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VfGH vom 11.03.1994, B1297/93

VfGH vom 11.03.1994, B1297/93

Sammlungsnummer

13724

Leitsatz

Verletzung im Eigentumsrecht durch Nichtberücksichtigung von Zinsen für aufgenommene Fremdmittel bei Ermittlung der Einkommensteuer für Einkünfte aus einem Spekulationsgeschäft

Spruch

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Finanzen) ist verpflichtet, dem Beschwerdeführer zuhanden seines Vertreters die mit 15.000 S bestimmten Kosten des Verfahrens binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. Der Beschwerdeführer hat 1989 die Hälfte eines Mietwohnhauses erworben und noch im selben Jahr drei Wohnungen als Eigentumswohnungen derart weiterveräußert, daß ihm der Erlös teils 1989, teils 1990 zufloß. Davon wurde für 1989 ein Spekulationsgewinn von 167.112 S, für 1990 ein solcher von 19.305 S der Einkommensteuer unterworfen. Neben dem Kaufpreis, der Grunderwerbsteuer, der Eintragungs- und der Vermittlungsgebühr sowie den Vertragskosten als Anschaffungskosten wurden zwar auch Werbungskosten von 41.571 S für 1989 in Abzug gebracht. Geltend gemachte Zinsen für die nach den Behauptungen der Beschwerde aufgenommenen Fremdmittel wurden aber nicht berücksichtigt.

Dazu führt der angefochtene Berufungsbescheid nach Wiedergabe der Definition des Spekulationsgewinnes in § 30 Abs 4 EStG 1988 folgendes aus:

"Unter den Begriff der Anschaffungskosten fallen alle Aufwendungen, die der Steuerpflichtige für den Erwerb des Wirtschaftsgutes getätigt hat. Geldbeschaffungskosten und Schuldzinsen gehören nicht zu den (nachträglichen) Anschaffungskosten eines Wirtschaftsgutes (Hinweis auf Hofstätter-Reichel, Die Einkommensteuer, Tz 22 zu § 30 EStG 1988).

Nach § 16 Abs 1 EStG 1988 sind Werbungskosten die Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung von Einnahmen. Dazu zählt Z. 1 leg.cit. auch Schuldzinsen, soweit sie mit einer Einkunftsart in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen.

Der Werbungskostenbegriff des § 16 EStG setzt eine laufende Nutzung von Wirtschaftsgütern zur Erzielung von Einnahmen voraus. Beim Spekulationsgeschäft werden die Einkünfte aber nicht durch die Nutzung des Wirtschaftsgutes, sondern durch dessen Veräußerung erzielt. Daher kommen Aufwendungen für die laufende Nutzung des Wirtschaftsgutes als Werbungskosten hier nicht in Betracht. Als Werbungskosten können nur solche Aufwendungen berücksichtigt werden, die unmittelbar durch das Veräußerungsgeschäft verursacht wurden (Hofstätter-Reichel, aaO, Tz 26 zu § 30 EStG 1988). Kosten, die ihre unmittelbare Ursache nicht im Veräußerungsgeschäft, sondern in dem zwecks Grundstücksanschaffung abgeschlossenen Finanzierungsgeschäft haben, sind nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 30 Abs 4 EStG 1972 bei Ermittlung des Spekulationsgewinnes nicht abzugsfähig (Erk. vom , Zl. 1006/76). Diese Rechtsansicht des VwGH ist nach Ansicht des Senates auch im Geltungsbereich des EStG 1988 zu beachten, da der im § 30 leg.cit. definierte Tatbestand der Spekulationseinkünfte gegenüber dem EStG 1972 keine grundsätzliche Änderung erfahren hat."

