OGH vom 25.06.2014, 9Ob32/14t

OGH vom 25.06.2014, 9Ob32/14t

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Kuras und Mag. Ziegelbauer, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Dehn und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Hargassner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M***** R*****, vertreten durch Dr. Werner Posch, Rechtsanwalt in Gloggnitz, gegen die beklagte Partei W***** Gesellschaft m.b.H; *****, vertreten durch Leeb Weinwurm Rechtsanwälte GmbH in Neunkirchen, wegen 2.400 EUR sA und Entfernung (5.000 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Berufungsgericht vom , GZ 18 R 130/13s 14, mit dem der Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Bezirksgerichts Neunkirchen vom , GZ 4 C 32/13s 10, nicht Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichts wie folgt zu lauten hat:

„Die beklagte Partei ist schuldig, binnen 14 Tagen die auf der Liegenschaft *****, aufgestellte Fertigteilgarage ***** abzuholen und der klagenden Partei den Betrag von 2.400 EUR samt 4% Zinsen seit zu bezahlen sowie die mit 4.213,53 EUR (darin 590,09 EUR USt und 673 EUR Barauslagen) bestimmten Prozesskosten zu ersetzen.“

Die beklagte Partei ist weiters schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 2.118,93 EUR (darin 180,49 EUR USt und 1.036 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens sowie die mit 2.106,44 EUR (darin 124,08 EUR USt und 1.362 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin bestellte bei der Beklagten am eine Fertigteilgarage des Typs ***** samt Garagentor (Sektionaltor) mit elektronischem Antrieb zu einem Gesamtkaufpreis von 13.214,40 EUR. Die seitliche Tür, das Garagentor und die Blenden wurden in der Farbe moosgrün in Auftrag gegeben. Am leistete die Klägerin eine Anzahlung von 2.400 EUR. Als Lieferdatum wurde zunächst Oktober/November 2012, nach Fertigstellung der Vorleistungen der Klägerin der vereinbart. An diesem Tag lieferte die Beklagte zwar die Garage samt Tür, aufgrund von Produktions- und Lieferschwierigkeiten ihres Zulieferers aber nicht das Garagentor. Nachdem die Beklagte auch den von ihr zugesagten Liefertermin in der 50. Kalenderwoche (10. bis ) nicht einhalten konnte, setzte die Klägerin am eine allerletzte Nachfrist bis „zur dann sofortigen Nutzung der Fertigteilgarage bei sonstiger Rückabwicklung des Gesamtvertrags samt Folgekosten“. Gleiches sollte für den Fall gelten, dass die Beklagte ein anderes als das vertragliche vereinbarte Garagentor montieren ließe. Am teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass nach Rücksprache mit der Torfirma das bestellte Garagentor fertig sei und am montiert werde. Am informierte die Beklagte die Klägerin davon, dass zwar das bestellte elektrisch betriebene Garagentor in der Farbe moosgrün am montiert werden könne, aber die beiden Seitenblenden und die Sturzblende aufgrund einer Produktumstellung ihres Lieferanten zunächst nur in der Farbe weiß geliefert werden könnten. Der kostenlose Austausch der Blenden erfolge voraussichtlich Mitte bis Ende Jänner 2013. Noch am selben Tag „bestätigte“ die Klägerin die Wirksamkeit der Vertragsaufhebung bzw erklärte diese vorsichtshalber nochmals. Die Beklagte erklärte sich dennoch lieferbereit. Ihr Angebot, für den Zeitraum bis zur Montage der moosgrünen Blenden einen Preisnachlass von 200 EUR zu gewähren, nahm die Klägerin nicht an.

Die Klägerin begehrt mit der vorliegenden Klage, die Beklagte zur Abholung der Fertigteilgarage binnen 3 Tagen und zur Rückzahlung der Anzahlung von 2.400 EUR zu verpflichten. Am habe sie unter Setzung einer Nachfrist die Auflösung des Vertrags erklärt. Die Beklagte sei innerhalb dieser Frist ihren vertraglichen Verpflichtungen nicht vollständig nachgekommen.

