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OGH 20.04.2016, 5Ob71/16a

OGH 20.04.2016, 5Ob71/16a

Rechtssätze


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Norm
MRG §16 Abs4 2.Halbsatz
RS0131094
Das Schriftlichkeitsgebot des § 16 Abs 4 zweiter Halbsatz MRG verfolgt in erster Linie Informationszwecke. Der Zweck dieser Schutzvorschrift ist es, den Mieter durch eine verbale Umschreibung mit ausreichender Klarheit darüber zu informieren, warum die Wohnung iSd § 16 Abs 4 erster Halbsatz MRG eine überdurchschnittliche Lage aufweist. Dazu genügt aber auch eine nicht unterschriebene Urkunde.
Norm
MRG §16 Abs4 2.Halbsatz
RS0131095
Dem Schriftformgebot des § 16 Abs 4 zweiter Halbsatz MRG kann daher auch ohne Unterfertigung eines Schriftstücks entsprochen werden. Mit der Übergabe eines Exposés, das auf die einen Lagezuschlag rechtfertigenden maßgeblichen Umstände hinweist, ist das gesetzlich geforderte Schriftformgebot des § 16 Abs 4 zweiter Halbsatz MRG nach seinem dargestellten Zweck auch dann gewahrt, wenn das dem Mieter ausgehändigte Schriftstück nicht vom Vermieter, sondern von einem von diesem mit der Vermittlung der Wohnung beauftragten Immobilienmakler erstellt und übergeben wurde.

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden sowie den Hofrat Dr. Höllwerth, die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache des Antragstellers M***** F*****, vertreten durch Mag. Stefan Benesch, Rechtsanwalt in Wien, gegen die Antragsgegnerin A***** AG, *****, vertreten durch Dr. Werner Loos, Rechtsanwalt in Wien, wegen § 16 Abs 2 iVm § 37 Abs 1 Z 8 MRG aus Anlass des Revisionsrekurses des Antragstellers gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , GZ 39 R 256/15h-43, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Akten werden dem Erstgericht zurückgestellt.

Text

Begründung:

Der Antragsteller begehrte die Überprüfung des vereinbarten Hauptmietzinses und der Betriebskosten seit Beginn des Bestandverhältnisses.

Das Erstgericht stellte in seinem Sachbeschluss die teilweise Unwirksamkeit der Mietzinsvereinbarung, den gesetzlich zulässigen monatlichen Hauptmietzins und dessen Überschreitung fest.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Antragstellers (in der Hauptsache) nicht Folge und bestätigte den erstgerichtlichen Sachbeschluss mit einer Maßgabe. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 10.000 EUR nicht übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Gegen diese Entscheidung richtet sich der „außerordentliche Revisionsrekurs“ des Antragstellers.

Das Erstgericht legte diesen außerordentlichen Revisionsrekurs des Antragstellers unmittelbar dem Obersten Gerichtshof vor. Diese Vorgangsweise entspricht nicht dem Gesetz.

Rechtliche Beurteilung

1. Der Revisionsrekurs ist - außer im Fall der Abänderung des Zulässigkeitsausspruchs nach § 63 Abs 3AußStrG - jedenfalls unzulässig, wenn der Entscheidungsgegenstand an Geld oder Geldeswert insgesamt 30.000 EUR nicht übersteigt und das Rekursgericht nach § 59Abs 1 Z 2AußStrG den ordentlichen Revisionsrekurs für nicht zulässig erklärt hat (§ 62Abs 3AußStrG). Das gilt gemäß § 62Abs 4 AußStrG allerdings nicht, soweit der Entscheidungsgegenstand nicht rein vermögensrechtlicher Natur ist.

2. Für die in § 37 Abs 1 MRG genannten Verfahren gelten die allgemeinen Bestimmungen über das gerichtliche Verfahren in Rechtsangelegenheiten außer Streitsachen mit den in § 37 Abs 3 MRG genannten Besonderheiten. Nach § 37 Abs 3 Z 16 MRG sind die in § 37 Abs 1 MRG genannten Entscheidungsgegenstände rein vermögensrechtlicher Natur und die maßgebliche Wertgrenze beträgt 10.000 EUR.

