OGH vom 30.07.2007, 8ObA1/07s
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Langer als Vorsitzende und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Dr. Kuras sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Erwin Blazek und Mag. Michaela Haydter als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Heinz S*****, vertreten durch Dr. Christoph Orgler ua, Rechtsanwälte in Graz, gegen die beklagte Partei ÖBB-Traktion GmbH, 1150 Wien, Langauergasse 1, vertreten durch Kunz Schima Wallentin Rechtsanwälte KEG in Wien, wegen EUR 96,99 und Feststellung, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 8 Ra 41/06w-18, mit dem der Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom , GZ 9 Cga 60/05f-14, nicht Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 147,07 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin EUR 24,51 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger ist seit bei den Österreichischen Bundesbahnen bzw deren Rechtsnachfolgerin, der Beklagten, beschäftigt. Derzeit ist er Triebfahrzeugführer.
Im Schreiben vom , in dem die Bundesbahn-Direktion Villach dem Kläger mitteilte, dass er mit Wirksamkeit vom als Triebfahrzeugführer eingestuft wird, wurde ua darauf hingewiesen, dass auf das nunmehrige Dienstverhältnis die Dienstordnung sowie die sonstigen für die Beamten der Österreichischen Bundesbahn jeweils geltenden Bestimmungen Anwendung finden.
Am ist der „Kollektivvertrag zur Reglung der Arbeitszeit für Mitarbeiter der ÖBB" (in der Folge: Arbeitszeit-KV) in Kraft getreten. Dieser KV ist auf das Dienstverhältnis des Klägers anzuwenden.
Gegenstand des Verfahrens ist, ob der Kläger als Triebfahrzeugführer der Beklagten auch nach dem Inkrafttreten dieses KV weiterhin Anspruch auf Nachtdienstzulage, Reisegebührenpauschale und Ersatzruhe für (nunmehr gemäß § 6 Abs 2 des Arbeitszeit-KV) zu entlohnende Ruhepausen hat.
Die früher geltende „Dienstdauervorschrift für das Personal der österreichischen Bundesbahnen (P 10)" enthielt ua folgende für diese Ansprüche relevante Regelungen:
„§ 2 Arbeitszeit:
.....
2.) Als Arbeitszeit ist anzurechnen:
a.) die wirkliche Arbeitszeit;
b.) Der als Arbeitszeit zu bewertende Teil der auf Dienstbereitschaft, auf die Wendezeiten im Fahrdienst und auf Fahrgastfahrten entfallende Zeitabschnitt .....
.....
§ 5 Pausen
Pausen sind Arbeitsunterbrechungen, während der sich das Personal von der Dienst- oder Arbeitsstätte entfernen darf und die nicht das in § 10 festgesetzte Mindestausmaß für Ruhezeiten erreichen ...
§ 6 Wendezeiten im Fahrdienst
1.) Als Wendezeit im Fahrdienst gelten die unter dem Begriff „Pausen" bzw „kürzere Ruhezeiten" fallenden, somit nicht das Ausmaß der in § 10 Pkt. 1.) Bzw 6.) festgesetzten Ruhezeiten erreichenden Zeitabschnitte zwischen einzelnen Dienstleistungen.
2.) Wendezeiten sind mit dem in § 7 (B-E) festgesetzten Teil und Ausmaß auf die Arbeitszeit anzurechnen.
3.) Fahrgastfahrten und Dienstbereitschaften gelten als Dienstleistungen im Sinne des Pkt 1.).
§ 7 Ermittlung der Arbeitszeit
.....
C.) Im Triebfahrzeugdienst:
1.) Als wirkliche Arbeitszeit ist zu bewerten
a) die tatsächliche Fahrzeit der geführten Züge .....
.....
2.) Auf die Arbeitszeit sind ferner anzurechnen die Wendezeiten, und zwar
a) im Heimatbahnhof bis zur Dauer ....., in auswärtigen Bahnhöfen bis zur Dauer .....
b) die auf Fahrgastfahrten (§ 4) entfallende Zeit mit 80 %,
.....