Insbesondere hält der Bescheid den Ausführungen der Berufung folgendes entgegen:

"Nach der von Beiser, ÖStZ 1992, 170 ff vertretenen Auffassung wären Schuldzinsen 'subsidiäre' Werbungskosten bei den Spekulationseinkünften, wenn sie nicht schon (im Falle einer vorangegangenen Nutzung des fremdfinanzierten Wirtschaftsgutes zur Erzielung von Einkünften) bei einer anderen Einkunftsart abgezogen wurden. Dieser Ansicht vermochte sich der Senat nicht anzuschließen. Die Qualifizierung von Aufwendungen als nach § 30 EStG abzugsfähige Werbungskosten kann nicht davon abhängen, ob das betreffende Wirtschaftsgut nach dem Erwerb zunächst zur Einkunftserzielung (zB Vermietung) verwendet oder ohne vorangegangene Nutzung veräußert worden ist. Der Spekulationstatbestand des § 30 EStG erfaßt den 'Gewinn' aus der Veräußerung eines Wirtschaftsgutes des Privatvermögens unabhängig von der vorangegangenen Nutzung. Nach Auffassung des Senates können Fremdkapitalzinsen nicht deshalb bei der Ermittlung von Spekulationseinkünften abgezogen werden, weil sie (mangels entsprechender Nutzung des Wirtschaftsgutes) nicht schon bei einer anderen Einkunftsart zu Werbungskosten geführt haben. Andererseits müssen im Falle einer vorangegangenen Vermietung die dem Veräußerungserlös gegenüberzustellenden Anschaffungskosten auch nicht um die bisher abgezogene AfA gekürzt werden ( Zl. 555/69).

Die aus der Fremdfinanzierung des Anschaffungsvorganges resultierenden Zinsen sind Entgelt für die Kapitalüberlassung. Zu Werbungskosten (gemäß § 16 Abs 1 Z. 1 EStG) führen sie dann, wenn durch die laufende Nutzung (etwa Vermietung) des fremdfinanzierten Wirtschaftsgutes Einkünfte erzielt werden. Der Werbungskostencharakter von Schuldzinsen ist zeitraumbezogen zu beurteilen; wird etwa die Vermietung eingestellt, so ist für die auf Zeiträume nach Wegfall der Einkunftsquelle entfallenden Zinsen der Abzug als Werbungskosten ausgeschlossen (vgl. Zl 2818/77). Bei der (zeitpunktbezogenen) Ermittlung des Gewinnes aus der Veräußerung eines Wirtschaftsgutes stellen Schuldzinsen hingegen keine abzugsfähigen 'Veräußerungskosten' (wie etwa Inserate oder Vermittlungsgebühren) dar. Der (zeitpunktbezogene) Veräußerungstatbestand schließt die Berücksichtigung von (zeitraumbezogenen) Schuldzinsen als Werbungskosten nach Ansicht des Senates aus."

Bei Ermittlung der Spekulationseinkünfte sei das Zufluß-Abflußprinzip (§19 EStG) zu beachten. Negative Einkünfte aus dem Spekulationsgeschäft hätten sich im vorliegenden Fall auch bei Abzug der Schuldzinsen nicht ergeben.

Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende Beschwerde, in der die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums und hilfsweise eine Rechtsverletzung durch Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes gerügt wird. Da Zinsen bei allen anderen Einkunftsarten Betriebsausgaben oder Werbungskosten darstellten, gebiete der Gleichheitssatz deren Berücksichtigung auch beim Spekulationsgeschäft. Der nicht im Sinne des § 203 Abs 2 HGB auszulegende, sondern betriebswirtschaftlich zu verstehende Begriff der Anschaffungskosten meine alle Kosten, die mit der Anschaffung des Objektes zusammenhängen, daher auch die Fremdkapitalzinsen, die nur in der betrieblichen Kostenrechnung als Gemeinkosten verrechnet würden (im privaten Bereich aber gesondert zu berücksichtigen seien). Andernfalls müßten sie Werbungskosten darstellen, weil es sachlich nicht gerechtfertigt wäre, jemandem, der unter Berücksichtigung der Zinsen durch ein Geschäft vielleicht sogar einen Verlust erleide, noch Einkommensteuer vorzuschreiben. Nicht die Veräußerung selbst, sondern bloß die Einkünfte aus dem Spekulationsgeschäft würden besteuert, und die Differenzrechnung sei Teil des Steuertatbestandes.

