OGH vom 22.02.1990, 7Ob539/90
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Warta, Dr. Egermann, Dr. Niederreiter und Dr. Schalich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Norbert R***, Kaufmann, Klagenfurt, Hans Sachs-Straße 39, vertreten durch Dr. Michael Mülner, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wider die beklagte Partei Gerhard K***, Kaufmann, Wendstattgasse 22/150/19, 1100 Wien, vertreten durch Dr. Gerhard Huber, Rechtsanwalt in Wien, wegen Rechnungslegung (Streitwert S 300.000,--), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom , GZ 5 R 47/89-10, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom , GZ 34 Cg 115/88-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur Verfahrensergänzung und neuen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
Der Kläger war Gesellschafter der A*** Marmorbau
Gesellschaft mbH mit einer Stammeinlage von S 25.000 auf das Stammkapital von S 100.000. Der Beklagte war nach dem Ausscheiden des Klägers als Geschäftsführer alleiniger Geschäftsführer der GmbH. Die letzte Generalversammlung, bei der der Jahresabschluß für das Jahr 1984 nicht genehmigt wurde, fand am statt. Die Gesellschaft hat ihre Tätigkeit am beendet. Sie wurde am auf Veranlassung des Beklagten wegen Vermögenslosigkeit gelöscht. Sie besitzt derzeit kein Vermögen. Der Beklagte ist im Feber 1986 als Geschäftsführer zurückgetreten.
Der Kläger behauptet, daß ein Gesellschaftsvermögen von rund S 500.000 vorhanden gewesen sei, das der Beklagte verwertet habe. Er begehrt mit Hauptbegehren die Rechnungslegung des Beklagten als Geschäftsführer für die Zeit vom bis und mit Eventualbegehren die Rechnungslegung über die Verwertung des Aktivvermögens der GmbH, welches aus der Bilanz per und dem Generalversammlungsprotokoll vom hervorgehe. Das Erstgericht wies Haupt- und Eventualbegehren ab. Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 60.000, nicht aber S 300.000 übersteigt und die Revision nicht zulässig ist. Nach der Ansicht der Vorinstanzen könne der Gesellschafter gegen den Geschäftsführer nicht Klage auf Aufstellung eines Rechnungsabschlusses erheben. Der Gesellschafter könne seinen Anspruch auf Aufstellung eines Rechnungsabschlusses nur im Wege der Generalversammlung geltend machen.
Die gegen die Entscheidung der zweiten Instanz erhobene Revision des Klägers ist zulässig. Zur Frage, ob dem Gesellschafter ein Anspruch auf Rechnungslegung gegen den ehemaligen Geschäftsführer, der das Vermögen der Gesellschaft verwertete, zusteht, wenn die Gesellschaft gelöscht wurde und eine Rechnungslegung ihr gegenüber nicht erfolgte, fehlt eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist auch berechtigt.
Das GmbHG macht es den Geschäftsführern zur besonderen Pflicht, die erforderlichen Bücher der Gesellschaft zu führen und innerhalb einer Frist von 5 Monaten für das abgelaufene Geschäftsjahr den Jahresabschluß aufzustellen (§ 22 Abs 1 und 2 GmbHG). Der Jahresabschluß umfaßt die Jahresbilanz und die Gewinn- und Verlustrechnung. Er ist zwar von den Geschäftsführern aufzustellen, wird aber von den Gesellschaftern beschlossen, denen auch, wie in allen Geschäftsführungsfragen, ein Weisungsrecht gegenüber den Geschäftsführern zukommt. Gegen Verzögerungen oder Vereitlungen der Rechnungslegung durch die Geschäftsführer kann nach bisheriger Ansicht nur die Gesamtheit der Gesellschafter durch Mehrheitsbeschluß vorgehen. Dem Gesellschafter steht kein Klagerecht gegen die Gesellschaft zu, er kann lediglich im Wege der Generalversammlung versuchen, eine Weisung an die Geschäftsführer zu erwirken (GesRZ 1978, 179 mwN). Nach neuerer Ansicht soll aber dem Gesellschafter nach Ablauf der Frist zur Aufstellung des Jahresabschlusses ein klagbarer Anspruch gegen die Gesellschaft auf Aufstellung des Jahresabschlusses zustehen (Reich-Rohrwig, GmbH-Recht 199 mwN). Hier nimmt jedoch der Kläger nicht die Gesellschaft, sondern den Geschäftsführer in Anspruch. Gegen den Geschäftsführer kann dem Gesellschafter aber ein solcher Anspruch umso weniger zustehen, als auch der Anstellungsvertrag mit dem Geschäftsführer schuldrechtliche Beziehungen nur zwischen dem Geschäftsführer und der Gesellschaft bewirkt und direkte Rechtsbeziehungen zwischen dem Geschäftsführer und dem Gesellschafter nicht begründet werden (SZ 50/51; Reich-Rohrwig aaO 103).