Die Beklagte bestritt, beantragte Klagsabweisung und wandte ein, dass der von der Klägerin erklärte Rücktritt vom Vertrag nicht wirksam sei. Innerhalb der von der Klägerin gesetzten nicht angemessenen Nachfrist hätte sie mit Ausnahme der Blenden in der vereinbarten Farbe sämtliche vertraglich vereinbarten Leistungen erbringen können. Zudem sei der Rücktritt wegen des kurzfristigen optischen Mangels schikanös erfolgt.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Der Rücktritt der Klägerin vom Vertrag sei zu Unrecht erfolgt, weil sie der Beklagten eine im Hinblick auf die ursprüngliche Lieferzeit von 3,5 Monaten nicht angemessene, zu kurze Nachfrist gesetzt habe. Zudem habe sich die Klägerin in Annahmeverzug befunden, weil sie aufgrund des kleinen, zeitlich begrenzten, optischen Mangels in der Farbgestaltung der Blenden nicht die gesamte Leistung verweigern hätte dürfen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge. Es teilte die Rechtsansicht des Erstgerichts zur Setzung einer nicht angemessenen Nachfrist durch die Klägerin. Ob die Klägerin die Blenden bis Mitte/Ende Jänner 2013 in der Farbe weiß akzeptieren hätte müssen, könne daher dahingestellt bleiben.

In ihrer dagegen gerichteten Revision beantragt die Klägerin aus den Revisionsgründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung die Abänderung des Berufungsurteils im Sinne einer Klagsstattgabe; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Rechtliche Beurteilung

Die Beklagte beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung , der Revision keine Folge zu geben.

Die Revision ist zulässig und berechtigt .

1. Nach § 918 Abs 1 ABGB kann der Gläubiger bei Schuldnerverzug entweder Erfüllung und Schadenersatz wegen der Verspätung begehren oder unter Festsetzung einer angemessenen Frist zur Nachholung den Rücktritt vom Vertrag erklären. Zwischen den Parteien ist unstrittig, dass die Klägerin in ihrer Erklärung vom unzweideutig zum Ausdruck gebracht hat, den Rücktritt vom Vertrag unter Setzung einer Nachfrist bis zu erklären (vgl RIS Justiz RS0018300; Binder/Reidinger in Schwimann , ABGB³ § 918 Rz 38; Gruber in Kletečka/Schauer , ABGB-ON 1.01 § 918 Rz 28).

2.1. Die Angemessenheit der Nachfrist ist aufgrund der Umstände des einzelnen Falls zu beurteilen. Hierbei ist auf die Interessen des Schuldners wie des Gläubigers Bedacht zu nehmen (RIS-Justiz RS0018458). Ein Rücktritt vom Vertrag, der unter Setzung einer zu kurzen Nachfrist gesetzt wurde, ist gleichwohl gültig; nur gilt eine angemessene längere Nachfrist an Stelle der gesetzten kürzeren (RIS-Justiz RS0018449; vgl RS0018439).

2.2. Die §§ 918 ff ABGB sind nachgiebiges Recht. Die Parteien können daher abweichende Vereinbarungen über die Setzung einer Nachfrist treffen (RIS Justiz RS0024012). Tritt ein Verbraucher ohne Nachfrist vom Vertrag zurück, so besteht für den Unternehmer als Schuldner die Obliegenheit, den Gläubiger auf die Notwendigkeit der Nachfristsetzung hinzuweisen (RIS-Justiz RS0018382).

