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OGH vom 20.03.1997, 12Os136/96

OGH vom 20.03.1997, 12Os136/96

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr.Rzeszut als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schindler, Dr.Mayrhofer, Dr.E.Adamovic und Dr.Holzweber als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag.Holzmannhofer als Schriftführer, in der Strafsache gegen Leopold G***** wegen der Vergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 und Abs 2 lit a FinStrG über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Finanzstrafbehörde erster Instanz gegen das Urteil des Landesgerichtes Korneuburg als Schöffengericht vom , GZ 13 Vr 549/95-11, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr.Raunig, der Vertreterin des Finanzamtes Mistelbach als Finanzstrafbehörde erster Instanz, Mag.Schweinberger, des Angeklagten Leopold G***** und des Verteidigers Dr.Neid zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Beiden Berufungen wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Leopold G***** der Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 und Abs 2 lit a FinStrG schuldig erkannt (1 und 2).

Darnach hat er in Münichsthal und Wolkersdorf

1. unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Offenlegungs- und Wahrheitspflicht, indem er unrichtige Abgabenerklärungen für die Jahre 1989 bis 1991 abgab,

zu Steuernummer 861/3858 eine Verkürzung an

Umsatzsteuer 1989 um 1,711.977 S,

Umsatzsteuer 1990 um 2,145.504 S,

Körperschaftssteuer 1991 um 399.450 S,

Gewerbesteuer 1991 um 238.543 S;

zu Steuernummer 860/0945 eine Verkürzung an

Umsatzsteuer 1991 um 11.841 S,

Einkommensteuer 1991 um 22.242 S,

Gewerbesteuer 1991 um 636 S

bewirkt und

2. unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von dem § 21 des Umsatzsteuergesetzes 1972 entsprechenden Voranmeldungen

zu Steuernummer 861/3858 eine Verkürzung an

Umsatzsteuer für 1992 um 1,145.191 S

und für 1993 um 935.455 S

bewirkt und dies nicht nur für möglich, sondern für gewiß gehalten.

Rechtliche Beurteilung

Dieses Urteil wird vom Angeklagten mit einer auf die Nichtigkeitsgründe der Z 5, 9 lit a und 9 lit b des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde bekämpft, die sich jedoch in keinem Punkt als begründet erweist.

Entgegen der Mängelrüge (Z 5) hat das Erstgericht insbesondere mit den Hinweisen auf das angenommene Bestreben des Angeklagten, die jeweilige Entsprechung seiner Abgabepflicht möglichst lange hinauszuschieben und sie überhaupt von der Einbringlichkeit der anfallenden Forderungen gegenüber seinen Kunden abhängig zu machen (US 4 und 5), deutlich genug dargelegt, daß es das Tatverhalten des Angeklagten in bezug auf Umsatzsteuerverkürzungen keineswegs schon im Unterlassen entsprechender Steuerleistungen nach dem Anfallen bloßer Teilrechnungen erblickte und demnach auch unter dem im Urteil verwendeten Begriff der Fälligkeit nach Baufortschritt der für die Entstehung der Steuerschuld maßgebliche Zeitpunkt im Sinne der hier aktuellen Bestimmung des § 19 Abs 2 Z 1 lit a UStG (in der zur Tatzeit geltenden Fassung) zu verstehen ist.

Es versagt aber auch die Rechtsrüge (Z 9 lit a), in deren Ausführung der Angeklagte zunächst behauptet, daß ihm zu Unrecht eine verspätete Abgabenmeldung bzw Abgabenentrichtung zur Last gelegt worden sei.

Nach der erwähnten Bestimmung des § 19 Abs 2 Z 1 lit a UStG 1972 (in der damals geltenden Fassung) entstand die Steuerschuld mit Ablauf des Kalendermonats, in dem die Lieferungen oder sonstigen Leistungen ausgeführt worden sind (Sollbesteuerung); dieser Zeitpunkt verschob sich um einen Kalendermonat, wenn die Rechnungsausstellung erst nach Ablauf des Kalendermonats erfolgte, in dem die Lieferung oder sonstige Leistung erbracht worden ist. Werklieferungen in der Bauwirtschaft - wie hier - waren darnach erfüllt, wenn der Auftraggeber das Werk durch schlüssiges Verhalten (etwa durch Benützung) abgenommen hat (vgl hiezu Kolacny/Mayer Umsatzsteuergesetz 1972 Anm 17 zu § 19 = S 476 f). Dagegen kam dem Zeitpunkt der Rechnungsausstellung für die Frage nach dem Zeitpunkt der Lieferung oder Leistungsausführung - abgesehen von der erwähnten Verschiebung des Zeitpunktes der Entstehung der Steuerschuld um einen Kalendermonat für den Fall, daß die Rechnungslegung erst nach Ablauf des Kalendermonats der Leistungserbringung erfolgte - keine Bedeutung zu.

