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OGH vom 24.02.2009, 10Ob102/08k

OGH vom 24.02.2009, 10Ob102/08k

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Schinko als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Fellinger, Dr. Hoch, Hon.-Prof. Dr. Neumayr und Dr. Schramm als weitere Richter in der Sachwalterschaftssache der Betroffenen Edith H*****, geboren am , *****, vertreten durch Dr. Anton Mikosch, Rechtsanwalt in Klagenfurt, infolge der außerordentlichen Revisionsrekurse der Betroffenen und ihres Verfahrenssachwalters, einstweiligen Sachwalters und Betreuers Dr. G***** M*****, Rechtsanwalt in Klagenfurt, gegen den Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt als Rekursgericht vom , GZ 4 R 301/08v-124, womit infolge Rekurses des Günter H*****, vertreten durch Dorda Brugger Jordis Rechtsanwälte GmbH in Wien, der Beschluss des Bezirksgerichts Klagenfurt vom , GZ 2 P 112/04k-119, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Den Revisionsrekursen wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und die Sachwaltschaftssache zur neuerlichen Entscheidung an das Rekursgericht zurückverwiesen.

Text

Begründung:

Für die Betroffene ist beim Erstgericht seit ein unter anderem von ihrem Ehegatten initiiertes Verfahren zur Bestellung eines Sachwalters anhängig. Die Betroffene und ihr Ehegatte Günter H***** sind deutsche Staatsbürger.

Zum bisherigen Verfahrensgang kann im Wesentlichen auf die beiden Entscheidungen des erkennenden Senats vom , 10 Ob 146/05a, und vom , 10 Ob 60/07g, verwiesen werden. Nach den wesentlichen Ausführungen des erkennenden Senats in diesen beiden Entscheidungen sind gemäß § 15 IPRG die Voraussetzungen und die Wirkungen der Bestellung eines Sachwalters nach dem deutschen Sachrecht (§§ 1896 ff BGB), die verfahrensrechtlichen Fragen hingegen nach der lex fori, also grundsätzlich nach österreichischem Recht, zu beurteilen. Es wurde aber auch darauf hingewiesen, dass es gerade in Vormundschafts- und Pflegschaftssachen Bereiche gibt, die sowohl das materielle als auch das formelle Recht berühren. Da nach dem maßgebenden deutschen Sachrecht die Anordnung der Betreuung (Sachwalterschaft), anders als in Österreich, grundsätzlich auch im Interesse eines Dritten möglich ist und dem einschreitenden Ehegatten der Betroffenen nach deutschem Verfahrensrecht ein Anhörungs- und Beschwerderecht eingeräumt ist, bejahte der Oberste Gerichtshof im vorliegenden Fall ein Anhörungsrecht des Ehegatten der Betroffenen iSd § 68a FGG vor Fällung der Sachentscheidung sowie ein Rekursrecht gegen eine allfällige Einstellung des Sachwalterbestellungsverfahrens, verneinte aber ein darüber hinausgehendes Antragsrecht sowie eine Parteistellung des Ehegatten der Betroffenen im Verfahren erster Instanz.

