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OGH vom 08.10.2008, 9Ob30/08i

OGH vom 08.10.2008, 9Ob30/08i

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling, Dr. Hradil, Dr. Hopf und Dr. Kuras in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Johannes B*****,

2. Maria B*****, ebenda, beide vertreten durch Dr. Frank Riel, Dr. Wolfgang Grohmann, Dr. Josef Cudlin, Rechtsanwälte in Krems/Donau, gegen die beklagte Partei Karin N*****, vertreten durch Dr. Peter Zöchbauer, Rechtsanwalt in St. Pölten, wegen Feststellung (Streitwert 4.360 EUR), über die Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Berufungsgericht vom , GZ 21 R 268/07f-20, mit dem infolge Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Bezirksgerichts Tulln vom , GZ 11 C 580/06a-14, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagenden Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der beklagten Partei die mit 490,40 EUR (darin enthalten 81,73 EUR an USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

Text

Begründung:

Die Kläger sind je zur Hälfte Eigentümer von Grundstücken (ua Grundstück Nr 23), die an Grundstücke der Beklagten (ua Grundstück Nr 25) angrenzen. Zwischen dem Gebäude der Kläger und dem derzeit unbebauten Grundstück der Beklagten befindet sich eine betonierte „Reiche", eine Betonrinne, die dem Abfluss des Wassers dient. Die Rinne diente jedenfalls schon seit den 60er Jahren, als die baulichen Gegebenheiten teilweise noch anders waren (Innenhof), zur Ableitung des Wassers von den Dächern der beiden benachbarten Gebäude. Im Jahr 1997 fand im straßenseitigen Bereich der Grundstücke eine Vermessung statt. Dabei wurde unter anderem auch der Grenzpunkt 1596 in der Mitte der Rinne zwischen den Grundstücken 23 und 25 verhandelt. Sowohl die Zweitklägerin als auch der Rechtsvorgänger der Beklagten unterschrieben anlässlich dieser Grenzverhandlungen eine Zustimmungserklärung hinsichtlich des Grenzpunkts 1596, der schließlich auch in einen Veränderunsgshinweis Eingang fand. Im Zuge eines Bauvorhabens beauftragte die Beklagte die Vermessung der Liegenschaft durch einen Ingenieurkonsulenten für Vermessungswesen. Im Rahmen der am durchgeführten Grenzverhandlung, an welcher der Erstkläger und die Beklagte teilnahmen, wurde die Rinne abgegangen und wurden die Vermessungsdaten in der Natur aufgenommen. Letztlich wurde die Grenze einvernehmlich in der Mitte der Rinne festgelegt, wobei der genannte Veränderunsgshinweis neben den Angaben der Parteien eine Grundlage war. Die das Ergebnis der Grenzverhandlung bildenden Grenzpunkte in der Mitte der Rinne wurden vom Geometer mit Farbmarkierungen versehen sowie in einer Handskizze festgehalten. Sämtliche Anwesenden unterfertigten eine Zustimmungserklärung, mit der sie der in der Handskizze angezeichneten Grenze zustimmten. Die Bedeutung dieses Vorgangs wurde den anwesenden Personen zuvor vom Geometer erklärt. Die Zustimmungserklärung wurde nachträglich auch durch die bei der Grenzverhandlung nicht anwesende Zweitklägerin unterfertigt. Am wurde den Parteien vom Geometer ein auf den Ergebnissen der Grenzverhandlung basierender Plan übergeben, wonach die Grenze in der Mitte der Rinne verläuft. Eine Aufnahme in den Grenzkataster unterblieb bisher.

Erst im Zuge eines Bauvorhabens der Beklagten, bei dem diese bis an die in der Grenzverhandlung vom ermittelte Grenze in der Mitte der Rinne zu bauen beabsichtigte, fochten die Kläger die Zustimmungserklärung im März 2006 wegen gemeinsamen Irrtums an und forderten die Beklagte auf, das alleinige Eigentum der Kläger an der Rinne anzuerkennen.

Die Kläger begehren mit ihrer Klage, die Zustimmungserklärung wegen Irrtums aufzuheben und die Grenze am südlichen Rand der zur Gänze auf dem Grundstück der Kläger liegenden Rinne festzusetzen. Seit den 50er Jahren seien die Rechtsvorgänger der Kläger Eigentümer des Innenhofs, der später durch Verbauung eingeschränkt worden sei und der jetzt nur mehr in Form einer schmalen Rinne bestehe, gewesen. Daher sei das Eigentum an der Rinne durch derivativen Erwerb auf die Kläger übergegangen. Bei Unterzeichnung der anders lautenden Zustimmungserklärung haben sich die Kläger gemeinsam mit der Beklagten in einem Irrtum befunden.