3. Der Bewertungsausspruch des Gerichts zweiter Instanz ist - auch im Verfahren außer Streitsachen - unanfechtbar und für den Obersten Gerichtshof bindend, wenn zwingende Bewertungsvorschriften nicht verletzt wurden, eine offenkundige Unterbewertung oder Überbewertung nicht vorliegt oder eine Bewertung nicht überhaupt hätte unterbleiben müssen (RIS-Justiz RS0042410 [T28]; RS0042450 [T8]; RS0109332 [T1]). Hier liegt keine dieser vom Obersten Gerichtshof anerkannten Ausnahmen von dessen Bindung an den Bewertungsausspruch des Rekursgerichts vor; insbesondere hat das Rekursgericht den ihm vom Gesetzgeber eingeräumten Ermessensspielraum nicht krass überschritten (vgl 5 Ob 71/14y).

4. Der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteigt demnach 10.000 EUR nicht und das Rekursgericht hat den ordentlichen Revisionsrekurs für nicht zulässig erklärt. Ohne Abänderung dieses Zulässigkeitsausspruchs nach § 63 Abs 3 AußStrG ist der Revisionsrekurs des Antragstellers daher jedenfalls unzulässig. Erhebt eine Partei - wie hier - dennoch ein Rechtsmittel, ist dieses, auch wenn das Rechtsmittel als „außerordentliches“ Rechtsmittel bezeichnet wird und an den Obersten Gerichtshof gerichtet ist, dem Gericht zweiter Instanz vorzulegen. Der Oberste Gerichtshof darf nämlich darüber nur und erst dann entscheiden, wenn das Gericht zweiter Instanz nach § 63 Abs 3 AußStrG ausgesprochen hat, dass ein ordentliches Rechtsmittel doch zulässig sei (RIS-Justiz RS0109623).

5. Eine Entscheidungskompetenz des Obersten Gerichtshofs über das Rechtsmittel des Antragstellers liegt daher jedenfalls derzeit nicht vor. Das Erstgericht wird das Rechtsmittel des Antragstellers dem Rekursgericht vorzulegen haben. Dies gilt ungeachtet dessen, dass der Antragsteller hier keinen Antrag auf Abänderung des Ausspruchs nach § 63 Abs 1 AußStrG gestellt hat, weil dieser Mangel nach § 10 Abs 4 AußStrG grundsätzlich verbesserungsfähig ist (vgl RIS-Justiz RS0109623). Ob der Schriftsatz des Rechtsmittelwerbers den Erfordernissen an eine solche Zulassungsvorstellung schon entspricht oder ob er einer Verbesserung bedarf, bleibt dabei der Beurteilung der Vorinstanzen vorbehalten (RIS-Justiz RS0109623 [T5]).

6. Aus diesen Erwägungen ist der Akt dem Erstgericht zurückzustellen.

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden, den Hofrat Dr. Höllwerth, die Hofrätin Dr. Grohmann sowie die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache des Antragstellers M***** F*****, vertreten durch Mag. Stefan Benesch, Rechtsanwalt in Wien, gegen die Antragsgegnerin A***** AG, *****, vertreten durch Dr. Werner Loos, Rechtsanwalt in Wien, wegen § 16 Abs 2 iVm § 37 Abs 1 Z 8 MRG, über den Revisionsrekurs der Antragsgegnerin gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , GZ 39 R 256/15h-43, mit dem der Sachbeschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom , GZ 45 Msch 7/13k-35, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Antragsteller ist schuldig, der Antragsgegnerin binnen 14 Tagen die mit 418,78 EUR (darin enthalten 69,80 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens zu ersetzen.

Text

Begründung:

Der Antragsteller ist Mieter und die Antragsgegnerin ist Vermieterin einer Wohnung und eines Lagers in Wien. Das Mietverhältnis begann mit und wurde auf unbestimmte Zeit abgeschlossen. Vor Abschluss des Mietvertrags händigte der mit der Vermittlung des Mietobjekts beauftragte Makler dem Antragsteller im Zuge eines Besichtigungstermins ein Exposé der Wohnung aus, in welchem auf die gute Wohnlage hingewiesen und ausgeführt wurde, dass die Infrastruktur als sehr gut bezeichnet werden könne und sich in unmittelbarer Nähe – beispielhaft
genannte – Einkaufsmöglichkeiten und öffentliche Verkehrsmittel befänden.

