OGH vom 19.11.2019, 10Ob64/19p

OGH vom 19.11.2019, 10Ob64/19p

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten Univ.-Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen Dr. Fichtenau und Dr. Grohmann, den Hofrat Mag. Ziegelbauer und die Hofrätin Dr. Faber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. R*****, vertreten durch Vogl Rechtsanwalt GmbH in Feldkirch, gegen die beklagte Partei C***** GmbH in Liqu, *****, vertreten durch Wess Kux Kispert & Eckert Rechtsanwalts GmbH in Wien, wegen 31.596,47 EUR und Feststellung (6.000 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 129 R 50/19z-21, mit dem das Urteil des Handelsgerichts Wien vom , GZ 54 Cg 71/18x-17, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 2.201,04 EUR bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung (darin enthalten 366,84 EUR USt) zu ersetzen.

Text

Begründung:

Der Kläger erwarb im Jahr 2004 als Verbraucher über Vermittlung eines Wertpapierdienstleistungsunternehmens Kommanditanteile an der 5***** GmbH & Co KG im Nominale von 20.000 EUR zuzüglich 1.000 EUR Agio. Bei dieser Veranlagung beteiligen sich die Anleger als Kommanditisten an einer GmbH & Co KG, die eine oder mehrere Immobilien erwirbt, aus denen Erträge erzielt werden sollen. Der Fonds wurde von einer in Deutschland ansässigen AG aufgelegt. Wie sich aus dem Kapitalmarktprospekt ergibt, fungiert die Beklagte als inländische Anbieterin im Sinn des § 14 Z 3 KMG, der Vertrieb fand aber hier nicht direkt über sie statt. Die Kommanditbeteiligungen wurden von einer in Deutschland ansässigen Treuhand- und Verwaltungsgesellschaft gehalten und verwaltet, mit der auch der Kläger einen Treuhandvertrag abgeschlossen hat.

Der Kläger macht mit seiner Klage Ansprüche (Leistung und Feststellung) aufgrund eines gegenüber der beklagten Partei erklärten Rücktritts aus der Veranlagung in die Kommanditbeteiligung geltend. Die beklagte Partei habe den Erwerb der Anlage nicht gemäß § 14 Z 2 KMG bestätigt, weshalb ihm gegenüber der beklagten Partei in deren Funktion als inländische Anbieterin unbefristet ein Rücktrittsrecht gemäß § 5 Abs 2 KMG aF (BGBl 1991/625 idF BGBl 2019/62; nunmehr § 21 KMG 2019) zustehe. Die beklagte Partei hafte als inländische Anbieterin wie die Emittentin gesetzlich und sei daher Anspruchsgegnerin der Klageforderung. Im Hinblick darauf, dass es sich um eine gesetzliche Haftung handle, schließe das Nichtbestehen eines Vertragsverhältnisses die Haftung nicht aus.

Die beklagte Partei wendete – soweit für das Revisionsverfahren noch wesentlich – mangelnde Passivlegitimation ein. Der Kläger könne das Rücktrittsrecht nach § 5 Abs 2 KMG erfolgreich nur gegenüber seinem Vertragspartner (dem letzten Veräußerer), nicht aber ihr gegenüber geltend machen. Sie habe (im Verhältnis zum Kläger) bloß das prospektpflichtige Angebot in Österreich gestellt; bei dem geltend gemachten Anspruch nach § 5 KMG handle es sich aber um keinen Prospekthaftungsanspruch. Ein Vertragsverhältnis zwischen ihr und dem Kläger, von dem dieser zurücktreten könnte, habe niemals bestanden, sodass ihr gegenüber keine Rückabwicklungsansprüche geltend gemacht werden könnten. Empfängerin der vom Kläger geleisteten Kommanditeinlage sei nicht sie, sondern die Fondsgesellschaft gewesen. Sie selbst habe vom Kläger keine Zahlungen oder Leistungen erhalten.

Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren übereinstimmend ab. Die Begründung dieser Entscheidungen lässt sich – soweit für das Revisionsverfahren noch relevant – dahin zusammenfassen, dass nach § 14 Z 3 KMG bei Veranlagungsgemeinschaften in Immobilien dem Anleger der Erwerb der Veranlagung bei Vertragsabschluss in schriftlicher Form zu bestätigen sei. Die Bestätigung sei vom Emittenten, falls dieser Ausländer sei, vom Anbieter auszustellen. Anleger, die Verbraucher seien, könnten gemäß § 5 Abs 2 KMG vom Vertrag zurücktreten, wenn ihnen der Erwerb einer Veranlagung in Immobilien nicht gemäß § 14 Z 3 KMG bestätigt worden sei. § 5 Abs 2 KMG definiere den Kreis der möglichen Rücktrittsgegner des Anlegers nicht. Ganz allgemein zielten Rücktrittsrechte aber darauf ab, das Rechtsgeschäft mit dem jeweiligen Vertragspartner zum Wegfall zu bringen. Dementsprechend sei davon auszugehen, dass den Verbraucher durch § 5 Abs 2 KMG aF (ebenso wie durch § 5 Abs 1 KMG aF) ein Rücktrittsrecht gegenüber seinem Vertragspartner – also dem letzten Veräußerer – eingeräumt werden solle, unabhängig davon, ob dieser selbst die Prospektpflicht verletzt habe oder nicht. Als Veräußerer habe die beklagte Partei gegenüber dem Kläger nicht fungiert.