Die Beklagte wendete dagegen ein, die Grenze habe sich seit jeher, wie vom Geometer ausgemessen, in der Mitte der Rinne befunden. Dies sei von den Klägern ausdrücklich anerkannt worden.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es folgerte rechtlich, dass ein gemeinsamer Irrtum nicht ersichtlich sei, da sich die Beklagten bei der Unterzeichnung der Zustimmungserklärung nicht im Irrtum befunden haben. Die Kläger machten vielmehr einen Erklärungsirrtum geltend, der aber weder von der Beklagten veranlasst sei, noch ihr habe auffallen müssen. Auch sei eine rechtzeitige Aufklärung des Irrtums nicht erfolgt, da die Beklagte bereits wirtschaftliche Verfügungen im Vertrauen auf die Erklärung getroffen habe. Auch eine Ersitzung der Rinne durch die Kläger sei nicht erfolgt, da die Kläger (bzw deren Rechtsvorgänger) nicht im Alleinbesitz der Rinne gewesen seien, sondern diese auch durch die Rechtsvorgänger der Beklagten benutzt worden sei.

Das Berufungsgericht gab der dagegen erhobenen Berufung der Kläger nicht Folge. Nach § 854 ABGB stehe die Rinne im Miteigentum der Rechtsvorgänger der Streitteile. Diese habe eindeutig eine Vertiefung in der Mitte, wo der Geometer die Grundgrenze angenommen habe. Dies spreche ebenso gegen das reklamierte Alleineigentum der Kläger wie die unbekämpfte Feststellung, dass die Streitteile im Jahr 1997 im Zuge der Grenzverhandlung, bei der der Grenzpunkt 1596 in der Mitte der Rinne als Abgrenzung zum öffentlichen Gut verhandelt worden sei, eine Zustimmungserklärung hinsichtlich dieses Grenzpunkts unterschrieben haben. Dadurch sei keine Widerlegung der Vermutung des § 854 ABGB, sondern allenfalls eine Realteilung erfolgt. Wenn auch die Grenze nicht im eigentlichen Sinn strittig gewesen sei, so sei sie doch jedenfalls unklar bzw regelungsbedürftig gewesen. Die Zustimmungserklärung sei daher als Vergleich im Sinn des § 1380 ABGB anzusehen. Die Anfechtung richte sich nach §§ 1385 ff ABGB. Relevant sei danach nur ein Irrtum über die Vergleichsgrundlage, also über wesentliche Umstände, die die Vergleichschließenden als feststehend angenommen haben. Der Nachweis eines solchen Irrtums sei den Klägern nicht gelungen. Die ordentliche Revision erachtete das Berufungsgericht schließlich über Zulassungsbeschwerde der Revisionswerber nach § 508 ZPO für zulässig, da die Entscheidung des Berufungsgerichts als eine Abweichung zu der im Zulassungsantrag zitierten Entscheidung des Obersten Gerichtshofs 1 Ob 24/05v gesehen werden könnte und allgemein kaum höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Bestimmung des § 854 ABGB vorliege.

Dagegen richtet sich die Revision der Kläger mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahingehend abzuändern, dass dem Klagebegehren stattgegeben werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen; in eventu das Urteil des Berufungsgerichts zu bestätigen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Kläger ist ungeachtet des - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden - Ausspruchs des Berufungsgerichts mangels Darstellung einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.

Im Wesentlichen releviert die Revision Fragen zur Abgrenzung der Grundstücke unter Anwendung von § 854 ABGB sowie eines allfälligen Eigentumserwerbs an der Rinne durch die Kläger bzw die Beklagte vor der wegen gemeinsamen Irrtums angefochtenen Zustimmungserklärung im Jahre 2005. In diesem Zusammenhang machen die Kläger auch einen Verfahrensmangel geltend.

