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OGH vom 22.07.2015, 15Os147/14b

OGH vom 22.07.2015, 15Os147/14b

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Leisser als Schriftführerin in der Strafsache gegen Helmut S***** wegen des Verbrechens des Mordes nach §§ 2, 15, 75 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerden und Berufungen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Wels als Geschworenengericht vom , GZ 25 Hv 60/14m 301, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Mag. Knibbe, des Privatbeteiligtenvertreters Mag. Waldl, des Angeklagten und seines Verteidigers Mag. Haumer, LL. M., zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden verworfen.

Der Berufung des Angeklagten wird nicht, hingegen jener der Staatsanwaltschaft Folge gegeben und über den Angeklagten eine Freiheitsstrafe von 20 Jahren verhängt.

Die Vorhaftanrechnung wird dem Landesgericht Wels überlassen.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde der Angeklagte Helmut S***** der Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB (1./) und des Mordes (durch Unterlassung) nach §§ 2, 15, 75 StGB (2./) schuldig erkannt.

Danach hat er in G***** Ingrid Sch*****

1./ in der Nacht zum mit Gewalt, indem er ihr einen Faustschlag gegen den linken Jochbogen und anschließend zumindest einen heftigen Stoß gegen die rechte Körperseite versetzte, wodurch sie zu Sturz kam und sich ein schweres Schädelhirntrauma zuzog, zur Duldung des Beischlafs genötigt;

2./ im Anschluss daran bis zu deren Auffindung am dadurch zu töten versucht, dass er es unterließ, ihr die zur Abwendung des Todes erforderliche und geeignete ärztliche Hilfe zukommen zu lassen, obwohl er dazu zufolge einer ihn treffenden besonderen Verpflichtung durch die Rechtsordnung, nämlich seines zu 1./ beschriebenen gefahrbegründenden Vorverhaltens verhalten war.

Die Geschworenen hatten die auf das Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 und Abs 2 fünfter Fall StGB gerichtete Hauptfrage I./ bejaht und Eventualfragen in Richtung des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB (I./) und des Verbrechens der Körperverletzung mit tödlichem Ausgang nach §§ 83 Abs 1, 86 StGB (II./) sowie des Vergehens der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 1 StGB (III./) unbeantwortet gelassen. Die nach dem Verbrechen des Mordes nach §§ 15, 75 StGB (durch Einschlagen mit einem „stark profilierten, starren Objekt mit einer Schlagfläche von mehr als 16 cm²“ gegen die linke Schädelseite mit der Folge eines den Tod nicht verursachenden Schädelbruchs) gestellte Hauptfrage II./ hatten die Geschworenen ebenso verneint wie dazu gestellte Eventualfragen nach dem Verbrechen der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 StGB (IV./) und nach dem Vergehen der schweren Körperverletzung nach den §§ 83 Abs 1, 84 Abs 1 und Abs 2 Z 1 StGB (V./), hingegen die zur Hauptfrage II./ gestellte Eventualfrage VI./ nach dem Verbrechen des Mordes (durch Unterlassung) nach §§ 2, 15, 75 StGB bejaht.

Der Angeklagte bekämpft diesen Schuldspruch, die Staatsanwaltschaft die Nichtannahme der Qualifikation nach § 201 Abs 2 fünfter Fall StGB mit auf die im Folgenden bezeichneten Nichtigkeitsgründe gestützten Nichtigkeits-beschwerden, welchen jedoch in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur keine Berechtigung zukommt.

Rechtliche Beurteilung

Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft (§ 345 Abs 1 Z 4, 11 lit a StPO):

Die Verfahrensrüge (Z 4) moniert ein „Abgehen“ des Schwurgerichtshofs vom Wahrspruch der Geschworenen in Betreff der Hauptfrage I./ durch Nichtannahme der Qualifikation nach § 201 Abs 2 fünfter Fall StGB (Schuldspruch 1./), bezeichnet damit aber keine in der Hauptverhandlung erfolgte Verletzung oder Missachtung einer Bestimmung, deren Einhaltung das Gesetz bei sonstiger Nichtigkeit anordnet und verfehlt solcherart die Anfechtungskategorie des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes.

Auch die Subsumtionsrüge (nominell Z 11 lit a, der Sache nach Z 12) wendet sich gegen die Nichtannahme der Qualifikation nach § 201 Abs 2 fünfter Fall StGB in Betreff des Schuldspruchs 1./. Dazu führt die Staatsanwaltschaft aus, dass stillschweigende Subsidiarität einer auf Verletzung oder Tod abstellenden Erfolgsqualifikation (hier jener nach § 201 Abs 2 fünfter Fall StGB) gegenüber auch bloß versuchtem Mord bei Identität des Angriffsobjekts nur im Fall eines einheitlichen Tatgeschehens anzunehmen sei. Ein solches liege aber hier nicht vor, weil der Vorsatz des Angeklagten zunächst auf Vergewaltigung gerichtet war und er erst danach den weiteren Vorsatz fasste, dem Opfer keine ärztliche Hilfe zukommen zu lassen, wobei er dessen Tod als Folge der Verletzung „in Kauf nahm und sich damit abfand“.