2.3. Die Angemessenheit einer vereinbarten Nachfrist ist dann nicht zu prüfen, wenn der Schuldner selbst an eine zu kurz bemessene Frist gebunden ist, etwa wenn er ihr zugestimmt hat (RIS-Justiz RS0018387). Gleiches gilt auch dann, wenn wie hier der Schuldner die Vertragserfüllung innerhalb der ihm vom Gläubiger gesetzten Frist zugesagt hat.

3. Wenn die Beklagte meint, die Farbe der Blenden sei gar nicht von der Rücktrittserklärung der Klägerin umfasst gewesen, weil sich die von der Klägerin gesetzte Nachfrist nur auf die Lieferung und Montage des Garagentors sowie die sofortige Nutzung der Garage bezogen habe, lässt sie außer Betracht, dass die vereinbarte Leistung nach dem aus dem einheitlichen Vertrag erkennbaren Parteiwillen als unteilbar anzusehen ist (vgl RIS Justiz RS0018438; 3 Ob 328/99b; Binder/Reidinger in Schwimann , ABGB³ § 918 Rz 105). Gegenteiliges hat die Beklagte auch nicht behauptet. Damit war die Klägerin durch den Verzug der Beklagten auch mit bloß einem Leistungsteil zum Gesamtrücktritt berechtigt (2 Ob 301/05m; 7 Ob 298/04f ua; P. Bydlinski in KBB 4 § 918 ABGB Rz 18). Dass der Klägerin, hätte sie die bloß teilweise Vertragserfüllung angenommen, die sofortige Nutzung der Garage möglich gewesen wäre, mag durchaus sein. Dies ist aber beim Rücktrittsrecht des Gläubigers nach § 918 Abs 1 ABGB nicht entscheidend. Annahmeverzug des Gläubigers (§ 1419 ABGB) liegt (erst) dann vor, wenn der Gläubiger die vom Schuldner zur rechten Zeit, am gehörigen Ort und auf die bedungene Weise angebotene Leistung nicht annimmt (RIS-Justiz RS0033379). Annahmeverzug liegt hingegen nicht vor, wenn die Leistung nicht die ausdrücklich bedungenen hier die richtige Farbe der Blenden Eigenschaften hat (7 Ob 2356/96p). Die Frage, ob Verzug nach § 918 ABGB auch dann vorliegt, wenn die vom Schuldner erbrachte Leistung mit bloß geringfügigen Mängeln behaftet ist (vgl P. Bydlinski in KBB 4 § 918 ABGB Rz 6; RIS-Justiz RS0120610), bedarf daher keiner näheren Erörterung.

4. Letztlich ist auch der Schikaneeinwand der dafür beweispflichtigen Beklagten (RIS-Justiz RS0026205) nicht berechtigt. Schikane liegt zwar nicht nur dann vor, wenn die Schädigungsabsicht den einzigen Grund der Rechtsausübung bildet, sondern auch dann, wenn zwischen den vom Handelnden verfolgten eigenen Interessen und den beeinträchtigten Interessen des anderen ein ganz krasses Missverhältnis besteht (RIS-Justiz RS0026265). Davon kann hier aber keine Rede sein. Die Klägerin hat ihr gesetzliches Rücktrittsrecht nach § 918 ABGB ausgeübt, weil die Beklagte trotz mehrmaliger ihr von der Klägerin gewährter Fristverlängerungen ihren vertraglichen Verpflichtungen nicht rechtzeitig und nicht vollständig nachgekommen ist.

5. Der Revision der Klägerin war daher Folge zu geben und die klagsabweisenden Entscheidungen der Vorinstanzen im klagsstattgebenden Sinn abzuändern. Da für die Entfernung der Fertigteilgarage vom Grundstück der Klägerin eine Frist von 3 Tagen zu kurz erscheint, war die nach den Verhältnissen der Beklagten angemessen erscheinende Leistungsfrist für diese Handlung von Amts wegen (10 Ob 70/07b) mit 14 Tagen festzusetzen (§ 409 Abs 2 ZPO).

6. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:2014:0090OB00032.14T.0625.000