Das Berufungsgericht ließ die Revision mit der Begründung zu, dass keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs dazu vorliege, ob das Rücktrittsrecht nach § 5 Abs 2 KMG aF (ebenso wie auch das Rücktrittsrecht nach § 5 Abs 1 KMG aF) nur gegenüber dem jeweiligen Vertragspartner ausgeübt werden könne.

Der Revisionswerber beantragt die Abänderung des Berufungsurteils im Sinn einer Klagestattgabe; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision des Klägers zurückzuweisen, hilfsweise ihr keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht zulässig, weil der Oberste Gerichtshof mittlerweile in der Entscheidung 9 Ob 60/19t vom zu einem völlig gleichgelagerten Fall zu der vom Berufungsgericht angesprochenen Rechtsfrage Stellung genommen hat (beklagte Partei ist hier wie dort die C***** GmbH in Liqu).

Die Aussagen dieser Entscheidung lassen sich wie folgt zusammenfassen:

1. Das – dem § 3 KSchG nachgebildete – Rücktrittsrecht in § 5 Abs 1 KMG aF (BGBl I 1991/625 idF BGBl 2019/62; nunmehr § 21 KMG 2019) normiert ein Rücktrittsrecht der Verbraucher, die sich durch Vertragserklärungen in Bezug auf Wertpapiere oder Veranlagungen gebunden haben, sofern den einschlägigen Informationspflichten nicht entsprochen wurde. In § 5 Abs 2 KMG aF wird als Rücktrittsgrund auch die Nichtaushändigung der Bestätigung über das Rechtsverhältnis bei Veranlagungen in Immobilien nach § 14 KMG einbezogen, weil hiefür die selben Schutzinteressen gelten.

2. Weder § 5 Abs 1 noch § 5 Abs 2 KMG aF definiert den Kreis der möglichen Adressaten des Rücktritts. In § 5 Abs 3 KMG aF ist allerdings von einer Rückstellung der schriftlichen Vertragserklärung an den „Veräußerer“ die Rede.

3. Ganz allgemein zielt ein Rücktritt vom Vertrag darauf ab, das Rechtsgeschäft mit dem jeweiligen Vertragspartner zum Wegfall zu bringen. Im Hinblick darauf ist zum Rücktrittsrecht nach § 5 Abs 1 KMG aF bereits klargestellt worden, dass Rücktrittsgegner des Verbrauchers sein jeweiliger Vertragspartner ist (unabhängig davon, ob dieser selbst die Prospektpflicht verletzt hat), sofern er beim Vertrieb der Wertpapiere in eigenem Namen tätig wurde. Nur gegenüber dem reinen Vermittler oder Vertreter besteht kein Kaufvertrag (2 Ob 32/09h [Pkt III.4.2]).

4. Diese Grundsätze gelten auch für den Rücktritt des Verbrauchers nach § 5 Abs 2 KMG aF, da diese Regelung denselben Schutzzweck verfolgt und weitgehend dem Rücktrittsrecht nach § 5 Abs 1 KMG aF nachgebildet ist. Auch die Nennung des „Veräußerers“ in § 5 Abs 3 KMG aF spricht für dieses Verständnis. Hätte der Gesetzgeber mit § 5 Abs 2 KMG aF tatsächlich eine von § 5 Abs 1 KMG aF völlig getrennt zu sehende „gesetzliche Haftung“ normieren wollen, wäre zu erwarten gewesen, dass er auch den in § 14 Abs 3 KMG ausdrücklich umfassten Personenkreis in die Regelung des § 5 Abs 2 KMG aF aufgenommen hätte.

5. Die dem Anbieter auferlegte Verpflichtung zur Ausstellung einer Anlegerbestätigung ist nicht inhaltsleer, sondern gewährt dem Anleger auch bei Nichtbeachtung durch den Anbieter ein Rücktrittsrecht gegenüber dem Vertragspartner des Anlegers, selbst wenn dieser seine eigenen Pflichten gegenüber dem Anleger nicht verletzt hat. Damit werden Finanzintermediäre gewarnt, zu prüfen und Vorsorge dafür zu treffen, dass Erstanbieter und Emittenten ihren Prospekt und sonstigen Informationspflichten auch tatsächlich nachkommen.

6. Die Frage, ob deutsches oder österreichisches Recht anwendbar sei, kann bei diesem Verständnis des § 5 Abs 2 KMG aF dahingestellt bleiben.

Diese in der Entscheidung 9 Ob 60/19t getroffenen Aussagen haben auch im vorliegenden Fall Gültigkeit. Ebenso wie in der Entscheidung 9 Ob 60/19t wird die beklagte Partei ausschließlich als Anbieterin iSd § 1 Z 6 KMG aF in Anspruch genommen; dass die Veranlagung direkt von der beklagten Partei als Letztverkäuferin erworben worden wäre, wird jeweils nicht behauptet.

Die Revision ist mangels einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den § 41, 50 ZPO. Der beklagten Partei stehen die Kosten der Revisionsbeantwortung zu, weil zum Zeitpunkt ihrer Erstattung die Entscheidung 9 Ob 60/19t noch nicht ergangen war.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2019:0100OB00064.19P.1119.000

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