Eine schwere Verletzungsfolgen oder den Tod erfassende Erfolgsqualifikation tritt gegenüber einem vorsätzlichen Tötungsdelikt im Fall gleich hoher oder geringerer Strafdrohung aufgrund stillschweigender Subsidiarität zurück, womit Letzteres nur mit dem Grundtatbestand der erfolgsqualifizierten strafbaren Handlung konkurriert. Solcherart werden etwa bei einer mit Tötungsvorsatz erfolgten schweren Verletzung des Raubopfers infolge des in Rede stehenden Scheinkonkurrenztyps alle auf Verletzung oder Tod abstellenden Erfolgsqualifikationen des § 143 StGB von der zugleich begründeten rechtlichen Kategorie (= strafbaren Handlung) des Mordes verdrängt. Dass der Mord bloß versucht wurde, steht dem nicht entgegen. Denn der Umstand, dass die Begehung einer strafbaren Handlung beim Versuch geblieben ist, ändert nichts an deren Begründung (§ 260 Abs 1 Z 2 StPO;12 Os 119/06a, EvBl 2007/130, 700, verstärkter Senat), sodass auf den Erfolgseintritt (Tod) als Voraussetzung für Verdrängung auf Tod oder Verletzungsfolgen abstellender Qualifikationen (hier des § 201 Abs 2 fünfter Fall StGB) verzichtet werden kann (RIS Justiz RS0126577; Ratz in WK² Vor §§ 28 31 Rz 43, 51 mwN).

Der Scheinkonkurrenztyp der Subsidiarität umfasst gleichermaßen Fälle von scheinbarer Ideal wie Realkonkurrenz ( Burgstaller , JBl 1978, 398). „Einheitliches Tatgeschehen“ meint daher nicht bloß Fälle einer Tateinheit (Idealkonkurrenz), sondern auch was die Staatsanwaltschaft verkennt Fälle der Realkonkurrenz, bei welchen die zusammentreffenden Taten in einem engen sachlichen und zeitlichen Zusammenhang stehen. Ein solcher sachlicher Zusammenhang kann auch in der vorsätzlichen oder fahrlässigen Schaffung einer Gefahrensituation und der anschließenden vorsätzlichen Unterlassung der Abwendung des Todes liegen (vgl Burgstaller , JBl 1978, 402).

Ein enger zeitlicher Zusammenhang und eine Verknüpfung der Tatangriffe im Sinn der Ingerenz sind hier nach dem Wahrspruch der Geschworenen zur Eventualfrage VI./ vorgelegen. Die Nichtannahme (§ 260 Abs 1 Z 2 StPO) der Qualifikation nach § 201 Abs 2 fünfter Fall StGB zufolge stillschweigender Subsidiarität gegenüber dem Verbrechen des Mordes nach §§ 2, 15, 75 StGB entspricht daher dem Gesetz.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten (§ 345 Abs 1 Z 5, 6, 8, 9 und 10a StPO):

Die Verfahrensrüge (Z 5) richtet sich gegen die „Zurückweisung“ des in der Hauptverhandlung am gestellten Antrags (ON 281 S 4 iVm ON 240) auf Abstandnahme von der Beiziehung der im Ermittlungsverfahren von der Staatsanwaltschaft bestellten Sachverständigen aus dem Fachgebiet der Kriminaltechnik MMag. Dr. Friederike B*****, aus dem Fachgebiet der Psychiatrie und Neurologie Dr. Adelheid K*****, aus dem Fachgebiet der gerichtlichen Medizin ao Univ. Prof. Dr. Christian R*****, aus dem Fachgebiet der Radiologie Dr. Herbert W*****, aus dem Fachgebiet der Kriminalpsychologie Dr. Thomas M***** sowie aus dem Fachgebiet der Gerichtsmedizin (Molekularbiologie) Prim. Dr. Franz N***** im Hauptverfahren und von der Verlesung ihrer Gutachten, weil die Sachverständigen aufgrund ihrer Tätigkeit im Ermittlungsverfahren für die Staatsanwaltschaft befangen seien und ihre Beiziehung im Hauptverfahren als „Zeugen der Anklage“ den Grundsatz der Waffengleichheit (Art 6 Abs 3 lit d zweiter Fall MRK) verletzen würde.

Der Vorsitzende hatte einen vor der Hauptverhandlung mit Schriftsatz eingebrachten gleichlautenden Antrag (ON 240) bereits mit Beschluss vom „zurückgewiesen“, obwohl er indem er ihm nicht stattgab gemäß § 222 Abs 2 zweiter Satz StPO die Entscheidung einer erneuten Antragstellung in der Hauptverhandlung vorzubehalten gehabt hätte ( Danek/Mann , WK StPO § 221 Rz 23/3, § 222 Rz 1), sodass die Begründung der Ablehnung des in der Hauptverhandlung gestellten Antrags durch den Schwurgerichtshof („aufgrund entschiedener Sache“) verfehlt war. Ungeachtet dessen ist nach ständiger Rechtsprechung das Zwischenerkenntnis selbst oder dessen Unterlassung (und nicht die dafür gegebene oder unterlassene Begründung) Gegenstand der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs (RIS Justiz RS0121628, RS0116749). Ob also das Erstgericht eine inhaltliche Prüfung vorgenommen, den Antrag als prozessual verfehlt angesehen oder überhaupt nicht darüber entschieden hat, ist entgegen Wess/Rohregger , ZWF 2015, 116 für die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs ohne Bedeutung.

