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OGH vom 20.06.1984, 7Ob575/84

OGH vom 20.06.1984, 7Ob575/84

Norm

ABGB § 896;

ABGB § 1359;

ABGB § 1360;

Kopf

SZ 57/114

Spruch

Zumindest bei gleichzeitiger Übernahme von Bürgschaft und Pfandhaftung haben Bürgen und Pfandschuldner mangels eines besonderen Verhältnisses ein wechselseitiges zur gleichteiligen Haftung führendes Regreßrecht

(OLG Wien 13 R 284/83; KG Wiener Neustadt 1 Cg 99/82)

Text

Der Kläger, die Beklagte und Leopoldine F haben sich für eine Schuld des Karl F als Bürgen und Zahler verbürgt. Außerdem hat die Beklagte die ihr gehörige Liegenschaft EZ 2 KG N zur Sicherung der dieser Schuld zugrunde gelegenen Darlehensforderung von 150 000 S verpfändet. Der Kläger hat die Darlehensforderung befriedigt, wofür er, wie nicht mehr strittig ist, 150 758.02 S aufwenden mußte. Diese verlangt er abzüglich einer Gegenforderung von 8 658.87 S von der Beklagten als Pfandschuldnerin. Nicht mehr strittig sind weitere Gegenforderungen der Beklagten von insgesamt 8 990.52 S. Die Beklagte hat dem Kläger außerdem 21 009.48 S übergeben, die dieser dem Kreditinstitut weiterleitete. Daß die Beklagte von diesem Betrag höchstens ein Drittel, das sind 7 003.16 S, verlangen könnte, bestreitet sie ebenfalls nicht mehr.

Im Revisionsverfahren ist nur die Rechtsfrage strittig, ob der zahlende Bürge gemäß § 1359 ABGB gegen den mithaftenden Pfandschuldner im vollen Umfang Regreß nehmen kann oder ob die sich aus den §§ 1359 und 896 ABGB ergebende Beschränkung des Regreßrechtes auch im Verhältnis des Bürgen zum Pfandschuldner gilt.

Das Erstgericht hat der Beklagten als Pfandschuldnerin ein dem Bürgen gleichartiges Regreßrecht zugebilligt und demnach ausgesprochen, daß die eingeklagte Forderung mit 41 593.80 S (ein Drittel von 150 758.02 S = 50 252.67 S abzüglich der anerkannten Gegenforderung von 8 658.87 S) und die eingewendete Gegenforderung mit 15 993.68 S 8 990.52 S und ein Drittel von 21 009.48 S = 7 003.16 S) zu Recht bestehen. Es hat daher dem Kläger unter Abweisung des Mehrbegehrens 25 600.12 S zugesprochen.

Das Berufungsgericht hat den Standpunkt vertreten, nur der Bürge könne sich gegen den Pfandschuldner regressieren, nicht aber umgekehrt, weshalb der Bürge nicht nur einen Anteil, sondern die ganze von ihm befriedigte Forderung vom Pfandschuldner verlangen könne, allerdings nur bei Exekution in das Pfand. Es hat daher ausgesprochen, daß die Forderung des Klägers mit 142 099.15 S, hingegen die eingewendete Gegenforderung mit 8 990.52 S zu Recht besteht. Unter Abweisung des Mehrbegehrens hat das Berufungsgericht dem Kläger 133 108.63 S, davon jedoch 100 505.35 S nur bei Exekution in die Pfandsache, zugesprochen. Für ein Drittel des bezahlten Betrages hafte die Beklagte unbeschränkt, weil sie nicht nur Pfandschuldnerin, sondern auch Bürgin sei.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Beklagten Folge und stellte das Ersturteil wieder her.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die zu entscheidende Rechtsfrage ist bisher weder in Österreich noch in der Bundesrepublik Deutschland einheitlich gelöst worden. Die Lehre zum deutschen Recht kann in diesem Punkt deshalb zum Vergleich herangezogen werden, weil die Rechtslage der Bundesrepublik Deutschland im wesentlichen der österreichischen gleicht. § 774 BGB entspricht § 1359 ABGB und § 426 BGB dem § 896 ABGB. Eine Abweichung liegt nur insofern vor, als die §§ 1143 und 1225 BGB ausdrücklich Ausgleichsansprüche zwischen einfachen Pfandschuldnern und Hypothekarschuldnern regeln, während im österreichischen Recht eine solche ausdrückliche Regelung fehlt. Die diesbezügliche Gesetzeslücke ist jedoch durch analoge Anwendung des § 896 ABGB auf den Rückersatzanspruch eines Pfandgläubigers gegen den anderen zu schließen (Gamerith in Rummel, ABGB Rdz. 12 zu § 896; SZ 52/105; Gschnitzer in Klang[2] IV/1, 317), sodaß auch hier keine Verschiedenheit der beiderseitigen Rechtslagen besteht.