Das Erstgericht stellte in der Folge mit Beschluss vom das Verfahren zur Bestellung eines Sachwalters bzw Betreuers für die Betroffene gemäß § 122 Abs 1 AußStrG ein. Es stellte fest, dass die Betroffene am im Rahmen eines Notariatsakts ihrem Sohn Heinz H***** eine Vollmacht und eine Vorsorgevollmacht erteilt hat, die die Regelung von ärztlichen Maßnahmen, die Vertretung vor Banken, Behörden und Gericht sowie auch die Frage der Aufenthaltsbestimmung umfasst. Für den Fall der Notwendigkeit der Bestellung eines Sachwalters hat die Betroffene erklärt, dass hiezu ihr Sohn Heinz H***** bestellt werden soll. In rechtlicher Hinsicht verwies das Erstgericht darauf, dass die von der Betroffenen nunmehr erteilte Vorsorgevollmacht sämtliche Bereiche umfasse, die sonst von einem Sachwalter bzw Betreuer nach deutschem Recht zu besorgen wären. Sowohl nach österreichischem als auch nach deutschem Recht sei aber die Bestellung eines Sachwalters bzw Betreuers unzulässig, soweit die zu besorgenden Angelegenheiten durch eine Vorsorgevollmacht oder im Rahmen des Familienkreises geregelt werden könnten. Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Ehegatten der Betroffenen Folge und änderte den angefochtenen Beschluss dahin ab, dass Dr. G***** M*****, Präsident der Rechtsanwaltskammer für *****, für die Betroffene zum Verfahrenssachwalter (§ 119 AußStrG), einstweiligen Sachwalter für die Dauer des Verfahrens (§ 120 AußStrG iVm § 1896 BGB) und Betreuer (§ 1896 BGB) bestellt wurde. Weiters sprach das Rekursgericht aus, dass der Wirkungsbereich der einstweiligen Sachwalterschaft und Betreuung die gesamte Vermögensverwaltung sowie die Vertretung gegenüber Ämtern, Behörden und Gerichten umfasst. Es traf - ohne Durchführung einer mündlichen Rekursverhandlung - aufgrund der Aktenlage ergänzende Feststellungen. Nach den entscheidungswesentlichen Feststellungen des Rekursgerichts leidet die Betroffene an näher festgestellten psychischen Erkrankungen, weshalb sie im Zeitpunkt der Erteilung der Vorsorgevollmacht nicht geschäftsfähig war. In rechtlicher Hinsicht führte das Rekursgericht aus, dass die mangelnde Geschäftsfähigkeit der Betroffenen der wirksamen Errichtung der Vorsorgevollmacht entgegenstehe. Da die Betroffene aufgrund ihrer festgestellten psychischen Erkrankung ihre Angelegenheiten im Umfang der beschriebenen Aufgabenkreise nicht ohne Gefahr schwerwiegender Nachteile besorgen könne, sei ihr gemäß § 1896 BGB ein Betreuer und nach dem insoweit anzuwendenden österreichischen Verfahrensrecht mit sofortiger Wirksamkeit ein einstweiliger Sachwalter für denselben Wirkungsbereich sowie ein Verfahrenssachwalter nach § 119 AußStrG zu bestellen. Da aufgrund der näher festgestellten Umstände nicht davon ausgegangen werden könne, dass der Sohn der Betroffenen, Heinz H*****, deren Interessen mit ausreichender Objektivität besorgen werde, und auch der gemeinsame Rechtsvertreter der Betroffenen und ihres Sohnes Heinz H***** wegen der im Verfahren hervorgekommenen möglichen materiellen Interessenkollisionen kein geeigneter Vertreter iSd § 119 AußStrG sei, werde ein anderer Rechtsanwalt zum Verfahrenssachwalter, einstweiligen Sachwalter und Betreuer der Betroffenen bestellt. Das Rekursgericht sprach aus, dass wegen der Einzelfallbezogenheit der vorliegenden Entscheidung der ordentliche Revisionsrekurs an den Obersten Gerichtshof nicht zulässig sei.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Betroffenen wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens, Aktenwidrigkeit und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss im Sinne einer Wiederherstellung der erstgerichtlichen Entscheidung abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Weiters erhob der bestellte Verfahrenssachwalter, einstweilige Sachwalter und Betreuer ebenfalls im Namen der Betroffenen einen außerordentlichen Revisionsrekurs wegen Mangelhaftigkeit des Rekursverfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Rekursgericht bzw Erstgericht zurückzuverweisen. Weiters wird die Abänderung der angefochtenen Entscheidung dahin begehrt, dass der Einschreitervertreter lediglich zum einstweiligen Sachwalter und Betreuer bestellt werde.

Der Ehegatte der Betroffenen beantragte in der ihm freigestellten Revisionsrekursbeantwortung, die beiden Rechtsmittel als unzulässig zurückzuweisen bzw ihnen keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revisionsrekurse sind zulässig, weil dem Rekursgericht ein Verfahrensfehler von erheblicher Bedeutung iSd § 62 Abs 1 AußStrG unterlaufen ist; sie sind im Sinne der beschlossenen Aufhebung auch berechtigt.

Die Revisionsrekurswerberin macht in ihren Rechtsmitteln im Wesentlichen einen Verstoß gegen den Unmittelbarkeitsgrundsatz geltend. Das Erstgericht habe keine Feststellungen zu ihrer Geschäftsfähigkeit getroffen. Das Rekursgericht habe demgegenüber umfangreiche ergänzende Feststellungen getroffen, welche zum Großteil auf Beweismitteln beruhten, die das Erstgericht unmittelbar aufgenommen habe. Diese Vorgangsweise des Rekursgerichts verstoße gegen die Bestimmung des § 52 Abs 2 AußStrG und begründe eine Mangelhaftigkeit des Rekursverfahrens iSd § 66 Abs 1 Z 2 AußStrG. Diesen Ausführungen kommt Berechtigung zu.

