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OGH vom 26.07.2007, 10ObS135/06k

OGH vom 26.07.2007, 10ObS135/06k

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger und Dr. Hoch als weitere Richter (Senat nach § 11a Abs 3 ASGG) in der Sozialrechtssache der klagenden Parteien 1. Gülali A*****, 2. Maximilian A*****, 3. Zoe A*****, 4. mj. Jasmin A*****, geboren am , 5. Rabea Sharon A*****, geboren am , und 6. mj. Roxanne A*****, geboren am , alle *****, alle vertreten durch Dr. Michael Bereis, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich Hillegeist-Straße 1, vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wegen Witwerpension bzw Waisenpensionen, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der klagenden Parteien gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 8 Rs 170/05m-12, womit infolge Rekurses der klagenden Parteien der Beschluss des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom , GZ 7 Cgs 126/05b-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs des Erst- und Zweitklägers wird keine Folge gegeben.

Die Erst- und Zweitkläger haben die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Dem Revisionsrekurs der Dritt-, Viert-, Fünft- und Sechstklägerin wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden in Ansehung der Dritt-, Viert-, Fünft- und Sechstklägerin aufgehoben und dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind insoweit weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Der Erstkläger ist der Ehegatte, die Zweit- bis Sechstkläger sind die Kinder der am verstorbenen Versicherten Ulrike A*****.

Der Erstkläger stellte am bei der beklagten Pensionsversicherungsanstalt einen Antrag auf Gewährung einer Witwerpension bzw für die (damals noch) minderjährigen Kinder auf Gewährung einer Waisenpension. Diese Anträge lehnte die beklagte Partei mit Bescheiden vom mit der Begründung ab, dass unter Berücksichtigung der von der verstorbenen Versicherten in Österreich und in Deutschland erworbenen Versicherungszeiten die für die Erfüllung der Wartezeit erforderliche Mindestanzahl von Versicherungsmonaten nicht vorliege. Diese Bescheide, die jeweils an den Erstkläger zugestellt wurden, enthielten die Belehrung, dass gegen diesen Bescheid innerhalb von drei Monaten ab Zustellung Klage beim zuständigen Arbeits- und Sozialgericht eingebracht werden könne. Weiters wurde der Erstkläger in einem Begleitschreiben darauf hingewiesen, dass die Voraussetzungen für die Gewährung der Witwer- und Waisenpension gemäß §§ 258 und 260 ASVG nicht erfüllt seien. Die Gewährung einer von den Klägern gleichzeitig beantragten Abfindung gemäß § 269 ASVG sei erst nach Rechtskraft dieser Bescheide möglich. Wenn vom Erstkläger eine frühere Erledigung gewünscht werde, müsste er die beiliegende Erklärung abgeben, wonach er gegen die Ablehnungsbescheide keine Klage einbringen werde. Der Erstkläger unterfertigte in der Folge am die ihm von der beklagten Partei übersandte Erklärung, wonach er für sich und für seine Kinder (Zweit- bis Sechstkläger) keine Klage beim Sozialgericht einbringen werde.

Die beklagte Partei anerkannte daraufhin mit Bescheid vom jeweils den Anspruch der Kläger auf Abfindung nach der verstorbenen Ehegattin bzw Mutter und sprach aus, dass die Abfindung EUR 5.268,84 betrage und zur Hälfte dem Erstkläger und zu den restlichen gleichen Teilen den Zweit- bis Sechstklägern gebühre.

Gegen die Bescheide der beklagten Partei vom richtet sich die am zur Post gegebene - und hinsichtlich der derzeit noch minderjährigen Kläger (nunmehr) pflegschaftsgerichtlich genehmigte - Klage mit dem Begehren auf Gewährung der abgelehnten Leistung. Die Vorgangsweise der beklagten Partei sei gemeinschaftsrechtswidrig und verstoße insbesondere gegen Art 39 EGV.