Ob durch die Abweisung oder Nichterledigung eines in der Hauptverhandlung gestellten Antrags Grundsätze des Verfahrens hintangesetzt wurden, prüft der Oberste Gerichtshof nur auf Grundlage des Antragsvorbringens. Eine Erweiterung der maßgeblichen Sachverhaltsgrundlage erst in der Nichtigkeitsbeschwerde ist verspätet und demnach unbeachtlich (RIS Justiz RS0099618, RS0099117). Der Antragsteller ist demnach verhalten, die Gründe, auf die er sich stützt, bereits im Antrag vollständig, deutlich und bestimmt zu bezeichnen. Auch ein Ablehnungsantrag muss die tatsächlichen Umstände, die geeignet sein sollen, die volle Unbefangenheit des Abgelehnten in Zweifel zu ziehen, genau angeben, während ohne Einzelfallbezug vorgetragene Pauschalbehauptungen nicht geeignet sind, diesen zu tragen (vgl RIS Justiz RS0097082; Lässig , WK StPO § 44 Rz 9).

Der gegenständlichen Prüfung durch den Obersten Gerichtshof ist das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs (VfGH) vom , AZ G 180/2014 ua, zugrunde zu legen, mit dem ausgesprochen wurde, dass die Wortfolge „Sachverständigen oder“ in § 126 Abs 4 dritter Satz StPO idF BGBl I 2004/19 verfassungswidrig war und die verfassungswidrige Wortfolge (auch) in den beim Obersten Gerichtshof anhängigen Rechtssachen somit auch in der vorliegenden Strafsache nicht mehr anzuwenden ist.

Zum zitierten Erkenntnis des VfGH wird angemerkt:

§ 126 Abs 4 letzter Satz StPO idF vor BGBl I 2014/71 lautete: „Im Hauptverfahren kann die Befangenheit eines Sachverständigen oder Dolmetschers nicht bloß mit der Begründung geltend gemacht werden, dass er bereits im Ermittlungsverfahren tätig gewesen ist.“

Der VfGH maß diesem Satz abweichend vom Verständnis des anfechtenden Senats des Obersten Gerichtshofs (11 Os 26/14d, 11 Os 86/14d, 11 Os 103/14b), wenngleich sich auf dieses berufend die Bedeutung zu, er verbiete „von vornherein und ausnahmslos“, „den vom Staatsanwalt im Ermittlungsverfahren beauftragten Experten im Fall von objektiven, gegen dessen völlige Neutralität sprechenden Anhaltspunkten iZm seiner konkreten Tätigkeit im Ermittlungsverfahren als befangen abzulehnen“ (Rz 40 des VfGH Erkenntnisses). Dies sei selbst dann der Fall, „wenn der Sachverständige vom Staatsanwalt mit der Durchführung von Ermittlungen allenfalls auch in Form eines Erkundungsbeweises (§ 103 Abs 2 iVm § 91 Abs 2 StPO) betraut war und sich die Anklage primär auf dessen Expertise stützt“ (Rz 39). Aus dieser Sicht verstoße die Norm gegen das in Art 6 Abs 3 lit d EMRK garantierte Gebot der Waffengleichheit. Dieses Ergebnis hat nach Meinung des VfGH „allerdings nicht den generellen Ausschluss eines Sachverständigen allein aus dem Grund, dass er bereits im Ermittlungsverfahren von der Staatsanwaltschaft beigezogen wurde, für die Bestellung in der Hauptverhandlung zur Folge, sondern führt vielmehr dazu, dass das Gericht im Rahmen einer Einzelfallprüfung eine allfällige Befangenheit anhand der Regelung des § 47 Abs 1 Z 3 iVm § 126 Abs 4 erster Satz StPO (Vorliegen von Gründen, die geeignet sind, die volle Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit des Sachverständigen in Zweifel zu ziehen) zu beurteilen hat“ (Rz 43).

Damit hat der VfGH ungeachtet der Aufhebung der Wortfolge „Sachverständigen oder“ in § 126 Abs 4 letzter Satz StPO idF BGBl I 2004/19 der in der Normanfechtung vertretenen These, die Beiziehung eines bereits im Ermittlungsverfahren im Auftrag der Staatsanwaltschaft tätig gewesenen Sachverständigen im Hauptverfahren verstoße jedenfalls gegen Art 6 Abs 3 lit d MRK, sodass bei dieser Konstellation eine (unabdingbare) „strukturelle“ Befangenheit gegeben sei, eine Absage erteilt.

Eine Auslegung der verbleibenden einfachgesetzlichen Normen ist Aufgabe der Rechtsprechung der ordentlichen Gerichte ohne Bindung an eine vom VfGH dazu geäußerte Meinung. Der erkennende Senat schließt sich in Einklang mit 13 Os 43/14v, 11 Os 51/15g und 14 Os 145/14a der Ansicht des VfGH (Rz 43) an, wonach auch auf Basis der durch die Normaufhebung veränderten Rechtslage der bloße Umstand, dass der Sachverständige im Auftrag der Staatsanwaltschaft im Ermittlungsverfahren tätig war, nicht dessen Befangenheit für das Hauptverfahren nach sich zieht.

