OGH vom 18.06.2020, 5Ob73/20a
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei K*****, vertreten durch Mag. Claudia Vitek, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagte Partei A*****, vertreten durch Stibi Rechtsanwalts GmbH in Wien, wegen Unterlassung, Beseitigung und Wiederherstellung, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom , GZ 36 R 59/19x43, in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom , GZ 36 R 59/19x48, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Josefstadt vom , GZ 10 C 382/15f38, teilweise bestätigt, teilweise abgeändert wurde, zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Das angefochtene Urteil, das hinsichtlich der Bestätigung der Abweisung der Wiederherstellungs- und Unterlassungsbegehren zu Punkt c, d und e als unangefochten in Rechtskraft erwachsen ist, wird im Übrigen dahin abgeändert, dass das die Unterlassungs- und Beseitigungsbegehren unter Punkt a und b abweisende Urteil des Erstgerichts einschließlich dessen Kostenentscheidung wiederhergestellt wird.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei deren mit 912,41 EUR (darin 152,07 EUR USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und deren mit 1.216,91 EUR (darin 83,65 EUR USt und 715 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Streitteile sind Mit- und Wohnungseigentümer einer Liegenschaft. Der Kläger hat sein Objekt W13 (einen noch nicht ausgebauten Rohdachboden) durch Zuschlag im Zwangsversteigerungsverfahren am erworben. Die Beklagte ist Wohnungseigentümerin der W12, einer Maisonettewohnung im obersten Stockwerk samt ausgebautem Dachgeschoss. Das Objekt Top 12 wurde von der Mieterin des damaligen schlichten Mehrheitseigentümers und Rechtsvorgängers der Beklagten Mitte der 80iger-Jahre durch Ausbau eines Teils des Rohdachbodens neu geschaffen. Im Zuge dieses Ausbaus wurde eine Tür von Top 12 auf das vor dem Objekt befindliche Flachdach des Vorderdaches des Gebäudes errichtet, auf dem sich die Kaminputztüren des Hauses befinden. Dieses Flachdach war somit seit damals einerseits über das neu geschaffene Objekt Top 12 und – für den Rauchfangkehrer – über den Aufzugtriebwerksraum durch eine 70 x 80 cm große Luke erreichbar. Von anderen allgemeinen Teilen der Liegenschaft war und ist dieses Flachdach nicht zu erreichen. Schon die Mieterin des Rechtsvorgängers der Beklagten benützte dieses Flachdach unbeanstandet als Terrasse, andere Hausbewohner hielten sich dort nicht auf.
1988 kam es zur erstmaligen Parifizierung der Liegenschaft für die beabsichtigte Wohnungseigentums-begründung. Nach dem Nutzwertgutachten war dem Objekt Top 12 weder eine Terrasse zugeordnet noch gab es einen Zuschlag für den Zugang auf das Flachdach. Baurechtlich war damals die Widmung des Flachdaches als Terrasse unzulässig, weil der Rauchfangkehrer über allgemeine Teile des Hauses Zugang zu Kaminputztüren haben musste. Die ausdrückliche Widmung als Terrasse hätte baurechtlich damals die Errichtung eines Rauchfangkehrerstegs von allgemeinen Teilen bis zu den Kaminputztüren erfordert.
Nach Beendigung des Mietverhältnisses veräußerte der Rechtsvorgänger der Beklagten ihr mit Kaufvertrag vom Miteigentumsanteile zum Zweck der Begründung von Wohnungseigentum an Top 12 bestehend aus diversen Räumen sowie „einer Terrasse im Ausmaß von 48 m²“.
Am wurden die Nutzwerte neu festgesetzt, das Objekt Top 12 erhielt unter Berücksichtigung von diversen Zu- und Abschlägen einen Nutzwert von 199/1695stel Anteilen zugeordnet. Der Gutachter berücksichtigte einen Zuschlag von 5 % für den „Zugang zum begehbaren Flachdach“.
