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OGH vom 25.03.2014, 4Ob3/14s

OGH vom 25.03.2014, 4Ob3/14s

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. C***** S*****, vertreten durch Dr. Anton Krautschneider, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Ing. K***** B*****, vertreten durch Mag. Erwin Dirnberger, Rechtsanwalt in Wien, wegen 103.775 EUR sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 14 R 32/13y 60, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom , GZ 20 Cg 17/11h-45, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 2.145,24 EUR (darin 357,54 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin kaufte am eine noch zu errichtende Dachgeschosswohnung. Die Verkäuferin sollte die Wohnung auch errichten. Der Kaufpreis wurde vereinbarungsgemäß auf das Konto eines Treuhänders eingezahlt. Der Vertrag enthält auszugsweise folgende Vereinbarung über die Auszahlung des Kaufpreises an die Verkäuferin nach einem Ratenplan im Sinn des § 10 BTVG:

„a) 15 von Hundert bei Vertragsabschluss,

b) 35 von Hundert nach Fertigstellung des Rohbaus und des Dachs,

c) 20 von Hundert nach Fertigstellung der Rohinstallationen,

d) 12 von Hundert nach Fertigstellung der Fassade und der Fenster einschließlich deren Verglasung,

e) 12 von Hundert nach Bezugsfertigstellung oder bei vereinbarter vorzeitiger Übergabe des eigentlichen Vertragsgegenstandes,

f) 4 von Hundert nach Fertigstellung der Gesamtanlage und

g) der Rest nach Ablauf von drei Jahren ab der Übergabe des Vertragsgegenstandes (Haftrücklass).“

Punkt II.4. lautet: „Die Vertragsteile werden gemeinsam feststellen, ob die jeweilige Übergabe- und Auszahlungsvoraussetzung gemäß Punkt II vorliegen und den Vertragserrichter (…) schriftlich darüber informieren. Sollte die Käuferin trotz Vorliegens der Auszahlungsvoraussetzung nicht binnen 3 Tagen an den Vertragserrichter die Auszahlungsbestätigung übermitteln, so ist der allgemein beeidete und gerichtlich zertifizierte Sachverständige [der Beklagte] als Schiedsgutachter heranzuziehen. Der Schiedsgutachter hat sohin die Frage über den Eintritt der Zahlungsvoraussetzungen zu beurteilen.“

Am zahlte der Treuhänder in Erfüllung der zweiten Rate des Ratenplans 103.775 EUR an die Verkäuferin, obwohl der Rohbau zu diesem Zeitpunkt noch nicht vollständig fertiggestellt war. Ausgelöst hat diese Zahlung die (unrichtige) Bestätigung des als Schiedsgutachter tätigen Beklagten gegenüber dem Treuhänder, dass Rohbau und Dach fertiggestellt seien (Beil ./C). Der verrechenbare Bauwert betrug am 123.000 EUR.

Die Klägerin begehrte Zahlung von 103.775 EUR samt 4 % Zinsen seit auf das Konto des Treuhänders. Der Beklagte habe durch seine unrichtige Bestätigung die vorzeitige Überweisung der zweiten Rate von 35 % des Kaufpreises (dies entspricht dem Klagsbetrag) an die Verkäuferin verursacht und hafte für dieses schuldhafte Fehlverhalten. Es werde die Rückzahlung dieses Betrags auf das Treuhandkonto begehrt.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Nicht er, sondern die Verkäuferin habe den ausgezahlten Betrag vom Treuhandkonto erhalten und sei daher dem geltend gemachten Rückforderungsanspruch nach §§ 14, 15 BTVG ausgesetzt. Gegen ihn könne nur ein Schadenersatzanspruch geltend gemacht werden, der aber voraussetze, dass überhaupt ein Schaden eingetreten sei. Solches sei nicht der Fall, weil die Bauleistung im Zeitpunkt der Zahlung höherwertig gewesen sei als der vom Treuhänder überwiesene Betrag.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Nach dem BTVG bestehe ein Rückforderungsanspruch nur gegen den Bauträger. Der Anspruch gegen den Sachverständigen wegen einer behaupteten Fehlbegutachtung, die zu einer Auszahlung an den Bauträger führe, sei ein Schadenersatzanspruch. Die Geltendmachung des gesamten Auszahlungsbetrags sei daher „sachwidrig“, es sei vielmehr die Schadenshöhe zu bestimmen. Der Wert der mittlerweile erbrachten Bauleistungen übersteige den Klagsbetrag. Damit sei der Klägerin aber kein Schaden entstanden. Ein allfälliger zukünftiger Schaden könne allenfalls mit Feststellungsbegehren geltend gemacht werden.

Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil dahin ab, dass es dem Klagebegehren stattgab; es sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil Rechtsprechung zur Frage fehle, ob bei aufrechtem Bauträgervertrag im Fall von Schadenersatzansprüchen nach § 13 Abs 2 BTVG gegen den Sachverständigen, der zu Unrecht eine Bestätigung der Fertigstellung eines Bauabschnitts erteilt hat, die Werthaltigkeit der bis dahin erbrachten Bauleistungen zu berücksichtigen sei.

Die Klägerin verfolge vertragliche Schadenersatzansprüche gegenüber dem Beklagten als Sachverständigen; der Vertrag zwischen dem Treuhänder und dem Sachverständigen entfalte Schutzwirkung zugunsten des Erwerbers. Die Klägerin habe durch das Verhalten des Beklagten einen Schaden erlitten, der im Verlust der Sicherheit des Erlags auf dem Treuhandkonto bestehe. Sie könne daher vom Schädiger Naturalrestitution begehren. Auf den Wert der bisher erbrachten Bauleistungen komme es nicht an. Dieser Auffassung widerspreche die Entscheidung 9 Ob 50/11k nur scheinbar; dort sei zwar eine Differenzrechnung angestellt worden, doch habe sich der Bauträger in Insolvenz befunden, weshalb eine Ersatzvornahme durchzuführen gewesen sei. Anders als hier habe daher die Frage der Sicherstellung keine Rolle mehr gespielt. Der Beklagte habe die Bauabschnittsbestätigung rechtswidrig und schuldhaft unrichtig ausgestellt, weil feststehe, dass sowohl zum Zeitpunkt der Ausstellung der Bestätigung als auch zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz der Rohbau noch nicht abgeschlossen gewesen sei. Der Sachverständige habe sich bei der Bauabschnittsprüfung auf jene Bauleistungen zu beschränken, die dem jeweiligen Abschnitt zugeordnet seien und dürfe keine Kompensation mit Leistungen durchführen, die eindeutig einem anderen Bauabschnitt zuzuordnen seien. Das Ausstellen einer objektiv falschen Bestätigung sei dem Beklagten vorzuwerfen; er habe den ihm gemäß § 1298 ABGB obliegenden Beweis fehlenden Verschuldens nicht angetreten. Zweck des vereinbarten Ratenplans sei es, eine Wertrelation zwischen dem Baufortschritt und den Leistungen des Erwerbers zu sichern. Der Beklagte habe vom klaren Wortlaut der Parteienvereinbarung und den gesetzlichen Regelungen nicht abweichen dürfen. Die von der Klägerin begehrte Zahlung in Höhe der zweiten Rate an den Treuhänder stelle jenen Zustand wieder her, der ohne die unrichtige Bestätigung des Beklagten, also bei korrektem Vorgehen, gegeben gewesen wäre.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig; das Rechtsmittel ist aber nicht begründet.

1.1. Der Beklagte macht als Feststellungsmangel geltend, das Berufungsgericht sei nur deshalb unzutreffend von den Grundsätzen der Entscheidung 9 Ob 50/11k abgewichen, weil es ohne ergänzende Feststellungen zu treffen fälschlich davon ausgegangen sei, dass der Bauträgervertrag zwischen der Klägerin und dem Bauträger aufrecht sei.

1.2. Dem ist entgegenzuhalten, dass ein rechtlicher Feststellungsmangel nicht erfolgreich geltend gemacht werden kann, wenn zu einem bestimmten Thema ohnehin Feststellungen getroffen worden sind (RIS Justiz RS0043480 [T19]).