1. Vorauszuschicken ist, dass nach § 127 AußStrG im Sachwalterbestellungsverfahren unter anderem die betroffene Person, ihr Vertreter sowie der Verfahrenssachwalter rechtsmittellegitimiert sind. Stimmen Rekurse, die die betroffene Person, ihr gesetzlicher Vertreter und der Verfahrenssachwalter gestellt haben, nicht überein, so sind bei der Entscheidung alle Rechtsmittel inhaltlich zu berücksichtigen (§ 119 letzter Satz AußStrG).

2. Weiters ist darauf hinzuweisen, dass nach § 268 Abs 2 ABGB ein Sachwalter unter anderem auch dann nicht bestellt werden darf, soweit durch eine Vollmacht, besonders eine Vorsorgevollmacht, für die Besorgung der Angelegenheiten der behinderten Person im erforderlichen Ausmaß vorgesorgt ist. Es entfällt somit eine Sachwalterbestellung, wenn die behinderte Person zu einem Zeitpunkt, da sie noch geschäftsfähig gewesen ist, für die Besorgung ihrer Angelegenheiten durch Erteilung einer Vollmacht selbst vorgesorgt hat. Ein spezifisch für diesen Zweck zur Verfügung stehendes Instrument ist die Vorsorgevollmacht nach §§ 284f - 284h ABGB (Hopf in KBB2 § 268 Rz 4). Zur gültigen Errichtung einer Vorsorgevollmacht muss der Vollmachtgeber im Zeitpunkt der Vollmachtserteilung jene Entscheidungsfähigkeit haben, welche erforderlich ist, um über die Angelegenheiten bestimmen zu können, die Inhalt der Vollmacht sind. Beim Vollmachtgeber muss daher bei Errichtung der Vollmacht noch eine hinreichende Geschäftsfähigkeit bzw Einsichts- und Urteilsfähigkeit vorhanden gewesen sein (6 Ob 9/08d mwN ua). Kann der Betroffene hingegen keine rechtsgültige Vollmacht erteilen, ist das Subsidiaritätsprinzip des § 268 Abs 2 ABGB nicht anwendbar. Gemäß § 284g ABGB ist dem Vollmachtgeber trotz wirksamer Vorsorgevollmacht für die in der Vollmacht umschriebenen Angelegenheiten ausnahmsweise ein Sachwalter zu bestellen, wenn der Bevollmächtigte das Wohl des Vollmachtgebers, insbesondere weil er nicht oder nicht im Sinn des Bevollmächtigungsvertrags tätig wird, gefährdet, oder wenn die behinderte Person zu erkennen gibt, dass sie vom Bevollmächtigten nicht mehr vertreten sein möchte.

3. In ähnlicher Weise sieht § 1896 Abs 2 Satz 2 BGB vor, dass die Betreuung nicht erforderlich ist, soweit die Angelegenheiten des Volljährigen durch einen Bevollmächtigten ... oder durch andere Hilfen, bei denen kein gesetzlicher Vertreter bestellt wird, ebenso gut wie durch einen Betreuer besorgt werden können. Auch für das deutsche Recht sind somit die Vorsorgevollmacht und die Betreuung zwei gleichwertige Gestaltungsformen der Fürsorge behinderter Personen, von denen die Vollmacht - unter der Voraussetzung qualifizierter Ebenbürtigkeit („ebenso gut wie durch einen Betreuer") - den Vorrang genießt. Auch im deutschen Recht setzt die wirksame Erteilung einer Vorsorgevollmacht grundsätzlich Geschäftsfähigkeit des Vollmachtgebers voraus (vgl Palandt/Diederichsen, BGB68 Einf v § 1896 Rz 5 mwN). Aber trotz Vorliegens einer Vorsorgevollmacht kann auch nach der deutschen Rechtsprechung bei Zweifeln an der Wirksamkeit der Vollmacht, Nichteignung des Bevollmächtigten, erheblichen Zweifeln an der Redlichkeit des Bevollmächtigten oder sogar konkreten Anhaltspunkten für einen Missbrauch der Vollmacht eine Betreuung angeordnet werden (vgl Palandt/Diederichsen aaO § 1896 Rz 11 mwN).