Der Antragsteller begehrte die Überprüfung der Angemessenheit des vereinbarten Hauptmietzinses. In Bezug auf die – im Revisionsrekursverfahren einzig strittige – Frage der Berechtigung eines Lagezuschlags brachte der Antragsteller vor, dass die Verrechnung eines Lagezuschlags im Rahmen der Miete mangels rechtzeitiger und schriftlicher ausdrücklicher Bekanntgabe unzulässig sei.

Das Erstgericht stellte in seinem Sachbeschluss fest, dass die zwischen den Streitparteien abgeschlossene Mietzinsvereinbarung in Höhe von monatlich 1.052,20 EUR netto bezüglich eines Betrags von 40,62 EUR monatlich unwirksam sei. Der gesetzlich zulässige Hauptmietzins iSd § 16 Abs 2 MRG habe im Zeitraum von bis 1.011,58 EUR pro Monat betragen, ab unter Berücksichtigung der vereinbarten Wertsicherung 1.028,83 EUR. Die Antragsgegnerin habe daher im Zeitraum von bis durch die Vorschreibung eines monatlichen Hauptmietzinses von 1.052,20 EUR den gesetzlich zulässigen Hauptmietzins von 1.011,58 EUR um 40,62 EUR monatlich überschritten. In der Begründung seiner Entscheidung führte das Erstgericht aus, dass der vom Sachverständigen ermittelte Lagezuschlag bei der Berechnung des gesetzlich zulässigen Hauptmietzinses zu berücksichtigen sei. In dem Exposé der Wohnung würden die für den Lagezuschlag maßgeblichen Umstände ausreichend deutlich angegeben. Da der Antragsteller dieses Exposé ausgehändigt bekommen habe, sei auch dem Schriftlichkeitsgebot des § 16 Abs 4 MRG entsprochen worden.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Antragstellers nicht Folge. Auf die Berechtigung zur Berücksichtigung des Lagezuschlags nahm das Rekursgericht (nur) im Rahmen der Erledigung der Beweisrüge Bezug. Mit dem Schriftformgebot des § 16 Abs 4 MRG setzte es sich dabei nicht ausdrücklich auseinander. Über Zulassungsantrag des Antragstellers sprach das Rekursgericht nachträglich aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Es stelle sich die über den konkreten Rechtsstreit hinaus bedeutsame Rechtsfrage, ob mit der Übergabe des Exposés, welches einen Verweis auf die einen Lagezuschlag rechtfertigenden maßgeblichen Umstände enthalten haben solle, das gesetzlich geforderte Schriftformgebot gewahrt sei.

Gegen diese Entscheidung des Rekursgerichts richtet sich der Revisionsrekurs des Antragstellers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, den angefochtenen Sachbeschluss dahin abzuändern, dass dem Rekurs Folge gegeben werde. Hilfsweise stellt er einen Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag.

Die Antragsgegnerin beantragt in ihrer Revisionsrekursbeantwortung, den Revisionsrekurs zurückzuweisen, in eventu diesem nicht Folge zu geben.

Der Revisionsrekurs ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig; er ist aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

1.1 Gemäß § 16 Abs 4 zweiter Halbsatz MRG ist ein Lagezuschlag nach Abs 3 leg cit nur dann zulässig, wenn die Liegenschaft, auf der sich die Wohnung befindet, eine Lage aufweist, die besser ist als die durchschnittliche Lage (§ 2 Abs 3 RichtWG) und die für den Lagezuschlag maßgebenden Umstände dem Mieter in Schriftform bis spätestens bei Zustandekommen des Mietvertrags ausdrücklich bekannt gegeben wurden. Diese Schutzbestimmung zugunsten des Mieters ist zwingend. Auf einen Zuschlag für die besondere Lage des Bestandobjekts ist daher bei der Ermittlung des zulässigen Hauptmietzinses nur dann Bedacht zu nehmen, wenn der Vermieter behauptet und nachweist, dem Mieter die für den Lagezuschlag maßgebenden Umstände fristgerecht in Schriftform bekannt gegeben zu haben (RIS-Justiz RS0111820).