1.3. Das Erstgericht hat „die Konstellation festgestellt wie von der klagenden Partei in der Klage zunächst unstrittig vorgebracht“. Berücksichtigt man diese Feststellung unter Einbeziehung der Wiedergabe des Vorbringens der Klägerin durch das Erstgericht, ergibt sich daraus, dass das Erstgericht vom Bestehen des Bauträgervertrags ausgegangen ist.

1.4. Die in erster Instanz siegreich gebliebene Partei muss in der Berufungsbeantwortung die ihr nachteiligen Feststellungen bekämpfen, will sie im weiteren Verfahren daran nicht gebunden sein (RIS Justiz RS0042740 [T44]). Solches ist hier nicht geschehen. Auch hat der Beklagte im Verfahren erster Instanz nicht eingewendet, der Bauträgervertrag mit der Klägerin sei mittlerweile aufgelöst. Das Berufungsgericht durfte daher zutreffend vom gültigen Bestehen des Bauträgervertrags ausgehen.

2.1. Vorauszuschicken ist, dass der Beklagte in dritter Instanz nicht mehr in Frage stellt, in seiner Eigenschaft als von den Parteien des Bauträgervertrags bestellter Baufortschrittsprüfer rechtswidrig und schuldhaft einen tatsächlich noch nicht erreichten Bauabschnitt bestätigt zu haben. Er steht aber weiterhin auf dem Standpunkt, der Klägerin sei durch sein Verhalten kein Schaden entstanden, weil sie für die vorzeitig vom Treuhänderkonto abgerufene Zahlung ohnehin einen ausreichenden Gegenwert erhalten habe. Dem kann nicht beigepflichtet werden.

2.2. Bei der Beurteilung der Frage, ob ein Schaden entstanden ist, sind zwei Vermögenslagen miteinander zu vergleichen: Die wirkliche, die durch das in Frage stehende schädigende Ereignis eingetreten ist, und die, welche ohne dieses Ereignis bestand eine gedachte hypothetische Lage. Ist die wirkliche Vermögenslage gegenüber der gedachten zum Nachteil des Betroffenen, dann liegt ein Schaden im Rechtssinn vor (RIS Justiz RS0022477).

2.3. Der weite Schadensbegriff des ABGB umfasst jeden Zustand, der rechtlich als Nachteil aufzufassen ist (RIS Justiz RS0022537 [T5]). Nachteil am Vermögen ist jede Minderung im Vermögen, der kein volles Äquivalent gegenübersteht (RIS Justiz RS0022537 [T2]; 4 Ob 246/12y).

2.4. Auch der Verlust der Sicherheit eines Gläubigers ist ein realer ersatzfähiger Schaden, der bereits mit dem Verlust der Sicherheit und nicht erst in dem Zeitpunkt entsteht, in dem endgültig feststeht, dass die Forderung uneinbringlich ist. Deshalb kann der Gläubiger in diesen Fällen vom Schädiger bereits bei Verlust der Sicherheit Naturalrestitution in Form der Bereitstellung einer Sicherheit (zB Bankgarantie, Barkaution oder dergleichen), mit der die verlorene Sicherheit wieder erreicht wird, verlangen (vgl RIS Justiz RS0022526, RS0022477, RS0022537).

2.5. So ist auch die einer Verminderung präsenten Bargelds gleichzuhaltende Verminderung eines Treuhanderlags infolge treuwidrigen Handelns des Treuhänders ein Schaden des Treugebers (RIS Justiz RS0022602 [T13]).

3.1. Das Berufungsgericht hat diesen Grundsätzen höchstgerichtlicher Rechtsprechung folgend zutreffend erkannt, dass der durch das Verhalten des Beklagten verursachte Schaden der Klägerin im Verlust einer Sicherheit liegt, wobei die Sicherung im ihr vom Bauträger vertraglich eingeräumten Recht besteht, einen (treuhändig erlegten) Kaufpreisrest je nach Baufortschritt zurückhalten zu dürfen.