4. Es ist daher für die Beurteilung der Frage, ob eine Sachwalterbestellung im Hinblick auf die von der Betroffenen erteilte Vorsorgevollmacht zu entfallen hat, sowohl nach österreichischem als auch nach deutschem Recht entscheidungswesentlich, ob die Betroffene im Zeitpunkt dieser Vollmachtserteilung geschäftsfähig war bzw ob der Bevollmächtigte durch seine Tätigkeit ihr Wohl gefährdet. Das Erstgericht hat dazu - offenbar ausgehend von der nicht zutreffenden Rechtsansicht, dass das Vorliegen einer qualifizierten Vorsorgevollmacht iSd § 284f Abs 3 ABGB die Notwendigkeit der Bestellung eines Sachwalters bzw Betreuers für die Betroffene jedenfalls ausschließt - keine ausdrücklichen Feststellungen getroffen. Es ist bei seiner Entscheidung jedoch zweifellos von der Geschäftsfähigkeit der Betroffenen im Zeitpunkt der Errichtung der Vorsorgevollmacht ausgegangen. Das Rekursgericht hat demgegenüber „aufgrund der im Verfahren erster Instanz erhobenen Beweise" ergänzende Feststellungen getroffen, wonach nach dem Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen Dr. S***** vom (ON 67) davon auszugehen sei, dass die Betroffene eine die Sachwalterbestellung rechtfertigende psychische Erkrankung aufweise und insbesondere im Zeitpunkt der Errichtung der Vorsorgevollmacht nicht geschäftsfähig gewesen sei.

4.1. Gemäß § 32 AußStrG hat das Gericht unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des gesamten Verfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, was für wahr zu halten ist und was nicht. Dabei kann gemäß § 31 Abs 1 AußStrG jedes dafür geeignete Beweismittel zur Feststellung des Sachverhalts verwendet werden. Die Erhebungsergebnisse und Tatsachenfeststellungen des erstinstanzlichen Verfahrens sind nach § 53 AußStrG auch der Rekursentscheidung zugrunde zu legen, soweit sie nicht durch die Ergebnisse des Rekursverfahrens eine Berichtigung erfahren haben. Erwägt daher das Rekursgericht, von den Feststellungen des Erstgerichts abzuweichen, so darf es gemäß § 52 Abs 2 AußStrG nur dann von der neuerlichen Aufnahme eines in erster Instanz unmittelbar aufgenommenen, für die Feststellungen maßgeblichen Beweises Abstand nehmen, wenn es vorher den Parteien bekannt gegeben hat, dass es gegen die Würdigung dieses Beweises durch das Erstgericht Bedenken habe, und ihnen Gelegenheit gegeben hat, eine neuerliche Aufnahme dieses Beweises durch das Rekursgericht zu beantragen.

4.2. Nach § 118 Abs 1 erster Satz AußStrG hat sich das Gericht im Verfahren über die Sachwalterschaft für behinderte Personen zunächst einen persönlichen Eindruck von der betroffenen Person zu verschaffen. Die Verschaffung des persönlichen Eindrucks ist eine Kernbestimmung des Sachwalterschaftsverfahrens. Das Sachwalterschaftsverfahren wird von den Grundsätzen der Mündlichkeit und Unmittelbarkeit beherrscht. Gerade im Sachwalterschaftsverfahren ist es wichtig, dass sich der Richter, der die Entscheidung zu treffen hat, ein persönliches Bild vom Betroffenen macht (Maurer, Das österreichische Sachwalterrecht in der Praxis3 § 118 Rz 1 mwN). Die Erstanhörung (§ 118 AußStrG) entspricht daher den für das Sachwalterbestellungsverfahren wesentlichen Grundsätzen der Unmittelbarkeit und des rechtlichen Gehörs (Zankl/Mondel in Rechberger, AußStrG § 118 Rz 1). In diesem Sinne hat das Erstgericht die Betroffene mehrfach einvernommen und das Gutachten des Sachverständigen Dr. S***** in der Tagsatzung vom mündlich erörtert, somit für die entscheidungswesentliche Frage der Geschäftsfähigkeit der Betroffenen wesentliche Beweise unmittelbar aufgenommen. Die Entscheidung des Erstgerichts gründet sich auf die gesamten Verfahrensergebnisse, insbesondere daher auch auf den persönlichen Eindruck von der Betroffenen bei deren Einvernahmen und die Ergebnisse der erwähnten mündlichen Gutachtenserörterung. Das Erstgericht ist nicht zuletzt aufgrund der Ergebnisse dieser unmittelbaren Beweisaufnahme vom Vorliegen der Geschäftsfähigkeit bei der Betroffenen, insbesondere auch im Zeitpunkt der Errichtung der Vorsorgevollmacht, ausgegangen.