1.2 Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs genügt es, wenn die entsprechenden, den Wohnwert eines Hauses beeinflussenden Kriterien schlagwortartig angeführt werden (RIS-Justiz RS0111201 [T2], RS0111820 [T3]; vgl auch T. Hausmann in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht³ § 16 MRG Rz 67; Würth/Zingher/Kovanyi, Miet- und Wohnrecht I23 § 16 MRG Rz 27; Schinnagl in Illedits/Reich-Rohrwig, Wohnrecht², § 16 MRG Rz 23).

1.3 Die „Bekanntgabe in Schriftform“ muss dem Mieter im Sinne des § 862a ABGB zugehen, das heißt, diese muss in seinen Machtbereich gelangen. Erfolgt demnach keine Zusendung per Post, kann von einem Zugang nur dann gesprochen werden, wenn das Schriftstück dem Mieter ausgehändigt wird (RIS-Justiz RS0112447).

2. Der Antragsteller macht in seinem Revisionsrekurs geltend, dass dem in § 16 Abs 4 zweiter Halbsatz MRG normierten Schriftformgebot hier mit der Übergabe eines nicht vom Vermieter, sondern von einem als Doppelmakler tätigen Dritten stammenden und nicht unterschriebenen Exposés nicht Genüge getan worden sei. Auch im Zusammenhang mit § 16 Abs 4 MRG bedeute Schriftlichkeit Unterschriftlichkeit. Außerdem habe die Bekanntgabe durch den Vermieter zu erfolgen. Dem Mieter müssten die lagespezifischen Umstände nämlich in einer Form bekannt gegeben werden, dass diesem die daraus erwachsenden möglichen Rechtsfolgen erkennbar seien. Ein durchschnittlicher Mieter könne aber nicht damit rechnen, dass die Übergabe eines nicht unterfertigten Exposés ausreiche, um einen Lagezuschlag einzuheben, weil derartige Exposés gewöhnlich keine rechtserheblichen Erklärungen des Vermieters enthalten würden.

3.1 Ein Vertrag, für den Gesetz oder Parteiwille Schriftlichkeit bestimmt, kommt nach § 886 ABGB durch Unterschrift der Parteien zustande. Entsprechend dieser Grundregel liegt Schriftlichkeit nur dann vor, wenn der Text der Erklärung auch mit der eigenhändigen Unterschrift des Erklärenden versehen ist (5 Ob 133/10k mwN). Das Gebot der Schriftlichkeit bedeutet also im Allgemeinen „Unterschriftlichkeit“ und erfordert die eigenhändige Unterschrift unter dem Text, es sei denn, das Gesetz sieht ausdrücklich eine Ausnahme vor (RIS-Justiz RS0017221 [T2], RS0078934). Die Bestimmung des § 886 ABGB über das Erfordernis der Unterschrift ist dabei nicht nur auf Verträge, sondern auch auf einseitige Erklärungen anzuwenden, für welche das Gesetz, ohne eine entsprechende Einschränkung zu machen, Schriftlichkeit normiert (RIS-Justiz RS0017216, RS0017221 [T5]).

3.2 Die Rechtsprechung hat die Maßgeblichkeit des § 886 ABGB auch bereits in Fällen bejaht, in denen das MRG die Schriftform verlangt (vgl RIS-Justiz RS0068994 [T6, T8], RS0101797, RS0112243 für die Befristungsvereinbarung; RS0124342, RS0101797 [T2], RS0112243 [T2], RS0068994 [T11] für die Vereinbarung nach § 16 Abs 1 Z 5 MRG; RS0068994 für die Vereinbarung eines Kündigungsgrundes).