Während 11 Os 51/15g unter Berufung auf Rz 39 des VfGH-Erkenntnisses davon ausging, dass auf Art 6 Abs 3 lit d MRK gegründete Befangenheit des Sachverständigen in Zusammenhang mit seiner Tätigkeit im Ermittlungsverfahren nur dann anzunehmen sei, wenn dieser (mit oder ohne Auftrag der Staatsanwaltschaft) Ermittlungen in Form eines Erkundungsbeweises durchgeführt und sich das erkennende Gericht (bei der Feststellung entscheidender Tatsachen) „primär“ auf sein Gutachten gestützt hätte, schließt sich der erkennende Senat der Meinung von 13 Os 43/14v an, dass mit der in Rz 39 des VfGH Erkenntnisses genannten Konstellation die Fälle auf Art 6 Abs 3 lit d MRK gegründeter Befangenheit im Zusammenhang mit der Tätigkeit im Ermittlungsverfahren nicht abschließend erfasst sind. Demnach können wie der VfGH in Rz 43 seines Erkenntnisses darlegt auch andere, von ihm nicht genannte und im Einzelfall zu beurteilende, aus der Tätigkeit des Sachverständigen im Auftrag der Staatsanwaltschaft im Ermittlungsverfahren resultierende Gründe iSd § 47 Abs 1 Z 3 StPO dessen aus Art 6 Abs 3 lit d MRK abgeleitete Befangenheit bewirken. So wird Befangenheit dieser Art etwa anzunehmen sein, wenn der Sachverständige im Rahmen seiner Tätigkeit ein besonderes Naheverhältnis zu Vertretern der auftraggebenden Staatsanwaltschaft entwickelt hat, das an seiner Unparteilichkeit zweifeln lässt (vgl RIS Justiz RS0045935).

Ein Antrag, einen im Ermittlungsverfahren über Auftrag der Staatsanwaltschaft tätig gewesenen Sachverständigen infolge daraus behaupteter Befangenheit nicht auch für die Hauptverhandlung zu bestellen, muss daher Anhaltspunkte aufzeigen, die im Zusammenhang mit der konkreten Tätigkeit dieses Sachverständigen im Ermittlungsverfahren gegen dessen Neutralität sprechen (13 Os 43/14v).

Im vorliegenden Fall entsprach der Ablehnungsantrag in Bezug auf die Sachverständigen MMag. Dr. B*****, Dr. K*****, Dr. W*****, Dr. M***** und Prim. Dr. N***** nicht diesen Kriterien, sondern erschöpfte sich ohne Bezugnahme auf konkrete Tätigkeiten im bloßen Hinweis auf die Beiziehung der genannten Sachverständigen durch die Staatsanwaltschaft im Ermittlungsverfahren, sodass er im Ergebnis zu Recht der Ablehnung verfiel. Entgegen der Äußerung der Verteidigung vom zur Stellungnahme der Generalprokuratur vom wurde mit dem „ausdrücklichen inhaltlichen Verweis auf die Ausführungen unter Punkt … 1.4.“ im Schriftsatz vom (ON 240) sprachlich unmissverständlich nur auf den diesbezüglich jedoch unmaßgeblichen Auftrag an den Sachverständigen ao Univ. Prof. Dr. R***** und dessen daran geknüpfte Tätigkeit, nicht aber auf konkrete, die anderen Sachverständigen betreffende Umstände Bezug genommen.

Die Behauptung, es widerspreche den Anforderungen an ein faires Verfahren, vom (anwaltlich vertretenen) Antragsteller zu verlangen, alle seiner Meinung nach eine Befangenheit des Sachverständigen begründenden tatsächlichen Umstände bereits bei Antragstellung zu bezeichnen, weil er zu diesem Zeitpunkt die (nach Vorliegen der Entscheidung des VfGH) vom Obersten Gerichtshof angewendeten (rechtlichen) Kriterien nicht vorhersehen habe können, übersieht, dass weder der Wortlaut des im Zeitpunkt der Antragstellung geltenden § 126 Abs 4 letzter Satz StPO (arg „bloß“), noch die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs bis dahin (vgl 12 Os 90/13x; RIS Justiz RS0097082) Anlass zur Annahme boten, die bloße Behauptung „struktureller“ Befangenheit sei ausreichend und die Nennung konkreter, die Tätigkeit des Sachverständigen im Ermittlungsverfahren betreffender Umstände nicht notwendig. Allfällige Spekulationen über eine durch den Ausgang eines (zum Antragszeitpunkt noch nicht einmal eingeleiteten) Gesetzesprüfungsverfahrens bewirkte Gesetzesänderung begründen keinen Anspruch auf Vertrauensschutz. Überdies waren andere Antragsteller in vergleichbaren Fällen (zB 12 Os 59/14i, 15 Os 52/14g), wie auch der Beschwerdeführer im gegenständlichen Fall betreffend den Sachverständigen ao Univ. Prof. Dr. R*****, durchaus imstande, konkrete ihrer Behauptung nach Befangenheit begründende Umstände im Zusammenhang mit der Tätigkeit im Ermittlungsverfahren zu bezeichnen.