4.3. Wenn das Rekursgericht Bedenken gegen die Richtigkeit der erstrichterlichen Würdigung dieser für die Beurteilung der Geschäftsfähigkeit der Betroffenen unmittelbar aufgenommenen Beweise hatte, durfte es gemäß § 52 Abs 2 AußStrG nicht ohne neue Beweisaufnahme eine Umwürdigung dieser Beweise vornehmen. Eine unmittelbare Beweiswiederholung nach § 52 Abs 2 AußStrG wäre dann nicht erforderlich, wenn - anders als im vorliegenden Fall - die Feststellung, von der das Rekursgericht abzuweichen erwägt, ausschließlich auf mittelbar gewonnene Beweise gestützt wurde, die lediglich durch ein unmittelbares Beweismittel ergänzt wurden. Es begründet jedoch einen Verfahrensmangel, wenn das Rekursgericht - wie im vorliegenden Fall - von den tatsächlichen auf unmittelbare Beweisaufnahme gegründeten Feststellungen des Erstgerichts ohne Wiederholung der Beweisaufnahme abgeht (vgl RIS-Justiz RS0122252). Dass das Rekursgericht seine Feststellungen als „ergänzende Feststellungen" bezeichnet hat, ändert daran nichts, weil für den Fall, dass Grundlage für eine erstgerichtliche Entscheidung auch eine unmittelbare Beweisaufnahme war, vom Erstgericht unterlassene Feststellungen ebenfalls nur nach einer unmittelbaren Beweiswiederholung getroffen werden können (vgl RIS-Justiz RS0043057).

4.4. Im vorliegenden Fall liegen der Entscheidung des Erstgerichts, wie bereits erwähnt, auch der persönliche Eindruck von der Betroffenen bei deren Einvernahmen sowie die Ergebnisse der mündlichen Gutachtenserörterung zugrunde. Wenn das Rekursgericht eine Ergänzung des Verfahrens für erforderlich hielt, hätte es dies nur auf der Grundlage einer Beweiswiederholung in einer mündlichen Verhandlung tun dürfen (vgl 3 Ob 108/07i; 6 Ob 540/87 ua), zumal der Unmittelbarkeitsgrundsatz gemäß § 52 Abs 2 AußStrG nunmehr im Verfahren außer Streitsachen ausdrücklich auch für das Rekursgericht angeordnet ist (6 Ob 178/06d). Die Verletzung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes bedeutet eine erhebliche Verletzung einer Vorschrift des Verfahrensrechts, deren Wahrnehmung der Wahrung der Rechtssicherheit dient (3 Ob 108/07i).

4.5. Soweit der Ehegatte der Betroffenen in seinen Revisionsrekursbeantwortungen demgegenüber die Ansicht vertritt, bei der Bestellung eines Verfahrenssachwalters, einstweiligen Sachwalters und Betreuers handle es sich bloß um vorläufige Maßnahmen, welche mit einem Provisorialverfahren und dem Erlass einer einstweiligen Verfügung vergleichbar seien, weshalb der Unmittelbarkeitsgrundsatz (für das Rekursgericht) nicht gelte, ist darauf hinzuweisen, dass die Bestellung eines Sachwalters nach § 268 ABGB im außerstreitigen Verfahren zu erfolgen hat und daher die entsprechenden Bestimmungen des AußStrG und nicht jene des Sicherungsverfahrens nach den §§ 378 ff EO Anwendung zu finden haben. Nicht zielführend ist auch der weitere Hinweis, dass die Bestellung eines einstweiligen Sachwalters nach § 120 AußStrG auch ohne Durchführung einer Erstanhörung erfolgen kann, da im gegenständlichen Fall eine solche Erstanhörung vom Erstgericht tatsächlich vorgenommen wurde. Bei den vom Rekursgericht getroffenen Feststellungen handelt es sich auch zweifellos nicht um offenkundige Feststellungen iSd § 269 ZPO, welche vom Rekursgericht von Amts wegen ohne Beweisaufnahme seiner Entscheidung zugrunde gelegt werden konnten.

5. Aus den dargelegten Erwägungen war daher in Stattgebung der Revisionsrekurse der Betroffenen und des Verfahrenssachwalters die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Sachwalterschaftssache an das Rekursgericht zur neuerlichen Entscheidung zurückzuverweisen. Auf die weiteren Rechtsmittelausführungen muss nicht mehr eingegangen werden. Bemerkt wird nur noch, dass gemäß § 119 AußStrG ein Verfahrenssachwalter nur dann zu bestellen ist, wenn die betroffene Person keinen gesetzlichen oder (wirksam) selbstgewählten Vertreter hat oder eine Interessenkollision besteht.