3.3 Dass das gesetzliche Formerfordernis der Schriftlichkeit die Unterschrift der Parteien auf der Erklärungsurkunde verlangt, ist zwar die Regel. Aber bereits das Gesetz selbst lässt Ausnahmen von diesem Gebot der „Unterschriftlichkeit“ zu (vgl § 886 Satz 3 ABGB). Im Einzelfall kann einem gesetzlichen Schriftlichkeitsgebot daher auch ohne Unterfertigung einer Erklärung entsprochen werden. Die Zulässigkeit derartiger Ausnahmen richtet sich dabei nach dem Zweck des jeweiligen Formgebots (5 Ob 77/98d mwN; P. Bydlinski in Koziol/Bydlinski/
Bollenberger, ABGB4 § 886 ABGB Rz 7; Kalss in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.03 § 886 ABGB Rz 7/1; Dullinger in Rummel/Lukas, ABGB4 § 886 ABGB Rz 5 mwN).

4.1 Es ist demnach zu prüfen, ob der jeweilige Schutzzweck einer Norm die Einhaltung der Schriftform im Sinne der „Unterschriftlichkeit“ (durch Übermittlung eines unterschriebenen Schriftstücks) erfordert, oder ob eine andere, insbesondere eine im Geschäftsleben gebräuchlich gewordene Mitteilungsform (vgl § 886 Satz 3 ABGB) als ausreichend angesehen werden kann (vgl 5 Ob 77/98d).

4.2 So hat der erkennende Senat in der bereits mehrfach zitierten Entscheidung 5 Ob 77/98d im Zusammenhang mit der nach § 14d Abs 4 WGG in der damals geltenden Fassung des 3. WÄG gebotenen Schriftlichkeit für die Bekanntgabe der Einforderung von Erhaltungs- und Verbesserungsbeiträgen untersucht, „ob der Schutzzweck der Norm die pedantische Einhaltung der Schriftform im Sinn der Unterschriftlichkeit fordern lasse oder ob eine andere im Geschäftsleben gebräuchlich gewordene Mitteilungsform als ausreichend angesehen werden könne“. In diesem Fall hatte eine Bauvereinigung den Mietern zur erstmaligen Einhebung von Erhaltungs- und Verbesserungsbeiträgen ein Schreiben zugesandt, das keine eigenhändige Unterschriften enthielt. Der erkennende Senat kam zum Ergebnis, dass die in § 14d Abs 4 WGG idF des 3. WÄG vorgeschriebene „schriftliche Bekanntgabe“ der Einforderung des EVB nicht eigenhändig vom Vermieter unterfertigt sein müsse. Der Zweck des Schriftlichkeitsgebots liege nämlich offenbar darin, dem Mieter eine Urkunde zukommen zu lassen, die ihm den genauen Inhalt der Entscheidung seines Vermieters vor Augen führe und ihn in die Lage versetze, die Zulässigkeit der begehrten Erhaltungs- und Verbesserungsbeiträge zu überprüfen oder überprüfen zu lassen. Dazu genüge eine nicht unterfertigte Urkunde. Anders verhalte es sich freilich mit der gleichzeitig abzugebenden Verpflichtungserklärung der gemeinnützigen Bauvereinbarung, die Erhaltungs- und Verbesserungsbeiträge bestimmungsgemäß zu verwenden. Hier solle das Formgebot offensichtlich den Mieter schützen, weshalb eine Schriftlichkeit wohl nicht aus Gründen des Übereilungsschutzes, wohl aber zu Beweissicherungszwecken zu fordern sei.

4.3 Diese Grundsätze sind nach der Entscheidung des erkennenden Senats zu 5 Ob 207/02f grundsätzlich auch auf die schriftliche „Anzeige“ eines Ersatzanspruchs für Aufwendungen nach § 10 Abs 4 MRG anzuwenden. Für diese sei daher die auch im privaten Schriftverkehr üblich gewordene Mitteilungsform durch Telefax ausreichend, um der drohenden Präklusion des Anspruchs zu begegnen (vgl RIS-Justiz RS0017223). Es handle sich nämlich bloß um eine Anzeige zur Fristwahrung für eine spätere gerichtliche Geltendmachung von Ansprüchen. Eine Verpflichtung welcher Art auch immer oder Fälligkeit eines Anspruchs ergebe sich für den Vermieter daraus nicht. Dem Zweck der Anzeige, nämlich den Vermieter in die Lage zu versetzen, über künftige Forderungen des Mieters zu disponieren und sich über deren allfällige Berechtigung zu informieren, werde dadurch ausreichend Genüge getan, dass der Vermieter schriftlich die Art der Aufwendungen und die Höhe des geforderten Betrags mitgeteilt erhalte. Eine Fälschungsgefahr bestehe nach der Lebenserfahrung nicht. Durch die telekopierte Unterschrift des Mieters, die dem Vermieter schon wegen des Charakters des Dauerschuldverhältnisses bekannt sein müsse, könne bei letzterem auch kein Zweifel darüber aufkommen, dass im Zusammenhang mit der Auflösung des Bestandverhältnisses eine solche Erklärung tatsächlich vom Mieter stamme.