Der erkennende Senat hatte daher nicht anders, als in allen Fällen der Zurückweisung der eine Antragsabweisung kritisierenden Verfahrensrüge (§ 345 Abs 1 Z 5 StPO) durch den Obersten Gerichtshof mit von jener des Erstgerichts abweichender Begründung (RIS Justiz RS0121628, RS0116749) nicht durch amtswegige Prüfung der Akten unter Berücksichtigung nicht geltend gemachter, sich aus dem Akt ergebender Argumente spekulativ darüber zu befinden, durch welche konkreten Umstände über die (bloß abstrakt kritisierte) Tätigkeit des Sachverständigen im Ermittlungsverfahren hinaus sich der Antragsteller allenfalls beschwert erachtet haben könnte.

Soweit der Beschwerdeführer im Übrigen in seiner Äußerung vom zur Stellungnahme der Generalprokuratur unter Bezugnahme auf das VfGH Erkenntnis erneut abstrakt und ohne Bezugnahme auf einzelfallbezogene Gründe eine generelle Befangenheit von Sachverständigen aufgrund ihrer Vortätigkeit im Auftrag der Staatsanwaltschaft im Ermittlungsverfahren behauptet, tritt er nur der vom VfGH (Rz 43) und der darauf aufbauenden Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs vertretenen Rechtsansicht entgegen, vermag aber dieser mit dem bloßen Hinweis auf die regelmäßige Entgeltlichkeit der Sachverständigentätigkeit nichts Taugliches entgegen zu setzen.

Betreffend den Sachverständigen ao Univ. Prof. Dr. R***** wurde die aus Sicht des Antragstellers Befangenheit begründende Tätigkeit im Ermittlungsverfahren fallbezogen dahin konkretisiert (ON 281 S 4 iVm ON 240), dass der Sachverständige zum einen ohne Befangenheit anzuzeigen ein sogenanntes Obergutachten (§ 127 Abs 3 StPO) erstattet habe, obwohl er ebenso wie die Vorgutachterin Univ. Prof. Dr. T***** Mitglied des Vorstands der österreichischen Gesellschaft für gerichtliche Medizin sei, weshalb er deren Gutachten nicht unbefangen überprüfen hätte können, zum anderen, dass der an ihn gerichtete Gutachtensauftrag der Staatsanwaltschaft § 55 StPO nicht entsprochen und er daher inhaltlich eine „Ermittlungstätigkeit“ vorgenommen habe.

Die bloße Zugehörigkeit zum (zwölfköpfigen, ON 240 S 13) Leitungsgremium einer fachspezifischen Interessenvereinigung (wie hier der österreichischen Gesellschaft für gerichtliche Medizin) stellt weder per se noch in Zusammenhang mit der Tätigkeit des Sachverständigen im Auftrag der Staatsanwaltschaft einen Grund dar, seine Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit bei Prüfung der Arbeit eines demselben Gremium angehörigen Vorgutachters auch nur dem Anschein nach (RIS Justiz RS0097054) in Frage zu stellen (vgl 13 Ns 21/86, 11 Ns 14/90). Demgemäß kann solches auch nicht aus dem Umstand abgeleitet werden, dass der Sachverständige diesbezüglich keine Befangenheitsanzeige erstattete.

Eine der Sache nach behauptete Erkundungsbeweisführung durch den Sachverständigen im Ermittlungsverfahren fand nicht statt. Diese läge nur vor, wenn nicht plausibel ist, dass das Beweismittel ungeachtet seines Beweiswerts zur Beweisführung hinsichtlich des Beweisthemas tauglich ist ( Ratz , WK StPO § 281 Rz 330; vgl RIS Justiz RS0118123).

Der Sachverständige ao Univ. Prof. Dr. R***** wurde in Hinblick auf das Vorliegen zweier einander widersprechender gerichtsmedizinischer Gutachten mit der Erstellung eines sogenannten Obergutachtens (§ 127 Abs 3 StPO) beauftragt (ON 191), wobei die Staatsanwaltschaft ihm konkrete Fragen stellte und ihn ermächtigte, über die vorliegenden medizinischen Unterlagen hinaus allenfalls notwendige weitere Krankenunterlagen des Opfers direkt beizuschaffen. Letzteres geschah nach der Aktenlage (nur) in der Form, dass der Sachverständige von der Radiologie des Krankenhauses G***** eine 3 D Rekonstruktion der Schädelbasis des Opfers beischaffte (ON 210 S 43). Somit zielte weder der Gutachtensauftrag der Staatsanwaltschaft auf Erkundungsbeweisführung ab, noch führte der Sachverständige jenseits dieses Auftrags Ermittlungen in Form eines Erkundungsbeweises durch.

Aus den im Ablehnungsantrag aufgezeigten Umständen der Tätigkeit des Sachverständigen im Ermittlungsverfahren kann daher im gegenständlichen Fall kein Schluss auf eine (aus Art 6 Abs 3 lit d MRK abgeleitete) Befangenheit für das Hauptverfahren gezogen werden; der Antrag verfiel daher auch in Bezug auf den Sachverständigen ao Univ. Prof. Dr. R***** im Ergebnis zu Recht der Ablehnung.

Auch der Fragenrüge (Z 6) kommt keine Berechtigung zu:

Zufolge (vom Nichtigkeitswerber ohnedies erkannten) Fehlens des Beschwer unbeachtlich ist die Kritik an der Hauptfrage I./ auch in Richtung § 201 Abs 2 fünfter Fall StGB.

