OGH vom 18.07.2018, 5Ob62/18f

OGH vom 18.07.2018, 5Ob62/18f

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann, die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei K*****, vertreten durch die Poduschka Anwaltsgesellschaft mbH, Linz, gegen die beklagte Partei ***** AG, *****, vertreten durch die Pressl Endl Heinrich Bamberger Rechtsanwälte GmbH, Salzburg, wegen 31.008 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom , AZ 1 R 7/18g-30, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Die Beklagte hat ihren Sitz in Deutschland und ist die Mehrheitsaktionärin jenes Unternehmens, das das vom Kläger am bei einem inländischen Händler erworbene Kraftfahrzeug hergestellt hat. Die in diesem eingebaute Antriebsmaschine samt Software wurde von ihr entwickelt.

Der Kläger begehrte die Zahlung von 31.008 EUR sA Zug um Zug gegen die Rückgabe eines näher beschriebenen Fahrzeugs, in eventu die Feststellung der Haftung der Beklagten ihm gegenüber für jeden Schaden, der aus dem Einbau von Manipulationssoftware bei einem Dieselmotor eines bestimmten Typs zukünftig entstehe. In dem von ihm erworbenen Fahrzeug sei eine Manipulationssoftware verbaut gewesen, die bewirkt habe, dass zumindest die Stickoxydwerte (NOx-Werte) nicht den Angaben im Typenschein entsprochen hätten. Die Beklagte habe ihn vorsätzlich in Irrtum geführt und hafte daher nach § 874 ABGB, weswegen er die Rückabwicklung des Kaufvertrags im Wege der Naturalrestitution begehre. Darüber hinaus hafte die Beklagte nach allgemeinen Grundsätzen für den dadurch verursachten Schaden, der bereits mit dem Erwerb des Fahrzeugs entstanden sei. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass das Fahrzeug wegen der Software oder des Softwareupdates in Zukunft einen Wertverlust erleiden werde.

Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichts, das das Haupt- und Eventualbegehren abwies. Voraussetzung für einen Anspruch auf Schadenersatz sei, dass die Handlung oder Unterlassung – hier die behauptete arglistige Irreführung – für den Schaden kausal gewesen sei. Der Geschädigte habe daher nicht nur den Eintritt eines Schadens und dessen Höhe, sondern auch den Kausalzusammenhang zwischen dem Verhalten des Schädigers und dem Schadenseintritt zu behaupten und zu beweisen. Stehe fest, dass der Kläger das Fahrzeug zu denselben Bedingungen gekauft hätte, wenn er von der installierten Software gewusst hätte, scheide ein auf welche Rechtsgrundlage auch immer gestützter Schadenersatzanspruch von vorneherein aus. Durch das Aufspielen einer neuen Software sei der Kläger zudem klaglos gestellt.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die außerordentliche Revision des Klägers, die keine Rechtsfragen von erheblicher Bedeutung anspricht.

1. Der Kläger kann seinen Schadenersatzanspruch nicht auf eine vertragliche Grundlage stützen. Nach seinen Behauptungen ist der Schaden in seinem Vermögen mit dem Kauf des Fahrzeugs eingetreten. Da dieser im Inland erfolgte, haben die Vorinstanzen zu Recht österreichisches Recht angewendet (Art 4 Abs 1 der Verordnung (EG) Nr 864/2007 [Rom II VO]).

2. Allgemein anerkannt ist, dass § 874 ABGB als Schadenersatzgrundlage nicht nur dann in Betracht kommt, wenn zwischen dem listig Irregeführten und dem Irreführenden ein Vertragsverhältnis besteht. § 874 ABGB verpflichtet auch den selbst nicht vertragsbeteiligten Dritten zum Schadenersatz, wenn er den Vertrag durch List bewirkt hat (RIS-Justiz RS0016298; Bollenberger in KBB5§ 874 ABGB Rz 1; Rummel in Rummel/Lukas4 § 874 ABGB Rz 3; Riedler in Schwimann/Kodek, ABGB4§ 874 Rz 5; Pletzer in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.02 § 874 Rz 10).

3.1 Nach § 874 ABGB ist der Schaden zu ersetzen, der durch die widerrechtliche Einwirkung auf den Willen des Betrogenen verursacht wurde. Dieser Schaden kann darin bestehen, dass der Betrogene infolge des Betrugs einen ihm nachteiligen Vertrag geschlossen hat oder darin, dass er infolge des Vertrags, den er unter dem Einfluss des Irrtums eingegangen ist, einen ihm vorteilhaften Vertragsabschluss versäumt hat (RIS-Justiz RS0025334). Zu ersetzen ist im Regelfall der Vertrauensschaden (RIS-Justiz RS0016293). Der Geschädigte ist so zu stellen, wie er ohne Pflichtverletzung stünde (Pletzer aaO Rz 16; Rummel aaO Rz 4).