§ 8 Dienstschichten
Eine Dienstschicht umfasst den ganzen Zeitraum, der zwischen zwei Ruhezeiten, auch kürzeren Ruhezeiten (§ 10), liegt. Sie besteht im ortsgebundenen Dienst aus der wirklichen Arbeitszeit, der Dienstbereitschaft und den Pausen, im Fahrdienst aus der wirklichen Arbeitszeit, den Fahrgastfahrten, der Dienstbereitschaft und den Pausen (einschließlich der gemäß § 6 unter den Begriff „Pausen" fallenden Wendezeiten)."
Für den Nachtdienst veröffentlichte die Beklagte in der Arbeits- und Sozialrechts-Info Nr. 5/2000 in der Fassung 1/2003 die mit in Kraft tretende Richtlinie für die Aufwandsentschädigung, die unter anderem folgende Regelungen enthält:
„1.) Gemäß § 40 AVB erhalten ÖBB Angestellte, die zur Nachtdienstleistung herangezogen werden, als Ersatz des dadurch entstandenen Mehraufwandes eine Nachtdienstzulage .....
2.) Die Höhe der Nachtdienstzulage ist von der Gesamtdauer der Dienstleistung innerhalb eines Nachtzeitraumes, das ist der zwischen 22.00 Uhr und 06.00 Uhr liegende Zeitraum, abhängig; sie beträgt für je 8 Stunden Dienstleistung 17,60 EUR (ab 18,16 EUR; volle Nachtdienstzulage) und für Dienstleistungen geringeren Ausmaßes (Stundenreste) den entsprechenden Anteil der vollen Nachtdienstzulage. Hierbei gelten jeweils 60 Minuten Dienstleistung sowie ein Bruchteil dieses Zeitabschnittes innerhalb eines Nachtzeitraumes als eine Stunde. Wenn jedoch Dienstleistungen in der Zeit zwischen 00.00 Uhr und 02.00 Uhr bzw zwischen 03.00 Uhr und 04.00 Uhr fallen, beträgt die Nachtdienstzulage für den betreffenden Nachtzeitraum mindestens 13,20 EUR (ab 13,62 EUR). Bei Dienstleistungen in der Zeit von 02.00 Uhr bis 03.00 Uhr gebührt für den betreffenden Nachtzeitraum die volle Nachtdienstzulage."
Zur Regelung der Fahrgebühren für das Triebfahrzeugpersonal hat die Beklagte in der arbeits- und Sozialrechts-Info Nr. 3/2002 in der Fassung 1/2004 die Richtlinie über die Fahrgebühren veröffentlicht, die ua folgende Regelungen enthält:
„.....
9.) Das Reisgebührenpauschale gebührt für jede im Triebfahrzeugfahrdienst geleistete Arbeitsstunde und beträgt pro Stunde EUR 2,15."
Gemäß Art 7 Abs 4 Z 1 des Bundesbahnstrukturgesetzes 2003, BGBl I 138/2003, gelten diese beiden Richtlinien ab als Betriebsvereinbarungen gemäß § 29 ArbVG.
Mit einer zwischen dem Vorstand der ÖBB und dem Betriebsrat geschlossenen Vereinbarung vom wurde ua vereinbart, dass die in einzelvertraglichen oder betrieblichen Vereinbarungen enthaltenen arbeitszeitrelevanten Regelungen mit Inkrafttreten des ÖBB-spezifischen Arbeitszeitkollektivvertrages oder der Geltung eines anderen Branchenkollektivvertrages einvernehmlich außer Kraft gesetzt werden. Dies sind jedenfalls die Dienstdauervorschrift P 10, Überstundenrichtlinien der ÖBB-Angestellten der Sonderdienstplan Gruppe S, Überstundenrichtlinien für ÖBB-Angestellte des Turnusdienstes und Richtlinien über den Nachtzeitzuschlag.
Der am in Kraft getretene Arbeitszeit-KV definiert in seinem § 2 den Begriff der Dienstschicht als den „Zeitraum zwischen dem Ende einer Ruhezeit (tägliche oder wöchentliche) und dem Beginn der nächstfolgenden Ruhezeit (tägliche oder wöchentliche)."
§ 6 ("Ruhepausen") regelt in seinen Ziffern 1 bis 3, unter welchen Voraussetzungen bzw in welchem Umfang Pausen zu „bezahlen" sind.
