OGH vom 24.01.2001, 9Ob13/01d

OGH vom 24.01.2001, 9Ob13/01d

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer, Dr. Spenling, Dr. Hradil und Dr. Hopf als weitere Richter in der Rechtssache der gefährdeten Partei DiplÖK Klaus V*****, *****, vertreten durch Dr. Peter Kunz ua, Rechtsanwälte in Wien, gegen den Gegner der gefährdeten Partei Dr. Reinhard H*****, *****, vertreten durch Dr. Ivo Greiter ua, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen Unterlassung (S 450.000,-), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der gefährdeten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichtes Innsbruck als Rekursgericht vom , GZ 2 R 459/00i-10, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 528a iVm § 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Vertragsgegenstand von Syndikatsverträgen ist die Ausübung des Stimmrechts in der Gesellschaft. Sie sind eine sinnvolle Ergänzung des Gesellschaftsvertrages, greifen jedoch nicht unmittelbar in die gesellschaftliche Organisation ein. Die bindungswidrig abgegebene Stimme ist daher wirksam. Auch eine Anfechtung des Beschlusses wegen Verletzung des Stimmbindungsvertrages scheidet aus, sofern sich die Stimmbindung nicht darauf beschränkt, die - auch ohne Syndikatsvertrag gegebene - Treuepflicht zu konkretisieren (EvBl 1993/199; RdW 1996,16; SZ 70/98). In der im Revisionsrekurs ins Treffen geführten, (eine GmbH betreffende) Entscheidung 2 Ob 46/97 (= RdW 1999, 721) hat der OGH grundsätzlich an dieser Rechtsprechung festgehalten; er hat lediglich die Meinung vertreten, dass es "in einigen Fällen" sachgerecht erscheine, Gesellschafterbeschlüsse, die unter Verletzung von Stimmbindungsvereinbarungen zustande kamen, als anfechtbar zu betrachten. Dieser "Durchgriff" lasse sich aber nur rechtfertigen, wenn er in der ausgeprägten personalistischen Struktur der Gesellschaft begründet sei, da in einer solchen Gesellschaft aufgrund der geringen Zahl und der in der Person jedes einzelnen Gesellschafters gelegenen Bedeutung der Gesellschafter für die Gesellschaft selbst, diese nicht losgelöst von ihren Gesellschaftern betrachtet werden könne und daher die Berücksichtigung des einheitlichen Willens aller Gesellschafter insgesamt auch bei Handlungen, die der Gesellschaft alleine zuzuordnen seien, geboten erscheine.

Diese zuletzt wiedergegebene Überlegung lässt sich aber auf - kapitalistischer strukturierte - Aktiengesellschaften nicht einfach übertragen. Vor allem sind sie im hier zu beurteilenden Fall deshalb nicht anzuwenden, weil ein Vertrag, der die Ausübung des Stimmrechts durch die beteiligten Aktionäre regelt, den hier handelnden Alleinvorstand schon deshalb nicht binden kann, weil dieser - wie schon das Rekursgericht zutreffend hervorgehoben hat - notwendig gegenüber der Hauptversammlung weisungsfrei gestellt ist (§ 70 AktG;

Schiemer/Jabornegg/Strasser, Kommentar zum Aktiengesetz3 417;

Kastner/Doralt/Nowotny, Grundriss des österreichischen Gesellschaftsrechts5 217). Dass der Vorstand iS § 103 Abs 2 AktG eine Entscheidung der Hauptversammlung in der hier interessierenden Frage verlangt hat, wurde nicht einmal behauptet.

Dass auf diese Weise der "syndikatsvertragliche" Schutz der Syndikatsmitglieder völlig außer Kraft gesetzt wäre, trifft nicht zu (zur Möglichkeit der Durchsetzung von Stimmbindungsverträgen: Schiemer/Jabornegg/Strasser, aaO 781 f). Das Schutzbedürfnis einzelner Konsorten kann aber nicht dazu führen, dem Stimmrecht der Aktionäre Bedeutung zu verleihen, die ihm nach dem Gesetz nicht zukommt.

Soweit der Rekurswerber der im Syndikatsvertrag enthaltenen Bestimmung über das Entlassungsrecht unabhängig von diesen Überlegungen die Wirkung einer arbeitsvertraglichen Kündigungs- bzw. Entlassungsbeschränkung beimisst, übersieht er, dass - wie er selbst im Revisionsrekurs an anderer Stelle ausführt - in seinem Dienstvertrag eine Bindung der Kündigung oder Entlassung an die Zustimmung einer qualifizierten Mehrheit in der Konsortialversammlung nicht festgelegt ist. Die von ihm in diesem Zusammenhang vorgebrachten Beispiele - Vereinbarungen über das "Definitivum" bzw. (was die Wirkung anlangt) über ein der Entlassung vorzuschaltendes Disziplinarverfahren - betreffen sämtlich kollektivvertragliche, also den Inhalt des Dienstverhältnisses regelnde Normen. Hingegen regelt der Syndikatsvertrag die Ausübung des Stimmrechts der Aktionäre, bestimmt aber nicht den Inhalt des Dienstvertrags. Das Rekursgericht hat daher einen wirksam mit dem Antragsteller vereinbarten vertraglichen Entlassungsschutz zu Recht verneint.

Ob der Beschluss des Konsortiums nichtig war, braucht daher nicht geprüft zu werden.

Sittenwidrig könnte die Entlassung des Gefährdeten nur sein, wenn sie aus einem iS 879 ABGB als sittenwidrig zu qualifizierenden Beweggrund erfolgt wäre (vgl zur Kündigung: SZ 66/95; RIS-Justiz RS0016680). Derartiges vermochte der insoweit bescheinigungspflichtige Antragsteller aber nicht zu bescheinigen. Dem vom Erstgericht als bescheinigt angenommenen Sachverhalt ist nur zu entnehmen, dass es zwischen dem (Allein-)Vorstand der AG und dem Antragsteller Meinungsverschiedenheiten über von letzterem im Rahmen seiner Prokura getätigte Devisentermin- und Optionsgeschäfte gab, die Verluste in nicht näher bekannter Millionenhöhe mit sich brachten. Während es sich nach der Ansicht des Antragstellers um Währungssicherungsgeschäfte zur Absicherung des Wechselkursrisikos gehandelt habe, vertritt der Vorstand die Meinung, dass es sich um reine Spekulationsgeschäfte handle. Damit ist nicht einmal klargestellt, ob die Entlassung gerechtfertigt war (im Gegensatz zur Meinung des Rekurswerbers trifft ihn auch insofern die Bescheinigungslast, weil sein Gegner nicht der Arbeitgeber, sondern ein von diesem verschiedener Dritter ist, gegen den der Antragsteller aus der von ihm behaupteten Unwirksamkeit der Entlassung Ansprüche ableitet). Umso weniger kann auf der Grundlage dieses Sachverhaltes gesagt werden, dass der Vorstand aus gänzlich unsachlichen Gründen bzw. wider besseres Wissen, rein eigennützig und in der ausschließlichen Absicht, dem Antragsteller zu schaden, gehandelt habe. Dass die Entlassung Folgen hat, die vom Antragsteller als für den Vorstand positiv beurteilt werden, reicht für sich allein für die Annahme eines sittenwidrigen Motivs nicht aus.