OGH vom 21.10.1986, 10Os120/86
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich, Dr. Reisenleitner, Dr. Kuch und Dr. Massauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Hinger als Schriftführer in der Strafsache gegen Ursula F*** wegen des Finanzvergehens der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten sowie über die Berufungen der Staatsanwaltschaft und des Finanzamtes Krems a.d. Donau als Finanzstrafbehörde erster Instanz gegen das Urteil des Kreisgerichtes Krems a.d. Donau als Schöffengericht vom 13.Feburar 1986, GZ 10 a Vr 609/84-18, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Erster Generalanwalt Dr. Nurscher, der Vertreterin des Finanzamtes Krems a.d. Donau, Finanzkommissär Dr. Denk, und des Verteidigers Dr. Strizik, jedoch in Abwesenheit der Angeklagten, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Hingegen wird der Berufung der Angeklagten zur Gänze, jenen der Staatsanwaltschaft und des Finanzamtes teilweise Folge gegeben und die Geldstrafe unter Ausschaltung des Ausspruches über deren bedingte Nachsicht auf 75.000 S (fünfundsiebzigtausend Schilling), für den Fall der Uneinbringlichkeit ein Monat Ersatzfreiheitsstrafe, herabgesetzt.
Die Staatsanwaltschaft und das Finanzamt werden im übrigen mit ihren Berufungen darauf verwiesen.
Gemäß § 390 a StPO fallen der Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde die am geborene Geschäftsfrau Ursula (Ulla) F*** des Finanzvergehens der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG schuldig erkannt.
Darnach hat sie in Etsdorf und Krems a.d. Donau vorsätzlich unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von dem § 21 des Umsatzsteuergesetzes 1972 entsprechenden Voranmeldungen dadurch, daß sie für die Jahre 1982 und 1983 sowie für die Monate Jänner bis April 1984 keine Umsatzsteuervoranmeldungen beim Finanzamt Krems a. d. Donau abgab, eine Verkürzung von Vorauszahlungen an Umsatzsteuer in der Höhe von 858.600 S bewirkt und dies nicht nur für möglich, sondern für gewiß gehalten. Vom gleichartigen Anklagevorwurf in bezug auf das Jahr 1981 wurde sie gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.
Rechtliche Beurteilung
Den Schuldspruch bekämpft die Angeklagte mit einer ziffernmäßig auf die Nichtigkeitsgründe der Z 9 lit. a "bzw." b des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der jedoch keine Berechtigung zukommt.
Den ihr zur Last fallenden tatbildmäßigen Sachverhalt in objektiver, bezüglich der (vorsätzlichen) Verletzung der Voranmeldungspflicht und der (wissentlichen) Vorauszahlungsverkürzung aber auch in subjektiver Hinsicht nicht bestreitend, beruft sich die Beschwerdeführerin einerseits auf einen entschuldbaren Rechtsirrtum, indem sie vorbringt, sie sei vor allem deswegen, weil sie "von den Finanzbehörden jahrelang unbehelligt geblieben" sei, der Meinung gewesen, die nicht rechtzeitige Abgabe von Umsatzsteuervoranmeldungen sei überhaupt nicht strafbar; andererseits behauptet sie, sie sei in Ansehung der zwei als Begründung für ihr Wissen um die Verpflichtung zur rechtzeitigen Abgabe von Umsatzsteuervoranmeldungen im Urteil erwähnten früher (1977 und 1981) gegen sie ergangenen Strafverfügungen des Finanzamtes Krems a.d. Donau wegen ähnlich gelagerter Verhaltensweisen zu der Auffassung gelangt, damals lediglich wegen Ordnungswidrigkeiten Säumniszuschläge auferlegt erhalten zu haben, weshalb ihr auch im vorliegenden Fall nicht bewußt geworden sei, durch die Nichtabgabe von Umsatzsteuervoranmeldungen ein gerichtlich strafbares Vorsatzdelikt begangen zu haben; sie habe vermeint, lediglich eine Ordnungswidrigkeit zu begehen, die durch Säumniszuschläge abgegolten werde und hätte demnach nur Fahrlässigkeit zu verantworten.