Die beklagte Partei beantragte die Zurückweisung der Klage wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges, da der Erstkläger mit seiner Erklärung vom auf das Klagerecht gegen die Ablehnungsbescheide vom verzichtet habe, wodurch diese in Rechtskraft erwachsen seien. In der Folge sei von der beklagten Partei mit Bescheiden vom der Anspruch der Kläger auf Gewährung einer Abfindung anerkannt und der ermittelte Abfindungsbetrag überwiesen worden. Im Übrigen sei das Klagebegehren auch inhaltlich nicht berechtigt.

Das Erstgericht wies ein Klagebegehren auf Gewährung der Witwer- und Waisenpension ab zurück. Aus dem Pensionsakt ergebe sich, dass die am 29. (richtig: 25.) 10. 2003 verstorbene Versicherte Ulrike A***** in Österreich bei 36 neutralen Monaten insgesamt 30 Beitragsmonate und in Deutschland insgesamt 98 Versicherungsmonate, insgesamt somit 128 Versicherungsmonate, erworben habe. Selbst unter Annahme von Kindererziehungszeiten ab Jänner 1991 sei somit die Wartezeit nicht erfüllt, weshalb der Erstkläger in eigenem Namen und als damaliger gesetzlicher Vertreter aller übrigen Kläger am die Erklärung abgegeben habe, gegen die nunmehr bekämpften Bescheide vom keine Klage einbringen zu wollen. Die von den Klägern nunmehr erhobene Klage sei im Hinblick auf den schriftlich ausgesprochenen Rechtsmittelverzicht vom unzulässig. Durch den Verzicht auf die Klagsführung sei die Entscheidung der beklagten Partei im Pensionsverfahren rechtskräftig geworden und die nachträgliche Einbringung der Klage daher ausgeschlossen. Im Übrigen sei das Klagebegehren mangels Erfüllung der Wartezeit auch inhaltlich nicht berechtigt.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Kläger keine Folge und änderte den erstgerichtlichen Beschluss über Rekurs der beklagten Partei dahin ab, dass es ein Klagebegehren auf Gewährung einer Witwerpension (Erstkläger) und einer Waisenpension (Zweit- bis Sechstkläger) im gesetzlichen Ausmaß ab zurückwies. Die beklagte Partei habe keineswegs in sittenwidriger Weise die Auszahlung der Abfindung mit dem Verzicht auf die Erhebung der Klage gegen die Ablehnungsbescheide vom junktimiert, sondern die Kläger lediglich darauf hingewiesen, dass die Entscheidung über den Abfindungsanspruch eine rechtskräftige Entscheidung über die Hinterbliebenenpensionen voraussetze und daher erst nach Rechtskraft der Ablehnungsbescheide getroffen werden könne. Es wäre den Klägern freigestanden, die Verzichtserklärung nicht abzugeben und zur Klärung des Anspruches auf die nunmehr begehrten Hinterbliebenenpensionen den Klageweg zu beschreiten. Dass die Kläger von der beklagten Partei in irgendeiner Weise unter Druck gesetzt worden wären, die Verzichtserklärung abzugeben, werde von ihnen gar nicht behauptet. Im Zeitpunkt der Abgabe der Verzichtserklärung seien die Kläger bereits im Besitz der Ablehnungsbescheide gewesen, aus deren Begründung zweifelsfrei ersichtlich gewesen sei, dass die Ablehnung wegen Nichterfüllung der Wartezeit erfolgt sei. Die Verzichtserklärungen seien daher in Kenntnis des Bescheidinhaltes ausdrücklich und in Schriftform erfolgt, sodass jedenfalls von einem wirksamen Verzicht auszugehen sei. Die Zurückweisung der Klagen gegen die in Rechtskraft erwachsenen Ablehnungsbescheide vom sei daher zu Recht erfolgt. Im Übrigen liege auch der von den Klägern geltend gemachte Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht nicht vor. Die Klage enthalte zwar keinen Zeitpunkt, ab welchem die Pensionsgewährung begehrt werde. Es sei jedoch davon auszugehen, dass die Pensionsgewährung ab dem gesetzlichen Anfallsdatum () begehrt werde. Es sei daher in Stattgebung des Rekurses der beklagten Partei das Klagebegehren bereits für den Zeitraum ab , dem dem Eintritt des Versicherungsfalles folgenden Tag, zurückzuweisen.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs mangels erheblicher Rechtsfrage iSd § 528 Abs 1 ZPO nicht zulässig sei.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Kläger wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und dem Erstgericht die Einleitung des ordentlichen Verfahrens unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufzutragen.