§ 6 Abs 4 hat folgenden Wortlaut:
„Bezahlte Ruhepausen bzw bezahlte Ruhepausenanteile sind bei der Ermittlung der wöchentlichen Normalarbeitszeit und der ggf. damit in Zusammenhang stehenden Überstunden anzurechnen, gelten jedoch nicht als tatsächliche Arbeitszeit und sind daher für die Ermittlung der Höchstgrenzen an täglicher und wöchentlicher Arbeitszeit nicht zu berücksichtigen."
Die Aushandlung des Arbeitszeit-KV erfolgte zur Umsetzung des Arbeitszeitgesetzes (AZG) und des Arbeitsruhegesetzes (ARG) bei den ÖBB. Bei den Kollektivvertragsverhandlungen waren die „Nebengebühren" überhaupt kein Thema; sie wurden von den Verhandlungen ausgeklammert. Es hat auch keine andere Projektgruppe gegeben, die sich mit den Nebengebühren bei den Verhandlungen über den Kollektivvertrag beschäftigt hat.
Mit seiner Klage begehrt der Kläger zuletzt EUR 96,99 brutto sowie die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet sei, ihm für die während der Wochenruhe am erbrachte Dienstleistung eine weitere Ersatzruhezeit von restlichen 31 Minuten zu gewähren. Seit gewähre die Beklagte ohne rechtliche Grundlage für die Zeit bezahlter Pausen keine Nachtdienstzulage. Auch werde das Reisegebührenpauschale für bezahlte Arbeitspausen seit demselben Zeitpunkt nicht mehr gezahlt. Daraus resultiere für den Kläger der mit dem Zahlungsbegehren geltend gemachte Anspruch. Der Inhalt der nunmehr geltenden Betriebsvereinbarungen gebe die vormaligen Richtlinien unverändert wieder. Auch führe jahrelange Übung sowie der bestehende Einzelvertrag dazu, dass ihm seine Ansprüche wie bisher zustünden. Zum Feststellungsbegehren brachte der Kläger im Wesentlichen vor, er habe in der für den Zeitraum vom , 17:00 Uhr, bis , 5:00 Uhr, vorgesehenen Wochenruhe eine Dienstleistung von , 17:00 Uhr, bis , 00:44 Uhr, erbracht. Für 31 Minuten sei keine Ersatzruhe gewährt worden. Die Beklagte beantragte, das Klagebegehren abzuweisen. Nach der Betriebsvereinbarung über die Aufwandsentschädigung für den Nachtdienst gebühre eine Nachtdienstzulage nur für Dienstleistungen innerhalb eines Nachtzeitraumes, jedoch nicht für Pausenzeiträume. Die Betriebsvereinbarung über ein Reisegebührenpauschale für das Triebfahrzeugpersonal sehe vor, dass eine derartige Zulage für jede im Triebfahrzeug geleistete Arbeitsstunde zu gewähren sei. Sie stehe also nur dann zu, wenn ein Mitarbeiter eine Arbeitsleistung erbringe, nicht jedoch für bezahlte oder unbezahlte Pausen. Mit Inkrafttreten des Kollektivvertrages zur Regelung der Arbeitszeit der Mitarbeiter der ÖBB sei es zu einer Neudefinition des Begriffes „Arbeitszeit" gekommen. Aufgrund der nunmehr geltenden Bestimmungen stünden dem Kläger die begehrten Nebengebühren für Pausenzeiträume nicht zu. Zu einer betrieblichen Übung könne es schon deshalb nicht gekommen sein, weil sowohl die Nachtdienstzulage als auch das Reisegebührenpauschale aufgrund der früher geltenden Vorschriften gezahlt worden seien. Dem Kläger sei entsprechend den Bestimmungen des ARG für die während der Wochenruhe von 21. 3. bis erbrachte Arbeitsleistung Ersatzruhe im Ausmaß von sieben Stunden und dreizehn Minuten gewährt worden. Pausenzeiten seien bei Ermittlung des Ausmaßes der Ersatzruhe nicht zu berücksichtigen.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es stellte den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt fest und ging zum Anspruch des Klägers auf Ersatzruhe für die Arbeitsleistung inklusive bezahlter Pausen während der Wochenruhe von (17.00 Uhr) bis (05.00 Uhr) im Rahmen der Ausführungen zur rechtlichen Beurteilung in tatsächlicher Hinsicht davon aus, dass der Kläger (auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung) ein Guthaben von 31 Minuten habe. Die Rechtsausführungen des Erstgerichts lassen sich wie folgt zusammenfassen:
Bei der Auslegung des Kollektivvertrags sei zu berücksichtigen, dass die Kollektivvertragsparteien im Zusammenhang mit den im komplexen Fahrdienst auftretenden Wendezeiten versucht hätten, trotz Anwendung des AZG und des ARG administrable Dienstzeiten der Triebfahrzeugführer zu erreichen, ohne gegen die nunmehr auch für die ÖBB geltenden Gesetze zu verstoßen. Demgemäß hätten die Kollektivvertragsparteien mit der von ihnen in § 2 Z 1 des KV verwendeten Begriffsbestimmung (Zeitraum zwischen dem Ende einer Ruhezeit und dem Beginn der nächstfolgenden) einen sehr weiten Begriff der Dienstschicht eingeführt, ohne sich dabei aber festzulegen, dass die gesamte Dienstschicht als bezahlte Arbeitszeit zu gelten habe. Vielmehr hätten sie durch eine Regelung, nach der gewisse Zeiten als bezahlte Pausen anzurechnen seien, aber nicht in die Arbeitszeit des AZG bzw des ARG fallen, die Möglichkeit eröffnen wollen, einen längere Dienstschicht zu absolvieren. Dazu komme, dass bei den Kollektivvertragsverhandlungen die hier strittigen Nebengebühren ausgeklammert gewesen seien und nicht mit dem KV geregelt werden sollten. Die Rechtsgrundlagen für diese Zulagen seien vielmehr in den oben genannten Betriebsvereinbarungen gemäß Art 7 des Bahnstrukuturgesetzes 2003 gelegen, die inhaltlich mit den vorher geltenden Richtlinien völlig ident seien. Die Beklagte berufe sich darauf, dass die seinerzeitige Dienstdauervorschrift P 10 nunmehr durch einen KV abgelöst worden sei, durch den sich die Rahmenbedingungen für die Gewährung der Zulagen geändert hätten. Allerdings könnten die bisher bestandenen, für die Dienstnehmer günstigeren Regelungen im Hinblick auf das Günstigkeitsprinzip durch einen erst später abgeschlossenen Kollektivvertrag nicht verschlechtert werden. Dies müsse um so mehr gelten, als die Beklagte nie erklärt habe, das Zulagensystem ändern zu wollen, sondern vielmehr Konsens darüber geherrscht habe, dass der Kollektivvertrag die Nebengebühren nicht regeln solle.
Unabhängig davon ergebe die Auslegung des Arbeitszeit-KV, dass von der Aufrechterhaltung der bisher bestandenen Zulagen auszugehen sei. Da der KV selbst keine gegenteiligen Regelungen enthalte und die bisherigen Regelungen in Form der genannten Betriebsvereinbarungen aufrecht geblieben seien, hätte auch die Arbeitnehmerseite davon ausgehen können, dass die Zulagen unter den bisher geltenden Voraussetzungen weiter gezahlt werden.
Nach der Dienstdauervorschrift P 10 sei bei der Gewährung der strittigen Zulagen über viele Jahre nicht nur an die tatsächliche Arbeitsleistung im engeren Sinn, sondern an die Anwesenheit am Dienstort angeknüpft worden. So seien auch die Wendezeiten als Arbeitszeit im engeren Sinn angerechnet worden. Im Arbeitszeit-KV erlaubten erst die Regelungen über die Normalarbeitszeit und deren Lage eine Interpretation hinsichtlich bezahlter und unbezahlter Pausen. Die in der Betriebsvereinbarung über die Aufwandsentschädigung für den Nachtdienst verwendete Formulierung (Gesamtdauer der Dienstleistung) sei dem Inhalt des neuen KV nicht angepasst und müsse daher unter Heranziehung der seinerzeit geltenden P 10 interpretiert werden. Auch daraus ergebe sich, dass für die Gewährung der Zulagen die Anwesenheit am Dienstort wesentlich und eine Änderung durch den KV nicht erfolgt sei. Nichts anderes gelte für das Reisgebührenpauschale. Das der Höhe nach nicht strittige Zahlungsbegehren sei daher gerechtfertigt.