Im Übrigen verkennt der Beschwerdeführer mit dem Einwand, es wäre argumento e contrario aus § 312 Abs 2 StPO zufolge des in Rede stehenden Scheinkonkurrenzverhältnisses zum Verbrechen des Mordes (§§ 2, 15, 75 StGB) die Hauptfrage I./ nur auf das Grunddelikt des § 201 Abs 1 (nicht aber auch auf die Erfolgsqualifikation nach Abs 2 fünfter Fall) StGB zu richten gewesen, dass § 312 Abs 2 StPO sich nur auf Idealkonkurrenz, nicht aber auch auf hier vorliegende (scheinbare) Realkonkurrenz bezieht (vgl Ratz , WK StPO § 345 Rz 38, 48, 64). Die Qualifikation nach § 201 Abs 2 fünfter Fall StGB wurde daher gesetzeskonform in die Hauptfrage I./ aufgenommen.

Aus diesen Erwägungen ist auch der weitere Beschwerdeeinwand unberechtigt, es wäre nach der Erfolgsqualifikation des § 201 Abs 2 fünfter Fall StGB (erst) für den Fall der Verneinung der auf das Verbrechen des Mordes (durch Unterlassung) gerichteten Hauptfrage II./ sowie Eventualfrage VI./ und der Bejahung der Hauptfrage I./ in Hinsicht auf das Grunddelikt des § 201 Abs 1 StGB eine uneigentliche Zusatzfrage (§ 316 StPO) zu stellen gewesen, weil dies nur für Fälle der Idealkonkurrenz zutrifft (vgl RIS Justiz RS0092159 [T2]).

Angemerkt wird, dass die Bezeichnung der auf das Verbrechen des Mordes nach §§ 2, 15, 75 StGB gerichteten Frage als Eventualfrage VI./ zur Hauptfrage II./ (nach dem Verbrechen des Mordes nach §§ 15, 75 StGB) zwar rechtlich verfehlt ist, dies aber ungerügt blieb, und der Angeklagte im Übrigen dadurch auch nicht benachteiligt wurde. Denn § 314 Abs 1 StPO erfasst als besondere, den Gegenstand von Eventualfragen darstellende Erscheinungsformen einer strafbaren Handlung nur jene der Entwicklungsstufe des Versuchs (§ 15 StGB) und der Beteiligungsformen nach § 12 zweiter oder dritter Fall StGB, nicht aber auch die Begehung einer strafbaren Handlung durch Unterlassung (§ 2 StGB), nach welcher sohin keine Eventualfrage zu richten ist (11 Os 4/96). Der vorliegend durch Ergänzung des Anklagepunkts II./ (betreffend das Verbrechen des Mordes nach §§ 15, 75 StGB; Hauptfrage II./) in Ansehung des gegenüber jenem des (versuchten) Mordes durch aktives Tun materiell subsidiären (vgl Hilf in WK² StGB § 2 Rz 28 mwN; Burgstaller , JBl 1978, 402) Verbrechens des Mordes durch Unterlassung (§§ 2, 15, 75 StGB) in der Hauptverhandlung modifizierten Anklage (ON 295 S 8) wäre vielmehr gesetzeskonform durch alternative Gegenüberstellung in der Hauptfrage II./ Rechnung zu tragen gewesen (vgl RIS Justiz RS0100737, RS0100744 [T1]; Schindler , WK StPO § 312 Rz 22 f mwN). Der in Rede stehenden stillschweigenden Subsidiarität wurde jedoch ohnehin durch die (bloß nominell verfehlte) Eventualfragestellung in materieller Hinsicht im Ergebnis entsprochen.

Mit der Reklamierung der Stellung einer Hauptfrage in Richtung des vollendeten Verbrechens des Mordes durch Unterlassung (§§ 2, 75 StGB) wird die Beschwerde nicht zum Vorteil des Angeklagten ausgeführt. Im Übrigen verkennt der Nichtigkeitswerber die Bindung der Hauptfrage an die (hier, wie erwähnt, auf das Verbrechen des versuchten Mordes durch Unterlassung gerichtete) Anklage (§ 312 Abs 1 StPO) in Betreff deren auch die Nichtannahme einer Quasikausalität (Unterlassungskausalität; dazu näher Hilft in WK² StGB § 2 Rz 53 ff) der inkriminierten Unterlassung für den Todeserfolg umfassenden - Sachverhaltssubstrats (vgl Schindler , WK StPO § 312 Rz 8 ff).

Die weitere Forderung der Stellung einer Eventualfrage nach dem Verbrechen des Mordes (§§ 15, 75 StGB) zu der zuvor reklamierten Hauptfrage ist schon im Hinblick auf den einmal mehr vernachlässigten Grundsatz der anklagekonformen Stellung von Hauptfragen (hier Hauptfrage II./ zum Anklagepunkt II./ wegen des Verbrechens des Mordes nach §§ 15, 75 StGB; § 312 Abs 1 StPO) verfehlt.

Die Beschwerdekritik, dass nur im Fall der Verneinung der Hauptfragen nach den Verbrechen der Vergewaltigung (I./) und des Mordes (II./) die auf „die bloßen Körperverletzungsdelikte gerichteten Eventualfragen“ zu beantworten gewesen wären, bleibt unverständlich, weil eben dies nach dem vom Nichtigkeitswerber vernachlässigten Fragenschema ohnedies erfolgt ist (ON 296 S 2 ff: Eventualfragen II./ und III./ zu Hauptfrage I./; Eventualfragen IV./ und V./ zu Hauptfrage II./).