Die belangte Behörde bekräftigt in der Gegenschrift ihren Standpunkt und führt insbesondere noch aus:

"... Einkünfte im Sinne des § 30 EStG werden - naturgemäß - im Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung des Wirtschaftsgutes nicht bezogen (sie entstehen vielmehr erst auf Grund der späteren Veräußerung). Das bloße Halten von (fremdfinanzierten) Wirtschaftsgütern im Privatvermögen reicht aber keinesfalls schon aus, den anfallenden - grundsätzlich den Aufwendungen der Privatsphäre zuzuordnenden - Schuldzinsen Werbungskostencharakter zuzuerkennen. Zum Zeitpunkt der Anschaffung bzw. der Kreditaufnahme steht die Absicht des Steuerpflichtigen, das erworbene Wirtschaftsgut - innerhalb eines Zeitraumes von bis zu 15 Jahren - wieder zu verkaufen, in einer Vielzahl von Fällen zudem noch gar nicht fest (auch der Beschwerdeführer hat die erworbenen Wohnungen nach seinen Angaben


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vgl. das Protokoll über die mündliche Berufungsverhandlung Bl. II/36, 37 - ursprünglich nicht weiterverkaufen, sondern für seine Kinder bereithalten wollen). Wann der Entschluß zum Weiterverkauf des Wirtschaftsgutes gefaßt wird, ist im allgemeinen (für Dritte) nicht erkennbar. Gerade weil eine 'Spekulationsabsicht' in der Regel nicht erweisbar ist, hat ja der Gesetzgeber die Steuerpflicht von 'Spekulationsgeschäften' nicht an eine solche Absicht des Steuerpflichtigen, sondern an objektiv feststellbare Umstände (Fristen zwischen Anschaffung und Veräußerung) geknüpft. Ausgaben (Schuldzinsen), die zum Zeitpunkt ihres Anfallens keine Werbungskosten sind, weil sie zu diesem Zeitpunkt in keinem erkennbaren Zusammenhang mit Einkünften stehen, kann aber - beim späteren Abschluß eines (nach § 30 EStG steuerpflichtigen) Veräußerungsgeschäftes - nicht rückwirkend der Charakter von Werbungskosten zuerkannt werden. 'Vorweggenommene' Werbungskosten
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welche voraussetzen, daß (schon zum Zeitpunkt ihres Anfallens) die ernsthafte Absicht zur (späteren) Einkünfteerzielung klar erwiesen ist (vgl. die vom Beschwerdeführer zitierte Kommentarstelle bei Doralt, aaO, Tz 16 zu § 16) - liegen hier nicht vor. Bemerkt wird, daß ein Abzug von Werbungskosten in einem anderen als dem Jahr der Bezahlung vom VwGH in seiner jüngsten Rechtsprechung abgelehnt wurde (Erk. vom , Zl. 90/14/0213; Hinweis auch auf Zl. 90/13/0212)."

II. Die Beschwerde ist begründet. Der angefochtene Bescheid unterstellt dem Gesetz fälschlich einen gleichheitswidrigen Inhalt und verletzt den Beschwerdeführer daher im Recht auf Unversehrtheit des Eigentums.

1. Zunächst ist festzuhalten, daß der Verwaltungsgerichtshof nach Einbringung der vorliegenden Beschwerde in seinem Erkenntnis vom , Z 93/14/0124, den zum EStG 1972 vertretenen Standpunkt, daß die spätere Rückzahlung von Darlehen keinen Anschaffungsaufwand mehr herbeiführe, für das EStG 1988 verlassen hat.

§ 30 Abs 4 EStG 1988 lautet:

"Als Einkünfte sind der Unterschiedsbetrag zwischen dem Veräußerungserlös einerseits und den Anschaffungskosten und den Werbungskosten andererseits anzusetzen. Im Falle der Veräußerung eines angeschafften Gebäudes sind die Anschaffungskosten um Instandsetzungsaufwendungen und Herstellungsaufwendungen zu erhöhen und um die in § 28 Abs 6 genannten steuerfreien Beträge zu vermindern. Wird unbebauter Grund und Boden veräußert, so vermindern sich die Einkünfte nach Ablauf von fünf Jahren seit seiner Anschaffung um jährlich 10%. Die Einkünfte aus Spekulationsgeschäften bleiben steuerfrei, wenn die gesamten aus Spekulationsgeschäften erzielten Einkünfte im Kalenderjahr höchstens 6 000 S betragen. Führen die Spekulationsgeschäfte in einem Kalenderjahr insgesamt zu einem Verlust, so ist dieser nicht ausgleichsfähig (§2 Abs 2)."

