OB00069.17P.0130.000

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