Die beklagte Partei hat keine Revisionsrekursbeantwortung erstattet.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil zur rechtserheblichen Frage, ob der Versicherte im Verfahren in Sozialrechtssachen auf die Erhebung der Bescheidklage rechtswirksam verzichten kann, keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes vorliegt. Das Rechtsmittel ist in Ansehung der Dritt-, Viert-, Fünft- und Sechstklägerin im Sinne der beschlossenen Aufhebung auch berechtigt.

Die Rechtsmittelwerber machen im Wesentlichen geltend, der Verzicht auf die Klagsführung sei unzulässig, die Vorinstanzen hätten daher mit Urteil in der Sache selbst über das Klagebegehren entscheiden müssen. Im Übrigen hätten sie nicht beachtet, dass die Verzichtserklärung des Erstklägers nicht für seine großjährigen Kinder und ohne pflegschaftsgerichtliche Genehmigung auch nicht für seine minderjährigen Kinder gelten könne. In der Sache selbst machen die Rechtsmittelwerber wiederum geltend, dass der Verzicht auf die Klagsführung auch gegen Grundsätze des Gemeinschaftsrechtes verstoße.

Der erkennende Senat hat dazu folgendes erwogen:

Die Vorinstanzen haben das Klagebegehren mit der Begründung zurückgewiesen, dass der Erstkläger für sich und als damaliger gesetzlicher Vertreter seiner minderjährigen Kinder wirksam auf die Erhebung einer Klage gegen die Ablehnungsbescheide vom verzichtet habe. Die von Amts wegen zu prüfende Frage, ob der Versicherte im Verfahren in Sozialrechtssachen rechtswirksam auf die Erhebung der Bescheidklage verzichten kann, ist in der Lehre umstritten. Während vor Inkrafttreten des ASGG ein Teil der Lehre (vgl Hellbling, Das Verfahren im Sozialversicherungsrecht in Österreich II, ZAS 1971, 43f [44]) und die Rechtsprechung der Schiedsgerichte der Sozialversicherung (vgl SVSlg 26.221, 22.308, 14.977) diese Möglichkeit bejaht hat, leitet Kuderna (in ASGG² Anm 5 zu § 67) aus der Unzulässigkeit des pactum de non petendo sowie aus der mangelnden Schiedsfähigkeit der Sozialrechtssachen (§ 9 Abs 2 ASGG) das Gegenteil ab. Dieser Ansicht ist Fink (Die sukzessive Zuständigkeit im Verfahren in Sozialrechtssachen 305 ff) mit überzeugenden Argumenten entgegengetreten. So werde auch in sonstigen Bereichen der sukzessiven Zuständigkeit die Zulässigkeit des Verzichts auf die Anrufung der Gerichte vertreten (vgl SZ 55/133 - allerdings unter Berufung auf die privatrechtliche Natur des Entschädigungsanspruchs). Die fehlende Schiedsfähigkeit der Sozialrechtssachen gemäß § 9 Abs 2 ASGG trage lediglich dem Umstand Rechnung, dass unserer Rechtsordnung Schiedsverträge zur Verwirklichung öffentlich-rechtlicher Ansprüche fremd seien. Erkenntnisse über die Wirksamkeit des Klagsverzichts ließen sich aus § 9 Abs 2 ASGG jedenfalls nicht gewinnen. Auch der Umstand, dass auf die (materiellen) Leistungsansprüche aus der Sozialversicherung nur beschränkt verzichtet werden könne, bilde keinen tauglichen Einwand gegen die Möglichkeit des Klagsverzichts, zumal der Versicherte durch einen solchen Verzicht nicht auf den materiellen Anspruch, sondern nur auf dessen gerichtliche Durchsetzung verzichte. Die strukturellen Besonderheiten der Bescheidklage erforderten jedenfalls eine eigenständige, von der generellen (Un-)Zulässigkeit des Klagsverzichts differenzierte Beurteilung. Es mache eben einen Unterschied, ob jemand auf die gerichtliche Durchsetzung seiner Ansprüche generell (im Vorhinein) verzichte oder ob er einen solchen Verzicht erst unter dem Eindruck einer bereits vorliegenden behördlichen Entscheidung erkläre. Zumindest für die Bescheidklage gebe daher die funktionelle Ähnlichkeit zum Rechtsmittelverzicht den Ausschlag für die prozessuale Wirksamkeit des Klageverzichts. Dafür spreche auch die weitere Erwägung, dass es wenig sachgerecht wäre, den Versicherten daran zu hindern, durch die Verzichtserklärung jene verfahrensrechtliche Lage zu schaffen, die er auch durch Verstreichenlassen der Klagsfrist herbeiführen könnte. Ein Verzicht auf die Bescheidklage sei daher prozessual wirksam, wenn er nach Zustellung des betreffenden Bescheides erklärt werde. Ein solcher Verzicht stehe auch nicht im Widerspruch zu Art 6 Abs 1 EMRK. Gegenteiliges werde nur angenommen, wenn besondere Begleitumstände des Einzelfalls (wie etwa eine unter Zwang zustande gekommene Verzichtserklärung) der Wirksamkeit des Verzichts entgegenstünden (Fink aaO 305 ff mwN).