Auch die Instruktionsrüge (Z 8) verfehlt ihr Ziel:

Die Reklamierung einer Unvollständigkeit der Rechtsbelehrung in Betreff des Verhältnisses stillschweigender Subsidiarität des von der Eventualfrage II./ erfassten Verbrechens nach §§ 83 Abs 1, 86 StGB gegenüber jenem von der Hauptfrage I./ erfassten Verbrechen nach § 201 Abs 1 und Abs 2 fünfter Fall StGB vernachlässigt, dass die Eventualfrage II./ unbeantwortet blieb (ON 296 S 2 f) und verfehlt mangels der solcherart erforderlichen Darlegung, inwiefern sich die behauptete Unvollständigkeit der Rechtsbelehrung auf die Beantwortung der Hauptfrage I./ ausgewirkt haben sollte, die gesetzmäßige Ausführung (RIS Justiz RS0110682 [T1]). Im Übrigen kommt was überdies auch für den weiteren Beschwerdeeinwand des Unterbleibens der Instruktion in Betreff stillschweigender Subsidiarität des der Eventualfrage VI./ zugrunde liegenden Verbrechens gegenüber jenem der Hauptfrage II./ zutrifft der Gedanke materieller Subsidiarität in der jeweiligen Instruktion der Beantwortung der Eventualfragen (II./; VI./) nur bei Verneinung der Hauptfragen (I./; II./) hinreichend zum Ausdruck (vgl ON 298 S 24 f mit Beziehung auf die Charakterisierung der jeweiligen Eventualfragen im Fragenschema ON 296).

Der weitere Beschwerdeeinwand eines Unterbleibens der Belehrung der Geschworenen über das Verhältnis stillschweigender Subsidiarität der Erfolgsqualifikation nach § 201 Abs 2 fünfter Fall StGB gegenüber dem Verbrechen des Mordes (§§ 2, 15, 75 StGB) trifft zwar zu, doch mangelt es der Beschwerde an der für jedes Rechtsmittel essentiellen Voraussetzung einer Beschwer des Rechtsmittelwerbers (vgl RIS Justiz RS0100952): Denn das rechtliche Ergebnis bei vollständiger Instruktion maßstabgerechter Geschworener in Betreff des in Rede stehenden Scheinkonkurrenzverhältnisses wäre das Unterbleiben des Bejahung der Hauptfrage I./ in Ansehung der darin enthaltenen Qualifikation nach § 201 Abs 2 fünfter Fall StGB (§ 330 Abs 2 StPO), was dem vorliegenden Schuldspruch 1./ (nur) wegen des Grunddelikts nach § 201 Abs 1 StGB völlig entspricht.

Auch die Wahrspruchsrüge (Z 9) ist unbegründet:

Einen Widerspruch des Wahrspruchs in Betreff der Hauptfrage I./ und der Eventualfrage VI./ zeigt die Beschwerde nicht auf. Denn mit dem Einwand, dass die Geschworenen mit Bejahung der Hauptfrage I./ die Herbeiführung des Todes des Opfers konstatierten, zugleich aber in Hinsicht auf die Eventualfrage VI./ dessen bloß versuchte Tötung feststellten, womit „der zuvor in der Hauptfrage I./ festgestellte Erfolg nicht eingetreten wäre“, verkennt der Beschwerdeführer, dass § 2 StGB für das vollendete unechte Unterlassungsdelikt neben dem Eintritt des Erfolgs unter anderem die Quasikausalität der Unterlassung für den konkreten Erfolgseintritt voraussetzt ( Burgstaller in WK² StGB § 6 Rz 62). Dafür kommt es darauf an, ob der Erfolg mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit weggedacht werden muss, wenn man die vom Täter pflichtwidrig unterlassene Handlung hinzudenkt (RIS Justiz RS0089436). Die Verneinung der somit nur bei kumulativer Verwirklichung der beiden genannten Bedingungen erfüllten Deliktsvollendung bedeutet daher nach den Kriterien logischen Denkens nicht die Negierung jeder der beiden Voraussetzungen. Der Wahrspruch der Geschworenen ist somit weder widersprüchlich noch undeutlich; ihm ist vielmehr unmissverständlich zu entnehmen, dass die im Sinn der obigen Ausführungen gesetzeskonform instruierten (ON 298 S 14) Geschworenen mit der Konstatierung einer bloß versuchten Tötung in Hinsicht auf die Eventualfrage VI./ eine Quasikausalität der Unterlassung der Hilfeleistung für den Erfolgseintritt verneint haben.

Auch der Beschwerdeeinwand einer Widersprüchlichkeit und Undeutlichkeit des Wahrspruchs in Ansehung der Verneinung der Hauptfrage II./ und der Bejahung der Eventualfrage VI./ insoweit, als die in Letzterer festgestellte Wortfolge: „seinem aus den zu Hauptfrage I./ und/oder Hauptfrage II./ genannten Tathandlungen resultierenden, gefahrbegründenden Vorverhalten“ eine Bejahung der Hauptfrage II./ impliziere, ist unbegründet. Denn der Wahrspruch der Geschworenen ist in seiner Gesamtheit zu verstehen (vgl RIS Justiz RS0101452, RS0101469). Demgemäß haben die Geschworenen in der nach Verneinung der Hauptfrage II./ beantworteten Eventualfrage VI./ im Sinn der darin auch alternativ gefassten Bezugnahme auf „Hauptfrage I./ und/oder Hauptfrage II./“ eine aus dem Sachverhaltssubstrat der zuvor verneinten Hauptfrage II./ resultierende Ingerenz ausgeschlossen.