Die an diesen rechtlichen Beurteilungskriterien orientierten maßgeblichen Urteilskonstatierungen hat das Erstgericht mit denklogisch nachvollziehbarer Begründung aus den als zutreffend gewerteten finanzbehördlichen Erhebungen unter Berücksichtigung auch der Ergebnisse der Schlußbesprechung nach vorgenommener Steuerprüfung sowie der Aussagen der Zeugen H***** (Betriebsprüfer des Finanzamtes Mistelbach, S 34 ff) und Dkfm.F***** (Steuerberater des Angeklagten, S 54 ff) und der Einlassung des Angeklagten abgeleitet. Wenn der Beschwerdeführer demgegenüber die ihm angelastete Verspätung bei der Entsprechung seiner steuerlichen Verpflichtungen mit der Berufung auf Nachbesserungen und sonstige Verzögerungen bei Bauausführungen bestreitet, negiert er diese Feststellungen und bringt damit seine Rechtsrüge insofern nicht zur gesetzmäßigen Darstellung. Dies gilt nicht nur für einen Fall behaupteter Privatentnahmen sondern auch für das ihm im Zusammenhang mit der Ausführung eines Großauftrages der Gemeinde Wien angelastete Tatverhalten. Entgegen der diesbezüglich nicht aktenkonformen Beschwerdeargumentation erfolgte nämlich nach dem bezughabenden Beleg der Magistratsabteilung 11-B die Abnahme dieser Leistungen bereits am (vgl S 174 des - grauen - Arbeitsbogens Bp AB Nr 29/94), weshalb die - tatsächlich erst im Rahmen der Selbstanzeige vom offengelegte - entsprechende Umsatzsteuer spätestens mit der betreffenden Umsatzsteuervoranmeldung, hier sohin mit dem , abzuführen gewesen wäre (vgl hiezu auch S 9). Für die Annahme eines späteren als des vom Erstgericht angenommenen Fälligkeitstermins bietet die Aktenlage keine Anhaltspunkte.

Nichts anderes gilt auch für den - zudem unter dem geltend gemachten materiellen Nichtigkeitsgrund unzulässigerweise die erstrichterliche Beweiswürdigung kritisierenden - Beschwerdeeinwand, daß die Umdatierung einer Rechnung für das Bauvorhaben "Bautech, Friedlgasse" (vgl hiezu S 175 des - grauen - Arbeitsbogens Bp AB Nr 29/94) lediglich im Zuge einer - nicht den erforderlichen subjektiven Tatbestandskriterien unterfallenden - Panikreaktion auf Erklärungen des Steuerprüfers erfolgt wäre.

Soweit der Beschwerdeführer mit der Behauptung, "nach bestem Wissen und Gewissen" gehandelt zu haben, zu den ihm angelasteten Verkürzungshandlungen jeweils die subjektive Tatbestandsverwirklichung in Abrede zu stellen sucht, übergeht er die gegenteiligen Urteilsannahmen (US 6). Somit verfehlt die Rechtsrüge auch in diesem Zusammenhang eine prozeßordnungsgemäße Ausführung.

Der Beschwerde (Z 9 lit b) zuwider kommt dem Angeklagten aber auch der Strafaufhebungsgrund der Selbstanzeige gemäß § 29 FinStrG nicht zugute.

Aufgrund der am beim Finanzamt Mistelbach bezüglich der Umsatzsteuererklärung für 1991 erstatteten Selbstanzeige des Angeklagten (Seite 13 des Abschnittes für 1995 aus dem bezughabenden Finanzstrafakt, Straflisten-Nr 34/84), erließ dieses Finanzamt am einen Prüfungs- und Nachschauauftrag für das Unternehmen des Angeklagten betreffend die Jahre 1989 bis 1992 (S 2 des - grauen - Arbeitsbogens Nr 29/94). Die betreffende Prüfung begann am (US 4 und 5 iVm S 1 und 1 verso dieses Arbeitsbogens sowie S 1 des weißen Arbeitsbogens Nr 31/94).

Erst am , somit während des Laufes der erwähnten Steuerprüfung, brachte der Angeklagte beim Finanzamt Mistelbach neuerlich eine Selbstanzeige ein, in der er ausführte, bei Erstellung des Jahresabschlusses 1992 auf einen rechnungsmäßigen Irrtum gestoßen zu sein; man habe nämlich vergessen, eine Faktura an den Magistrat der Stadt Wien in der Höhe von 9,034.604 S netto der Umsatzsteuer für 1992 zu unterziehen (S 8 des Teils für 1995 aus dem erwähnten Strafakt des Finanzamtes Mistelbach). Diese Selbstanzeige bezog sich somit auf den bereits erwähnten Auftrag des Magistrats der Stadt Wien, in dessen Rahmen die Abnahme durch die Magistratsabteilung 11-B am erfolgt war (S 174 des grauen Arbeitsbogens Nr 29/94). Diese Selbstanzeige erfolgte nicht rechtzeitig.