Auch Schrammel in Tomandl, SV-System 5. Erg-Lfg 158 verweist darauf, dass durch einen Verzicht auf die Erhebung der Klage der Anspruch auf die Gewährung einer Leistung nicht aufgegeben werde. Der Sozialversicherungsträger könne daher trotz Klagsverzicht seinen Leistungsbescheid berichtigen, wenn er die Leistung irrtümlich verweigert habe. Durch die Verzichtserklärung werde der Versicherte lediglich so gestellt, als hätte er die Frist zur Erhebung der Klage ungenützt verstreichen lassen, woran ihn niemand hindern könne. Ein Verzicht auf das Klagsrecht werde daher als zulässig anzusehen sein, wenn er nach bescheidmäßiger Erledigung durch den Sozialversicherungsträger diesem gegenüber erklärt werde. Diese Lösung entspreche auch dem Gedanken des § 63 Abs 4 AVG, obwohl die Klage keine Berufung iSd § 63 AVG sei (Schrammel aaO 158). Nach § 63 Abs 4 AVG ist eine Berufung gegen den Bescheid nicht mehr zulässig, wenn die Partei nach der Zustellung oder Verkündung des Bescheides ausdrücklich auf die Berufung verzichtet hat.

Der Oberste Gerichtshof, der die Frage der Wirksamkeit des Verzichtes auf die Klagsführung im Verfahren in Sozialrechtssachen in der Entscheidung SSV-NF 4/103 noch unbeantwortet lassen konnte, schließt sich den überzeugenden Ausführungen von Fink und Schrammel jeweils aaO an (in diesem Sinne auch Neumayr in Zellkomm § 67 ASGG Rz 2). Diese Auffassung entspricht auch der in Deutschland herrschenden Ansicht, wonach im sozialgerichtlichen Verfahren ein Verzicht auf die Klage möglich ist und ein solcher Verzicht nur dann unwirksam ist, wenn er vor Abschluss des Verwaltungsverfahrens ausgesprochen wird oder auf Druck der Verwaltung oder durch irreführende Angaben zustande gekommen ist (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG8 § 90 Rz 10 mwN).