Der Verwaltungsgerichtshof führt im genannten Erkenntnis dazu folgendes aus:

"Nach der Kommentierung von Hofstätter-Reichel, § 30 EStG 1988 Tz 19, stellt diese Vorschrift eine Verbesserung für den Steuerpflichtigen gegenüber der Rechtslage im EStG 1972 dar, nach der wohl neben den Anschaffungsaufwendungen ein eventueller nach der Anschaffung verausgabter Herstellungsaufwand, nicht aber Instandsetzungsaufwendungen berücksichtigt wurden. Hingegen sind ab 1989 Zuwendungen aus öffentlichen Mitteln, die zur Anschaffung des veräußerten Gebäudes oder zu dessen Instandsetzung gewährt wurden und gemäß § 28 Abs 6 steuerfrei gelassen wurden, von den Anschaffungskosten bzw. den Instandsetzungs- bzw. Herstellungsaufwendungen abzuziehen. Diese steuerfrei gelassenen Subventionen erhöhen daher die Einkünfte aus dem Spekulationsgeschäft. Damit sollte eine gewisse Angleichung der Ermittlung der Einkünfte aus Spekulationsgeschäften an die Regelung im betrieblichen Bereich erfolgen, wo infolge des niedrigeren Buchwertes der mit Hilfe von Subventionen angeschafften und hergestellten Anlagegüter ebenfalls eine Nachversteuerung Platz greifen kann.

Daß die gegenständlichen Finanzierungskosten Anschaffungskosten im Sinne des § 30 Abs 4 EStG 1988 wären, behauptet die Beschwerdeführerin ohnehin nicht ausdrücklich. Soweit sie auf die Ausführungen von Rohatschek (Die Behandlung von Fremdkapitalzinsen im Rahmen der Anschaffungskosten, FJ 1993, 81) verweist, ist ihr entgegenzuhalten, daß auch dieser Autor grundsätzlich davon ausgeht, Fremdkapitalzinsen, die bei der Finanzierung von Anschaffungskosten entstünden, würden keine (aktivierungsfähigen) Anschaffungskosten darstellen. Dies entspricht der herrschenden Ansicht (vgl. Gassner/Lahodny-Karner in Straube, Kommentar zum HGB II, § 203 Rz 32; Doralt, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, 2. Auflage, § 6 Tz 69 und 93). Der von Rohatschek behandelte Sonderfall der Kreditfinanzierung einer Anzahlung oder Vorauszahlung, die für die Anschaffung eines Vermögensgegenstandes mit längerer Bauzeit geleistet werde, liegt im Beschwerdefall nicht vor.

Die Behandlung von Finanzierungskosten als Werbungskosten im Sinne des § 30 Abs 4 EStG 1988 ist in Lehre und Verwaltungspraxis umstritten (im Ergebnis dagegen Hofstätter-Reichel, § 30 EStG 1988 Tz 26; Quantschnigg-Schuch, Einkommensteuerhandbuch, 3. Auflage, § 30 Tz 37; Quantschnigg, Zehn Grundsatzthesen zum Werbungskostenbegriff, RdW 1992, 384; Cui bono - Zum Thema Abzugsfähigkeit von (privaten) Schuldzinsen, FJ 1993, 167; zweifelnd Lenneis, Liebhaberei bei Einkünften aus Vermietung und Verpachtung und Überschuß aus Spekulationsgeschäften, FJ 1991, 81; dafür Beiser, Finanzierungskosten, Abflußprinzip und Verlustausgleichsverbot bei Spekulationsgeschäften, ÖStZ 1992, 170, mit Hinweisen auf Rechtsprechung und Schrifttum in Deutschland; vgl. auch die Berichte in SWK 1992, A I 315, und SWK 1993, A 218, betreffend eine Berufungsentscheidung und eine - zu hg. 92/13/0262 erstattete - Gegenschrift einer anderen Finanzlandesdirektion).