Denn nach der hier aktuellen Bestimmung des § 29 Abs 3 lit c FinStrG tritt Straffreiheit dann nicht ein, wenn bei einem vorsätzlich begangenen Finanzvergehen die Selbstanzeige anläßlich einer finanzbehördlichen Nachschau, Beschau, Abfertigung und Prüfung von Büchern oder Aufzeichnungen nicht schon bei Beginn der Amtshandlung erstattet wird. Als Beginn der Amtshandlung gilt die Aufforderung zur Vorlage der erforderlichen Bücher und Aufzeichnungen, auch wenn die Prüfung selbst in diesem Zeitpunkt etwa mangels sofortiger Zugänglichkeit der betreffenden Unterlagen noch nicht möglich war. Maßgeblich ist demnach nicht der Zeitpunkt des Beginns der tatsächlichen Ausführung der Prüfungstätigkeit, sondern der (auch für den betroffenen Steuerpflichtigen erkennbare) Prüfungsbeginn in der eben dargelegten Bedeutung, der mit Angabe von Datum und Uhrzeit genau zu protokollieren ist (vgl Sommergruber/Reger Finanzstrafgesetz mit Kommentar S 198 und Finanzstrafgesetz mit Rechtsprechung E 4 S 241). Im vorliegenden Fall wurde als Prüfungsbeginn ausdrücklich der festgehalten, wogegen die in Rede stehende Selbstanzeige erst am erstattet worden ist (vgl hiezu neuerlich US 4 und 5).

Demnach ist für den Angeklagten auch aus dem Umstand nichts zu gewinnen, daß die Prüfung den angezeigten Sachverhalt tatsächlich nicht sogleich, sondern erst in einem späteren Abschnitt zum Gegenstand hatte und die entsprechenden Unterlagen dem Prüfer auch nicht sofort zur Verfügung standen. Davon abgesehen wurde die gegenständliche Selbstanzeige nach den Angaben des Prüfers Paul H***** erst eingebracht, als er bereits die benötigten Unterlagen angefordert hatte (S 35), weshalb das (der Sache nach insoweit einen Feststellungsmangel reklamierende) Beschwerdevorbringen auch in dieser Hinsicht versagt. Zudem übergeht die Beschwerde, daß die in Rede stehende Selbstanzeige den schuldspruchsgegenständlichen Sachverhalt keineswegs zur Gänze offenlegte.

Fehl geht schließlich auch die Bezugnahme auf eine fachliterarische Publikation zur Frage der Selbstanzeige, befaßt sich diese mit dem relevierten Strafaufhebungsgrund doch ausschließlich unter dem hier nicht aktuellen Gesichtspunkt der lit b des § 29 Abs 3 FinStrG.

Es zeigt sich sohin, daß das Erstgericht der erwähnten Selbstanzeige des Beschwerdeführers rechtsrichtig keine strafbefreiende Wirkung zuerkannt hat.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Schöffengericht verhängte über Leopold G***** nach §§ 21, 33 Abs 5 FinStrG eine Geldstrafe von 1,5 Millionen Schilling (im Uneinbringlichkeitsfall zwei Monate Ersatzfreiheitsstrafe), die es gemäß § 26 Abs 1 FinStrG, § 43 Abs 1 StGB für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachsah.

Dabei wertete es das "formelle Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen" als erschwerend, mildernd hingegen den ordentlichen Lebenswandel, den - in zwei nicht strafaufhebend wirkenden Selbstanzeigen gelegenen - "äußerst wesentlichen" Beitrag zur Wahrheitsfindung, (zusätzlich) daß "er objektiv geständig war" und nunmehr frei von Steuerschulden ist.

Gegen diesen Strafausspruch richten sich die Berufungen des Angeklagten und des Finanzamtes Mistelbach. Mit ersterer wird die Herabsetzung der Geldstrafe angestrebt; letztere ist auf die Ausschaltung der bedingten Strafnachsicht gerichtet.

Beide Rechtsmittel sind nicht berechtigt.

Im Hinblick auf die exzeptionelle Fallgestaltung - der Angeklagte war als Unternehmer in einer mit außerordentlichen Problemen kämpfenden Branche bei der Abwicklung eines Großauftrages mit langfristigen Außenständen konfrontiert, weist bisher einen - auch in finanzstrafrechtlicher Hinsicht - ordentlichen Lebenwandel auf und bekannte seine Verfehlungen (wenn auch verspätet) letztlich offen ein - bedarf es des Vollzuges (auch nur eines Teiles) der Geldstrafe hier ausnahmsweise weder aus spezial- noch auch generalpräventiven Gründen.

Da das Schöffengericht ohnedies auch die in der Berufung des Angeklagten angeführten Besonderheiten des Falles mitberücksichtigt hat, bestand schließlich zur Herabsetzung der - in der Höhe von nur einem Neuntel der Strafobergrenze festgesetzten - Geldstrafe gleichfalls kein Anlaß.

Die Kostenentscheidung ist in der bezogenen Gesetzesstelle begründet.