Für das Feststellungsbegehren gelte die idente Argumentation: Wie vor dem seien die bezahlten Pausen (Wendezeiten) nach wie vor für die Berechnung der Höhe der Ersatzruhezeit heranzuziehen. Daher erweise sich auch dieses Begehren als gerechtfertigt. Mit dem angefochtenen Urteil bestätigte das Berufungsgericht diese Entscheidung und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei.
Für die Prüfung des Anspruches des Klägers auf Nachtdienstzulage bzw Reisegebührenpauschale sei in erster Linie maßgeblich, wie die Bestimmung der Ziffer 2 der Betriebsvereinbarung über die Aufwandsentschädigung für den Nachtdienst, wonach die Höhe der Nachtdienstzulage von der Gesamtdauer der Dienstleistung innerhalb eines Nachtzeitraumes abhängig ist, bzw die Bestimmung der Ziffer 8 der Betriebsvereinbarung über ein Reisegebührenpauschale für das Triebfahrzeugpersonal, wonach das Reisegebührenpauschale für jede im Triebfahrzeugdienst geleistete Arbeitsstunde gebührt, auszulegen seien.
Der normative Teil von Betriebsvereinbarungen - wie jener von Kollektivverträgen - sei nach den für die Interpretation von Gesetzen geltenden Regeln (§§ 6, 7 ABGB) auszulegen. In erster Linie sei der Wortsinn - auch im Zusammenhang mit den übrigen Regelungen - zu erforschen und die sich aus dem Text der Betriebsvereinbarung ergebende Ansicht der Betriebsparteien zu berücksichtigen. Eine aus dem Text nicht hervorgehende subjektive Absicht der Betriebsparteien sei daher unbeachtlich.
Diese Auslegungsregeln seien auch für die hier in Rede stehenden Betriebsvereinbarungen anzuwenden, die kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung in Artikel 7 Abs 4 Z 1 des Bundesbahnstrukturgesetzes 2003, BGBl I 138/2003, als Betriebsvereinbarungen gemäß § 29 ArbVG gelten, inhaltlich aber gegenüber den bisher geltenden Richtlinien keine Änderung gebracht hätten.
Ein späterer Kollektivvertrag dringe gegenüber einer günstigeren Betriebsvereinbarung nicht durch. Hier sei aber gar kein Günstigkeitsvergleich anzustellen, weil der Arbeitszeit-KV nicht regle, ob und in welcher Höhe Triebfahrzeugführern ein Reisegebührenpauschale oder eine Nachtdienstzulage zustehe, und daher mit den beiden Betriebsvereinbarungen gar nicht konkurriere. Durch das Außerkrafttreten der Dienstdauervorschrift P 10 und das Inkrafttreten des Arbeitszeit-KV komme es entgegen der Ansicht der Beklagten auch zu keiner geänderten Auslegung der Betriebsvereinbarungen. Gemäß § 6 Z 4 dieses KV seien bezahlte Ruhepausen bzw bezahlte Ruhepausenanteile bei der Ermittlung der wöchentlichen Normalarbeitszeit und der gegebenenfalls damit im Zusammenhang stehenden Überstunden anzurechnen; sie gelten jedoch nicht als tatsächliche Arbeitszeit und seien daher für die Ermittlung der Höchstgrenzen an täglicher und wöchentlicher Arbeitszeit nicht zu berücksichtigen. Nach dem eindeutigen Wortlaut beziehe sich der zweite Halbsatz der zitierten Bestimmung ausschließlich auf die Ermittlung der Höchstgrenzen der täglichen und wöchentlichen Arbeitszeit. Aus der Formulierung der Ziffer 4 des § 6 in seiner Gesamtheit ergebe sich zweifelsfrei, dass durch Pausen, die im Fahrbetrieb unvermeidlich seien, die festgelegten Höchstgrenzen der Arbeitszeit nicht überschritten werden sollen. Keineswegs werde jedoch damit bezweckt, die Abgeltung dieser bezahlten Ruhepausen in irgendeiner Art und Weise zu schmälern, zumal sogar ausdrücklich normiert sei, dass diese bezahlten Ruhepausen bzw bezahlten Ruhepausenanteile bei der Ermittlung der wöchentlichen Normalarbeitszeit und der gegebenenfalls damit im Zusammenhang stehenden Überstunden anzurechnen seien. Daraus folge, dass der Kläger auch nach dem für bezahlte Pausen Anspruch auf Nachtdienstzulage bzw Reisegebührenpauschale hat.