Daß der zahlende Bürge auch gegen den Pfandschuldner Regreß nehmen kann, ist unbestritten. Den Standpunkt, daß nur der Bürge gegen den Pfandschuldner unbeschränkt, nicht aber der Pfandschuldner gegen den Bürgen Regreß nehmen darf, vertreten in Österreich vor allem Koban (Der Regreß des Bürgen und Pfandeigentümers 207 ff.) und Ehrenzweig (I/2, 514 und II/1, 126) und in der Bundesrepublik Deutschland Palandt (BGB[43] Anm. 2 g zu § 774 und Anm. 2 b zu § 1225). Petrasch (in Rummel, ABGB Rdz. 3 zu § 465) weist lediglich auf das Bestehen widersprechender Rechtsansichten hin, während Ohmeyer (in Klang[2] VI 236) zu dieser Frage nicht Stellung nimmt. Dagegen könnte aus Gschnitzer (in Klang[2] IV/1, 316 f.) entnommen werden, daß dieser Autor den gegenteiligen Standpunkt vertritt.

Eindeutig das Gegenteil sprechen in Österreich Koziol-Welser (Grundriß[6] I 245) und in der Bundesrepublik Deutschland Esser-Weyers (Schuldrecht[2] II/1, 309 f.) sowie der Münchner Kommentar zum BGB (Anm. 23 zu § 774, Anm. 19 ff. zu § 1143 und Anm. 10 zu § 1225) aus.

Die Vertreter des einseitigen Regresses des Bürgen gegen den Pfandschuldner begrunden ihre Rechtsansicht vor allem damit, daß der Bürge mit seinem ganzen Vermögen hafte und sohin ein wesentlich größeres Risiko trage als der Pfandschuldner. Es sei ihm daher eine begünstigte Stellung gegenüber dem Pfandschuldner einzuräumen. Zutreffend machen jedoch die Gegenstimmen geltend, daß sich der Umfang der Haftung aus dem die Haftung begrundenden Rechtsgeschäft ergibt und dieses einer bestimmten gesetzlichen Regelung unterliegt. Wenn das Gesetz eine Prämiierung für die Übernahme einer weitergehenden Haftung nicht vorsieht, kann derjenige, der eine solche Haftung übernimmt, nicht mit einer im Gesetz nicht gedeckten Privilegierung gegenüber anderen Haftenden rechnen.