Der erkennende Senat gelangt daher zu dem Ergebnis, dass der Erstkläger wirksam auf die Klage gegen den seinen Antrag auf Witwerpension ablehnenden Bescheid der beklagten Partei vom verzichtet hat und dieser Bescheid somit in Rechtskraft erwachsen ist. Die Vorinstanzen haben daher die Klage des Erstklägers zutreffend als unzulässig zurückgewiesen.

Zur Frage der Wirksamkeit des vom Erstkläger auch für seine Kinder (Zweit- bis Sechstkläger) erklärten Verzichtes auf die Klagsführung ist zunächst darauf hinzuweisen, dass nach § 357 Abs 1 ASVG für das Verfahren vor den Versicherungsträgern in Leistungssachen entsprechend unter anderem die nachstehenden Bestimmungen des AVG gelten: § 8 über Beteiligte und Parteien, § 9 über Rechts- und Handlungsfähigkeit, §§ 10 bis 12 über Vertreter. Nach § 9 AVG bestimmt sich die persönliche Rechts- und Handlungsfähigkeit im Verwaltungsrecht ganz allgemein nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechtes, wenn in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist. Derartige modifizierende Verwaltungsvorschriften bilden § 361 Abs 2 ASVG, wonach Minderjährige nach dem 14. Lebensjahr selbst berechtigt sind, Anträge auf Versicherungsleistungen zu stellen, und § 106 ASVG, dem zufolge mündige Minderjährige für Leistungen, die ihnen aufgrund ihrer eigenen Versicherung zustehen, selbst empfangsberechtigt sind. Diese Sondervorschriften über die Minderjährigen eingeräumten Befugnisse zur Antragstellung und Empfangnahme von Versicherungsleistungen sind in deren Interesse und zu deren Schutz eng auszulegen: Es darf daraus keine generelle Handlungsfähigkeit mündiger Minderjähriger in sozialversicherungsrechtlichen Verfahren abgeleitet werden, zumal das Risiko einer selbständigen, ohne Mitwirkung des gesetzlichen Vertreters stattfindenden Verfahrensführung durch Minderjährige in sozialversicherungsrechtlichen Angelegenheiten dem Rechtsprinzip des Minderjährigenschutzes (§ 21 Abs 1 ABGB) zuwiderlaufen würde. Da ein mündiger Minderjähriger gemäß § 151 Abs 2 ABGB ohne gesetzlichen Vertreter über vermögenswerte Ansprüche nicht disponieren kann, soweit dadurch die Befriedigung seiner Lebensbedürfnisse gefährdet werden kann, was bei sozialversicherungsrechtlichen Leistungsansprüchen regelmäßig anzunehmen ist, fehlt einem Minderjährigen diesbezüglich sowohl vor dem Versicherungsträger gemäß § 9 AVG als auch vor dem Sozialgericht die Prozessfähigkeit (Oberndorfer-Muzak in Tomandl, SV-System 19. Erg-Lfg 666; DRdA 1999/55, 459 [Binder] = SSV-NF 12/160 mwN).

Als Zwischenergebnis ist daher festzuhalten, dass nach den bisherigen Ausführungen der Erstkläger grundsätzlich auch für seine minderjährigen Kinder rechtswirksam auf eine Klagsführung gegen die den Antrag auf Waisenpensionen ablehnenden Bescheide der beklagten Partei vom verzichten konnte. Nach § 154 Abs 3 ABGB bedürfen allerdings die Erhebung einer Klage sowie alle verfahrensrechtlichen Verfügungen, die den Verfahrensgegenstand an sich betreffen (zB durch Anerkenntnis, Anspruchsverzicht, qualifizierte Klagsrücknahme, Vergleich [vgl Stabentheiner in Rummel, ABGB³ §§ 154, 154a Rz 15 mwN]), deren Gegenstand nicht in den ordentlichen Wirtschaftsbetrieb fällt, der Genehmigung des Pflegschaftsgerichtes. Auch der Rechtsmittelverzicht namens einer minderjährigen Prozesspartei bedarf der pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung (SZ 27/182, SZ 23/103). Der Mangel der pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung ist von Amts wegen wahrzunehmen (Dittrich/Tades, ABGB36 § 154 E 184 mwN).