1996 unterfertigten die Liegenschaftseigentümer – darunter die Beklagte – einen Wohnungseigentumsvertrag, der auf die Entscheidungen der Schlichtungsstelle aus 1988 und 1995 Bezug nahm. Nach Punkt X 1. dieses Vertrags umfasst das Eigentumsrecht an den Objekten auch „die den jeweiligen Wohnungen zugeordneten Terrassen“. Sowohl die Beklagte als auch die übrigen Miteigentümer waren beim Abschluss des Wohnungseigentumsvertrags rechtsfreundlich vertreten. Sämtliche Vertragsparteien stellten im Zug der Vertragsverhandlungen klar, dass das nun strittige Flachdach der Beklagten bzw dem Objekt Top Nr 12 zugeordnet sein sollte, also dem Wohnungseigentümer dieses Objekts zur alleinigen Nutzung zustehen sollte, wiewohl dies wegen der Problematik des Rauchfangkehrerzugangs zu den Kaminen nach der damaligen Wiener Bauordnung nicht möglich war. Mittlerweile ist aufgrund einer Novellierung eine Zugangsmöglichkeit des Rauchfangkehrers zu den Kaminen über allgemeine Teile des Hauses nicht mehr zwingend, die aktuelle Rechtslage steht einer Widmung des Flachdaches als Terrasse baurechtlich nicht mehr entgegen.
1997 bewilligte die Baubehörde der Beklagten eine Änderung der Aufteilung innerhalb des Objekts Top 12, wobei damals ein auf Niveau des Flachdaches befindlicher Abstellraum im Ausmaß von rund 27 m² geschaffen wurde, der ausschließlich vom Flachdach aus zugänglich ist und in dem sich die Warmwasseraufbereitung für Top 12 befindet.
Die Beklagte nutzte das Flachdach ständig und unbeanstandet als Terrasse. Eine Reihe von Wohnungseigentümern hatte davon Kenntnis und dagegen keine Einwände. Dass der Kläger anlässlich seines Erwerbs im Zwangsversteigerungsverfahren Kenntnis von der Nutzung durch die Beklagte hatte, steht nicht fest.
Der Kläger begehrte – neben anderen nicht mehr strittigen, sondern rechtskräftig abgewiesenen Wiederherstellungs- und Unterlassungsbegehren –, die Beklagte habe es zu unterlassen, das begehbare Flachdach im Ausmaß von ca 48 m² auf der Liegenschaft ohne vorherige Einholung der Zustimmung der übrigen Miteigentümer zu benützen (Punkt a) sowie die vorgenommenen Veränderungen, insbesondere die aufgestellten Gartenmöbel, Blumentröge und Gartendekorationen auf diesem Flachdach zu beseitigen (Punkt b).
Das Flachdach bilde einen allgemeinen Teil der Liegenschaft, dessen alleinige Nutzung sich die Beklagte ohne Zustimmung der übrigen Miteigentümer anmaße. Nach dem baurechtlichen Konsens sei diese Fläche ein „allgemein zugängliches Flachdach“ und nicht eine Terrasse, zumal über diesen Liegenschaftsteil auch der Zugang für den Rauchfangkehrer bestehe. Weder in den Nutzwertfestsetzungsbescheiden noch im Wohnungs-eigentumsvertrag sei der Top 12 der Beklagten eine Terrasse zugeordnet. Der Rechtsvorgänger der Beklagten sei zur Veräußerung des Flachdaches als Terrasse nicht berechtigt gewesen. Eine allenfalls bestehende Benützungsvereinbarung sei dem Kläger nicht überbunden worden.
Die Beklagte wendete ein, die Terrasse sei ihrem Objekt Top 12 zugeordnet und könne nur von ihrem Objekt erreicht werden. Ein Zugang im Weg des Aufzugtriebwerksraums sei weder möglich noch gestattet. Der Kläger habe bereits bei Erwerb seiner Liegenschaftsanteile gewusst, dass es keinen anderen Zugang zum Flachdach als über das Objekt der Beklagten gebe. Im Wohnungseigentumsvertrag sei festgehalten, dass das Eigentumsrecht auch die den jeweiligen Wohnungen zugeordneten Terrassen betreffe, und im Nutzwertfestsetzungsbescheid aus 1995 sei ein Zuschlag von 5 % berücksichtigt, woraus sich die Zuordnung der Terrasse zu ihrem Objekt ergebe. Selbst wenn es sich um eine Allgemeinfläche handeln sollte, komme der Beklagten das Recht der ausschließlichen Nutzung aufgrund schriftlicher Benutzungsvereinbarung zu.
Das Erstgericht wies sämtliche Begehren ab. Die Klausel Punkt X 1. des Wohnungseigentumsvertrags umfasse auch das Flachdach, zumal in der Schlichtungsstellenentscheidung aus 1995 beim Objekt Top 12 ein Zuschlag für den „Zugang zu begehbarem Flachdach“ ausgewiesen sei. Privatrechtlich sei das strittige Flachdach dem Objekt Top 12 von den damaligen Mietern und Wohnungseigentümern zur ausschließlichen Nutzung als Terrasse zugeordnet worden. Aufgrund der jahrelangen unbeanstandeten alleinigen Nutzung des Flachdaches durch die Beklagte verbunden mit dem Umstand, dass dieses ausschließlich über das Objekt Top 12 erreichbar sei, was jeder Miteigentümer erkennen habe können, liege im Übrigen auch eine konkludente Nutzungsvereinbarung vor.