Die Beschwerdeführerin, die mit diesem Vorbringen der Sache nach Feststellungsmängel zur subjektiven Tatseite geltend macht, verkennt, daß der von ihr in zweifacher Richtung behauptete Irrtum (einerseits) bloß über die Strafbarkeit (schlechthin) eines tatbestandsmäßigen und rechtswidrigen Verhaltens sowie (andererseits) über dessen strafrechtliche Subsumtion (auch) im Rahmen des Finanzstrafrechtes unbeachtlich ist (Dorazil-Harbich-Reichel-Kropfitsch, FinStrG, Anm. 7 und E 28, 29 zu § 9). Entscheidend ist vielmehr, daß sich die Angeklagte nach den Urteilskonstatierungen (US 4 Mitte) dessen bewußt war, daß ihre Tat gegen die Rechtsordnung verstößt, also Unrecht ist (Unrechtsbewußtsein). Das Bewußtsein des Täters, ob und gegebenenfalls welche Strafsanktion das Gesetz an das Tatunrecht knüpft, ist hingegen weder für seine Schuld noch für seine Bestrafung Voraussetzung (vgl. Kienapfel AT Z 17 RN 16 ff.). Auf den Vorsatz aber wären die behaupteten rechtsirrtümlichen Vorstellungen der Angeklagten überhaupt ohne Einfluß, denn dieser bezieht sich nur auf die tatsächliche Seite der Tat, also den Sachverhalt im Sinn des § 8 Abs. 1 FinStrG (vgl. Kienapfel aaO RN 14 f.), dessen vorsätzliche Verwirklichung im Bewußtsein einer dadurch bewirkten Vorauszahlungsverkürzung die Beschwerdeführerin - wie bereits erwähnt - gar nicht bestreitet.
Feststellungsmängel der behaupteten Art haften dem Urteil daher nicht an, weshalb die Nichtigkeitsbeschwerde zu verwerfen war. Das Schöffengericht verurteilte die Angeklagte nach § 33 Abs. 5 FinStrG zu 150.000 S Geldstrafe (für den Fall der Uneinbringlichkeit sechs Wochen Ersatzfreiheitsstrafe), die es gemäß § 26 Abs. 1 FinStrG in Verbindung mit § 43 Abs. 1 StGB für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachsah.
Dabei wertete es die finanzbehördlichen Vorstrafen als erschwerend; als mildernd hingegen den bisher ordentlichen Lebenswandel und die Schadensgutmachung.
Gegen diesen Strafausspruch richten sich eine auf Herabsetzung der Geldstrafe gerichtete Berufung der Angeklagten sowie Berufungen der Staatsanwaltschaft und des Finanzamtes als Finanzstrafbehörde erster Instanz, letztere mit dem übereinstimmenden Antrag auf Erhöhung der Geldstrafe und Ausschaltung des Ausspruches über deren bedingte Nachsicht.
Zunächst kann der Berufung der Angeklagten Berechtigung nicht abgesprochen werden.
Nach Tilgung der finanzbehördlichen Vorstrafen sind ihr diese nicht mehr als erschwerend anzulasten. Zwar ist ihr zusätzlich vorzuwerfen, daß sie ihrer Verpflichtung zur Erstattung der gesetzlich vorgeschriebenen Umsatzsteuervoranmeldungen wiederholt nicht nachgekommen ist, doch fällt andererseits zu ihren Gunsten besonders ins Gewicht, daß sie nicht nur den aus der Verkürzung von Vorauszahlungen an Umsatzsteuer entstandenen Schaden gutgemacht hat, sondern nunmehr auch ihren laufenden steuerlichen Verpflichtungen nachkommt, wovon sich der Oberste Gerichtshof im Gerichtstag überzeugen konnte. Unter Berücksichtigung insbesondere auch der persönlichen Verhältnisse der für drei heranwachsende Kinder und für einen querschnittgelähmten Ehemann Sorge tragenden Angeklagten sowie ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit (§ 23 Abs. 3 FinStrG) erschien dem Obersten Gerichtshof nach Lage dieses besonderen Falles eine Reduktion der Geldstrafe auf die Hälfte des vom Erstgericht gefundenen Strafmaßes gerechtfertigt.
Deren bedingte Nachsicht war jedoch aus Gründen spezieller und genereller Vorbeugung nicht mehr vertretbar. Insoweit war daher den Berufungen der Staatsanwaltschaft und des Finanzamtes teilweise Folge zu geben.