Der Verwaltungsgerichtshof vertritt zur Neufassung des § 30 Abs 4 im EStG 1988 auch in Hinblick auf die oben erwähnte Annäherung der Ermittlung der Einkünfte aus Spekulationsgeschäften an die Regelung im betrieblichen Bereich (vgl. Hofstätter-Reichel, § 30 EStG 1988, Tz 19) die Auffassung, daß für den Geltungsbereich dieses Gesetzes nicht mehr von einem bloß engen Werbungskostenbegriff auszugehen ist. Die Anknüpfung des Steuertatbestandes an das Veräußerungsgeschäft in § 30 Abs 1 EStG 1988 zwingt zu keiner anderen Sicht, weil die Frage, was zu den bei der Ermittlung der Einkünfte zu berücksichtigenden Werbungskosten im Sinne des § 30 Abs 4 EStG 1988 zählt, mit dem Hinweis auf diese Anknüpfung nicht beantwortet ist. Die allgemeine Vorschrift des § 16 Abs 1 Z 1 EStG 1988, derzufolge Schuldzinsen als Werbungskosten abzugsfähig sind, soweit sie mit einer Einkunftsart im wirtschaftlichen Zusammenhang stehen, ist auch für Spekulationseinkünfte heranzuziehen. Es bestehen nach der Aktenlage keine Bedenken dagegen, daß die strittigen Finanzierungskosten mit den sonstigen Einkünften gemäß § 29 Z 2 in Verbindung mit § 30 EStG in einem solchen wirtschaftlichen Zusammenhang standen. Indem die belangte Behörde eine Qualifizierung dieser Aufwendungen als Werbungskosten von vornherein ausschloß, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit."

Sodann nimmt der Verwaltungsgerichtshof zu einer mit der Qualifizierung der Schuldzinsen als Werbungskosten verbundenen weiteren Frage Stellung:

"Die belangte Behörde ist in ihrer Gegenschrift der Meinung, im Beschwerdefall müßten die in den Darlehensrückzahlungen der Vorjahre 1989 und 1990 enthaltenen Zinsen vom Abzug im Jahr 1991 jedenfalls ausgeschlossen bleiben, weil der Zeitpunkt des Anfalles der Ausgaben entscheidend sei. Auch dieser Auffassung ist nicht zuzustimmen. Vielmehr sind auch die in den Vorjahren angefallenen Werbungskosten in dem Jahr zu berücksichtigen, in dem der Veräußerungserlös zufloß (vgl. Quantschnigg-Schuch aaO, § 30 Tz 4, die von einer 'ArtVermögensvergleich' sprechen; Schubert-Pokorny-Schuch-Quantschnigg aaO, § 30 Tz 25, denen zufolge nicht nur die Anschaffungs- oder Herstellungskosten, sondern auch die Werbungskosten im Sinne des Abs 4 lediglich als rechnerische Größe für die Ermittlung der Spekulationseinkünfte behandelt und nicht im Jahre der Verausgabung tatsächlich als Werbungskosten berücksichtigt werden; Beiser aaO; Lenneis aaO; BFH , BStBl 1991 II 916, , BFHE 168, 272). Die Regelung in § 30 Abs 4 EStG 1988 ist nämlich eine eigenständige, das Abflußprinzip des § 19 Abs 2 EStG 1988 durchbrechende Vorschrift (vgl. sinngemäß BFH aaO). Sie betrifft - wie schon ein Blick auf die Anschaffungskosten zeigt - nicht notwendigerweise nur Vorgänge eines Veranlagungszeitraumes, sondern dient der vollständigen Erfassung des Überschusses aus dem Spekulationsgeschäft unter Bedachtnahme auf bestimmte (auch mehrjährige) Fristen, innerhalb derer die Realisierung erfolgt. Abzugsfähig sind im Beschwerdefall daher nicht nur die im Streitjahr, sondern auch in den den Vorjahren angefallenen Finanzierungskosten (siehe auch das hg. Erkenntnis vom heutigen Tag unter 93/14/0125)."