Im vorliegenden Fall hätte daher der vom Erstkläger am auch im Namen seiner damals noch minderjährigen Kinder (Dritt- bis Sechstkläger) erklärte Verzicht auf die Klagsführung im Hinblick auf die Wirksamkeit des dieser Disposition zugrunde liegenden vermögenswerten Anspruches der Genehmigung durch das Pflegschaftsgericht bedurft. Eine solche Genehmigung oder auch die Versagung der Genehmigung liegt bisher unbestritten nicht vor. Bis zur gerichtlichen Genehmigung ist das genehmigungsbedürftige Rechtsgeschäft schwebend unwirksam; erst die Versagung der Genehmigung macht den Vertrag ungültig (Hopf in KBB² § 154 Rz 13 mwN). Nach Erreichung der Volljährigkeit gibt es keine nachträgliche Genehmigung durch das Pflegschaftsgericht, sondern nur mehr eine solche durch den Volljährigen (Stabentheiner in Rummel, ABGB³ §§ 154, 154a Rz 17c mwN). Ist das Rechtsgeschäft eines Minderjährigen schwebend unwirksam, weil - wie im vorliegenden Fall - die gerichtliche Genehmigung nach § 154 Abs 3 ABGB fehlt, so kann gemäß Abs 4 dieser Gesetzesstelle nach Erreichen der Volljährigkeit der volljährig Gewordene diesen Mangel durch nachträgliche Anerkennung seiner rechtsgeschäftlichen Verpflichtung heilen. Eine solche Erklärung bedarf der Schriftform.

Es wird daher das Erstgericht im fortzusetzenden Verfahren hinsichtlich der derzeit noch minderjährigen Viertklägerin und Sechstklägerin durch das zuständige Pflegschaftsgericht zu klären haben, ob der vom Erstkläger am auch im Namen seiner minderjährigen Kinder erklärte Verzicht auf die Klagsführung gegen die Bescheide der beklagten Partei vom pflegschaftsgerichtlich genehmigt wird. Weiters wird das Erstgericht die mittlerweile volljährig gewordenen Dritt- und Fünftkläger zu einer Klärung aufzufordern haben, ob sie den vom Erstkläger am auch in ihrem Namen erklärten Verzicht auf die Klagsführung gegen die Bescheide der beklagten Partei vom nunmehr als rechtswirksam anerkennen. Sollte die pflegschaftsgerichtliche Genehmigung nachträglich erteilt bzw der Verzicht auf die Klagsführung iSd § 154 Abs 4 ABGB als rechtswirksam anerkannt werden, wird die Klage insoweit als unzulässig zurückzuweisen sein. Sollte hingegen die pflegschaftsgerichtliche Genehmigung nicht nachträglich erteilt bzw der Verzicht auf die Klagsführung iSd § 154 Abs 4 ABGB nicht als rechtswirksam anerkannt werden, wäre der vom Erstkläger auch im Namen seiner damals noch minderjährigen Kinder erklärte Verzicht auf die Klagsführung gegen die Ablehnungsbescheide vom unwirksam. Eine Rechtskraft der Ablehnungsbescheide vom wäre insoweit entgegen der Rechtsansicht der Vorinstanzen nicht eingetreten und stünde daher einer klageweisen Geltendmachung des Anspruches auf Waisenpension im Wege der sukzessive Kompetenz vor dem Arbeits- und Sozialgericht nicht entgegen. Es wäre in diesem Fall auch von der Rechtzeitigkeit der vorliegenden - nach der Aktenlage am zur Post gegebenen - Klage auszugehen.