3.2. Zweck der Ratenplanmethode nach Bauabschnitten (§ 10 BTVG), deren jeweiliger Abschluss unter Beiziehung von Sachverständigen festgestellt werden kann (§ 13 Abs 2 BTVG), ist es, eine Entsprechung zwischen den Zahlungen des Erwerbers und der Erhöhung des Werts der Liegenschaft bzw seines Liegenschaftsanteils durch die inzwischen erbrachten Bauleistungen zu gewährleisten (vgl RIS Justiz RS0119703).

3.3. Der Sachverständige haftet dem Erwerber für jeden Schaden, den dieser aus einer fehlerhaften Tätigkeit des Sachverständigen erleidet. Er hat insbesondere dafür zu sorgen, dass die gewünschte Wertrelation zwischen dem Sicherungserfordernis des Erwerbers und seinen jeweiligen Baufortschrittszahlungen gewahrt bleibt. Die Haftung des sachverständigen Baufortschrittprüfers bezieht sich auf die Sicherung des Erfüllungsanspruchs des Erwerbers gegen den Bauträger in der Bauphase ( Gartner , BTVG², § 13 Rz 17 f).

3.4. Engin-Deniz (BTVG², § 10 Rz 3) verweist zutreffend darauf, dass sich der Erwerber auch auf sein Zurückbehaltungsrecht nach § 1052 ABGB berufen kann, wenn Mängel vorliegen, die nach der Verkehrsauffassung bewirken, dass der Bauabschnitt wegen des Umfangs der Mängel als noch nicht abgeschlossen anzusehen ist. Die Anwendbarkeit des Zurückbehaltungsrechts nach § 1052 ABGB kann dann auch nicht mit der Begründung in Abrede gestellt werden, dass der Erwerber für seine Zahlungen zur Sicherung allfälliger Rückforderungsansprüche ohnedies einen ausreichenden Gegenwert erhält. Regelungszweck von § 1052 ABGB ist nämlich nicht bloß die Sicherung von Rückforderungsansprüchen, sondern auch des Erfüllungsanspruchs (Einhaltung des Zug-um-Zug-Prinzips).

3.5. Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass der im Bauträgervertrag zu Gunsten der Klägerin vereinbarte Sicherungszweck (abschnittsweise Zahlung des Kaufpreises) durch ein rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten des Beklagten vereitelt worden ist, weil eine Zahlung vorzeitig vom Treuhänderkonto abgerufen worden ist. Der Schaden der Klägerin liegt im Verlust der Absicherung für die Fertigstellung des betreffenden Bauabschnitts.

3.6. Ob dieser vorzeitigen Zahlung ohnehin ein ausreichender Gegenwert in Form bisher erreichter Bauleistungen gegegenüberstand, ist im Abwicklungsstadium unerheblich, solange wie hier nicht feststeht, dass der Bauträgervertrag endgültig nicht mehr erfüllt werden kann.

3.7. Durch letzteres Sachverhaltselement unterscheidet sich der Anlassfall auch vom Sachverhalt, der der deshalb nicht einschlägigen Entscheidung 9 Ob 50/11k zu Grunde lag:

Während dort dem nur rudimentär wiedergegebenen Sachverhalt zu entnehmen ist, dass infolge Insolvenz des Bauträgers eine Fertigstellung durch Ersatzvornahme zu erfolgen hatte, deren Aufwand der Sachverständige zu ersetzen hatte, der infolge fehlerhafter Feststellungen eine verfrühte Freigabe von Geldern des Erwerbers verursacht hat, geht es hier nicht um die Berechnung eines konkreten Aufwandersatzes , sondern um die Wahrung des Interessenausgleichs zwischen der Vorfinanzierung des Bauvorhabens durch den Bauträger und dem Sicherungserfordernis des Erwerbers während des laufenden Bauvorhabens.

3.8. Der Beklagte hat der Klägerin daher Schadenersatz in Form von Naturalrestitution durch Wiederauffüllung des Treuhandkontos auf den Stand vor der durch ihn verursachten vertragswidrigen Auszahlung zu leisten. Seiner Revision kann deshalb kein Erfolg beschieden sein.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41 Abs 1, 50 Abs 1 ZPO.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:2014:0040OB00003.14S.0325.000