Das Berufungsgericht gab der Berufung teilweise Folge und dem im Revisionsverfahren noch strittigen Unterlassungs- und Wiederherstellungsbegehren – in modifizierter Form - statt. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichts als unbedenklich. Rechtlich vertrat es die Auffassung, im Wohnungseigentumsvertrag finde sich keine Widmung des Flachdaches als Terrasse der Wohnung Top 12. Aus dem Nutzwertfestsetzungsbescheid des Jahres 1995 ergebe sich keine Zuordnung des Flachdaches oder einer Terrasse als Zubehör. Eine konkludente Zubehörwidmung des Flachdaches komme nicht in Betracht, weil diese der Bauordnung widersprochen hätte und dies den Beteiligten bewusst gewesen sei. Der ausgewiesene Zuschlag für den Zugang zum begehbaren Flachdach sei einer Zuordnung zur Wohnung Top 12 nicht gleichzuhalten. Das Flachdach sei daher allgemeiner Teil der Liegenschaft. Eine schriftliche Benützungsvereinbarung liege nicht vor. Die Absprachen bei Errichtung des Wohnungseigentumsvertrags könnten zwar eine nach der Rechtslage des WEG 1975 wirksame mündliche Benützungsvereinbarung sein, es fehle aber an der schriftlichen Überbindung an den Kläger.
In dem über Auftrag des Obersten Gerichtshofs gefassten Berichtigungsbeschluss sprach das Berufungsgericht aus, dass der Entscheidungsgegenstand hinsichtlich der Begehren a und b insgesamt 5.000 EUR übersteige und die Revision zur Frage zulässig sei, unter welchen Voraussetzungen beim Erwerb des Wohnungseigentums durch Zuschlag im Zwangsversteigerungsverfahren ein Beitritt in eine (schlüssige) Benützungsvereinbarung anzunehmen sei.
Den abändernden Teil der Berufungsentscheidung bekämpft die Beklagte in ihrer Revision mit dem Antrag, das angefochtene Urteil auch insoweit im Sinn einer Abweisung abzuändern, hilfsweise stellt sie einen Aufhebungsantrag.
Der Kläger beantragt in seiner Revisionsbeantwortung die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig, weil die Auslegung der Widmungsvereinbarung aus Gründen der Rechtssicherheit vom Obersten Gerichtshof zu korrigieren ist. Die Revision ist demgemäß auch berechtigt.
1. Die Beklagte wendet sich gegen die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, das Flachdach sei nicht als Zubehör zur Wohnung Top 12 gewidmet worden. Dies berücksichtige den festgestellten Parteiwillen der Vertragsparteien des Wohnungseigentumsvertrags nicht. Bloß baurechtliche Aspekte seien bei einer privatrechtlich vereinbarten Widmung unbeachtlich. Da sämtliche Miteigentümer den Plan unterfertigt hätten, liege auch der Baukonsens für die Nutzung des begehbaren Flachdaches durch die Beklagte vor. Das Flachdach sei der einzige Zugang zum unstrittig der Top 12 zugeordneten Technikraum. Die den jeweiligen Wohnungen zugeordneten Terrassen laut Punkt X des Wohnungseigentumsvertrags könnten nur die beiden Flachdächer sein. Der Zuschlag von 5 % für den Zugang auf das Flachdach komme der Zuordnung als Terrasse zur Top 12 nach damaliger Rechtslage gleich. Der Kläger habe als Ersteher gemäß § 11 Abs 3 WEG 2002 die Beschränkungen aus dem Wohnungseigentumsrecht aufgrund der ihm jederzeit erkennbaren Benützungsvereinbarung ohne Anrechnung auf das Meistbot zu übernehmen.