5.1 Eine solche teleologische Reduktion von Formvorschriften ist zwar mit größter Vorsicht handzuhaben (RIS-Justiz RS0017221 [T1, T4]). Das Erfordernis der Schriftform soll in der Regel gewährleisten, dass aus dem Schriftstück der Inhalt der Erklärung, die abgegeben werden soll, und die Person, von der sie ausgeht, hinreichend zuverlässig entnommen werden können (RIS-Justiz RS0017221). Dabei dient es vorrangig dem Übereilungsschutz des Mieters, aber auch der Beweissicherung (RIS-Justiz RS0124342). Bei bloßen Informationspflichten spricht daher vieles gegen die Notwendigkeit einer Unterschrift, da es nur darum geht, dem Empfänger bestimmte Angaben in dauerhafter Weise zur Verfügung zu stellen. In diesen Fällen genügt allenfalls die bloße Textform (P. Bydlinski aaO § 886 ABGB Rz 7 mwN; Dullinger aaO § 886 ABGB Rz 5 mwN).

5.2 Auch das Schriftlichkeitsgebot des § 16 Abs 4 zweiter Halbsatz MRG verfolgt in erster Linie Informationszwecke. Der Zweck dieser Schutzvorschrift ist es, den Mieter durch eine verbale Umschreibung mit ausreichender Klarheit darüber zu informieren, warum die Wohnung iSd § 16 Abs 4 erster Halbsatz MRG eine überdurchschnittliche Lage aufweist (vgl Hausmann aaO § 16 MRG Rz 66, Würth/Zingher/Kovanyi aaO § 16 Rz 27) und damit die Überprüfung der Berechtigung eines Lagezuschlags zu ermöglichen (RIS-Justiz RS0111820 [T2], RS0111201). Dazu genügt aber auch eine nicht unterschriebene Urkunde.

5.3 Dem Schriftformgebot des § 16 Abs 4 zweiter Halbsatz MRG kann daher auch ohne Unterfertigung eines Schriftstücks entsprochen werden. Vor diesem Hintergrund sah der erkennende Senat in seiner rezenten Entscheidung zu 5 Ob 99/15t die Voraussetzungen des § 16 Abs 4 zweiter Halbsatz MRG durch die Übergabe eines Dossiers als erfüllt an, ohne die Frage der Unterschriftlichkeit zu thematisieren. Auch das Schrifttum hat sich mit der Frage des Gebots der Unterschriftlichkeit nicht auseinander gesetzt und ein solches daher auch nicht gefordert (vgl Hausmann aaO § 16 MRG Rz 66; Würth/Zingher/Kovanyi aaO § 16 Rz 27, Schinnagl aaO § 16 MRG Rz 23; Würth in Rummel ABGB³ § 16 MRG; Dirnbacher, MRG 2013 S 318, Schinnagl, Die Lage als wertbestimmender Faktor bei der Ermittlung des zulässigen Richtwertmietzinses, Der Mieter 2015, 23 f; Kothbauer, Der Lagezuschlag zum Richtwert, immolex 2016, 208). Hausmann (in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht MRG³ § 16 MRG Rz 66) und wohl auch Dirnbacher (MRG 2013 S 318) fordern vielmehr – im Zusammenhang mit der Entscheidung 5 Ob 238/99g, in der der erkennende Senat den Hinweis auf ein Gutachten im schriftlichen Mietvertrag nicht genügen ließ, weil aus dem Hinweis auf das Gutachten die für den Lagezuschlag maßgebenden Umstände selbst nicht hervorgingen und auch eine mündliche Erörterung eine „ausdrückliche Bekanntgabe in Schriftform“ nicht ersetzen könne – eine teleologische Reduktion des Schriftformgebots des § 16 Abs 4 zweiter Satz MRG. Demnach solle die temporäre Zurverfügungstellung eines Gutachtens samt Erörterung desselben mit dem Mieter ausreichen.