Zum Feststellungsbegehren des Klägers auf Gewährung einer zusätzlichen Ersatzruhezeit vertrete die Beklagte ebenfalls den Standpunkt, dass für bezahlte Pausen keine Ersatzruhe zu gewähren sei. Auch darin sei sie nicht im Recht:
Gemäß § 4 ARG habe der Arbeitnehmer, der nach der für ihn geltenden Arbeitszeiteinteilung während der Zeit der Wochenendruhe beschäftigt werde, in jeder Kalenderwoche anstelle der Wochenendruhe Anspruch auf eine ununterbrochene Ruhezeit von 36 Stunden (Wochenruhe). Gemäß § 6 Abs 1 ARG habe der Arbeitnehmer, der während seiner wöchentlichen Ruhezeit beschäftigt wird, in der darauf folgenden Arbeitswoche Anspruch auf Ersatzruhe, die auf seine Wochenarbeitszeit anzurechnen sei. Die Ersatzruhe sei im Ausmaß der während der wöchentlichen Ruhezeit geleisteten Arbeit zu gewähren. Als Ruhezeit könnten jedoch nur solche Zeiten anerkannt werden, in denen der Arbeitnehmer von keinerlei arbeitsvertraglichen Verpflichtungen belastet sei und somit die Möglichkeit habe, sich und seine Arbeitskraft ungestört zu regenerieren. Da die gesetzliche Regelung über die wöchentliche Ruhezeit dem Arbeitnehmerschutzrecht zuzuordnen sei, könne die Einhaltung solcher Regenerationsphasen für den Arbeitnehmer nicht eine Angelegenheit der privatrechtlichen Disposition im Arbeitsvertrag sein.
Der Ersatzruheanspruch entstehe in jenem Ausmaß, in dem die Wochenruhe durch die Arbeitsleistung gestört worden sei. Ersatzruhepflichtig seien Arbeitsleistungen einschließlich der Arbeitsbereitschaften. Rufbereitschaften und Wegzeiten begründeten keinen Ersatzruheanspruch. Arbeitsbereitschaft liege dann vor, wenn der Arbeitnehmer arbeitsvertraglich verpflichtet sei, sich an einem vom Arbeitgeber bestimmten Ort aufzuhalten und jederzeit bereit zu sein, die arbeitsvertraglich geschuldete Leistung zu erbringen. Für einen Kraftfahrer liege Arbeitsbereitschaft etwa dann vor, wenn er bei einem Zulieferer darauf warten müsse, bis die abzutransportierenden Materialien vorbereitet seien, oder wenn zwischen zwei Busfahrten eine Wartephase eintrete, die in einem Busfahrerzimmer verbracht werden könne. Eine solche Zeit dürfe nicht auf Ruhezeiten angerechnet werden. Bei Berücksichtigung dieser Grundsätze ergebe sich, dass auch die in einer Schicht anfallenden bezahlten Pausen die Wochenruhe verletzen, weshalb sie bei der Ermittlung des Ausmaßes der Ersatzruhezeit mit zu berücksichtigen seien. Auch das Feststellungsbegehren des Klägers sei daher berechtigt.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Beklagten. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise, ihr nicht Folge zu geben.