Hiezu wurde erwogen:
2. Wohnungseigentum ist das dem Miteigentümer einer Liegenschaft oder einer Eigentümerpartnerschaft eingeräumte dingliche Recht, ein Wohnungseigentumsobjekt ausschließlich zu nutzen und allein darüber zu verfügen (§ 1 Abs 1 WEG 1975 bzw § 2 Abs 1 WEG 2002). Zubehörwohnungseigentum waren nach dem hier für den Zeitpunkt der Widmungsvereinbarung anzuwendenden § 1 Abs 2 WEG 1975 mit selbständigen Wohnungen oder sonstigen Räumlichkeiten verbundene Teile der Liegenschaft wie besonders offene Balkone, Terrassen, Keller- oder Dachbodenräume, Hausgärten, Lagerplätze und Abstellplätze für Kraftfahrzeuge, sofern sie von der Liegenschaftsgrenze, den allgemeinen Teilen der Liegenschaft, der Wohnung oder der sonstigen Räumlichkeit aus zugänglich und deutlich abgegrenzt sind. Nach § 2 Abs 2 WEG 2002 hingegen ist Zubehörwohnungseigentum nun das mit dem Wohnungseigentum verbundene Recht, andere, mit dem Wohnungseigentumsobjekt baulich nicht verbundene Teile der Liegenschaft, wie etwa Keller- oder Dachbodenräume, Hausgärten oder Lagerplätze ausschließlich zu nutzen. Die im Gesetzestext des WEG 1975 ausdrücklich aufgezählten Terrassen sind nach dem WEG 2002 dann keine zubehörtauglichen Flächen mehr, wenn sie mit dem Wohnungseigentumsobjekt baulich verbunden sind (10 Ob 19/12k; T. Hausmann in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht4 § 2 WEGRz 26 ff; Illedits in Illedits/Reich-Rohrwig Wohnrecht5§ 2 WEG Rz 12; Prader, Verflixt: Wohnungseigentumsobjekt oder Zubehör, immolex 2016, 250). Sie sind diesfalls Teil des Wohnungseigentumsobjekts. Nach der Rechtslage des WEG 1975 war eine Terrasse nicht bei der Berechnung der Nutzfläche, sondern durch einen Zuschlag bei der Nutzwertermittlung zu berücksichtigen (RIS-Justiz RS0107275). Ein Verstoß gegen diesen zwingenden Grundsatz der Parifizierung rechtfertigte nach der Judikatur des Fachsenats die Neufestsetzung der Nutzwerte (5 Ob 2346/96b). Auf die Zubehöreigenschaft des Flachdaches aufgrund Widmung als Terrasse hat sich die Beklagte hier berufen, während der Kläger behauptet, es handle sich dabei um einen allgemeinen Teil.
3.1. Allgemeine Teile der Liegenschaft sind solche, die der allgemeinen Benützung dienen oder deren Zweckbestimmung einer ausschließlichen Benützung entgegensteht (§ 1 Abs 4 WEG 1975 bzw § 2 Abs 4 WEG 2002). An allgemeinen Teilen der Liegenschaft kann Wohnungseigentum weder neu begründet werden noch bestehen bleiben, weil sie nach ihrer Zweckbestimmung (Widmung) der allgemeinen Benützung dienen. Bei notwendig allgemeinen Teilen ist die zur Wohnungseigentumsbegründung erforderliche Möglichkeit ausschließlicher Benützung durch einen Wohnungseigentümer nicht gegeben (RS0117164; RS0097520 [T7]). Da an notwendig (zwingend) allgemeinen Teilen Wohnungseigentum gar nicht begründet werden kann, ist vorweg die Frage zu klären, ob das Flachdach, auf dem sich auch die Putztüren für die Kamine des Hauses befinden, allenfalls notwendiger allgemeiner Teil der Liegenschaft ist, was der von der Beklagten behaupteten ausschließlichen Zuordnung zu ihrem Objekt Top 12 entgegenstünde. Dies ist zu verneinen:
3.2. Maßgeblich für den Charakter der Fläche als notwendig allgemeiner Teil ist die Zweckbestimmung innerhalb der Gesamtliegenschaft. Demgemäß sind etwa Flächen, die Allgemeinflächen miteinander verbinden (wie Wege), ex lege dann notwendig allgemeine Teile der Liegenschaft, wenn sie die einzigen derartigen Flächen der Liegenschaft sind (RS0125757).