Die Tatsachenrüge (Z 10a) greift ihrem Wesen nach erst dann, wenn aktenkundige Beweisergebnisse vorliegen, die nach allgemeiner menschlicher Erfahrung gravierende Bedenken gegen die Richtigkeit der im Wahrspruch der Geschworenen konstatierten Tatsachen aufkommen lassen. Eine über die Prüfung erheblicher Bedenken hinausgehende Auseinandersetzung mit der Überzeugungskraft von Beweisergebnissen wie sie die Berufung wegen Schuld des Einzelrichterverfahrens einräumt wird dadurch nicht eröffnet. Urteilsnichtigkeit nach § 345 Abs 1 Z 10a StPO ist daher gegeben, wenn die Laienrichter das ihnen nach § 258 Abs 2 zweiter Satz StPO gesetzlich zustehende Beweiswürdigungsermessen in geradezu unerträglicher Weise gebraucht haben und damit eine Fehlentscheidung bei der Beweiswürdigung qualifiziert nahe liegt (RIS Justiz RS0118780).

Die Nichtigkeitsbeschwerde vermag mit der Ableitung von für den Angeklagten günstigeren als von den Geschworenen gezogenen Schlüssen aus einzelnen Beweisergebnissen unter Vernachlässigung der Gesamtheit der Verfahrensergebnisse, etwa der Gutachten der Sachverständigen aus dem Fachgebiet der Kriminaltechnik MMag. Dr. Friederike B*****, aus dem Fachgebiet der gerichtlichen Medizin ao Univ. Prof. Dr. Christian R***** und aus dem Fachgebiet der Radiologie Dr. Herbert W***** auf der Aktengrundlage keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der im Wahrspruch der Geschworenen zur Hauptfrage I./ festgestellten entscheidenden Tatsachen hervorzurufen. Der Beschwerdeführer bekämpft solcherart vielmehr bloß die Beweiswürdigung der Geschworenen außerhalb der genannten Anfechtungskriterien nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren gesetzlich nicht vorgesehenen Schuldberufung.

Die somit unbegründeten Nichtigkeitsbeschwerden waren daher zu verwerfen.

Die Tatrichter verhängten über den Angeklagten eine Freiheitsstrafe von 18 Jahren. Dabei werteten sie das Zusammentreffen strafbarer Handlungen sowie die besondere Rücksichtslosigkeit des Angeklagten, indem er die Hilfeleistung für das Opfer über eine besonders lange Zeit von rund 40 Stunden unterlassen hat, erschwerend, mildernd hingegen die Unbescholtenheit (vgl jedoch RIS Justiz RS0091459) sowie den Umstand, dass es bei 2./ des Schuldspruchs beim Versuch geblieben ist.

Gegen den Sanktionsausspruch richten sich die Berufungen des Angeklagten, der eine Herabsetzung der Strafe begehrt, und der Staatsanwaltschaft, die deren Erhöhung anstrebt. Nur letzterer kommt Berechtigung zu.

Der Angeklagte ist zwar mit dem Vorbringen im Recht, dass die Tatrichter bei Schuldspruch II./ den Milderungsgrund nach § 34 Abs 1 Z 5 StGB unberücksichtigt ließen, weil diesbezüglich dem Angeklagten lediglich ein Unterlassen zur Last liegt. Dennoch war seiner Berufung nicht Folge zu geben.

Wie die Staatsanwaltschaft in ihrer Berufung ausführt, kommt dem vom Geschworenengericht angenommenen Milderungsgrund des Versuchs im vorliegenden Fall kein relevantes Gewicht zu. Dass der Angeklagte den Tod des Opfers zu verantworten hat, steht nach dem Wahrspruch der Geschworenen nämlich außer Zweifel. Selbst unter Berücksichtigung des bisher ordentlichen Lebenswandels sah sich der Oberste Gerichtshof zur Erhöhung der verhängten Freiheitsstrafe veranlasst. Die angeführten Milderungsgründe treten nämlich angesichts des gravierenden Handlungs und Erfolgsunrechts bei Zusammentreffen zweier Verbrechen entscheidend in den Hintergrund (§ 32 Abs 2 zweiter Satz StGB). Insbesondere war die beim Verbrechen der Vergewaltigung gezeigte besondere Brutalität (§ 32 Abs 3 StGB), welche letztlich schwerstmögliche Folgen nach sich zog, ausschlaggebend. Eine lebenslange Freiheitsstrafe war nicht zu verhängen, weil der Angeklagte die Taten nicht sorgfältig geplant oder reiflich überlegt hat (§ 32 Abs 3 StGB), jedoch entspricht eine Freiheitsstafe von 20 Jahren dem im vorliegenden Fall sehr hohen Tatunrecht und der Täterschuld.

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:2015:0150OS00147.14B.0722.000