2. Dieses Ergebnis hält der Verfassungsgerichtshof auch aus verfassungsrechtlichen Gründen für geboten:

Einkommensteuerpflichtig sind nach § 29 Z 2 EStG 1988 unter anderem Einkünfte aus Veräußerungsgeschäften im Sinne der §§30 und 31, das sind Spekulationsgeschäfte und die Veräußerung bestimmter Beteiligungen. Als Einkünfte gelten in beiden Fällen der Unterschiedsbetrag zwischen dem Veräußerungserlös einerseits "und den Anschaffungskosten und/sowie den Werbungskosten andererseits" (§§30 Abs 4, 31 Abs 3). Verluste aus den Spekulationsgeschäften eines Kalenderjahres und Verluste aus der Veräußerung von Beteiligungen sind nicht ausgleichsfähig (§§30 Abs 4 letzter Satz, 31 Abs 5). Gegenstand der Besteuerung ist daher der Gewinn aus dem einzelnen Geschäft bzw. der Summe der einzelnen Geschäfte eines Kalenderjahres. Zu Recht weist die Beschwerde darauf hin, daß - entgegen der Bezeichnung im Gesetz - die Veräußerungsgeschäfte nach § 30 keinerlei Spekulationsabsicht erfordern. Selbst auf die Absicht der Gewinnerzielung kommt es nicht an. Es genügt, daß zwischen Anschaffung und Veräußerung des Wirtschaftsgutes nicht mehr als die gesetzliche Frist von einem Jahr bzw. 10 oder 15 Jahren verstrichen ist und der Veräußerungserlös die Anschaffungs- und Werbungskosten übersteigt. Grund der Besteuerung ist daher die durch den Gewinn aus solchen Geschäften bewirkte (und nicht durch Verlustgeschäfte verminderte) Leistungsfähigkeit.

Unter diesen Umständen kann der Verfassungsgerichtshof keinen Grund erkennen, der es rechtfertigen könnte, die aus der Anschaffung des Wirtschaftsgutes entstandene Zinsenbelastung vom Veräußerungserlös nicht abzuziehen. Es ist durch nichts zu rechtfertigen, daß ein Veräußerer, der das Wirtschaftsgut mit Fremdkapital angeschafft hat, ungeachtet des größeren Aufwandes, der nötig war, den Veräußerungserlös zu erzielen, ebenso besteuert wird, wie ein Veräußerer, der dazu eigenes Vermögen verwenden konnte.

Die belangte Behörde stellt zu dieser Frage nur begriffliche Erwägungen an. Auch die These (der Gegenschrift), das bloße Halten von (fremdfinanzierten) Wirtschaftsgütern im Privatvermögen reiche nicht aus, den Schuldzinsen Werbungskostencharakter zuzuerkennen, und Zinsen, die im Zeitpunkt des Anfalles keine Werbungskosten seien, könne nicht bei späterem Abschluß eines Veräußerungsgeschäftes rückwirkend der Charakter von Werbungskosten zuerkannt werden, berücksichtigt nicht, daß die Anschaffung für das Privatvermögen zum Wesen des Spekulationsgeschäftes gehört und daß auch die Anschaffungskosten zunächst keinerlei steuerliche Bedeutung haben, sondern erst durch das spätere Veräußerungsgeschäft maßgeblich werden. Bei gleichem Ergebnis ist aus verfassungsrechtlichem Blickwinkel auch gleichgültig, ob solche Zinsen als Anschaffungskosten (im weiten, am Besteuerungszweck des § 30 EStG 1988 orientierten Sinn) oder Werbungskosten (für die Veräußerung) angesehen werden. Können sie als Werbungskosten auch dann im Jahr des Zuflusses des Veräußerungserlöses berücksichtigt werden, wenn sie in früheren Jahren angefallen sind, ist auch diese Einordnung verfassungsrechtlich unbedenklich.

Daß das Gesetz eine solche Auslegung zuläßt, ergibt sich schon aus dem genannten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom .

3. Der angefochtene Bescheid lehnt die Berücksichtigung ohne nähere Ermittlungen ab. Die Gegenschrift versucht darzutun, daß die strittigen Zinsen großteils für die Zeit nach Veräußerung der Wohnungen geleistet wurden. Es ist aber nicht Aufgabe des Verfassungsgerichtshofes, zu diesen Fragen im vorliegenden Verfahren Stellung zu nehmen. Der Bescheid ist vielmehr als verfassungswidrig aufzuheben.

Von einer mündlichen Verhandlung hat der Gerichtshof abgesehen, weil von einer mündlichen Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht zu erwarten war (§19 Abs 4 VerfGG).

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 88 VerfGG. Im zugesprochenen Betrag sind 2.500 S an Umsatzsteuer enthalten.