3.3. Zu 5 Ob 245/04x (= wobl 2005/81 [Call]) sprach der Fachsenat aus, dass ein einem anderen Wohnungseigentümer dienender Durchgang im Dachboden sowie zu dort befindlicher Satellitenanlage und Kamintürchen der Allgemeinheit einer Einordnung als Zubehör entgegensteht und dieser Dachboden daher nur allgemeiner Teil der Liegenschaft sein kann. Call stimmte dem insoweit zu, als das von einer anderen Wohnungseigentümerin jederzeit ausübbare Recht, durch den Dachbodenraum zu ihrem im Zubehörwohnungseigentum stehenden Dachbodenteil zu gehen, die ausschließliche Nutzung dieses Raums durch den dortigen Kläger verhindere, meinte aber, dass Einrichtungen wie Kamintürchen nicht so intensiv in der Benützung der Allgemeinheit stünden, dass eine Sondernutzung im Zubehörwohnungseigentum von vornherein ausscheide.
3.4. Eine dem hier zu beurteilenden Fall vergleichbare Konstellation betraf die Entscheidung 10 Ob 19/12k. Der 10. Senat sprach dort aus, dass eine Dachterrasse, die nur mit einer bestimmten, im Wohnungseigentum stehenden Wohnung verbunden ist und daher auch nur vom entsprechenden Wohnungseigentümer benützt werden kann, Teil dieses Wohnungseigentumsobjekts ist. Weder verliert sie diesen Charakter noch wird sie zum allgemeinen Teil des Hauses, weil der Rauchfangkehrer mehrmals im Jahr die Terrasse als Zugang für das Kehren eines Rauchfangs benützen muss (RS0127972). Prader (immolex 2012/87) kritisierte die Entscheidung mit dem Argument, all diejenigen Bereiche seien zu den zwingend allgemeinen Teilen zu zählen, auf die andere Wohnungseigentümer angewiesen seien, weshalb kein Anlass bestehe, für den Fall eines notwendigen Zugangs (letztlich auch) für andere Wohnungseigentümer, auch wenn sie den durch geschultes Fachpersonal wahrnehmen, die bisher vertretenen Grundsätze zu verlassen. Demgegenüber plädieren T. Hausmann (in Hausmann/Vonkilch Österreichisches Wohnrecht4§ 2 WEG Rz 11c, 11d) und Ofner (in GeKo Wohnrecht II § 2 WEG Rz 11) für einen differenzierten Ansatz im Sinn eines beweglichen Systems: Je mehr die Nutzung durch die Eigentümergemeinschaft nur für laufende Wartungsarbeiten und je geringer die räumliche und zeitliche Inanspruchnahme hiefür wäre, umso mehr also die Nutzung durch den Wohnungseigentümer überwiege, desto eher sei die Wohnungseigentumstauglichkeit zu bejahen.
3.5. Der erkennende Senat hält den letztgenannten Ansatz für überzeugend. Liegenschaftseigentum und demgemäß auch Wohnungseigentum bringt es grundsätzlich mit sich, dass ein fallweises Betreten einer Wohnung oder Terrasse durch Dritte nicht verhindert werden darf, weil bestimmte (Wartungs-)Arbeiten durchzuführen sind oder mögliche Gefahrenquellen überprüft werden müssen. Auch § 16 Abs 3 WEG 2002 sieht eine Duldungspflicht des Wohnungseigentümers insoweit vor, als das Betreten und die Benützung des Objekts so weit zu gestatten ist, als dies zur Erhaltung der allgemeinen Teile der Liegenschaft und der Behebung ernster Schäden des Hauses erforderlich ist. Ein nur vier Mal jährlich erforderliches kurzfristiges Betreten der Terrasse für kurzzeitige Putzarbeiten am Rauchfang des Hauses bewirkt eine derart geringfügige Inanspruchnahme sowohl in räumlicher als auch zeitlicher Hinsicht, dass sie der Wohnungseigentumstauglichkeit des Objekts nicht grundsätzlich entgegensteht (vgl 10 Ob 19/12k). Dies gilt auch hier; die Behauptung der Beklagten, der Zugang des Rauchfangkehrers zu den Kaminputztürchen sei nur vier Mal jährlich erforderlich, blieb vom Kläger unwidersprochen. Das Flachdach ist daher ungeachtet seiner (baurechtlichen) Bezeichnung als „allgemein begehbar“ kein notwendig allgemeiner Teil der Liegenschaft in wohnungseigentumsrechtlicher Hinsicht.