6.1 Mit der Übergabe eines Exposés, das auf die einen Lagezuschlag rechtfertigenden maßgeblichen Umstände hinweist, ist das gesetzlich geforderte Schriftformgebot des § 16 Abs 4 zweiter Halbsatz MRG nach seinem dargestellten Zweck auch dann gewahrt, wenn das dem Mieter ausgehändigte Schriftstück nicht vom Vermieter, sondern von einem von diesem mit der Vermittlung der Wohnung beauftragten Immobilienmakler erstellt und übergeben wurde.

6.2 Der Immobilienmakler ist zwar regelmäßig nicht Anscheinsbevollmächtigter des Auftraggebers, aber dessen Verhandlungsgehilfe (6 Ob 25/16v). Soweit er namens seines Auftraggebers mit dem Interessenten Verhandlungen führt und diesem Informationen erteilt, wird er als Vertreter seines Auftraggebers tätig und in diesem Umfang ist seine Tätigkeit dem Geschäftsherrn zuzurechnen. Dass ein Verhandlungsgehilfe in vertraglichen Beziehungen zu beiden Vertragsteilen steht, schließt die Zurechnung seines Verhaltens an einen Vertragsteil nicht aus (6 Ob 109/09m mwN). Diese Gleichsetzung des Verhandlungsführers mit dem Auftraggeber gilt nicht nur im Zusammenhang mit der Haftung des Auftraggebers für einen vom Verhandlungsgehilfen veranlassten Irrtum (vgl RIS-Justiz RS0016309, RS0016310), sondern auch für die Erfüllung einer einen Anspruch wahrenden Informationsobliegenheit. Die „Bekanntgabe in Schriftform“ nach § 16 Abs 4 zweiter Halbsatz MRG beinhaltet im Sinne der Rechtsgeschäftslehre auch keine Willenserklärung des Vermieters. Werden die für den Lagezuschlag maßgeblichen Umstände ausreichend deutlich angegeben, genügt vielmehr die Berufung des Vermieters auf einen Lagezuschlag im Mietzinsprüfungsverfahren, um ihn zu ermitteln und zu berücksichtigen (RIS-Justiz RS0114796).

7. Der Revisionsrekurs ist somit nicht berechtigt.

8. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 37 Abs 3 Z 17 MRG. Es entspricht der Billigkeit, der obsiegenden Antragsgegnerin die Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung zuzusprechen. Mangels Anwendbarkeit des § 23 Abs 9 RATG steht für die Revisionsrekursbeantwortung aber nicht der dreifache, sondern nur der einfache (60 %) Einheitswert gemäß § 23 Abs 3 RATG zu.

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden, die Hofrätin Dr. Grohmann sowie die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache des Antragstellers M***** F*****, vertreten durch Mag. Stefan Benesch, Rechtsanwalt in Wien, gegen die Antragsgegnerin A***** AG, *****, vertreten durch Dr. Werner Loos, Rechtsanwalt in Wien, wegen § 16 Abs 2 iVm § 37 Abs 1 Z 8 MRG, über den Revisionsrekurs der Antragsgegnerin gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , GZ 39 R 256/15h-43, mit dem der Sachbeschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom , GZ 45 Msch 7/13k-35, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom , AZ 5 Ob 71/16a, wird in seinem Kopf dahin berichtigt, dass das darin genannte Erstgericht nicht „Bezirksgericht Donaustadt“ sondern „Bezirksgericht Innere Stadt Wien“ zu lauten hat.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Die im Spruch dargestellte offenbare Unrichtigkeit war gemäß § 419 ZPO iVm § 37 Abs 3 MRG und § 41 AußStrG zu berichtigen.

Zusatzinformationen


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Rechtsgebiet
Zivilrecht
ECLI
ECLI:AT:OGH0002:2016:0050OB00071.16A.0420.000
Datenquelle

Fundstelle(n):
WAAAD-68250