Der Erstkläger hat diese Verzichtserklärung vom ausdrücklich auch für den am geborenen und daher damals bereits eigenberechtigten Zweitkläger abgegeben. Nach § 10 Abs 1 AVG können sich die Beteiligten und ihre gesetzlichen Vertreter, sofern nicht ihr persönliches Erscheinen ausdrücklich gefordert wird, auch durch eigenberechtigte natürliche Personen vertreten lassen. Bevollmächtigte haben sich durch eine schriftliche, auf Namen oder Firma lautende Vollmacht auszuweisen. Nach § 10 Abs 4 AVG kann die Behörde von einer ausdrücklichen Vollmacht absehen, wenn es sich um die Vertretung durch amtsbekannte Familienmitglieder, Haushaltsangehörige, Angestellte oder durch amtsbekannte Funktionäre von beruflichen oder anderen Organisationen handelt und Zweifel über Bestand und Umfang der Vertretungsbefugnis nicht obwalten.

Im vorliegenden Fall ist der Erstkläger während des gesamten Verfahrens vor dem Sozialversicherungsträger auch nach Erlangung der Eigenberechtigung durch den Zweitkläger für diesen aufgetreten. Aus dem in erster Instanz verlesenen Pensionsakt ergibt sich weiters, dass der Erstkläger auf ein entsprechendes Ersuchen der beklagten Partei vom (vgl OZ 81) um Bekanntgabe, ob im Falle einer Zuerkennung der Waisenrente aus Deutschland der Bescheid und die Anweisung direkt an den Zweitkläger erfolgen soll, da er bereits das 18. Lebensjahr vollendet hat, nicht reagiert hat. Auch wenn daher die Vertretung des im Zeitpunkt der Verzichtserklärung vom bereits eigenberechtigten Zweitklägers durch den Erstkläger nicht mehr im Rahmen der gesetzlichen Vertretung erfolgte, konnte die beklagte Partei aufgrund des Auftretens des Erstklägers während des gesamten Verwaltungsverfahrens und mangels jeglicher in eine andere Richtung deutenden Erklärung des Zweitklägers nach Erlangung der Eigenberechtigung von einer gewillkürten Vertretung durch den Erstkläger auch ohne Vorliegen einer ausdrücklichen Vollmacht ausgehen (vgl VwGH, Zl 92/01/0722 vom ). Der erstmals im Revisionsrekurs erhobene Einwand, die Verzichtserklärung des Erstklägers könne nicht für großjährige Kinder gelten, wenn diese gar nicht mehr durch den Vater vertreten werden, stellt - sofern damit auch das Fehlen einer entsprechenden Vollmacht geltend gemacht wird - eine unzulässige Neuerung dar, auf die nicht weiter einzugehen ist.

Zusammenfassend ist daher von der Rechtswirksamkeit der vom Erstkläger abgegebenen Verzichtserklärung für ihn selbst und für den damals ebenfalls bereits eigenberechtigten Zweitkläger auszugehen, während es dazu hinsichtlich der derzeit noch minderjährigen Viertklägerin und Sechstklägerin der nachträglichen pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung und hinsichtlich der mittlerweile bereits volljährig gewordenen Dritt- und Fünftkläger einer entsprechenden Erklärung der Betroffenen nach § 154 Abs 4 ABGB bedarf. In diesem Sinne sind die Zurückweisungsbeschlüsse der Vorinstanzen in Ansehung des Erst- und Zweitklägers zu bestätigen, hinsichtlich der Dritt-, Viert-, Fünft- und Sechstkläger jedoch aufzuheben und dem Erstgericht insoweit die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufzutragen.

Die Kostenentscheidung gründet sich bezüglich des Erst- und Zweitklägers auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Berücksichtigungswürdige Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Erst- und Zweitklägers, die einen ausnahmsweisen Kostenzuspruch nach Billigkeit rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich und wurden nicht geltend gemacht. Hinsichtlich der Dritt-, Viert-, Fünft- und Sechstkläger bleibt die Kostenentscheidung der Entscheidung in der Hauptsache vorbehalten (§ 52 Abs 1 ZPO).