4.1. In einem nächsten Schritt ist die Widmung dieses Flachdaches zu erörtern. Der Rechtstitel für die einem Wohnungseigentümer zustehenden Nutzungsbefugnisse liegt nach ständiger Rechtsprechung nicht in der Nutzwertfestsetzung, sondern in der Widmung (die wiederum Grundlage des Wohnungseigentumsvertrags ist). Die Festsetzung oder Bestimmung der Nutzwerte schafft daher keinen eigenen Rechtsgrund für die Nutzung, sie hat die Widmung nur nachzuvollziehen (RS0118149; RS0083252). Ob ein Wohnungseigentumsobjekt, ein Wohnungseigentums-zubehörobjekt oder allgemeine Teile vorliegen, entscheidet sich nach der privatrechtlichen Einigung (der Widmung) der Wohnungseigentümer, die im Allgemeinen im Wohnungseigentumsvertrag erfolgt (RS0120725; 5 Ob 18/19m). Ob eine vertragliche Widmung des Flachdaches als Wohnungseigentumszubehör erfolgte, also die Beklagte aufgrund des Widmungsakts einen Rechtstitel zur alleinigen Benützung hat, ist zwar von den konkreten Umständen des gerade zu beurteilenden Falls abhängig (vgl RS0114928 [T7]; RS0120725 [T3]) und vermag daher grundsätzlich keine erhebliche Rechtsfrage zu begründen, hier ist das Auslegungsergebnis des Berufungsgerichts aber korrekturbedürftig:
4.2. Vorauszuschicken ist, dass die vertragliche Widmung als Wohnungseigentumszubehör und eine daraus abzuleitende ausschließliche Nutzungsbefugnis von der sachenrechtlich wirksamen Zuordnung des Zubehörobjekts zu unterscheiden ist (vgl 5 Ob 73/99t; 5 Ob 218/13i). Hier ist im Gegensatz zur Auffassung des Berufungsgerichts nicht eine
– von diesem verneinte – schlüssige Widmung des Flachdaches als der Top 12 zugeordnete Terrasse zu prüfen; nach den Feststellungen des Erstgerichts wollten die Parteien des Wohnungseigentumsvertrags vielmehr ausdrücklich, dass dieses begehbare Flachdach (als Terrasse) ausschließlich dem Objekt Top 12 zugeordnet wird.
4.3. Nach ständiger Judikatur (RS0117165) ist eine ergänzende Auslegung von Urkunden
– soweit ein gesetzliches Schriftformgebot besteht – durch den Formzweck beschränkt. Bei der Ermittlung der konkreten privatrechtlichen Einigung der Mit- und Wohnungseigentümer über die Widmung eines bestimmten Objekts ist daher eine weitgehend objektive Betrachtung angezeigt (vgl RS0117166), maßgeblich ist der objektive Erklärungswert der Willensäußerung (5 Ob 100/14p; 5 Ob 224/15z; 5 Ob 72/19b). Selbst für eine formbedürftige Willenserklärung gilt aber der Grundsatz, dass eine bloße Falschbezeichnung nicht schadet; sie ist somit ungeachtet des Wortlauts der förmlichen Erklärung und ihres normativen Verständnisses entsprechend des tatsächlichen übereinstimmenden Verständnisses der Beteiligten gültig. Als Vertragsinhalt gilt daher, was die Parteien gewollt haben (RS0017280). Während der Parteiwille auch bei einem Rechtsgeschäft, das der Schriftform bedarf, mit Hilfe der allgemeinen Auslegungsregeln zu ergründen ist, ist nach der Andeutungstheorie, deren Reichweite durch den Formzweck begrenzt wird, die weitere Frage zu lösen, ob
– und bejahendenfalls inwieweit – der Parteiwille auch formgültig und daher rechtswirksam erklärt wurde (RS0118519).
4.4. Hier ergibt sich aus den Feststellungen des Erstgerichts eindeutig, dass die Parteien des Wohnungseigentumsvertrags wollten, dass das begehbare Flachdach der Top 12 zugeordnet wird und deren Wohnungseigentümer zur alleinigen Nutzung zustehen soll. Die Bezeichnung als „allgemein begehbares Flachdach“ wurde
– in Kenntnis der bauordnungsrechtlichen Problematik – im Nutzwertfestsetzungs- und Bauverfahren offenbar deshalb gewählt, weil die der damaligen Wiener Bauordnung widersprechende ausschließliche Nutzung als persönliche Terrasse der Baubehörde gegenüber nicht offengelegt werden sollte. Nach ständiger Judikatur des Fachsenats ist aber für die Frage der Widmung eines Wohnungseigentumsobjekts nur auf die privatrechtliche Einigung der Wohnungseigentümer abzustellen, während baurechtliche oder raumordnungsrechtliche „Widmungen“ die privatrechtlichen Rechtsverhältnisse der Wohnungseigentümer untereinander nicht definieren (RS0120725). Daraus ist aber auch zu folgern, dass eine baurechtliche Vorschrift, die möglicherweise der privatrechtlich einvernehmlich erzielten Widmung entgegenstehen könnte, für sich allein noch nicht geeignet ist, dieser ihre Rechtswirksamkeit zu nehmen. Dass die Mit- und Wohnungseigentümer aufgrund der baurechtlichen Problematik auch in wohnungseigentumsrechtlicher Hinsicht von der gewollten Zuordnung des begehbaren Flachdaches als der Top 12 zugehörige Terrasse abgesehen hätten, wie das Berufungsgericht meint, ist den Feststellungen nicht zu entnehmen.