Die Revision ist wegen der über den hier zu entscheidenden Einzelfall weit hinausgehenden Bedeutung der zu lösenden Rechtsfragen zulässig; sie ist aber nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Zum Anspruch auf Nachtdienstzulage und auf Reisegebührenpauschale
Es ist zwischen den Parteien nicht strittig, dass Triebfahrzeugführer nach den früher geltenden Richtlinien bzw nach den sie ersetzenden (wortidenten) Betriebsvereinbarungen Anspruch auf Nachtdienstzulage und auf das Reisegebührenpauschale auch für die bezahlten Pausen hatten. Ebenso wenig ist strittig, dass die Rechtsquellen, aus denen der Anspruch auf Nachtdienstzulage und auf das Reisegebührenpauschale abgeleitet wird, in ihrem Wortlaut keine Änderung erfahren haben. Die Beklagte geht aber - zusammengefasst - davon aus, dass die für die genannten Nebengebühren maßgebenden Betriebsvereinbarungen bzw die dort verwendeten Termini durch das Außerkrafttreten der Dienstdauervorschrift P 10 und das Inkrafttreten des Arbeitszeit-KV - insbesondere durch dessen § 6 Z 4 - einen Bedeutungswandel erfahren hätten, der dazu führe, dass den Triebfahrzeugführern nunmehr für bezahlte Pausen die genannten Nebengebühren nicht mehr zustünden. Unabhängig von allen anderen vom Kläger gegen diesen Standpunkt der Beklagten vorgebrachten Einwänden kann er von vornherein nur zutreffen, wenn die maßgebenden Bestimmungen des Arbeitszeit-KV tatsächlich so auszulegen wären, dass sie mit der bisherigen Auslegung der beiden Betriebsvereinbarungen (bzw der vor diesen geltenden Richtlinien) in Widerspruch stehen. Dies wurde aber vom Berufungsgericht mit zutreffender Begründung verneint. Die dagegen vorgebrachten Argumente der Revisionswerberin sind nicht geeignet, die Richtigkeit dieser Rechtsauffassung des Berufungsgerichtes in Frage zu stellen:
Die Beklagte beruft sich auf § 6 Z 4 des KV, nach dessen klarem Wortlaut bezahlte Ruhepausen bzw bezahlte Ruhepausenanteile nicht als tatsächliche Arbeitszeit zu werten seien, und der damit klarstelle, dass von einer „geleisteten Arbeitsstunde" bzw einer „Dienstleistung innerhalb eines Nachtzeitraumes" iSd beiden Betriebsvereinbarung nur in dem Umfang die Rede sein könne, in dem der Dienstnehmer tatsächlich eine Arbeitsleistung (iS eines aktiven Tuns) erbringe. Dem hat schon das Berufungsgericht völlig zutreffend den Gesamtzusammenhang der maßgebenden Regelungen des Arbeitszeit-KV entgegen gehalten: Der erste Halbsatz des § 6 Z 4 des KV enthält die klare Anordnung, dass bezahlte Ruhepausen bzw bezahlte Ruhepausenanteile bei der Ermittlung der wöchentlichen Normalarbeitszeit und der gegebenenfalls damit im Zusammenhang stehenden Überstunden anzurechnen sind; nach dem zweiten Halbsatz der zitierten Bestimmung gelten sie jedoch nicht als tatsächliche Arbeitszeit und sind daher für die Ermittlung der Höchstgrenzen an täglicher und wöchentlicher Arbeitszeit nicht zu berücksichtigen. Daraus hat das Berufungsgericht überzeugend geschlossen, dass sich der zweite Halbsatz der zitierten Bestimmung ausschließlich auf die Ermittlung der Höchstgrenzen der täglichen und wöchentlichen Arbeitszeit bezieht und bewirken soll, dass durch Pausen, die im Fahrbetrieb unvermeidlich sind, die festgelegten Höchstgrenzen der Arbeitszeit nicht überschritten werden. Daraus kann jedoch nicht geschlossen werden, dass die Bestimmung bezweckt, die Abgeltung der bezahlten Ruhepausen in irgendeiner Art und Weise zu schmälern, was um so mehr gelten muss, als ja im ersten Halbsatz der Norm ausdrücklich normiert wird, dass die bezahlten Ruhepausen bzw bezahlten Ruhepausenanteile bei der Ermittlung der wöchentlichen Normalarbeitszeit und der gegebenenfalls damit im Zusammenhang stehenden Überstunden anzurechnen sind.