In der vorliegenden Frage ist dem ABGB ebensowenig wie den inhaltlich im wesentlichen gleichen Bestimmungen des BGB eine Privilegierung des Bürgen bezüglich des Regresses gegenüber dem Pfandschuldner zu entnehmen. Das Gesetz sieht sowohl die Bürgschaft als auch das Pfand als Sicherungsmittel für Forderungen vor, ohne irgendeinen Unterschied zu machen, der den Willen des Gesetzgebers andeuten würde, im Verhältnis der beiden Rechtsinstitute zueinander solle einem von beiden ein Vorrang eingeräumt werden. Dem österreichischen Recht ist die Einrede der Sachhaftung gemäß § 1360 ABGB unbekannt (Ohmeyer in Klang[2] VI 235). Demnach stellt das Gesetz die Sicherungsmittel Pfand und Bürgschaft im Verhältnis zum Gläubiger einander gleich. Daß, davon abweichend, bezüglich des Regresses eine Rangordnung festgelegt werden sollte, die im Ergebnis zu einer Subsidiarität der Haftung des Bürgen führen würde, ist dem Gesetz nicht zu entnehmen. Wäre das Ausmaß der Haftpflicht für den Umfang des Regreßrechtes maßgebend, wäre es unverständlich, warum kein vorrangiger Regreß des Bürgen und Zahlers gegen den subsidiär haftenden Bürgen besteht. Gerade die Gleichbehandlung der Bürgen jeder Art durch § 1359 ABGB läßt erkennen, daß der Gesetzgeber Unterschiede des Regreßrechtes nach Maßgabe der übernommenen Haftung nicht wollte. § 1359 ABGB spricht zwar nur vom Regreß des Bürgen, doch handelt es sich bei dieser Bestimmung nur um einen Anwendungsfall des § 896 ABGB, wie der in der erstgenannten Bestimmung enthaltene Hinweis erkennen läßt (Gschnitzer in Klang[2] IV/1, 316). § 896 ABGB ist aber nicht auf den Bürgen beschränkt, sondern, wie oben dargelegt wurde, analog auch auf den Pfandschuldner anzuwenden.

Die auf den Umfang der Haftung gestützte Argumentation übersieht im übrigen, daß Grund für das Recht zum Regreß nicht die Haftung, sondern die Zahlung ist. Durch die Zahlung wird aber der Pfandschuldner wirtschaftlich genauso belastet wie der Bürge.

Als weiteres Argument für die ältere Rechtsmeinung wird auf den Umstand verwiesen, daß sich der Gläubiger zum Nachteil des zahlenden Bürgen eines Pfandes nicht begeben darf (§ 1360 ABGB). Dies besagt aber nur, daß dem Zahler die bestehende Sicherung verbleiben soll. Über den Umfang des Regresses läßt sich daraus nichts ableiten.

Der OGH tritt daher zumindest für den Fall der gleichzeitigen Übernahme der Bürgschaft und der Pfandhaftung aus der Erwägung, daß das ABGB grundsätzlich Bürgschaft und Pfand als gleichwertige Sicherungsmittel behandelt, § 896 ABGB keinerlei Unterschied zwischen einzelnen Zahlern macht, auch sonst dem Gesetz eine Rangordnung der Sicherungsmittel bezüglich des Regresses nicht zu entnehmen ist, und die rechtspolitischen Erwägungen für den Regreß bezüglich beider Sicherungsmittel dieselben sind (gerechter Ausgleich zwischen Mithaftenden), der in der neueren Lehre (Koziol-Welser, Esser-Weyers, Münchner Kommentar) vertretenen Rechtsansicht über das beiderseitige Regreßrecht bei. (Ob für den Fall der früheren Bestellung des Pfandes andere Erwägungen gelten, muß hier nicht untersucht werden.) Dies führt aber dazu, daß der Kläger mangels Behauptung eines besonderen Verhältnisses iS des § 896 ABGB von der Beklagten infolge der Mithaftung eines Dritten nur ein Drittel der von ihm geleisteten Zahlung und die Beklagte vom Kläger ein Drittel der von ihr gezahlten 21 009.48 S (diesbezüglich wird die Annahme der Vorinstanzen, hier handle es sich um die Zahlung einer weiteren Schuld, für die beide Streitteile als Bürgen gehaftet haben, nicht bekämpft) verlangen können.

Fundstelle(n):
OAAAD-80170