4.5. Die am übereinstimmenden Parteiwillen der Mit- und Wohnungseigentümer orientierte Auslegung der Widmungsvereinbarung im Wohnungseigentumsvertrag findet im Vertragstext selbst Stütze, weil die Zuordnung von Terrassen zu Wohnungseigentumsobjekten dort – wenn auch nicht näher konkretisiert – ausdrücklich erwähnt ist. Nach Punkt X 1. des Vertrags erfasst das Eigentumsrecht die Gesamtfläche der im Wohnungseigentum stehenden Räume ohne tragende Decke und Wände, die den jeweiligen Wohnungen zugeordneten Terrassen sowie Tapeten, Fliesen und Fußbodenbelag, sofern sie sich im Inneren der Wohnung befinden. Mangels eindeutiger konkreter Zuordnung bestimmter Terrassen zu bestimmten Objekten erstreckt sich zwar sachenrechtlich im Sinn des § 5 Abs 3 WEG 2002 die Eintragung des Wohnungseigentums am Objekt nicht auf das Zubehörobjekt nach § 2 Abs 3 WEG 2002, an der ausdrücklich erklärten vertraglichen Widmung dieser Terrasse als Zubehörobjekt ändert dies aber nichts. Die Frage nach einer schlüssigen Widmung als Zubehörobjekt stellt sich daher gar nicht.
4.6. Der Zugang zum „Flachdach“ wurde im Nutzwertgutachten und im Nutzwertfestsetzungsbescheid somit in Nachvollzug der rechtlich wirksamen privatrechtlichen Widmungsvereinbarung berücksichtigt und ist im Gegensatz zur Auffassung des Berufungsgerichts auch ein deutlicher Hinweis für dessen Zuordnung als Zubehörwohnungseigentum, ist doch in den bestimmten Nutzwert der Wert des Zubehörs – wenn auch unter dem Titel des „Zugangs zum Flachdach“ – wertbestimmend eingeflossen (vgl 5 Ob 73/99t; 5 Ob 54/12w). Dass dieses Flachdach, das seit Mitte der 80iger-Jahre bautechnisch als Terrasse ausgestaltet ist, abgesehen von einer 70 x 80 cm großen Luke im Aufzugtriebwerksraum, die Anfang der 2000er-Jahre im Auftrag der Hausverwaltung zugemauert wurde, nur vom Objekt der Beklagten aus betreten werden kann, entspricht der von den Vertragsparteien gewollten ausschließlichen Zuordnung ebenso wie der Umstand, dass alle Wohnungseigentümer dem Bauansuchen der Beklagten für den auf dem Niveau des Flachdaches befindlichen, unstrittig deren Wohnungseigentumsobjekt zugehörigen Abstellraum im Ausmaß von 27 m² zustimmten, in dem sich ihre Warmwasseraufbereitung befindet.
4.7. Insgesamt ist daher – in obligatorischer Hinsicht – von einer Zuweisung des begehbaren Flachdaches als Terrasse und damit Wohnungseigentumszubehör nach der Rechtslage des WEG 1975 an die Wohnung Top 12 auszugehen.
4.8. Voraussetzung für die Begründung von Zubehörwohnungseigentum ist aber neben der – hier nach der Rechtslage des WEG 1975 gegebenen – „Zubehörtauglichkeit des Objekts“ und der – hier ebenfalls zu bejahenden – entsprechenden Widmung die Erfassung des Zubehörs im Rahmen der Nutzwertfestsetzung, die hier im Weg des Zuschlags zum Nutzwert erfolgte, und die Intabulation im Grundbuch oder nunmehr nach § 5 Abs 3 WEG 2002, dass sich die Zuordnung eindeutig aus dem Wohnungseigentumsvertrag oder der Nutzwertfestsetzung ergibt. Diese Eindeutigkeit ist hier zu verneinen, sodass sich das ausschließliche Nutzungsrecht der Beklagten nicht aus der sachenrechtlichen Qualifikation als Zubehör ergeben kann (vgl RS0111616 [T2, T 6]). Zu prüfen bleibt, ob sich aus der obligatorischen Einräumung des ausschließlichen Nutzungsrechts mit dem Ziel, Zubehör zu begründen, eine Benützungsvereinbarung ableiten lässt, an die auch der Kläger gebunden ist. Dies ist zu bejahen.