3.2

Grundsätzlich hat jede Partei die für ihren Rechtsstandpunkt günstigen Tatsachen zu beweisen (RIS-Justiz RS0037797; RS0039939 [T6, T 7]; RS0109832 [T1]).

Bei einem Begehren auf Schadenersatz obliegt dem Geschädigten regelmäßig der Beweis für den Kausalzusammenhang zwischen dem Verhalten des Schädigers und dem Eintritt des Schadens (RIS-Justiz RS0022664 [T4]). Das gilt auch dann, wenn es sich bei dem schadensauslösenden Ereignis um eine Unterlassung handelt (RIS-Justiz RS0022664 [T5]; RS0022900).

3.3 Nach den für den Obersten Gerichtshof bindenden und damit maßgeblichen Feststellungen wusste der Kläger bei Ankauf des Fahrzeugs zwar nicht, dass eine die Abgasrückführungsrate am Prüfstand beeinflussende Software im Motorsteuerungsgerät installiert war, er hätte das Fahrzeug aber zu den selben Bedingungen gekauft, wenn er darüber in Kenntnis gewesen wäre. Damit begründet es keine im Einzelfall aufzugreifende Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts, wenn es die Kausalität des angeblichen vorsätzlich irreführenden Verhaltens der Beklagten für den geltend gemachten Schaden verneinte, weil der Kläger den Vertrag zu den selben Bedingungen abgeschlossen hätte, wenn er Kenntnis von den von ihm nunmehr beanstandeten Umständen gehabt hätte, und daher auch bei Aufklärung über die Täuschungshandlung nicht anders gestellt wäre als dies nunmehr der Fall ist. Er hätte das Fahrzeug in jedem Fall erworben, womit seiner Ansicht nach der Schaden in seinem Vermögen eingetreten ist. Ob die Beklagte im Wege der Naturalrestitution (§ 1323 ABGB) eine Rückabwicklung des Vertrags gegen sich gelten lassen müsste und zur Zahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rücknahme des Fahrzeugs verpflichtet werden könnte (so wohl Kogler, Falsche Abgaswerte – Rechtsfolgen, Sachverständige 2017/17, 71 [74f] in Anlehnung an die Haftung für Anlegerschäden), muss damit nicht mehr untersucht werden. Ob der Kläger durch das Einspielen eines Softwareupdates klaglos gestellt wurde, wie das Berufungsgericht meint, ist bei dieser Sachlage ebenfalls nicht mehr relevant.

4.1 Es trifft zwar zu, dass ein Feststellungsinteresse iSd § 228 ZPO schon dann bejaht wird, wenn nur die Möglichkeit künftiger Schäden aus dem im Feststellungsbegehren bezeichneten Ereignis besteht (RIS-Justiz RS0038865, RS0038971, RS0038976, RS0039018). Die Feststellung der Haftung für zukünftige Schäden kommt aber nur unter der Voraussetzung in Betracht, dass bereits alle diesen Anspruch erzeugenden Tatsachen – mit Ausnahme des Schadens – festgestellt werden können (RIS-Justiz RS0038822). Eine Schadenersatzpflicht kann daher nur dann Gegenstand einer Feststellung im Sinn des § 228 ZPO sein, wenn es sich um eine bereits gegenwärtige und in allen rechtserzeugenden Tatsachen vollständig konkretisierte Verpflichtung handelt (vgl RIS-Justiz RS0039318; Frauenberger-Pfeiler in Fasching/Konecny³ III/1 § 228 ZPO Rz 59).

4.2 Hier steht fest, dass der Kläger das Fahrzeug in jedem Fall erworben hätte, also auch bei Kenntnis von der Manipulationssoftware, sodass es für eine schadenersatzrechliche Haftung der Beklagten schon am erforderlichen Kausalzusammenhang fehlt. Mit seinem Hinweis, dass ein Wertverlust wegen der Manipulationssoftware oder des Updates und damit der Eintritt eines zukünftigen Schadens nicht ausgeschlossen werden konnte, spricht der Revisionswerber daher ebenfalls keine Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts an.

5. Ausgehend vom festgestellten Sachverhalt stellen sich die vom Kläger in seiner Revision zu den Art 3 Art 5 der Verordnung (EG) 715/2007 angesprochenen Fragen nicht, sodass auch die von ihm angeregte Vorlage an den EUGH zur Vorabentscheidung nach Art 267 AEU nicht in Betracht kommt.

6. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2018:0050OB00062.18F.0718.000

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