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iFamZ 3, Mai 2011, Seite 124

Zum Kindeswohl als Leitmaxime bei Rückführungsanordnungen

Wird endlich gut, was lange währt? – Besprechung von EGMR (Große Kammer) 6. 7. 2010, Appl Nr 41615/07, Neulinger und Shuruk gg Schweiz

Peter Möckli

Die Große Kammer des EGMR betont zwei Aspekte des Kindeswohls, an denen sich eine Sorgerechtsentscheidung zu orientieren habe: das Familienband und die Entwicklung in einem gesunden Umfeld. Eine Rückführung unter dem Regime des HKÜ dürfe nicht automatisch angeordnet werden; vielmehr sei eine Einzelfallbetrachtung geboten. Der EGMR erachtet es nicht als seine Aufgabe, anstelle der nationalen Behörden zu untersuchen, ob eine schwerwiegende Gefahr iSv Art 13 Abs 1 lit b HKÜ vorliege; ihm obliege die Sicherstellung, dass die nationalen Gerichte die Garantien des Art 8 EMRK, namentlich das Kindeswohl, beachten würden. Im konkreten Fall verstoße die Rückführungsanordnung gegen Art 8 EMRK. – Das ist im Ergebnis unzweifelhaft richtig, die Erwägungen des EGMR werfen freilich für die nationalen Gerichte mehr Fragen auf, als sie Klarheit schaffen.

I. Sachverhalt und Prozessgeschichte

Die schweizerische, belgische und israelische Staatsangehörige Isabelle Neulinger lebte seit 1999 in Israel, wo sie 2001 einen israelischen Staatsangehörigen heiratete und 2003 den gemeinsamen Sohn Noam zur Welt brachte. Bald traten eheliche Schwierigkeiten auf. Die Mutter befürchtete, der Vater könnte das Kind in eine ultraorthodoxe ...

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