5.1. Nach der Rechtslage des WEG 1975 waren auch mündliche Benützungsvereinbarungen rechtswirksam, aufgrund § 15 WEG 1975 idF des 3. WÄG gegenüber gutgläubigen Erwerbern aber nur dann, wenn sie im Grundbuch eingetragen waren. Nunmehr ordnet § 17 Abs 3 WEG 2002 hingegen an, dass Benützungsvereinbarungen durch den Wechsel des Wohnungseigentümers nicht berührt werden. Allerdings verlangt § 17 Abs 1 WEG 2002 hiefür nun neben der Einstimmigkeit auch die Schriftlichkeit. Ob ein Rechtsnachfolger an vor dem WEG 2002 geschlossene mündliche oder konkludente Benützungsvereinbarungen gebunden ist, wird in der Literatur kontrovers diskutiert (vgl Prader/Malaun,Zur Frage der Bindung des Einzelrechtsnachfolgers an Verfügungsakte im WEG, immolex 2008, 134 [135] mwN; Vonkilch in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht4 § 56 WEG Rz 54 ff). Nach der Rechtsprechung wirkt sie für oder gegen den Gesamtrechtsnachfolger, für oder gegen den Einzelrechtsnachfolger aber nur dann, wenn dieser mit schriftlichem Vertrag in die Rechtsstellung seines Vorgängers eintrat oder der von seinem Vorgänger (auch konkludent) übernommenen Verpflichtung schriftlich beitrat (5 Ob 205/14d = immolex 2015/66 [Prader]). Ein schriftlicher Beitritt des Klägers, der sein Objekt durch Zuschlag im Zwangsversteigerungsverfahren erworben hat, im Sinn dieser Rechtsprechung liegt hier nicht vor.
5.2. Der Fachsenat hat aber bereits ausgesprochen, dass für bereits in Schriftform abgeschlossene Benützungsvereinbarungen vor Inkrafttreten des WEG 2002 dessen § 17 Abs 3 gilt, sodass eine solche Benützungsvereinbarung vom Wechsel des Wohnungseigentümers nicht berührt wird (5 Ob 205/03p; so auch Würth/Zingher/Kovanyi, Miet- und Wohnrecht II22 § 17 WEG Rz 11; Vonkilch in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht4 § 56 WEG Rz 56). Von einer schriftlichen Benützungsvereinbarung der Wohnungseigentümer ist hier aber auszugehen:
5.3. Die übereinstimmende Parteiabsicht bei Abschluss des Wohnungseigentumsvertrags ging dahin, das
– aus rein baurechtlichen Gründen so bezeichnete – begehbare Flachdach als Terrasse und damit Zubehörsobjekt der Top 12 zuzuordnen und deren Eigentümerin ein ausschließliches Nutzungsrecht einzuräumen. Die Zuordnung der (beiden) Terrassen im Haus zu bestimmten Wohnungen wurde im schriftlichen Vertragstext ausreichend angedeutet und durch Verweis auf den Nutzwertfestsetzungsbescheid aus 1995, der den „Zugang zum allgemein begehbaren Flachdach“ als Zuschlag ausdrücklich berücksichtigte, weiter verstärkt. Die Urkundenlage ließ daher für den Kläger als Ersteher – dessen Unkenntnis steht im Übrigen aufgrund der Negativfeststellung des Erstgerichts nicht fest – erkennen, dass die nur über das Objekt der Beklagten erreichbare Terrasse deren Objekt zur ausschließlichen Nutzung zugeordnet sein soll.
6. Damit war in Stattgebung der Revision das Ersturteil im angefochtenen Umfang wiederherzustellen. Der Kläger hat kein Recht, der Beklagten die ihr mittels Vereinbarung ausschließlich zugewiesene Nutzung des begehbaren Flachdaches als persönliche Terrasse zu verbieten.
7. Gemäß § 41, 50 ZPO hat der Kläger der Beklagten die Kosten des Verfahrens sämtlicher Instanzen zu ersetzen.
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2020:0050OB00073.20A.0618.000 |
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