Zu Recht haben die Vorinstanzen überdies auf den damit in Einklang stehenden Umstand verwiesen, dass der Arbeitszeit-KV nach seinem klaren Inhalt Ansprüche der Bediensteten auf Nebengebühren nicht regelt und dass die Kollektivvertragsparteien erkennbar keine derartige Regelungsabsicht verfolgt haben. Dieser Hinweis des Berufungsgerichtes steht auch nicht - wie die Revisionswerberin meint - in Widerspruch dazu, dass Kollektivverträge iSd §§ 6, 7 ABGB auszulegen sind. Richtig ist lediglich, dass eine aus dem Text nicht hervorgehende Absicht der vertragschließenden Parteien für die Auslegung unbeachtlich ist; dies ändert aber nichts an der Beachtlichkeit der mit dem Kollektivvertrag verfolgten Absicht der Parteien, die in erkennbarer Weise im Vertragstext ihren Niederschlag gefunden hat (siehe dazu die bereits vom Berufungsgericht zitierten Belegstellen). Diese Absicht tritt aber hier aus dem Wortlaut und dem Zusammenhang der auszulegenden Bestimmungen des KV klar hervor. Demnach strebten die Kollektivvertragsparteien eine sachgerechte Lösung der arbeitszeitrechtlichen Fragen an, nicht aber die mit keiner Silbe angesprochene Frage der Ansprüche der Bediensteten auf Nebengebühren.
Dass auch vor dem Inkrafttreten des Arbeitszeit-KV nicht der gesamte zeitliche, dem Triebfahrzeugführer entstehende Aufwand für die Ermittlung und Gewährung von Nachtdienstzulage und Reisegebührenpauschale herangezogen wurde - die Revisionswerberin verweist dazu auf Regelungen betreffend die "Fahrgastfahrten" und der Dienstbereitschaft - ist für die hier zu treffende Entscheidung völlig bedeutungslos, da überhaupt nicht strittig ist, dass die hier in Rede stehenden Nebengebühren vor dem Inkrafttreten des Arbeitszeit-KV im vom Kläger geltend gemachten Umfang gewährt wurden. Dass der KV keinen Anlass bietet, davon abzugehen, wurde bereits eingehend dargelegt.
Dass die Beklagte nunmehr meint, die beiden die Nebengebühren regelnden Betriebsvereinbarungen seien nach ihrem „klaren und eindeutigen Wortlaut" im von ihr gewünschten Sinn auszulegen, steht ebenfalls mit dem eben hervorgehobenen und gar nicht strittigen Umstand in Widerspruch, dass diese Betriebsvereinbarungen bzw die vor ihnen geltenden (wortidenten) Richtlinien gerade nicht in diesem von der Beklagten behaupteten Sinn ausgelegt wurden.
Damit erweist sich die Entscheidung der Vorinstanzen über das Zahlungsbegehren als zutreffend, ohne dass auf die umfangreichen Revisionsausführungen zu jenen Fragen eingegangen werden müsste, die sich nur im Falle der Richtigkeit ihres eben verneinten Standpunktes stellen würden.
Zum Feststellungsbegehren betreffend die Ersatzruhezeit:
Die dazu angestellten rechtlichen Überlegungen des Berufungsgerichtes sind zutreffend. Es reicht daher insoweit aus, auf die Richtigkeit der ausführlichen Begründung der Berufungsentscheidung zu verweisen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Die dagegen vorgebrachten Einwände der Revisionswerberin erschöpfen sich im Wesentlichen in der Behauptung, dass Ersatzruhe nur für Zeiten tatsächlicher Arbeitsleistung zu gewähren sei, nicht aber für Pausen. Mit den eingehenden Erörterungen der zweiten Instanz über die unterschiedlichen Formen der zeitlichen Inanspruchnahme der Arbeitnehmer durch Arbeitsleistung bzw durch arbeitsvertragliche Verpflichtungen und über deren ruhezeitrechtliche Konsequenzen setzt sie sich mit keinem Wort auseinander. Kern dieser Ausführungen des Berufungsgerichtes ist die Rechtsauffassung, dass kurzfristige Unterbrechungen der in einer Schicht geleisteten Arbeitszeit im engeren Sinn durch Pausen, in denen der Arbeitnehmer zwar keine bestimmte Tätigkeit erbringen muss, den Arbeitsort aber nicht verlassen kann, nicht als Ruhezeit qualifiziert werden können. Diese Rechtsauffassung wird vom Obersten Gerichtshof geteilt, sodass auch insoweit der Revision ein Erfolg zu versagen war.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.