Dies ist jedoch ohne Relevanz, weil das Berufungsgericht primär davon ausgegangen ist, dass die Grenze im Rahmen der vergleichsweisen Bereinigung 2005 einvernehmlich in der Mitte der Rinne festgelegt wurde (vgl dazu, dass die §§ 850 ff ABGB keine Anwendung finden, wenn eine einverständliche Grenzfestsetzung erfolgte RIS-Justiz RS0015852). Diese Zustimmung ist Gegenstand der in der Klage wegen gemeinsamen Irrtums geltend gemachten Anfechtung. Im Übrigen kann entgegen den Ausführungen der Revision den Feststellungen des Erstgerichts nicht entnommen werden, dass die nunmehr maßgebliche Betonrinne erst nach den Zubauten entstanden wäre; vielmehr war sie bereits damals vorhanden und wurde für beide Gebäude zur Ableitung des Regenwassers benutzt.

Zur Anfechtung der Zustimmungserklärung zur einvernehmlichen Festlegung der Grenze auch für den Grenzkataster ist festzuhalten, dass der Oberste Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung die Ansicht vertritt, dass es sich bei einvernehmlicher Festlegung der Grenze, wenn alle Eigentümer der an das umzuwandelnde Grundstück angrenzenden Grundstücke entsprechende Zustimmungserklärungen abgegeben haben, um einen außergerichtlichen Vergleich nach § 1380 ABGB handelt (RS0013881 mwN etwa 1 Ob 24/05v). Regelmäßig sollen mit dem Verlangen - wie hier der Beklagten - auf Vermessung Streitigkeiten über den Grenzverlauf bereinigt werden (1 Ob 193/98h - ebenfalls zu einem Bauvorhaben, 1 Ob 24/05v). In der Rechtsansicht der Vorinstanzen, dass hier ein außergerichtlicher Vergleich vorlag, kann somit keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung gesehen werden.

Da der Vergleich dem Zweck dient, strittige oder zweifelhafte Rechte einverständlich neu festzulegen (§ 1380 ABGB) und damit die Strittigkeit oder Zweifelhaftigkeit zu beseitigen, kann er nicht angefochten werden, wenn ein Partner beim Abschluss über den wahren Sachverhalt geirrt hat (vgl § 1387 ABGB), verlöre doch sonst der Vergleich seinen Sinn (vgl 1 Ob 193/98h mwN). Ein außergerichtlicher Vergleich ist lediglich in den Grenzen des § 1385 ABGB anfechtbar, wenn also ein Irrtum über die Vergleichsgrundlage, also über wesentliche Umstände, welche die den Vergleich schließenden Parteien als feststehend angenommen haben, vorliegt (Ertl in Rummel ABGB3 § 1385 Rz 1; Heidinger in Schwimann ABGB3 § 1385 Rz 5 und 9; Neumayr in KBB2, § 1385 Rz 3). Worin dieser nun gelegen sein sollte, ist nicht nachvollziehbar. Die Kläger haben sich darauf gestützt, dass der gemeinsame Irrtum darin gelegen wäre, dass die handskizzierte Grenze die „tatsächliche" Grenze gewesen wäre. Die Grenze wurde jedoch nicht nur handskizziert, sondern auch in der Natur genau dort markiert und auch abgegangen, wo sie sich nunmehr durch die einvernehmliche Festlegung befindet. Ein Abweichen der skizzierten von der tatsächlichen Grenze ist nicht ersichtlich.

Von der von den Revisionswerbern angeführten Entscheidung des Obersten Gerichtshofs zu 1 Ob 24/05v unterscheidet sich der hier zu beurteilende Fall schon dadurch, dass damals durch offensichtliche Irrtümer bei der Übertragung von Vermessungsdaten ein Fehler für die dann maßgebliche Vermessung ausschlaggebend war und von den Parteien der Grenzziehung zugrundegelegt wurde, während hier ein solcher vermessungstechnischer Fehler nicht festgestellt wurde. Daher muss nicht weiter darauf eingegangen werden, ob im Allgemeinen überhaupt eine Anfechtung wegen gemeinsamen Irrtums zulässig ist (vgl kritisch etwa Rummel in Rummel ABGB3 § 871 Rz 18; Apathy/Riedler in Schwimann ABGB3 § 871 Rz 28; Bollenberger in KBB2, § 871 Rz 17 jeweils mwN). Da sich die Rechtsansicht des Berufungsgerichts zur Zustimmungserklärung somit im Rahmen der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs hält, ist keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO zu lösen und die Revision daher als unzulässig zurückzuweisen (§ 510 Abs 3 Schlusssatz ZPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO, weil die Revisionsgegnerin zutreffend auf die Unzulässigkeit der zugelassenen Revision hingewiesen hat (RIS-Justiz RS0035962).