Im Liquidationsstadium trifft die Pflicht zur Buchführung und Rechnungslegung die Liquidatoren. Auch die Liquidatoren treten in keine direkte Rechtsbeziehung zu den Gesellschaftern. Auch sie haben daher nur der Gesellschaft Rechnung zu legen, der einzelne Gesellschafter hat gegen sie keinen Anspruch auf Rechnungslegung. Er kann lediglich einen allfälligen ohne Rechnungslegung gefaßten Beschluß der Generalversammlung anfechten (vgl. Scholz-Schmidt, GmbHG7II, Rz 3 zu § 74; Hachenburg, GmbHG7, Rz 22 zu § 74). Im vorliegenden Fall wurde weder ein Beschluß auf Auflösung der Gesellschaft gefaßt noch ist das Vorliegen eines sonstigen Auflösungsgrundes im Sinne des § 84 GmbHG ersichtlich. Es fand auch kein Liquidationsverfahren im Sinne der §§ 89 ff GmbHG statt. Die Gesellschaft wurde jedoch am nach dem Amtslöschungsgesetz wegen Vermögenslosigkeit gelöscht. Unstrittig ist, daß die Tätigkeit der Gesellschaft am beendet wurde und kein Vermögen mehr vorhanden ist. Nach herrschender Ansicht wirkt die Löschung zwar nur deklarativ, sodaß die Gesellschaft solange fortbesteht, als noch Aktivvermögen vorhanden ist (SZ 58/3 und 168; EvBl 1961/251; Reich-Rohrwig aaO 656; Gellis, Kommentar zum GmbHG2 475). Fehlt es an einem Aktivvermögen, endet die Rechtspersönlichkeit der GmbH aber auch im Falle einer amtswegigen Löschung (Reich-Rohrwig aaO 690). Die A*** Marmorbau GmbH hat daher als Rechtsperson zu bestehen aufgehört. Nach den Behauptungen des Klägers hat aber der Beklagte das vorhanden gewesene Vermögen der Gesellschaft (vor deren Löschung) verwertet, ohne darüber der Gesellschaft Rechnung gelegt zu haben. Dieser Sachverhalt unterscheidet sich daher wesentlich von dem, der den vom Berufungsgericht zitierten Entscheidungen zugrunde lag. Zu entscheiden ist hier daher die Frage, ob nicht dem Gesellschafter ein Anspruch auf Rechnungslegung gegen den ehemaligen Geschäftsführer zukommt, wenn dieser de facto das Vermögen liquidierte und darüber der Gesellschaft, die zu bestehen aufgehört hat, nicht Rechnung legte. Die Frage ist zu bejahen. Die Rechtsposition des Gesellschafters ist in einem solchen Fall nicht anders als bei ordnungsgemäßer Abwicklung. Aufgabe der Liquidatoren ist es, die laufenden Geschäfte zu beenden, die Forderungen der Gesellschaft einzuziehen, das Sachvermögen der Gesellschaft zu verwerten, die Gesellschaftsgläubiger zu befriedigen oder sicherzustellen und das Restvermögen unter die Gesellschafter zu verteilen (Hämmerle-Wünsch3 2 461; Reich-Rohrwig aaO 696). Ein zu verteilendes Restvermögen ist zwar Vermögen der Gesellschaft (Gellis aaO 475), doch hat der Gesellschafter ein Anwartschaftsrecht auf die Liquidationsquote. Letzteres gilt ohne Zweifel auch im Falle einer bloßen de facto Liquidation. Der Geschäftsführer ist schon nach dem allgemeinen Grundsatz, daß jeder, der fremdes Vermögen verwaltet, zur Rechnungslegung verpflichtet ist, auch dann zur Rechnungslegung gehalten, wenn die Gesellschaft zu bestehen aufgehört hat und er seiner Rechnungslegungspflicht nach dem GmbHG bisher nicht nachgekommen ist. Da der Gesellschafter seinen Anspruch auf einen allfälligen Liquidationserlös auch im Falle einer bloßen de facto-Liquidation behält, hat er auch Anspruch auf Rechnungslegung gegen den ehemaligen Geschäftsführer und kann diesen Anspruch auch im Klageweg geltend machen.
Demgemäß ist der Revision Folge zu geben. Da Feststellungen darüber fehlen, ob überhaupt noch ein (verwertbares) Vermögen vorhanden war, und der Beklagte dies verwertete, ist eine Verfahrensergänzung erforderlich.
Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.